Full text: St. Ingberter Anzeiger

lagten den Revolver aus der Hand, hob ihn rasch 
uf und retirirte mit diesem oorpus delicti nach 
em nächsten Polizeibüreau. wo es sich herausstellte, 
aß das Mordinstrument nicht geladen war. Die 
lngeklagte behauptete, daß sie fich nur einen Scherz 
abe erlauben wollen, der Gerichtshof fand in 
mselben aber einen so ernsten Hintergrund. daß 
sie zu ein Jahr Gefängniß verurtheilte. 
(Sechs Kinder verbrannt.) Am 17. 
nachts brannten Kl. Czerlin bei Löbau (West⸗ 
reußen) Wirthschaftsgebaude nieder, wobei sechs 
inder in den Flammen den Tod fanden. 
Blüthen aus dem Briefkasten des 
euesten „Kladderadatsch“: Durch die 
Trier'sche Zeitung“ wird „Für das Bürcgermeister⸗ 
iim in Tawern, Kreis Saarburg, ein im Verwal⸗ 
ingsfache schon ziemlich erfahrener braver Junge 
esucht.“ Sie fragen: „Wenn schon die Jungen 
n Verwaltungsfache erfahren sind, dann müssen 
soch die Alten die Befähigung mindestens zu Mi⸗—⸗ 
issern des Innern haben?“ Gewiß! — Die 
eue Würzb. Ztg.“ (100) möge die Bürgschaft 
Hhernehmen für die Wahrheit nachstehender Mel— 
ung: „Aschaffenburg, 10. April. Laut magi- 
ranschem Ausschreiben werden die wegen aufge— 
etener Masern⸗Epidemie geschlossen gewesenen 
zolksschüler morgen wieder eröffnet.“ — Zur 
cularfeietr der Geburt Luthers soll, wie die 
Thüringer Zeitung“ (88) erzählt, in Erfurt ein 
estzug veranstaltet werden, der sich von der 
FIhlösserstraße nach der Augustiner-Kirche bewegen 
hirnd. „Auf dem Platze vor der Kirche werden 
zegräbnißreden und Festansprachen gehalten werden.“ 
die Katholiken Erfurt's werden mit Recht spotten 
ber solch — traurige Geburtstagsfeier. — Schreck⸗ 
iche Zustände, wenn sich bestätigt, was den „Neue⸗ 
en Rachr.“ vom 10. d. aus Amberg gemeldet 
hird mit den Worten: „Der Lehrerrath der hie⸗ 
ggen kgl. Studienanstalt hat die Demission von 
wei Gymnasiasten wegen ungeziemenden Betragens 
m betrunkenen Zustande, vorgenommen.“ 
Entscheidung des Veichsgerichts. 
)die Fälschung von Arbeitsbüchern und sonstigen 
lttesten und Legimationspapieren behufs Zuwendung 
on Almosen, welche von Privaten und mildthätigen 
Irtsgemeinden üblicherweise an den Bittsteller auf 
zrund derartiger Atteste gewährt werden, ist nach 
mem Urtheil des Reichsgerichts nicht als Ur⸗ 
undenfälschung, sondern nur als Uebertretung 
us 8 363 des Strafgeseßbuches betr. die Fälsch⸗ 
ing von Attesten zum Zweck des „besseren Fort— 
ommens“ zu bestrafen. 
F Die Begnadigung der drei im Wiener 
ting⸗ Theater⸗Prozesse verurtheilten Personen ist 
unmehr erfolgt. Auf Grund derselben wurden 
Franz Jauner und die beiden Inspicienten 
ditsche und Geringer, nachdem sie von ihrer 
uuf 4 Monaten bemessenen Strafzeit 7 Wochen 
ind 3 Tage in der Haft zugebracht hatten auf 
reien Fuß gesetzt. 
F (Ein gutes Geschäft. — Zwei Wal⸗ 
achen treten in einen Trödlerladen. — „Guten 
MNorgen!“ sagt der Eine; „ich brauche fünf Gulden, 
eihe mir sie, und ich will Dir fünf Gulden Inte— 
essen zahlen, überdies meinen Rock hier zum Pfande 
assen. „Ist's gefällig?“ Simon besinnt sich ein 
venig, endlich antwortet er, indem er eine Fünf⸗ 
uldennote aus der Tasche zieht: „Gut, Bojar, Du 
ollst Dein Verlangen haben, ziehe Deinen Rock aus.“ 
d)er Bojar thut es; der Trödler nimmt den Rock. 
Sieh'“, fangt nun Simon an, „ich borge Dir 
uf diesen Rock fünf Gulden für eben so viel 
zulden Interessen. Da es nun Sitte ist, die 
nteressen gleich abzuziehen, so behalte ich die fünf 
ulden und den Rock und Du schuldest mir noch 
ünf Gulden, worüber Du mir einen Wechsel aus⸗ 
ellen wirst.“ — Verblüfft schaut der Wallache 
rein, und sich an seinen Begleiter wendend, sagt 
tu „Jetzt habe ich keinen Rock, kein Geld und der 
derl hat doch Recht.“ 
LGEin rother Hase.) Man schreibt dem 
grobl.“ aus Kopitz in Bohmen: Vor einigen 
agen bemerkten in unserm Reviere einige Bauern 
inen rothen Hasen, was einzelne Bauern in 
hrecken bersezie. Als sich die Votschaft von dem 
othen Hasen, der am Halse auch eiwas baumeln 
8* verbreitete, klärte sich das „Wunder“ auf. 
— Brürer Bahnhofe war nämlich der Hase vom 
Ppe abgefangen worden, als er sich in 
herzaunung verirrt hatte und um keinen Jagd⸗ 
n el zu begehen, hatten sich die Männer des 
edenden Rades den Spaß geinacht, Freund Lampe 
nit Anilinroth anzustreichen und mit einem Täfel⸗ 
hen am Halse, die Bezeichnung „Eilgut⸗ Exrpreß“ 
enthaltend, ihm die Freiheit zu schenken. 
Winterthur, 285. April. Der Direktor 
zer schweizerischen Unfall-Versicherungs-Gesellschaft 
jier, Widmer, ist flüchtig gegangen; es soll ein 
»edeutendes Deficit vorhanden sein. 
Paris, 25. April. Im Ambiguetheater 
jat heute Abend in der Figuranten-Loge einige 
Minuten vor Schluß der Vorstellung eine Gaser— 
;losion stattgefunden, etwa 20 Personen wurden 
jerletzt, einige erhebliih. Das Publikum verließ 
as Theater ohne einen Unfall. 
4 Alais GDepartement Gard, Frankreich), 26. 
AIpril. In einer Steinkohlengrube bei Bessééges fand 
Ddienstag Abend eine heftige Explosion statt. 
gis Miltwoch Abend wurden 12 Todte und 26 
Berwundete aufgefunden. Beim Appell fehlten 127 
yon den in der Grube beschäftigten Arbeitern. 
(Gie Befestigung von Paris.) In 
inem soeben in Paris veröffentlichten Buche (Le 
amp Retranché do Paris) kommt der Verfasser, 
derr A. Quillet-Saint-Ange, zu dem Schluß, daß 
s selbst hei den gegenwärtigen Vertheidigungs— 
nitteln einem Feinde möͤglich ist, die französische 
dauptstadt zu blockieren, und daß die neuen Werke, 
velche das verschanzte Lager von Paris bilden, an 
ich keinen genügenden Schutz gewähren. Um die 
Zerbindung mit dem Lande aufrecht zu erhalten, 
chlägt der Verfasser vor, Paris mit Havre durch 
ine unterirdische Eisenbahn zu verbinden, die durch 
wei befestigte Linien vertheidigt werden soll, welche 
ich längs den Ufern der Seine erstrecken. Er hält 
zie Erbauung einer solchen Linie für ausführbar, 
iberläßt aber die Entscheidung darüber den Inge— 
nieuren. Die schützenden Befestigungslinien sollen 
eine ununterbrochene Linie bilden, sondern aus 34 
inzelnen Werken bestehen, die so aufgeführt werden, 
aß sie sich gegenseitig in der Flanke schützen und 
interstützen. Einundzwanzig dieser Forts würden 
mif das rechte, dreizehn auf das linke Ufer der 
Zeine zu liegen kommen. Die Länge der Befest⸗ 
gungslinie auf dem rechten Flußufer würde 119 
Neilen, die auf dem linken 82 Meilen betragen. 
Ddie Kosten der Eisenbahn und Werke werden auf 
1,200,000 Pfund Sterling berechnet, die Höhe der 
Besatzung für die schützenden Forts wird auf 
215,000 Mann angegeben. 
F Unter der Spitzmarke: Wer will 
dönig werden? erzählt der Pariser Figaro 
sanz ernsthaft von einer kleinen, im Osten von 
Zardinien gelegenen Insel, die ihr gegenwärtiger 
rigenthümer, König Humbert, dem Verkauf ausge⸗ 
etzt habe. Der Preis sei vorbehältlich des Hafens 
30,000 Lst. (ca. 600,000 Mark.) Dem Käufer 
oll es erlaubt sein, falls er Lust hade, sich den 
Titel eines Königs () beizulegen. 
(Eine Wunderwaffe.) Der Voltair 
hut wichtig mit einer großartigen Erfindung, welche 
er „Held der Belagerung“, der weltberühmte legen⸗ 
enhafte Sergeant Hoff gemacht haben soll. Es 
andeit sich um nichts Geringeres als um ein Ge⸗ 
vehr, mit welchem man des Nachts genau zielen 
ann. Für heute sei nur so viel davon gesagt, daß 
hoff und Associé Delmas im Juli vorigen Jahres 
Jarauf ein Patent nahmen. Dies und noch manches 
Andere erzählte der jetzige Hüter des Arc de l'Etoile 
dem Berichterstatter des Voltaire und fuhr dann 
ort: „Man weiß im Auslande so gut, was bei 
ins in Frankreich vorgeht, daß schon wenige Wochen 
iach der Patentirung sich wenigstens zehn wildfremde 
Menschen bei mir behufs Unterhandlungen gemeldet 
atten.“ „Und können Sie mir sagen, woher diese 
hzerren kamen?“ fragte der Voltarist. Hoff schlug 
ine gewaltige Lache auf. „Das ist wohl leichter 
u errathen; es befanden sich unter ihnen zwei oder 
)rei Engländer, die anderen waren ...“ — 
deuische? — „Noch was viel Schlimmeres: Prüs⸗ 
jens! Einer von ihnen klopfte elfmal bei mir an. 
zum Glück habe ich noch einen sicheren Fuß, ein 
icheres Auge und bin ein Trotßzkopf. Mein Associé 
ind ich haben uns fest in den Kopf gesetzt, unsere 
erfindung dürfe die Grenze nicht überschreiten. Wir 
oollen sie lieber schenken und schenken sie in der 
That unserem Lande. Ist dies nicht besser, als 
venn wir sie den Ausländern verkauften.“ 
Rom, 17. April. In ganz Jrialien ist 
chlechtes Weiter, aber einen Schneefall wie in Ka⸗ 
abrien hat der südliche Theil der Halbinsel lange 
richt mehr gesehen. Aus Acri konimt ein Klage⸗ 
rief, laut dem dieser Ort im Schnee vollständig 
egraben war. Der Schnee versperrte Thüren 
und Fenster der unteren Geschosse; die Leute mußten 
ich Gänge bahnen wie die Mäuse, um an die 
Luft zu kommen; die Pfade führten über die nied⸗ 
rig gelegenen Häuser hinweg. Gauze Wochen lang 
var jede Verbindung mit der Außenwelt abgesperrt. 
Die Postbeamten waren die ersten, die wieder Kunde 
von außen und die Zeitungen brachten. 
F London, 26. April. Dienstag Mitter⸗ 
iacht fand im Canal eine Collision zwischen zwei 
nglischen Segelschiffen statt, wobei eines sank und 
25 Mann ertranken; nur der Kapitän und der 
hochbootmann wurden gerettet. 
7 Die Londoner Gesellschaft zur Reform der 
Ddamenbekleidung, welche bekanntlich für die Ein⸗ 
ührung der Bekleidungsart der tkürkischen Damen 
Hosen mit einem kurzen Ueberröskchen) Propaganda 
nacht, wird Mitte Mai in der New-Princes-Hall, 
giccadilly in London eine Ausstellung veranstalten, 
velche von dem Prinzen und der Prinzessin von 
Wales eröffnet werden wird. Preise von Lstr. 5 
is 50 nebst Gold- und Silbermedaillen find für 
zie besten „Bekleidungsgegenstände für beide Ge— 
chlechter“ ausgesetzt, welche den Reformgedanken 
ner Gesellschaft entsprechen. 
FGleber die Eigenthümlichkeiten ver—⸗ 
chiedener Nationen.) Man nennt die Spanier 
olucres coeli, weil sie nach hohen Sachen strebten. 
die Genueser pisces maris, weil sie ihre Nahrung 
ruuf dem Meer suchten. Die Schweizer pecora 
ampi. weil sie sich von ihrem Vieh nährten. Die 
franzosen und Deutschen amphoras vini, weil sie 
jerne Wein tranken und zechten. Ein anderer 
jennt die Franzosen homines omnium horarum, 
). i. solche Leute, so in allen Sätteln gerecht seien. 
fin vornehmer Politikus sagte: eine jede Nation 
hätte ihre sonderliche Art und Manier, die Sorgen 
ind Melancholey zu vertreiben und zu stislen: Der 
Teutsche vertränkt sie, der Frantzoß versingt sie, 
der Spanier verweint sie, der Engelländer vertantzt 
ie, der Italiener verschläft sie. Ein anderer Poli— 
ikus sagte: Laß die Türken spatzieren, Mohren 
'asten, Teutschen trinken, Engelländer essen, Nieder⸗ 
änder speyen, Spanier aderlassen, Indianer tantzen, 
Ftaliener zu Mittag schlafen: Warte Du Deines 
Berufs. Sonsten wird auch von etzlichen Nationen 
esagt: „Wenn der Däne verliert die Grütze, der 
Frantzmann den Wein, der Schwabe die Suppe 
ind der Teutsche das Bier, so sind sie verlohren 
ille vier.“ 
die indischen Gaukler und Schlan— 
zenbeschwörer haben einen alten wohlbegründeten 
skuf. Zum ersten Male sah ich — schreibt ein 
steisender der Pall⸗Mall-Gazette — solche Brüder 
er Magierzunft während meines Aufenthaltes zu 
Parell bei Bombay. Es waren ein Paar alte zer⸗ 
umpte Gesellen, gefolgt von einer Schaar gleichfalls 
ilter Weiber in Flitterstaat, die den musikalischen 
Theil der Vorstellung besorgten. Diese wurde durch 
dunststücke eingeleitet, welche auch abendländischen 
zauberern nicht ganz unbekannt sind und mit gutem 
erfolg auf Jahrmärkten produzirt zu werden pflegen. 
Zesonders Feuerverschlingen und Feierspeien dürfte 
azu zu rechnen sein. Die höheren Zauberkünste 
ourden durch den Tanz zweier Kobras eingeleitet. 
Ddiese bösartigen Reptilien, die jedoch ihrer Gift⸗ 
‚ähne beraubt sind zischten ganz unerwartet aus 
wei Korben hervor, nachdem sich zuerst Jedermann 
non deren Leerheit überzeugt hatte. Wuth und 
Furcht drückten sich in ihren Tanzbewegungen aus, 
ind es schien, als ob sie sich am liebsten auf ihre 
Beschwörer gestürzt und den angethanen Zwang 
nit tödtlichem Gifte vergolten hätten. Sodann 
ieß das Künstlerpaar in kürzester Zeit einen nied 
ichen, 18 Zoll hohen Mangobaum unter einem 
ilten Tuche aus der Erde emporwachsen, nachdem 
ie erst den Samenkern sorgfältig eingelegt hatten. 
Darauf war ein zwölfjähriger Knabe an Händen 
ind Füßen fest gebunden und, in ein Netz gewickelt, 
in einen Korb verpackt. Bald rührte es sich im 
dorbe, Strick und Netz wurden unter dem Deckel 
zurchgeschoben, und als der Alte, darüber erbost, 
ꝛen Korb zertrat und zerstampfte und einen spitzen 
Ztock durch das Geflecht stieß, da regte sich bei 
den Zuschauern das Gefühl des Mitleids für den 
irmen Jungen und der Entrüstung gegen den grau— 
amen Alten. Aber siehe da, der Junge lachte vom 
nächsten Baume heruntier, und der Korb war leer. 
Inzwischen waren dem kleinen Mangobaum unter 
der schützenden Decke allerliebste Miniaturfrüchte ge⸗ 
vachsen. So führten die Gaukler ihr ganzes Zau—⸗ 
erprogramm durch, dieselben Stücke, wie sie von 
steisenden schot viele hundert Mal, gesehen und