St. Ingbeyter Anzeiger
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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M 9.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Die Ausrüstung auch des zweiten, bisher noch
mit dem Werder⸗Gewehr bewaffneten bayerischen
Armeekorps mit dem Mausergewehr M.
71 wird jetzt als beendet bezeichnet. Die einheit⸗
liche Bewaffnung der stehenden deutschen Armee
würde also mit 1882 ihren Abschluß erzielt und
der Vorgang dieser Neuausrüstung im Ganzen 11
Jahre, nämlich den Zeitraum von 1871 ab, in
Anspruch genommen haben.
Berlin, 11. Jan. Die „Nordd. Allg. Ztg.“
schreibt: Die Londoner „Pall Mall Gazette“ meldet,
daß ein Handschreiben des Deutschen Kaisers an
den Papst im Vaiikan eingetroffen sei. Die Nach—
richt ist richtig; wie wir hören, ist im Schreiben
des Kaisers die Antwort enthalten auf ein vom
Papst im vorigen Monat erhaltenes Handschreiben.
Der württembergische Staaisminister v. Mitt⸗
nacht wird dem Vernehmen nach binnen Kurzem
in Berlin eintreffen. Seine Ankuuft wird in
Zusammenhang gebracht mit dem Austausch von
Ansichten zwischen der bayerischen und württem⸗
bergischen Regierung über die Frage der Postwerth⸗
jeichen.
Aus der dem Reichssstage zugegangenen Denk⸗
schrift uber die Ausführung der Münzgesetzgebung
ergiebt sich, daß bis Ende 1882 an Goldmünzen
1,776,067,395 Mark ausgeprägt worden sind; halbe
Kronen werden seit zwei Jahren nicht mehr geprägt.
Die durch Bundesrathsbeschluß vom 22. April 1881
angeordnete Ausprägung von etwa 15 Millionen
Mark Einmarkstücken ist im Mai 1882 beendigt
worden. Bis Ende 1882 waren an Silbermünzen
überhaupt 442,089,837 Mark ausgeprägt, wozu
im Ganzen 4,421, 155 Pfund Feinsilber überwiesen
wurden. Es ergab sich dabei ein Münzgewinn von
42,752,888 Mark, wogegen die Goldausprägung
einen solchen von — 8,230,058 Mark ergeben hat.
Der Bestand an Silberbarren stellte sich Ende
vorigen Jahres auf 188,954 Pfund. (Dem, Münz⸗
gewinn“ stehen natürlich ein entsprechender Minder⸗
werth der zum Theil bekanntlich unterwerthig aus⸗
geprägten Münzen, sowie ferner die Verluste an
dem Gehalt der zum vollen Nennwerth eingezogenen
alten Münzen gegenüber.)
Ausland.
London, 10. Jan. Das Unglück der durch
die Ueberschwemmung so furchtbar heimgesuchten
Rheingegend hat hier unter den gebildeteren Classen
allgemeine Theilnahme hervorgerufen. Die hier so
zahlreich vorhandenen Deutschen suchen ihren un⸗
zlücklichen Landsleuten durch Sammlungen in Clubs
und Privatcirkeln so viel wie möglich beizustehen.
Durch das gute Beispiel Amerikas angeregt, be⸗
ginnen auch die Engländer sich zur Betheiligung
an diesem Liebeswerke zu rühren; so forderten die
gestrigen „Daily News“ in einem Leitartikel den
Lordmajor auf, sich für eine Sammlung für die
so vielfach verwandten Deutschen an die Spitze zu
stellen. Hoffentlich geschieht dieses, wobei dann
die Ueberschwemmten noch auf eine schöne Summe
rechnen koͤnnten.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
— Auch in Blieskastel hat sich ein Frauen—
berein gebildet. Frau Oberförster Martin ist
Vorsteherin.
Sonntag, 14. Januar 1883.
—18. Jahrg.
— Laut Mittheilung des „Frkf. Joun.“ wird
demnächst in Zweibrücken der Verein der
Branntweinbrennereibesitzer der Pfalz
eine Generalversammlung abhalten, in welcher unter
Anderem die Vereinsorgane definitiv gewählt werden
ollen. Der Zweck des Vereins ist die Hebung des
Branntweinbrennereigewerbes und die Wahrung
der Mitgliederinteressen. Als nächstes Ziel hat sich
der Verein die Erstrebung einer einfachen Instruktion
zum Branntweinsteuergesetz, möglichste Reduzirung
der Schreibarbeiten für den Brenner und Anderes
gesetzt.
Die „Pf. Post“ berichtet aus Pirma—
sens, daß der Eisenhändler Adolf Bloch von
dort durchgebrannt sei und seine Frau und Kinder
sitzen gelassen habe. Bloch soll falsche Wechsel im
Betrage von 10 bis 15,000 Mk. ausgestellt haben.
— In Kusel ereignete sich nach der „Kais.
Ztg.“ am 10. ds. bei Bierbrauer Häberle ein be—
dauernswerther Unglücksfall. Ein fleißiger Arbeiter
Namens Müller, Familienvater, aus Dutweiler
Preußen), war in dem Eiskeller des Herrn Häberle
oeschäftigt, glitt aus und stürzte ca. 3 Stockwerk
hoch in die Tiefe. Der Arzt constatierte einen
Schädelbruch und man glaubt, daß der Arme an
der Verwundung erliegen wird.
— Am Donnerstag wurde auf dem Wege von
Landau nach Queichheim der? ljährige Dienst⸗
knecht Knochel von seinem eigenen Fuhrwerk über⸗
fahren und blieb sofort todt.
— Nach einer Notiz des „L. Anz.“ wird der
Schaden, den das Hochwasser in Pfortz und
Marimiliansau an Gebäulichkeiten und Feld⸗
früchten anrichtete, nach einer provis. Zusammen⸗
tellung auf 140 - 150,000 Mk. geschätzt.
— Speyer, 12. Jan. Se. Majestät der
Konig haben den Landrath auf Mittwoch den 17.
ds. Mis. zur Berathung eines an ihn zu bringen⸗
den Antrages über Wiederherstellung der zerstörten
und beschädigten Rheindämme sowie über Milder⸗
ing der Lage der durch Ueberschwemmungen Heim—
Jesuchten einzuberufen geruhl.
— Kirchheimbolanden, 12. Jan. Heute
Morgen sind der kgl. Untersuchungsrichter und ein
Staatsanwalt des Landgerichts Kaiserslautern dabier
eingetroffen und nehmen beide Beamte zahlreiche
daussuchungen bei Einwohnern vor, welche im Ver⸗
dachte stehen, sich fortgesetzt an socialdemokratischen
Umtrieben zu betheiligen.
— Ludwigshafen, 12. Jan. Se. Exc.
derr Staatsminister Frhr. v. Feilitzsch traf
jestern Nachmittag hier ein, fuhr jedoch direct nach
Speyer weiter, um dort zunächst mit Sr. Exc.
dem Herrn Regierungspräsidenten v. Braun über
die nothwendigen Schritte in Berathung zu treten.
Wie lange der Aufenthalt des Herrn Ministers in
der Pfalz dauern wird, ist noch unbestimmt.
Pf. K)
— Ludwigshafen, 12. Jan. Die Direktion
der Zuckerfabrik Frie den Sau macht dem Central⸗
hilfskomité auf dem Stadthause die Mittheilung,
daß der Aufsichtsrath auf ihren Antrag genehmigt
habe, dem Hilfskomitéèé die Summe von 2000 Mt.
und außerdem 5000 Centner Mastviehfuttermittel
velche gleichfalls einen Werth von 2000 Mk. re⸗
)räsentiren, zur Verfügung zu stellen. Außerdem
jat die Zuckerfabrik bis auf weiteres die unent⸗
zeltliche täg liche Lieferung von 40 Liter Milch
ugesagt. —Pf. K.)
H. C. L. Ludwigshafen a./Rh., 12. Jan.
Die überschwemmten Gebiete haben sich in eine
große, unabsehbare Eisfläche verwandelt. Leider ist
durch den Umschlag der Witterung von frühlings⸗
varmem Wetter zu starkem Frost die Absicht, mög⸗
lichst schnell an den Wiederaufbau und die Aus⸗
hesserung der zerstörten und beschädigten Gebäude
zu gehen, in weitere Ferne gerückt worden. Andrer⸗
eits steht jedoch zu erwarten, daß die Kälte die
Wassermassen immer mehr zurückdrängt. Jetzt erst,
wo die hartbetroffenen Ortschaften wieder zugäng⸗
lich sind, tritt das Unheil, welches die letzten De⸗
zembertage über uns heraufbeschworen, in seiner
zanzen Größe vor Augen. Das Bild, welches die
Dörfer Friesenheim, Oppau, Edigheim in ihrer
jetzigen Gestalt bieten, ist erschütternd und herzbe⸗
wegend und tiefe Traurigkeit erfüllt uns, wenn
wir dem Gedanken nachhängen, wie die Verhält⸗
nisse in nächster Zukunft sich entwickeln werden.
Und doch durfen und sollen wir den Muth nicht
änken lassen, denn die Hilfe, welche uns in so
ceichem Maße aus allen Theilen des deutschen
Vaterlandes und von jenseits des Ozeans gespendet
wurde, gibt uns die feste Hoffnung, daß auch aus
diesem Kampfe gegen das verheerende Element und
eine furchtbaren Folgen der Mensch als Sieger
herborgehen wird. Mit innigem Danke wurde die
unde von den hochherzigen Gaben, welche der
deutsche Kaiser und der König von Bayern den
Unglücklichen zuwiesen entgegengenommen und die
Entsendung des Ministers v. Feilitzsch in unsere
Pfalz ist uns Gewähr dafür, daß von Seiten der
Staatsregierung alle Mittel aufgeboten werden,
um den Schaden nach Moͤglichkeit zu lindern.
Indessen muß neben der Privaäthilfe auch die Pri⸗
datwohlthätigkeit immer auf's neue in Anspruch
zenommen werden, wenn der auf mindestens 7
Millionen Mark sich beziffernde Verlust nur in
seinen schlimmsten Consequenzen abgeschwächt werden
soll. Man bedenke wohl, was es heißt, 500
»is 600 total zertrümmerte Gebäude neu aufzurichten,
nindestens die gleiche Zahl vollständig herzustellen,
Quadratmeilen, versandeten und verschlammten Fel⸗
des zu säubern und wieder fruchtbar zu machen,
Tausenden den bescheidenen Hausrath zu ersetzen,
hnen für Monate hinaus den nöthigsten Unterhalt
zu gewähren, ihnen Saatfrucht zur Bestellung der
Aecker dazureichen. Dazu sind große, sehr große
Mittel nöthig. Die hochherzige Opferwilligkeit,
welche in diesen schweren Tagen die schönsten und
edelsten Früchte gezeitigt hat, darf und wird nicht
ermatten angesichts des Elends und des Jam—
mers, die zu beseitigen, angesichts der Thränen
don 1200 Un zlücklchen, die zu trocknen sind.
— Einen theuren Hasen schoß der Fabrikant
Fr. W. Kuhn von Altleiningen. Derselbe schoß
in einer andern als der ihm gehoͤrigen Jagdge⸗
markung. Die Strafkammer zu Frankenthal
berurtheilte ihn zu 60 Mk. Geldstrafe, in die Kosten
und confiscirte die gehandhabte Jagdflinte. In
Summa kommt der verflixte Haase auf 200 Mk.
zu stehen.
— Das Central⸗Comite des bayerischen Frauen⸗
Vereines in München hat einen Bevollmächtigten
in der Person des Herrn Landgerichtsarztes Dr.
stuby aus Augsburg in die Rheinpfalz ge⸗
sendet, mit der Aufgabe, die überschwemmten Ge—⸗
biete zu bereisen, um an Ort und Stelle von den
Verhältnissen Einficht zu nehmen und dem Central⸗
domité Bericht zu erstatten.