Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Indberter Anzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
zlatt und Sonntags mit S8seitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1A 40 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 14 75 H, einschließlit 
0 Z Zustelungsgebuhr. Die Ein rückungsgebühr fur die Agespaltene Sarmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 Z, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 , bei Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
A 86. 
Samstag, 5. Mai 1883. 
iti verfassung, nach welchem Sr. Majestät dem Kaiser 
Politische Uebersicht. 8 Verantwortlichkeit des Reichskanzlers die 
Deutsches Reich. Ueberwachung der Ausführung der Reichsgesetze zu⸗ 
Aus der Rheinpfalz wird dem „Irkf. steht, und auf Artikel 638, nach welchem das ge⸗ 
4. geschrieben: Der Reichstagsabgeordnete Dr. sammte Reichsheer unter dem Befehl des Kaisers 
zuhl hai in der Unfallversicherungscommission steht, beehre ich mich, darauf aufmerksam zu machen, 
inen Antrag eingebracht, von dem man in der daß die Militärverwaltung des deutschen Heeres 
falz wohl ausnahmslos wünschen wird, daß er veder im —— noch zu demselben eine Stel⸗ 
Zestandtheil des betreffenden Gesezes würde, den ung hat, welche ihr die Empfangnahme und Be⸗ 
Antrag, den zu Versichernden die Fe uerwehr⸗ olgung von Aufforderungen dieser hohen Körpver⸗ 
nänner in Ausübung ihres Dienstes zuzuzählen. chaft ermöglicht. 
daß dabei unter dem Ausdruck, Dienst“ nicht blos Jeden Gesetzvorschlag und jede für den Bundes⸗ 
die Thätigkeit beim Ausbruch von Bränden, sondern rath bestimmte Mittheilung wird der unterzeichnete 
zuch die sämmtlichen obligatorischen größeren und Reichskanzler bereitwillig zur Kenntniß Sr. Majestät 
leineren Uebungen, Ausmärsche ꝛc. der Mannschaften des Kaisers und zur Berathung des Bundesraths 
mit einbegriffen seien, halten wir sür selbstver- hringen. Und wenn eine solche Vorlage die Militär⸗ 
taändlich. Die Frage nach irgend welcher Art der Verwaltung betrifft, so werden deren Organe im 
bersicherung der Feuerwehrmänner ist bei uns seit Bundesrath Gelegenheit haben, sich über dieselbe 
Jahr und Tag eine brennende. In früheren Jahren miszulassen. Gegen die dem erwähnten Antrage 
jatte man in den Städten die freiwilligen Feuer, u Grunde liegende Voraussetzung der Moͤglichkeit 
pehren, deren Mitglieder zumeist im Beschädigungs- iber, daß die Militärverwaltung des Reichs ver⸗ 
all auf eine Unterstützung gar nicht rechneten oder Iflichtet oder berechtigt sein könnte, direkten Auf—⸗ 
m Falle des Bedürfnisses aus einer ebenfalls frei· orderungen des Reichstags Folge zu leisten oder 
villigen Unterstützungskasse eine solche erhielten. vieselben auch nur amtlich entgegenzunehmen, glaube 
In den Landgemeinden aber war von einer Ord- ich im Namen Sr. Majestät des Kaisers Ver⸗ 
nung des Feuerlöschwesens sehr wenig zu merken. wahrung einlegen zu sollen, und bitte 
Seit etwa 2 Jahren nun hat die Kreisregierung SFure Hochwohlgeboren ergebenst, dieselbe zur 
nit aller Energie darauf gedrungen, daß in saͤmmt⸗ denntiniß des Reichstags zu bringen. Der Reichs- 
ichen Gemeinden der Pfalz die Pflichtfeuerwehren anzler v. Bissmarck.“ 
ingeführt werden, und es darf angenom men werden, Der Brief hat im Hause einen sensationellen 
vaß die Organisa tion nunmehr allgemein durchge- Findruch gemacht. 
ührt ist. Als Pflichtige gelten in den meisten In Reichstagskreisen ist man der An—⸗ 
hgemeinden die männlichen Einwohner vom 20. ächt, die Vertagung des Hauses am 10 Mai für 
is 50. Lebensjahr, mit sehr geringen durch das die Pfingstferien eintreten zu lassen. Die erste Les—⸗ 
hesetz festgestellten Ausnahmen. Nachdem man ung des Elats soll. wenn irgend möglich, bis da⸗ 
un so weit gekommen, da scheint es denn doch hin noch abgehalten werden. — 
uch überaus selbstverständlich, daß nun eine öffentliche Ausland. 
zürsorge getroffen werde, in welcher die Bürger, Die Tripel-Allianz hat nun glüdlich die 
velche im Dienste des öffentlichen Wohles Gesunde Runde durch alle großen europaischen Parlamente 
leit und Leben in die Schanze zu schlagen gezwungen Jemacht. Doch klarer wird der Horizont weder 
nerden, im Beschädigungsfall für sich und ihre hurch die Aeußerungen der Minister in Pest, Rom 
Familien vollgiltigen Erfatz erhalten. Der bei imnd London, noch huch durch die allerjungsie dom 
einen Uebungen oder bei einem Brande beschadigte derzog v. Broglie provocirte Kundgebuͤng Challe⸗ 
vdet verunglückte Feuerwehrmann hat auf, diese nelLacour's im franzöfischen Senat. In⸗ 
Schadlos haluung dasselbe Recht, wie der im Dienst dessen durfte man nach Ansicht Brogue's auf die 
derunglückte Soldat. Daß diese Schadloshaltung Frilärungen des ungarischen und des italienischen 
aur auf dem Wege einer allgemeinen Versicherung Ministers in Frankreich nicht schweigen, da die Welt 
Feuerwehrmänner möglich ist, erscheint dabei donst glauben dönne, es fehle der franzosischen Volte 
unbestreitbar. Wohl zu erwägen bleibt aber, Ferireiung an Einsicht, und bei derselben herrsche 
für den Versicherungsbeitrag die versicherten ine auffollende Gleichgiltigtet, oder das repubu— 
— wenn auch nur zu einem kleinen aanische Parlament besitze nicht denselben Grad der 
An selbst auflommen sollen, oder ob den Vere Freiheit wie die monarchischen Parlamente. Der 
erungebeitrag die Gemeinden, Districte ꝛc., in ragliche drei Mächtebund sei nicht eine Defensiv⸗, 
ꝛeten Dienst sie thätig find, etwa zu leisten haben ondern ane Offensiv-Allianz. An einem Vorwand 
538 um Angriff, sagt der Interpellant, werde es im 
dieth H9. Prinz Arnulf wird sich als Feeigneten Moment den Verbuündeten ja nicht fehlen. 
7 r S. M. des Konigs von Bayern zu üls Frankreich nach Tunesien rückte, habe es auch 
e l. M. in Moskau, Statt findenden Jesagt, die Krumirs greifen uns an. Solche Kru— 
ung des Kaisers Alexander III. begeben. mirs stünden Jedermann zur Verfügung. Frank⸗ 
Berlin, 2. Mai. Bei Beginn der Reichs- reich sei zur Zeit isolirt und ohnmächtig; das Land 
uun hung wird folgendes Schreiben des bdedürfe deshalb der Beruhigung. Aus diese offen⸗ 
eichbkanzlhers an den Präͤsidenten vertheilt: herzigen Geständnisse, mit denen der ehemalige Mi⸗ 
„Unter Nr. 280 der Reichstagsdrucksachen liegt nister seinen Beklemmungen Luft gemacht, hatte 
nAntrag vor: Thallemel⸗Lacour wenig Tröstliches zu erwidern. 
Der Reichstag wolle beschließen: Er gestand einfach zu, daß eine Annäherung der 
Die Militärverwaltung aufzufordern, den Ge- drei Mächte vorhanden sei; was das Abkommen 
dsabenieb in Militärwerkstätten für Privatrech- zum Ziele habe, das wäre zwar zu wissen sehr 
—* den Handelsverlehr der Cantinen mit Civil- interessant, aber nachzuweisen einfach unmöglich. 
Weren und die Verwendung von Pferden der Mili- Man müsse eben einstweilen an die friedlichen Ver⸗ 
erwaltung zum Lohnfuhrgewerbe zu untersagen.“ icherungen Tisza's und Manzini's glauben, die 
Mit Bezuqnahme auf Artikel 17 der Reichs- zewiß nicht ohne Wahrbeit seien. Denn ein ernst⸗ 
18. Jahrg 
hafter Staatsmann könne unmöglich daran denken, 
Frankreich aus dem europäischen Concerte zu ver⸗ 
drängen. Frankreich werde auf seiner Hut sein, 
doch habe man in gewissen Augenblicken Schweigen 
zu bewahren und darin zeige sich die Würde der 
stegierung. — Auf der Rechten war man mit dieser 
»hrasenhaften Abfindung wenig zufrieden und der 
derzog v. Broglie war so klug wie zuvor. Sein 
ind seiner Partei Erfolg war einzig der, dem re⸗ 
publikanischen Ministerum eine vorübergehende Ver⸗ 
legenheit bereitet zu haben. Weiter hatte es wohl 
auch keinen Zweck. 
Dublin, 2. Mai. Der sechste und siebente 
des Mordes im Phönixparke Angeklagte, Delamy 
und Caffrey, bekannten sich schuldig und wurden 
zum Tode verurtheilt. 
Seit einer Woche zirkulirende Gerüchte über 
neue Entdeckungen nihlistischer Umtriebe im 
russischen Heere erhalten sich mit solcher Hartnäckig⸗ 
eit, daß es geboten ist, von ihnen Notiz zu nehmen. 
Die „Presse“ läßt sich darüber aus Petersburg 
näheres telegraphisch melden. Nach den Angaben 
dieses Blattes wurden am 24. v. M. in Peters⸗ 
zurg in aller Stille acht Offiziere verhaftet, darunter 
ein Oberst, Lehrer an der Constantinow-Junkerschule, 
wei Artillerieoffiziete und drei Marineoffiziere. 
Vorher hatte man in Smolensk sechzehn Personen, 
davon die Mehrzahl Artillerienffiziere, verhaftet. 
Bleichzeitig sind Verhaftungen in Perm und Jekate—⸗ 
rinoslaw vorgenommen worden. Man ist, wie es 
sdeißt, einer ziemlich weitberbreiteten Militärver⸗ 
schwörung auf die Spur gekommen. Die Ver—⸗ 
chworenen standen mit den früheren Terroristen in 
engen Beziehungeu und hatten ihre eigenen Exekutiv⸗ 
Zomités gebildet. Das Haupt⸗Komité scheint seinen 
Sitz in Smolensk aufgeschlagen zu haben, während 
die Komités in Petersburg, Perm und Jekarinoslaw 
nur Filialen waren. Der Zweck der Verschwörung 
oll der Umsturz der Selbstherrschaft gewesen sein 
uind direkt die Dynastie Romanow bedroht haben; 
ierner war es die Absicht der Verschwörer, „wo⸗ 
nöglich“ eine republikanische Regierungsform in 
stußland einzuführen. In Smolensk sind sehr 
vichtige Schriftstücke aufgefunden worden, aus 
velchen hervorgeht, daß die Aktion der Verschwörer 
zleich, nachdem die Krönung stattgefunden hätte 
und die Krönungsfeste abgeschlossen waren, beginnen 
s'ollte. Die Krönung selbst soll weder von den 
Terroristen, noch von anderen Revolutionären gestört 
verden. In Petersburg gingen die Verhaftungen 
zanz still vor sih, nur in Smolensk wurde von 
beiden Seiten geschossen. Dort fand man auch 
eine große Anzahl der neu verbesserten Wurfgeschosse 
mit Dynamitladung. 
Schwere Anklagen sind es, welche der irische 
Convent in Philadelphia, der sich nunmehr 
auf unbestimmte Zeit vertagt hat, gegen England 
erhoben. Es sind Resolutionen angenommen worden, 
welche die Engländer beschuldigen, die Irländer seit 
Jahrhunderten verfolgt zu haben, dieselben der 
Früchte ihrer Arbeit beraubt und sie zur Auswan⸗ 
»erung gezwungen zu haben. England wird auch 
für die Hungersnath verantwortlich gemacht. Keine 
Form von Grausamkeit gebe es, die England nicht 
gegen die Irländer im Namen der höchsten Civili⸗ 
sation ausgeübt habe. England habe irische Kinder 
ermordet und irische Frauen englischen Wüstlingen 
preisgegeben. Für alle Arten verheerender Angriffe 
habe Englands Barbarci in Irland das Beispiel 
geliefert, es gäbe keine Form von Repressalien 
Seitens der Irländer, für welche Enaland nicht