Full text: St. Ingberter Anzeiger

Eine Berliner Gerichtsscene, 
dann erzählen Sie mal die Geschichte, wie sie 
h Ihrer Meinung liegt.“ — so wandte sich der 
igende der II. Strafkammer zu Berlin an 
urbeiter Erdbrecher, nachdem er sich vergeblich 
—5— hatte, den Sachderhalt zu klaren. Herr 
hen stand nämlich mit seiner Frau, seinem 
Lehne und seiner Tochter unter der Anklage des 
srafbaren Eigennutzes, weil die ganze Familie eines 
Rorgens aus ihrem Domicil „gerückt“ war. — 
Agal: Will ick Ihnen sagen, Herr Staatsan⸗ 
—VXX da nich zu erzählen. Was die Frau 
ginde is, die kann uns Alle gewogen bleiben, sie 
—J Ansprüche nich an uns, und se kriegt ooch 
sch. — Präs.; Damit kommen wir nicht weiter. 
Zin Sie heimlich ausgezogen ? — Frau E.: J 
po weren wir denn ... Angekl.: Mutter, sei stille, 
Iu dist nich jefragt. — Präs.; Ich frage in der 
That den Angeklagten. — Angetl.: Was de Linde'n 
z, die mag ja woll Heimlichkeiten haben, aber wat 
Iir sind, wir können uns immer von de liebe 
onne bescheinen lassen, wir sind allemal reinlich 
iud reell. — Präs.: So ganz reinlich scheint die 
soche doch nicht gewesen zu sein, vielmehr sollen 
Sie die Frau Linde, Ihre Wirthin, gröblich be— 
shimpft saben. — Frau E.: Wer das behaupten 
wil, der is ein .. — Angekl.: Ruhig, stille, 
Rulter, jetzt fragt mir der Herr Staatsanwalt. 
Frau E.: Solche Jeschichten nehmen wir nich 
nal in die Hand, noch viel weniger in den Mund. 
aAngekl.: Du hast ja janz recht, Muiter, aber 
m schweige Dir aus, denn der Staatsanwalt red't 
mit mir. — Präs.: Womit wollen Sie denn 
Ihr Ausziehen rechtfertigen ? — Angekl.: Was de 
Jnde'n iß, die hat uns ja Stückener zwölfmal 
hagt, wir sollen doch man blos machen, daß wir 
urs Haus kommen; sie wollte ihrem Schöpfer 
hunken, wenn wir erst raus sind. Wie wir aber raus 
wollten, da wollte sie nich. Natürlicher Weise hat 
je mich verklagt aufs Amtagericht, aber der Amts ⸗ 
walt hat uns 'ne ganze Stunde zugehört, und 
zann hat er gesagt, ihm is die janze Geschichte 
nich klar, wir sollen man zu Hause gehen. — 
— auch nicht 
dar. — Angekl.: Na, ick kann Ihnen sagen, mir 
iz se selber nich janz klar. Aver aufs Amtsgericht, 
da war ich janz momentan, da hat die Linde ge— 
agt... Frau E.: Sie will jar nichts haben, hat 
je jesagt, und wir blos ziehen, hat sie jesagt .. 
Angekl.; Mutter, Du hast ja ganz recht, denn Du 
zist eine kluge Frau, aber menge Dir doch nich! 
cin, wenn; der Staatsanwalt mit mir spricht. — 
hräas.: Sie behaupten also, daß Frau Linde gesagt, 
aß, wenn Sie die Wohnung räumen, sie keine 
Ansprüche geltend machen würde? — Angekl.: So 
i et. — Präs.: Wer war denn bei dieser Aeußer— 
ung zugegen? — Angekl.: Meine Zeugen, wenn 
die natuͤrlich nicht angenommen werden, davor kann 
id nich! — Praͤs.: Der Gerichtshof wird dann 
zur weiteren Aufklärung der Sache einen neuen 
Termin anberaumen und Ihre Zeugen vorladen. 
* Frau E.: Das ist nett, Herr Gerichtshof, wir 
sahen gleich jesehen, daß Sie janz vernünftige Leute 
iind. — Angekl.: Halt' Dir nich mit Redensarten 
uff, Mutter, der Herr Staatsanwalt hat mit Dir 
noch gar uich gesprochen. — Damit zog Herr Erd— 
zrecher mit seiner treuen Ehehälfte und seinen bei— 
den Kindern wieder aus dem Gerichtssaal. 
f Wie einer in der Lotterie ge— 
dinnt.) In der Oranienstraße in Berlin wurde 
im Donnerstag eine silberne Hochzeit gefeiert und 
ie Silberbraut von ihrem Silberbräutigam mit 
inem recht praktischen Hochzeitsgeschenk überrascht 
Drelbe überreichte der Lebensgefährtin, die erheb⸗ 
ich junger ist als er, 21000 Mark mit den Wor ⸗ 
en: „Das ist mein Lotteriegewinn.“ Auf die ver⸗ 
dne Bemerkung der erfreuten Gattin, daß der 
Ann ja ihres Wissens seit 1870 nicht mehr ge— 
pielt habe, entgegnete er laͤchelad: „Eben darum 
sle ip das gewonnen. Es sind die Einsatze für 
ersüche und ein sachsisches Viertel, die 
— prompt in meine eigene Kasse erlegt 
— Das Verfahren ist jedenfalls beachtens 
denn um eine solche Summe zu gewinnen, 
—* wan schon einen der kleineren Hauptgewinne 
—** * das passirt den meisten in fünfzig 
Shu Zürich, 1 Mai. Soeben wurde die 
FJ eizerische Landesausstellung eröffnet. Die Theil— 
me der Bevölkerung war großarlig. 
Amsterdam, 1. Mai. Die Eröffnung 
Her Ausstellung fand bei prächtigem Wetter durch 
den König und die Königin Punkt J Uhr statt. 
* Ueber die große vielbesprochene Bruke 
swischen Newyork und der Schwesterstadi 
rooklyn macht ein Newyorker Fachblatt fol—⸗ 
jende Angaben: Die Thürme, auf welchen die 
Drahtseile ruhen, stehen hart an beiden Ufern und 
aben eine Bogenweite von 1895 Fuß. Die Fron⸗ 
en der Steinkonstruktivnen, welche die Enden der 
Drahtseile festhalten, sind vom Mittelpunkt der 
khlüren 930 Fuß entfernt. Die Brücke hat somit 
zrei Bogen in einer Entfernung von 3460 Fuf 
uind ist mit den beiden Zugängen beinahe 6000 
Fuß lang. Die Höhe der Thürme über dem Was— 
erspiegel ist 288 Fuß. Ihre Fundamente hahen 
ꝛine Lünge von 170 Fuß bei 102 Fuß Breite 
Die Steinkonstruktionen für die Enden der Draht. 
eile sind 89 Fuß hoch, 129 Fuß lang und 119 
Fuß breit. Das Mauerwerk der Thürme mißt 
5. 000 Kubik⸗ Yards, dasjenige der Construktionen 
ür die Drahtseil-Enden 66. 000 Kubik⸗-Yards. Der 
Fahrweg ist 883 Fuß breit und ruht auf vier 
Hrahtseilen, die jedes einen Durchmesser von 15 
goll haben und aus 54834 Drähten zusammenge— 
etzt ist. Die sämmtlichen Drähte der vier Draht⸗ 
ele haben eine Länge von 14. 000 Meilen, oder 
nehr als die halbe Länge rund um die Erde herum. 
Dei Draht ist von Stahl und die vier Kabel wie⸗ 
zjen zusammen nahezu 3500 Tonnen. 
FAbraham Lincoln, der vielbetrauerte 
ermordete Präsident der Vereinigten Staaten, war 
ein wegen seiner liebenswürdigen Höflichkeit und 
seiner humanen Gesinnung in den weitesten Kreisen 
hekannter und viel besprochener Mann. Er betrat 
einst, so erzählt Schorer's Familienblatt, von Se⸗ 
nator Sumner begleitet, die Pferdebahn, in der 
ein Neger saß, der sich beim Eintritt des Präsi⸗ 
enten ehrfurchtsvoll grüßend erhob, um ihm seinen 
Sitz anzubieten, was Lincoln — mit einer danken · 
en Geberde und den Hut tief ziehend — ablehnte. 
„Ich danke Ihnen, mein Herr — behalten Sie 
Platz!“ „Warum ziehen Sie den Hut so tief vor 
einem Neger?“ fragie ihn Sumner erstaunt. „Mein 
Freund, wollen Sie, daß ein Neger mehr Höoflich⸗ 
Zit und Kourtoisie entwickle, als ich?“ war die 
prompte Entgegnung des Prasidenten, und er drängte 
sich durch die gefüllte Pferdebahn, um auf dem 
borderen Perron stehend, seine Cigarre zu Ende zu 
rauchen. 
Eine echt amerikanische Wette fand 
kürzlich in Cincinnati statt. Einige Herren befanden 
ich zum Gabelfrühstuͤck in dem Weinhause des 
Herru Heinly, darunter Ex-Bürgermeister Jakob, 
MNike Ryan, Präsident drs Gemeinderathes, Philipp 
Emig, einer der sechs Superintendenten des Straßen ⸗ 
reinigungs- Departements, und William Scharnhorst, 
Besitzer einer Blechwaaren⸗Fabrik. Dieselben tranken, 
lachten und machten allerlei Hokus⸗Pokus, als plötz⸗ 
lich Emig sagte: 
Sieh hier, Scharnhorst, Sie koͤnnen keine 
harte Arbeit verrichten; Sie haben in ihrem ganzen 
deben noch keine harte Arbeit gethan.“ 
„Ich kann so hart arbeiten wie Sie,“ erwiderte 
Scharnhorst, „und es mag sein, daß meine Arbeit 
noch als die beste anerkannt wird.“ 
„Sie können nicht mit meinen Leuten als 
Straßenreiniger arbeiten,“ replicirte Philipp Emig. 
„Das kann ich wohl, für je eine Flasche Cham— 
pagner für alle, die hier versammelt sind.“ 
Die Wette wurde angenommen und alle An⸗ 
wesenden gezählt. Es waren 17. Scharnhorst 
sollte am nächsien Tage seine Probe ablegen, und 
Ppunkt 7 Uhr Morgens stellte Herr Scharnhorst sich 
ein, in seinen gewoöͤhnlichen guten Kleidern, aber 
ohne Cylinderhut und Diamantbrustnadel, die er 
sonst zu tragen pflegie, und nachdem ihm der eiserne 
Besen überreicht worden war, fing er an, die Vine— 
Straße oberhalb des Kanals tapfer mit reinigen 
zu helfen. Es konnte nicht ausbleiben, daß die 
Neuigkeit sich schnell verbreitete und die Folge war, 
daß die Freunde des Herrn Scharnhorst sich massen⸗ 
haft um ihn versammelten, um sich über das unge⸗ 
wohnte Schauspiel lustig zu machen. Scharnhorsi 
aber kümmerte sich nicht um sie, sondern arbeitete 
unverdrossen weiler. Einladungen, einen Trunl 
zu nehmen, lehnte er nur mit einem wundervollen 
Schütieln des Kopfes ab. Gefüllte Biergläser, 
welche ihm in der verführerischsten Weise von schönen 
Frauenhand hingehalten wurden, konnten seinen an 
der Arbeit gefundenen Geschmack nicht verscheuchen 
uind welche Witze auch über ihn gerissen werden 
mochten von Männern, Jünglingen und Frauen 
er verhielt sich ihnen gegenüber standhaft und selbst 
als ein Photograph mit seinem Apparat erschien, 
um ihn in seiner absonderlichen Position abzunehmen, 
ließ er sich dies gefallen, ohne seinem Besen ab⸗ 
trünig zu werden. Er harrte standhaft auf seinem 
Posten aus, bis die Stunde der Ablosung schlug, 
und gewann unter großem Halloh die Wette. 
Das Fortrücken von Häusern (Gnouso 
moving) wird jetzt mit besonderer Virtnosität in 
der Stadt New-NYork betrieben, und während ein 
Haus von der Battery bis nach High⸗Bridge hinauf—⸗ 
gerückt wird, können die Insassen ruhig darin schlafen 
und, wenn sie wollen, auch Gesellschaften geben. 
Soll das „Fortrücken“ geschehen, so werden in die 
Border⸗ und Hiuterwände Löcher gebohrt, groß 
genug, daß die „Nadeln,“ etwa' sechzig Fuß lange 
izalken, horijontal durch die ganze Lange des Ge⸗ 
zäudes gehen, und zwar an den Punkten, auf denen 
das Hauptgewicht ruht. Dann schiebt man die 
HDebel darunter und das Haus wird langsam 
mporgehoben, so daß es auf diesen und auf den 
Nadein“ steht. Unter letztere kommen alsdann große, 
mit Fett bestrichene Balken und die Hebel dienen 
zum Fortschieben. Während der Bau über diese 
Balken fortgleitet, werden andere an deren Stelle 
»avorgelegt, und so geht die Arbeit etwa fünfund⸗ 
wanzig Fuß per Tag fort. Gewöhnlich beträgt 
die zurückzulegende Entfernung nur hundert Fuß, 
uind es sind Fälle, wie der, wo Jemand sein Haus 
su weit auf den Grund und Boden eines fremden 
Zauplatzes vorgebaut hat. 
47 Einepikante Erläuterung zu der 
Bemerkung, daß gewöhnlich stille zWerdienste und 
ruhiges Wirken übersehen würden, gab vor Kurzem 
ein wegen seines Sarkaßmus bekannter Herr, indem 
er sagte — 
Was nützt's, daß alle Harmonie'n, Du mit Dir 
trägst, * 
Wenn mit der Zunge Du dazu nicht Tamtam 
schlägst! 
Iterbefälle. 
Gestorben: in Herxheim bei Landau Ludwig 
Schultz, Branntweinbrennereibesitzer; in Klingen— 
münster Frau Eva Hoffmann, geb. Ott, 29 
J. a.; in Bolanden Georg Philipp Hauen— 
dein J., früher Bürgermeister, 72 J. a.; ebenda⸗ 
elbst Heinrich Schneider, Schreinermeister; in 
Rheinzabern Michael Mellinger, k. Notar, 72 
J. a.; in Pirmasens Friedrich Kleinkopf, kgl. 
Rentbeamte, 57 J. a.; ebenda Georg Justus, 
60 J. a.; in Homburg Sophie Stern, geb. 
Oppenheimer; in Quierschied (Regbez. Trier) 
Julius Sponheimer, kgl. Förster, 43 J. a.; 
in Landau Christian Daetz, Schuhmacher, 50 J. a.; 
in Dürkheim Andrees Wagner, 82 J. a. eben⸗ 
da Ludwia Freunscht, 27 J. a. 
Dienfslesnachrichten. 
Die kath. Pfarrei Großbockenheim im Kanton 
Grünstadt wurde dem Pfarrverweser Schöfer in 
Großsteinhausen verliehen. — Der protest. Schul⸗ 
verweser Jakob Schäfer in Ellerstadt wurde zum 
Lehrer an der protest. Schule in Duttweiler ernannt. 
Narktberichte. 
Zweibrücken, 2. Mai. (Fruchtmittelpreis und Vik⸗ 
uqlienmarti.) Weizen O M. 65 Pf., Korn 0O M. — Pf. 
Spelz O M. — Pf., Spelzkern — M. — Pf Dinkel 
M. — Pf. Mischfrucht 7 M 60 Pf. Hafer 7 M. 
19 Pf., Erbsen O M. — Pf., Wicken O M. — Pf., 
Gerfie zweireihige O M. — Pf. vierreihige 0 M. — Pf. 
Kartoffeln 3 M. 90 Pf., Heu 8 M. 50 Pf., Stroh M., 
50 Pf. Weißbrod 12/3 Kilogr. 54 Pf., Kornbrod 8 Kilo 
58 Pf., Gemischtbrod 3 Kilogr. 73 Pf., paar Weck 90 Gr. 
6 Pff, Kindfleisch J. Qual. 66 Pf., II. Qual. 60 Pf. Kalb⸗ 
Jeisch 50 Pf. Hammelfleisch 60 Pf. Schweinefleisch 55 Pf., 
Futter 1/3 Kilogr. 1 M. 25 Pf. Wein 1 Liter 80 Pf., 
Bier 1 Liter 24 Pf. 
Homburg, 2. Mai. (Fruchtmittelpreis und Viktu⸗ 
lienmartt.) Weizen ꝰ M. 88 Pf., Kora 7 M. 28 Pf., 
Spelzkern — M. — Pf. Spelz 0 M. — Pf., Gerste 
zreihige O M. — Pf. G.este fkreihige — M. — Pf., 
dafer“7 M. 54 Pf., Mischfrucht u7 M. 832 Pf., Erbsen 
De. — Pf., Widen 0M. — pPf., Bohnen O, M. 
— ppf, Kleesamen — M. — Pf., Kornbrod 6 Pfund 
58 Pf. Gemischtbrod 6 Pfund 70 Pf. Ochsenfleisch — Pf., 
Rindfleisch 60 Pf., Kalbfleisch 500 Pf., Hammelfleisch —- Pf., 
Schweinefleisch z0 Pf. VButter 1 Pfund 1 M. 15 Pf., 
Zartoffeln per ZFentner 4 M — Pf. 
— Gerichtigung.) In vor. Nr. wolle 
im 2. Artikel unter * St. Ingbert Etadtraths⸗ 
ätzung betr.) in der 6. Zeile statt Pfalz — Platz 
md in der 7. Zeile statt abgelehrt — abgelehnt 
gelesen werden. 
Für die Reyaktion verantwortlich F. X Dementz.