Full text: St. Ingberter Anzeiger

Bericht weist nach, daß auch im vergangenen Jahre 
die Thätigkeit der Gesellschafi nach allen Richtungen 
jin eine große war, und daß bei ihr Hilfe und 
Unterstützung in umfassender Weise angerufen und 
auch gewährt wurden, soweit es möglich war, resp. 
oweit die vergleichsweise viel zu geringen Ein— 
nahmen es zuließen. Da neuerdings die Angelegen⸗ 
heit der Sorge für die ankommenden Einwanderer 
Zie dffentliche Aufmerksamkeit in höherem Grade 
erregt hat, so wollen wir aus dem Berichte folgen⸗ 
den Satz anführen: „Seit Eröffnung des Landungs⸗ 
»latzes für Emigranten in 1847 sind nahezu 
7,000,000 Einwanderer — also mit deren Nach— 
kommen binnen der letzten 35 Jahre beingahe ein 
Viertel der jetzigen Bevölkerung der Ver. Staaten 
und darunter etwa 3,000000 Deutsche durch 
Castle-Garden gegangen, und eine Schließung 
desselben und das Landen der Ausgewanderten an 
den Landungsplätzen der verschiedenen Dampferlinien, 
würde dieselben wieder dem Unfug aller Art preis— 
gjeben, welchen sie vor Errichtung der Einwande⸗ 
rungs⸗Commission ausgesetzt waren.“ Im Jahre 
1884 wird die Deutsche Gesellschaft die Feier ihres 
hundertjährigen Bestehens begehen. Es ist 
beschlossen, hierzu als Festschrift eine Geschichte der⸗ 
selben herauszugeben, sowie auch eine Bibliothek zu 
ammelu. Zur Erreichung beider Aufgaben, welche 
der Kasse nicht zur Last fallen sollen, erbittet der 
Ausschuß die Mithilfe Anderer, resp. baldigste 
Finsendung von geeigneten Schriften, denn „es 
darf keine Zeit versäumt werden, damit nicht ver⸗ 
soren gehe, was gegenwärtig — anscheinend viel · 
leicht, unbeachtet oder unzugänglich im Besitze 
Finzelner — noch existirt; zu solch' gemeinnützigem 
Zweck sollte der Gesellschaft alles Geeignete zur 
Verfügung gestellt werden, da in deren Händen 
zurch Ordnen, Ergänzen, Catalogisiren ꝛc. dasselbe 
einen größeren Werth erhalten muß.“ Die Adresse 
der Deuischen Gesellschaft ist: 13 Broadwayh. 
New⸗ York. 
Vermischtes. 
München, 4. Mai. Die heute veröffent- 
ichte Bilanz der vorjährigen „Nürnberger Ausstel- 
ung“ ergibi bei einer Netiveinnahme von 1,745,378 
Mark den bedeutenden Ueberschuß von 457,000 Mt. 
Die Garantiezeichner verzichten auf Rückerstattung 
der gemachten Vorschüsse. 
F In München fand am Mittwoch die feier⸗ 
liche Eröffnung des die Schlacht bei Weißenburg 
darstellenden großen Panoramas von Schlachten⸗ 
naler Professor Braun statt. Minister v. Lutz, 
von Feilitzsch, von Riedel, mehrere Generale, hohe 
Militärs, Beamte und viele Künstler und Kunst⸗ 
treunde wohnten der Feier bei. Das Gebäude hat 
10 Meier Frontlänge, die Rotunde einen Durch— 
messer von 40 Meter, die im Centrum derselben 
hefindliche Tribüne kann 200 Personen aufnehmen. 
Die zum Gemälde verwendete Leinwand bildet einen 
Streifen von 120 Meter Länge und 14 Meter 
Breite und ist in ihrer ganzen Breite auf einem 
Webestuhle gemacht, dem einzigen dieser Art in 
Furopa. Das Ganze ist Eigenthum des Barons v. 
Erlanger in Frankfurt a. M. und hat in runder 
Summe 500,000 Mt. Herstellungskosten erfordert. 
Die Ziehung der Giesing-Münchener 
irchenbau-Lotterie ist auf den 5. Juni 
dieses Jahres verschoben. 
4 Fürth, 4. Mai. In Nr. 226 des „Fränk. 
Kurier“ steht die Notiz, daß der glückliche Gewinner 
des Haupttreffers (300,000 fl. o. W.) der am J. 
d. gezogenen öͤsterr. GOer Loose ein hiesiger Hopfen⸗ 
händler, Reinemann mit Namen ist. Zum dritten 
Male seit 1860 fällt nun der Hauptgewinn obiger 
Loose auf hies. Platz und zeigte Fortuna keine 
Laune, denn sämmtliche Gewinner gehörten zu den 
vermögendsten Kaufleuten, bevor sie das Glück neuen 
Gewinns besaßen. Der Umstand, unter welchem 
der diesmalige Besitzer des Looses Kenntniß von 
der erfolgten Ziehung desselben erhielt, ist bemer⸗ 
tenswerth. Herr R. befand sich zur Hochzeit seiner 
Tochter gerade in Würzburg, als er durch einen 
Bankier von der angenehmen Nachricht brieflich 
Aberrascht wurde. 
Der Handels⸗- und Gewerbeverein in Bühl 
(Baden) hat ein Flugblatt erlassen, in welchem das 
Wesen der Hausirer und Deiagilreisenden in folgender 
Weise charakterisirt wird: „Kaufe bei keinem Hau—⸗ 
sirer und bestelle bei keinem Detailreisenden! Ist es 
Dir, lieber Leser noch nie vorgekommen, daß Du 
hon irgend einem jener von Ort zu Ort, von Haus 
zu Haus wandernden Menschen einen Gegenstand 
hestellt oder gekauft und hinterher gefunden hast, 
zaß Du den gleichen Gegenstand mindestens eben 
o gut, in der Regel aber besser und oft noch bil⸗ 
iger bei Deinem dieselbe Waare feilhabenden Mit- 
hürger hättest erhalten können? Hast Du schon 
aruͤber nachgedacht, welchen Schaden Du Dir selbst 
ufügst, indem Du diese Art des Gewerbebetriebs 
egünstigst? Du benachtheiligst dadurch nicht nur 
deinen Mitbürger, von dem Du mit Recht bean— 
pruchst, daß er Dir in allen Lebenslagen mit Rath 
ind That an die Hand gehe, sondern auch Dich 
elbst; denn wenn der mit Dir am gleichen Ort 
der im gleichen Bezirk wohnende Kaufmann oder 
dandwerker in seiner Erwerbsfähigkeit geschwächt 
bird, so wird dadurch auch seine Steuerfähigkeit 
jemindert und das, was er dann weniger zu den 
Jasten der Gemeinde und des Staates beitragen 
ann, hast Du um so viel mehr dazu zu bezahlen. 
Ind dann, wie häufig ist es der Fall, daß Du 
der Deine Frau oder Deine Kinder auf die vor⸗ 
zedachte Weise in den Besitz eines Artikels gelangen, 
essen Anschaffung ganz überflüssig war und der 
uicht selten nur erworben wurde, um sich einen 
astigen Gesellen vom Halse zu schaffen?! Hast Du 
nicht schon oft die unliebsame Wahrnehmung ge— 
nacht, daß das, was Du, durch Vorspiegelungen 
jetäuscht, für außerordentlich wohlfeil hieltest, sich 
ei näherer Prüfung mangelhaft erwies, sei es, 
aß ihm ein Makel anhaftete, sei es, daß es von 
eringerer Beschaffenheit war, als Du glaubtest, 
der sei es, daß es weniger gemessen oder gewogen 
jat, als dies bei dem betreffenden Artikel üblich zu 
ein pflegt. Dem Hausirer ist es gewöhnlich ja 
rur darum zu thun, seine Waare an den Mann 
uu bringen, unbekümmert darum, ob sie den Be⸗ 
zürfnissen angepaßt ist oder nicht und ob sie seinen 
Anpreifungen auch entspricht. Was liegt ihm auch 
zaran, ob Du mit seiner Waare zufriedengestellt 
zist oder nicht? Befindet er sich doch Tags darauf 
in einem andern Ort und hört dann nichts von 
en Klagen und Beschwerden, die über seine Waare 
aut werden! Du wirst mir entgegnen: „Es gibt 
och auch Hausirer, auf welche dies harte Urtheil 
nicht zutrifft.“ Zugegeben! Wie willst Du aber 
den reellen Hausirer von seinem unredlichen Kollegen 
interscheiden? Das wird Dir niemals möglich sein 
And wenn Du es könntest, so bleibt doch unter 
illen Umständen der Nachtheil bestehen, welcher 
»em Gemeinwohl aus dieser Art des Geschäftsbe— 
riebs erwächst und den Du nicht solltest fördern 
selfen. Darum, wenn Dir Dein eigenes Wohl 
ind das Deiner Mitbürger am Herzen liegt: 
daufe bei keinem Hausirer und bestelle bei keinem 
detailreisenden! Denn Alles, was hier über den 
dausirer gesagt ist, gilt auch für den Detailreisenden, 
)er ja meistens eigentlich auch nichts anderes ist, 
us ein besser gekleideter Hausirer.“ 
Frankfurt, 4. Mai. (Amtsgericht.) Schuh⸗ 
nacher N. gegen Frau M. ruft der Gerichtsdiener, 
ind· mit einem vernehmlichen „Hier!“ antwortet 
er Kläger, während die Verklagte nicht da zu sein 
cheint und erst beim zweiten Aufruf ertönt ein 
räftiges: „Mer sein äüch hie!“ Die Antwort war 
o gewaltig, daß der Amisrichter erstaunt fragte: 
„Wer ist denn die Frau M.?“ „Ei hie!“ wird 
eplizitt, und damit drängt sich ein kleiner, breit— 
chulteriger Sachsenhäuser vor die, Schranken. „Sie 
ind aber doch nicht die Verklagte?“ meint der 
Amtsrichter, „was wollen Sie denn?“ „Mei Fräa 
vill ich vertrete!“ lautet die Antwort, und auf die 
Frage nach der Vollmacht bemerkt der Mann: 
Do misse Se uff dei Kärchhof laafe un' sich an 
jole!“ Diese Worte belehrten den Amisrichter 
nicht allein über den Tod der Verklagten, sondern 
iuch über die Person ihres Mannes. Es wurde 
ilso in die Verhandlung eingetrelen, und es ergab 
ich, daß die Frau des Verklagten ein Paar Stiefel 
ür sich und ein Paar Sohlen für ihren Sohn 
nicht bezahlt haben sollte. Kläger: Wie dei Frää 
noch gelebt hot, hot se mer versproche, dei Klanig⸗ 
seite in Ratte zu bezahle. Verklagter: In Ratte 
jotse se Ihne bezahle wolle?“ — No dei kenne 
Se sich ja fange, wenn's Ihne Spaß mecht.“ 
Umtsrichter: Ratten waren das nicht, Raten⸗ oder 
Theilzahlungen waren es. Verkl.: Su! No ich 
sjab den Schuster ganz deutlich Ratte verstanne! 
dix vor ungut, Herr Doktor! Kläger: Se hätte 
chon läugst bezahle kenne. Verkl.: Ei Se wollte 
a doch nach Amerika. Ich hab gegläbt, Se wern 
er schun driwe. Amtsrichter: Der Mann ist nicht 
zerpflichtet, nach Amerika zu reisen. Verklagter: 
van; schee Herr Doktor, odder ich brauch däch dei 
Stiwel vun meiner Fräänett zu bezahle. Kläger 
DOdder dee vun Ihrm Sohn misse Se bejahle. 
Verklagter: Nett ämol! Deß is gar kän Sohn, deß 
s ä Kind vun ä Johrer vier. Amisrichter: Also 
doch Ihr Sohn. Verklagter: Bei uns fange dei 
Söh noch nett so frih an. Kläger: Eigentlich 
sollte Se als Vatter vor Ihrn Soh' uffkomme. 
Verklagter: Wisse Se waß! Losse Se sich dei 
Sohle von meim „Sohn“ bezahle. Amisrichter: 
Wenn der Sohn aber, wie Sie sagen, noch so jung 
ist, so werden Sie doch für ihn haften müssen. 
Verklagter (zum Kläger): No Sie kenne jo deß 
tlää Kind verklage. (pathetisch.) Er stellt dei 
technung an dei Frää un' ich als Vatter soll be— 
ohle! Also noch ämol, er soll mei Frääsoder mein 
Sohn belange. Amtsrichter zum Kläger: Warum 
Jaben Sie eigentlich den Vater und Gatten nicht 
oerklagt, sondern die Frau? — Kläger: Vun wege 
»ei Ratte. Verklagter: Worum hott er uns als 
Vatter nett verklagt?“ — Sie hätte uns verklage 
olle, woos verklage Se dann ääch mei dodt Fräa. 
Tläger: Ich hab nett gewußt, daß se gestorwe is. 
Hott hab se seelig. — Verklagter: Nett wohr! — 
dem Amäsrichter wird der Dialog schließlich doch 
twas zu lang und er weist daher den Kläger mu 
her Klage, die er erst gegen den Mann anstellen müsse, 
ab. Als der Verklagte das hört, wird er die Lie⸗ 
henswürdigkeit selber und spricht mit dem Schuh— 
nacher im vertraulichen Du. Beide verlassen höch⸗ 
lichst zufrieden den Gerichtssaal und im Weggehen 
neinte der Kläger: „Wääste Matheeees, Dich hätt 
ch gor nett verklagt!“ 
F (Ger Opiumrausch.) Die Frankfurter 
Zeitung zitiert aus einer interessanten Skizze des 
Ferühmten russischen Reisenden Barons von Mik 
ucho⸗Maklay folgende Stelle über einen Opium— 
»ersuch, welchen derselbe während seines Aufent- 
Jaltes in Hongkong in dem dortigen chinesischen 
Zlub angestellt hat. Es heißt da: Erstens muß 
nan über eine Stunde anhaltend rauchen, um eine 
auffallende Wirkung des Opiums zu verspüren, 
weitens, es werden zuerst die Lokomotionsorgane 
affiziert und dann erst die Nervenzentra; drittens 
die Sinnensorgane (das Gesicht und das Gehör 
verden Sinnestäuschungen unterworfen; viertens 
pährend nnd nach dem Opiumrauchen treten keiner⸗ 
ei Hallucinationen, Bilder und Träume auf. Ich 
»etone den letzten Umstand ausdrücklich, da meine 
Beobachtungen mit den Angaben der meisten, die 
iber Opiumrauchen berichten, im Widerspruch steht 
die Gehirnthätigkeit ist eher deprimiert, als erregt 
»er Ideegang wird immer langsamer und schwieri⸗ 
zer. Das Gedächtniß stockt und zuletzt denkt man 
in nichts. Nachdem man eine genuͤgende Dosi 
Dpium geraucht hat, kommt man in einen Zustand 
»on tiefer Ruhe; dieser Zustand ist sehr eigenthüm⸗ 
ich, man hat ein Gefühl, daß man nichts, absolut 
Jar nichts wünscht. Da man sich au gar nicht 
rinnert, gar nichts denkt, nichts wünscht, so if 
nan nahe daran, sein „Ich“ ganz zu verlieren. 
dieses Gefühl der Ruhe und des Nichtbegehrens 
tt so anziehend und angenehm, daß man aus diesem 
justande nie befreit werden möchte. Nach diesem 
Hersuche verstehe ich volllommen, daß Tausende von 
Menschen, Reiche und Arme, ohne Unterschied der 
gesellschaftlichen Stellung und des Alters, sich dem 
piumrauchen ergeben, dessen Hauptwirkung und 
dauptgenuß darin besteht, daß man auf einige 
Zeit sein „Ich“ verliert.“ 
Eine großartige Fußreise, die mehrere Jahr— 
in Anspruch nehmen wird, werden zwei junge 
Frankfurter, die Söhne sehr angesehener Eb 
ern, in den nächsten Tagen beginnen. Dieselbern 
verden von hier über Wien und Belgrad wandern 
Zleinasien, Palästina und Egypten bereisen, ohnt 
ruch nur einmal eine Eisenbahn zu benutzen. Der 
)eiden Reisenden stehen ganz bedeutende Mittel zur 
Verfügung. 
Bremen, 6. Mai. Der Lloyddampfe 
„Habsburg“ hat heute früh 8 Uhr im Schleppio— 
——— Fab 
nouth Lizard passirt. 
Gie JIronie der Weltgeschichtt. 
Bianinos aus zweitausendjährigem Hoize sind gegen 
värtig zu Berlin in der Piansfortefabrik des 
Heheimen Kommissionsraths Biese zur Besichtigurn— 
ausgestellt. Der genannte Industrielle hat seinerʒen 
eine Anzahl von Eichstämmen, welche anlaßlit 
ines Brudenbaues über den Rhein in der Röb— 
»on Mainz aus dem Strombett gegraben wing 
ind zweifellos Ueberreste der von Caͤsar (de — 
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