St. Indberter Anzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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A 86.
Samstag, 5. Mai 1883.
iti verfassung, nach welchem Sr. Majestät dem Kaiser
Politische Uebersicht. 8 Verantwortlichkeit des Reichskanzlers die
Deutsches Reich. Ueberwachung der Ausführung der Reichsgesetze zu⸗
Aus der Rheinpfalz wird dem „Irkf. steht, und auf Artikel 638, nach welchem das ge⸗
4. geschrieben: Der Reichstagsabgeordnete Dr. sammte Reichsheer unter dem Befehl des Kaisers
zuhl hai in der Unfallversicherungscommission steht, beehre ich mich, darauf aufmerksam zu machen,
inen Antrag eingebracht, von dem man in der daß die Militärverwaltung des deutschen Heeres
falz wohl ausnahmslos wünschen wird, daß er veder im —— noch zu demselben eine Stel⸗
Zestandtheil des betreffenden Gesezes würde, den ung hat, welche ihr die Empfangnahme und Be⸗
Antrag, den zu Versichernden die Fe uerwehr⸗ olgung von Aufforderungen dieser hohen Körpver⸗
nänner in Ausübung ihres Dienstes zuzuzählen. chaft ermöglicht.
daß dabei unter dem Ausdruck, Dienst“ nicht blos Jeden Gesetzvorschlag und jede für den Bundes⸗
die Thätigkeit beim Ausbruch von Bränden, sondern rath bestimmte Mittheilung wird der unterzeichnete
zuch die sämmtlichen obligatorischen größeren und Reichskanzler bereitwillig zur Kenntniß Sr. Majestät
leineren Uebungen, Ausmärsche ꝛc. der Mannschaften des Kaisers und zur Berathung des Bundesraths
mit einbegriffen seien, halten wir sür selbstver- hringen. Und wenn eine solche Vorlage die Militär⸗
taändlich. Die Frage nach irgend welcher Art der Verwaltung betrifft, so werden deren Organe im
bersicherung der Feuerwehrmänner ist bei uns seit Bundesrath Gelegenheit haben, sich über dieselbe
Jahr und Tag eine brennende. In früheren Jahren miszulassen. Gegen die dem erwähnten Antrage
jatte man in den Städten die freiwilligen Feuer, u Grunde liegende Voraussetzung der Moͤglichkeit
pehren, deren Mitglieder zumeist im Beschädigungs- iber, daß die Militärverwaltung des Reichs ver⸗
all auf eine Unterstützung gar nicht rechneten oder Iflichtet oder berechtigt sein könnte, direkten Auf—⸗
m Falle des Bedürfnisses aus einer ebenfalls frei· orderungen des Reichstags Folge zu leisten oder
villigen Unterstützungskasse eine solche erhielten. vieselben auch nur amtlich entgegenzunehmen, glaube
In den Landgemeinden aber war von einer Ord- ich im Namen Sr. Majestät des Kaisers Ver⸗
nung des Feuerlöschwesens sehr wenig zu merken. wahrung einlegen zu sollen, und bitte
Seit etwa 2 Jahren nun hat die Kreisregierung SFure Hochwohlgeboren ergebenst, dieselbe zur
nit aller Energie darauf gedrungen, daß in saͤmmt⸗ denntiniß des Reichstags zu bringen. Der Reichs-
ichen Gemeinden der Pfalz die Pflichtfeuerwehren anzler v. Bissmarck.“
ingeführt werden, und es darf angenom men werden, Der Brief hat im Hause einen sensationellen
vaß die Organisa tion nunmehr allgemein durchge- Findruch gemacht.
ührt ist. Als Pflichtige gelten in den meisten In Reichstagskreisen ist man der An—⸗
hgemeinden die männlichen Einwohner vom 20. ächt, die Vertagung des Hauses am 10 Mai für
is 50. Lebensjahr, mit sehr geringen durch das die Pfingstferien eintreten zu lassen. Die erste Les—⸗
hesetz festgestellten Ausnahmen. Nachdem man ung des Elats soll. wenn irgend möglich, bis da⸗
un so weit gekommen, da scheint es denn doch hin noch abgehalten werden. —
uch überaus selbstverständlich, daß nun eine öffentliche Ausland.
zürsorge getroffen werde, in welcher die Bürger, Die Tripel-Allianz hat nun glüdlich die
velche im Dienste des öffentlichen Wohles Gesunde Runde durch alle großen europaischen Parlamente
leit und Leben in die Schanze zu schlagen gezwungen Jemacht. Doch klarer wird der Horizont weder
nerden, im Beschädigungsfall für sich und ihre hurch die Aeußerungen der Minister in Pest, Rom
Familien vollgiltigen Erfatz erhalten. Der bei imnd London, noch huch durch die allerjungsie dom
einen Uebungen oder bei einem Brande beschadigte derzog v. Broglie provocirte Kundgebuͤng Challe⸗
vdet verunglückte Feuerwehrmann hat auf, diese nelLacour's im franzöfischen Senat. In⸗
Schadlos haluung dasselbe Recht, wie der im Dienst dessen durfte man nach Ansicht Brogue's auf die
derunglückte Soldat. Daß diese Schadloshaltung Frilärungen des ungarischen und des italienischen
aur auf dem Wege einer allgemeinen Versicherung Ministers in Frankreich nicht schweigen, da die Welt
Feuerwehrmänner möglich ist, erscheint dabei donst glauben dönne, es fehle der franzosischen Volte
unbestreitbar. Wohl zu erwägen bleibt aber, Ferireiung an Einsicht, und bei derselben herrsche
für den Versicherungsbeitrag die versicherten ine auffollende Gleichgiltigtet, oder das repubu—
— wenn auch nur zu einem kleinen aanische Parlament besitze nicht denselben Grad der
An selbst auflommen sollen, oder ob den Vere Freiheit wie die monarchischen Parlamente. Der
erungebeitrag die Gemeinden, Districte ꝛc., in ragliche drei Mächtebund sei nicht eine Defensiv⸗,
ꝛeten Dienst sie thätig find, etwa zu leisten haben ondern ane Offensiv-Allianz. An einem Vorwand
538 um Angriff, sagt der Interpellant, werde es im
dieth H9. Prinz Arnulf wird sich als Feeigneten Moment den Verbuündeten ja nicht fehlen.
7 r S. M. des Konigs von Bayern zu üls Frankreich nach Tunesien rückte, habe es auch
e l. M. in Moskau, Statt findenden Jesagt, die Krumirs greifen uns an. Solche Kru—
ung des Kaisers Alexander III. begeben. mirs stünden Jedermann zur Verfügung. Frank⸗
Berlin, 2. Mai. Bei Beginn der Reichs- reich sei zur Zeit isolirt und ohnmächtig; das Land
uun hung wird folgendes Schreiben des bdedürfe deshalb der Beruhigung. Aus diese offen⸗
eichbkanzlhers an den Präͤsidenten vertheilt: herzigen Geständnisse, mit denen der ehemalige Mi⸗
„Unter Nr. 280 der Reichstagsdrucksachen liegt nister seinen Beklemmungen Luft gemacht, hatte
nAntrag vor: Thallemel⸗Lacour wenig Tröstliches zu erwidern.
Der Reichstag wolle beschließen: Er gestand einfach zu, daß eine Annäherung der
Die Militärverwaltung aufzufordern, den Ge- drei Mächte vorhanden sei; was das Abkommen
dsabenieb in Militärwerkstätten für Privatrech- zum Ziele habe, das wäre zwar zu wissen sehr
—* den Handelsverlehr der Cantinen mit Civil- interessant, aber nachzuweisen einfach unmöglich.
Weren und die Verwendung von Pferden der Mili- Man müsse eben einstweilen an die friedlichen Ver⸗
erwaltung zum Lohnfuhrgewerbe zu untersagen.“ icherungen Tisza's und Manzini's glauben, die
Mit Bezuqnahme auf Artikel 17 der Reichs- zewiß nicht ohne Wahrbeit seien. Denn ein ernst⸗
18. Jahrg
hafter Staatsmann könne unmöglich daran denken,
Frankreich aus dem europäischen Concerte zu ver⸗
drängen. Frankreich werde auf seiner Hut sein,
doch habe man in gewissen Augenblicken Schweigen
zu bewahren und darin zeige sich die Würde der
stegierung. — Auf der Rechten war man mit dieser
»hrasenhaften Abfindung wenig zufrieden und der
derzog v. Broglie war so klug wie zuvor. Sein
ind seiner Partei Erfolg war einzig der, dem re⸗
publikanischen Ministerum eine vorübergehende Ver⸗
legenheit bereitet zu haben. Weiter hatte es wohl
auch keinen Zweck.
Dublin, 2. Mai. Der sechste und siebente
des Mordes im Phönixparke Angeklagte, Delamy
und Caffrey, bekannten sich schuldig und wurden
zum Tode verurtheilt.
Seit einer Woche zirkulirende Gerüchte über
neue Entdeckungen nihlistischer Umtriebe im
russischen Heere erhalten sich mit solcher Hartnäckig⸗
eit, daß es geboten ist, von ihnen Notiz zu nehmen.
Die „Presse“ läßt sich darüber aus Petersburg
näheres telegraphisch melden. Nach den Angaben
dieses Blattes wurden am 24. v. M. in Peters⸗
zurg in aller Stille acht Offiziere verhaftet, darunter
ein Oberst, Lehrer an der Constantinow-Junkerschule,
wei Artillerieoffiziete und drei Marineoffiziere.
Vorher hatte man in Smolensk sechzehn Personen,
davon die Mehrzahl Artillerienffiziere, verhaftet.
Bleichzeitig sind Verhaftungen in Perm und Jekate—⸗
rinoslaw vorgenommen worden. Man ist, wie es
sdeißt, einer ziemlich weitberbreiteten Militärver⸗
schwörung auf die Spur gekommen. Die Ver—⸗
chworenen standen mit den früheren Terroristen in
engen Beziehungeu und hatten ihre eigenen Exekutiv⸗
Zomités gebildet. Das Haupt⸗Komité scheint seinen
Sitz in Smolensk aufgeschlagen zu haben, während
die Komités in Petersburg, Perm und Jekarinoslaw
nur Filialen waren. Der Zweck der Verschwörung
oll der Umsturz der Selbstherrschaft gewesen sein
uind direkt die Dynastie Romanow bedroht haben;
ierner war es die Absicht der Verschwörer, „wo⸗
nöglich“ eine republikanische Regierungsform in
stußland einzuführen. In Smolensk sind sehr
vichtige Schriftstücke aufgefunden worden, aus
velchen hervorgeht, daß die Aktion der Verschwörer
zleich, nachdem die Krönung stattgefunden hätte
und die Krönungsfeste abgeschlossen waren, beginnen
s'ollte. Die Krönung selbst soll weder von den
Terroristen, noch von anderen Revolutionären gestört
verden. In Petersburg gingen die Verhaftungen
zanz still vor sih, nur in Smolensk wurde von
beiden Seiten geschossen. Dort fand man auch
eine große Anzahl der neu verbesserten Wurfgeschosse
mit Dynamitladung.
Schwere Anklagen sind es, welche der irische
Convent in Philadelphia, der sich nunmehr
auf unbestimmte Zeit vertagt hat, gegen England
erhoben. Es sind Resolutionen angenommen worden,
welche die Engländer beschuldigen, die Irländer seit
Jahrhunderten verfolgt zu haben, dieselben der
Früchte ihrer Arbeit beraubt und sie zur Auswan⸗
»erung gezwungen zu haben. England wird auch
für die Hungersnath verantwortlich gemacht. Keine
Form von Grausamkeit gebe es, die England nicht
gegen die Irländer im Namen der höchsten Civili⸗
sation ausgeübt habe. England habe irische Kinder
ermordet und irische Frauen englischen Wüstlingen
preisgegeben. Für alle Arten verheerender Angriffe
habe Englands Barbarci in Irland das Beispiel
geliefert, es gäbe keine Form von Repressalien
Seitens der Irländer, für welche Enaland nicht