Full text: St. Ingberter Anzeiger

auusuch an sich gebracht. Die riesigen Pfähle, zu 
Alchen nur der Kern von ganz alten, schon damals 
Nundertjährigen Eichen verwendet worden, zeigten, 
98 die werkohlte Außenschicht beseitigt war, 
Mhenhe geische und Kerhiateit des. Eiden— 
Aiges und außerdem — wohl verursacht durch 
*. weitausendjährige Lagern im Strombett — 
se Härte und Undurchdringlichkeit des Gefüges, 
e sie zum Bau von Piano⸗Körpern als besonders 
eeignet erscheinen ließen. Diese Ansicht findet sich 
soͤtigt: die beiden bis jetzt aus diesen Hölzern 
argestellten Pianinos zeichnen sich durch besondere 
aagfülle und Stetigkeit des Tones aus, und was 
hr oͤxterieur betrifft, so bieten sie an Frische und 
sürlichem Glanz des Holzes alle aus neuerem 
aͤhhen holze gefertigten Instrumente. Die letzieren 
durfen erst einer künstlichen Beize, um auch nur 
nnähernd den Glanz und lichten Farbenton des 
holzes zu erlangen, der den Fabrikaten aus diesen 
usendjührigen Stümmen als Naturfarbe eigen ist. 
Zbei sind die einzelnen Arten der Eiche, wie sie 
e angekauften Stämme repräsentiren, an ihren 
arbenschattirungen leicht auseinanderzuhalten. Bei 
n Finlagen, Füllungen und Dekorationsstücken 
Klavierkörper sind diese Farbennüancen in 
virksamster Zusammenstellung verwendet. So isi 
ier die modernste Technik mit dem denkbar ältesten 
sohmaterial eine Verbindung eingegangen, wie sie 
radoxer und zugleich wirksamer von keinem Mär⸗ 
hendichter erfunden werden könnte. Ein römischer 
zeldherr rammt in vorchristlicher Zeit hölzerne 
zrückenpfeiler in den Hauptstrom eines von ihm 
u unterjochenden wilden Volkes, und zweitausend 
Jahre später fabrizirt die hochentwickelte Technik 
den dieses Volkes Musikinstrumente aus dem Holze 
dieser wieder ausgehobenen Pfeiler. Das ist die 
Ironie der Weltgeschichte! 
(Carne pura) Erst wenige Monate sind 
eit dem Tage verflossen, an welchem Berlin vor 
iner nach Tausenden zählenden Gesellschaft die 
ruen Nahrungsmittel, welche unter dem Namen 
arne pura von einer aus angesehenen Bremer 
dauflenlen bestehenden Gesellschaft in ihren Eta⸗ 
zisements in Berlin und Süd-Amerika (Buenos 
Ahtes) hergestellt werden, vorgeführt wurden, und 
schon hat sich diesem neuen Nahrungsmittel das 
ebhafteste Interesse zugewandt. Von Seiten der 
döniglich Bayerischen Armee sind große Bestellungen 
rfolgt, von Seiten der höchsten Medicinalbehörde 
und des Präsidenten der Königlichen Kreisregierung 
u München ist der Einführung der Nahrungsm ttel 
n den Anstalien Bayerns die thatkräftigste Unter— 
tützung zugesagt worden. In der Königlich Preuß⸗ 
schen Slrafanstalt Plötzenser sind in den letzten 
Wochen an 30 Gefangenen Ernährungsversuche an⸗ 
gestelt worden, und auch hierbei die neuen Carne 
ura-⸗Nahrungsmittel zur Verwendung gekommen. 
Wie uns aus zuveriässiger Quelle mitgetheilt wird, 
ind auch diese Versuche von sehr günstigen Resul— 
aten begleitet gewesen, und dürfte man wohl bei 
helegenheit der Ausstellung für Hygiene in Berlin 
Naͤheres hierüber hören. Aber auch die Kochschulen 
zehmen lebhaften Antheil an den neuen Carne pura 
hahrungsmitteln. So hat z. B. die Hannoversche 
Kochschule, deren Vorsteherin die bekannte Verfasserin 
vortrefflicher Kochbücher Fräulein Kux ist, während 
Tagen eine große Anzahl von Speisen au— 
arne pura, z. B. klare Bouillon, Pastete, legirte 
Suppe, Krebssuppe, Bohnensuppe, Wirsingkohl 
Maccaroni, Fleischpudding öffentlich versuchen lassen 
ktwa 800 Personen haben die Gelegenheit benußt, 
um Carne pura zu probiren. Das Urtheil war 
ein einstimmig günstiges, nicht ein einziges ungün⸗ 
stiges Urtheil ist gefällt worden. In wenigen 
Wochen wird von Fräulein Kux ein Carne pura 
dochbuch erscheinen, was circa 200 Kochrecepte über 
nit Carne pura herzustellende Speisen enthalten 
vird. — Schüttet man auf 100 Gramm Fleisch— 
ulder, etwa 5 gehaufte Eßidffel voll, 2 bis — 
iter kochendes Wasser und läßt man dasselbe dann 
noch ewa 20 Minuten kochen, gießt daun die 
bouillon durch ein dichtes Seituch und fügt nach 
Bedarf Kochsalz und ein wenig zerlassenes Ochsen— 
Iast oder Butner hinzu, so hat man eine allen 
Anforderungen entsprechende Fleischbrühe, welche 
dro Tasse hochstens 4Pf. kostei. Zusaß von etwas 
irischem Gemuse ist, wie bei jeder Fleischbrühe, 
w hier zu eipfehlen. Wie wir hören, werden 
ie Preise für Fleischpulver im April derart herab— 
u daß 100 Gramm anstatt wie bisher 65 
beunis nunmehr nur 45 Ppf. kosten und daß 
Nan in größeren Quantitäten das Fleischpulver 
chon mit Mark 3,75 pro Kilo haben kann. 
gedenkt man, daß zu einem Kilo Fleischpulver ca— 
14 Pfund frisches Fleisch nothwendig sind, so kann 
nan fich leicht berechnen, welch billiges Nahrungs⸗ 
nittel das neue Carne pura ist. Die Fleischerbsen 
und Bohnensuppen sind in neuester Zeit wesentlich 
berbessert worden, und ebenso erfreuen sich die 
Darne pura Biscuits und Carne pura Cacao des 
Beifalls aller derer, welche dieselhen verwende— 
Jaben, vor allem aber werden diese Nahrungsmitte) 
juch von den Aerzten empfohlen und angewendet 
Die Vorzüglichkeit dieser Nahrungsmittel ist in 
letzter Zeit, bei Gelegenheit der Kochkunstausstellung 
duͤrch die Verleihung eines Ehrendiploms, welches 
aber allen Prämien steht, anerkannt worden. Auf 
der Ausstellung für Hygiene wird die Gesellschaft 
Carne pura ebenfalls ihre Präparate dem Publikum 
bdorführen. Wir wünschen dem Unternehmen das 
beste Gedeihen und die allgemeinste Unterstützung, 
»eren es bei dem Mißtrauen und Zweifelsucht der 
eidigen Bequemlichkeit und Gewohnheit, welche sich 
als die größten Feinde jedes gesunden und vere 
nünftigen Forischritts ganz besonders allen neuen 
—D als 
ergend äͤn anderes industrielles Unternehmen bedarf. 
Die preußische „Pickelhaube“ hat 
letzt auch die Kaiserstadt an der Donau erobert. 
Wie dem „Berl. Tgbl.“ aus Wien mitgetheilt 
wird, sollen nämlich die dortigen Sicherheitsmann⸗ 
chaften ganz nach preußischem Muster uniformirt 
verden und natürlich auch preußische Pickelhaube 
exhalten. 
Gerwerthung der Abfallstoffe.) 
Auf einem Ladenschild in Linz an der Donau steht 
olgende Inschrift: „Einkauf von Hadern, Stricken, 
Salen, Werthpapieren und alten Akten im Großen 
ind Kleinen““. .. Da brauchen doch die Aktionäre 
„erkrachter Aktien nicht ganz leer auszugehen! 
4 In einem dänischen Sozialistenblatt werden 
die Protokolle über den am 80. März in Kopen-— 
Jagen Statt gehabten Sozialisten-Kongreß, 
jatuͤrlich mit gewisser Rücksichtnahme und mit Hin⸗ 
icht auf das große Publikum, veröffentlicht. Darnach 
tände es, wie die „Berliner Post“ meldet, um die 
Partei durchaus günstig; besonders am Mittelrhein 
ind Main, in der Pfalz und in verschiedenen 
ächsischen Kreisen sei ein „glänzender Aufschwung“, 
vie es in einer von einem Kopenhagener Korre— 
pondenlen der „Hamburger Nachrichten“ gelieferten 
Aebersetzung heißt, zu konstatiren. Unmittelbar 
nach der Proklamation des Belagerungszustandes 
in Leipzig hätten die dortigen Parteigenossen ein 
erfreuliches Resultat bei den Landtagswahlen erzielt, 
ind wenn es glücke, dem Mangel an geeigneten 
Zandidaten abzuhelfen, würde man gelegentlich der 
diesjährigen Landtagswahlen noch groͤßere Resultate 
erzielen. Die Agitation würde den Parteigenossen 
zukünftig erleichtert werden durch die vom Reichs⸗ 
iage, namentlich in der jetzigen Session gefaßten 
Beschlüsse. Die dem Sozialistengesetze beigebrachten 
decke müßten die Parteigenossen nach Möglichkeit 
»ergrößern.“ — Der glänzende Aufschwung der 
ozialdemokratischen Sache in der Pfalz existirt 
ediglich in der Phantasie des betreffenden Bericht⸗ 
erstatters. 
London, 5. Mai. In Tabriz hat, wie 
der „Daily News“ aus Teheran gemeldet wird, 
in Erdbeben stattgefunden, durch welches viele 
däuser zerstört wurden. In Folge dessen sind auch 
hiele Menschenleben zu Grunde gegangen. 
ꝓ Vikkoria Gritisch Columbia), 6. Mai. 
Der Dampfer „Grappler“ ist in der Nähe von Bute 
Julet in Brand gerathen. Von den darauf befind⸗ 
jch gewesenen 1000 Personen sind 50, darunter 
der Tapitän, umgekommen. Unter den Todten be⸗ 
inden sich viele CThinesen und einige Canadier. 
(Eine riesige Venusmuschel). Der 
englische Oberst Berkeley, der kürzlich von den An⸗ 
damanen-⸗Inseln heimgekehrt ist, hat ein ungewöhn⸗ 
iches Exemplar der Venusmuschel mitgebracht, wel⸗ 
hes er so glücklich war, dort zu erlangen. Die 
Heuschel — Fridacna gigantea — wiegt 232 Pfd., 
nißt 3 Fuß 9 Zoll auf der einen und 8 Fuß 6 
Zoll auf der anderen Seite und hat nahezu 3 Fuß 
Tiefe. Dieses Riesentier mußte mittelst Stangen, 
in denen ein Flaschenzug befestigt war, gehoben 
ind mittelst Hacken, an denen 19 Mann zogen, an 
ie Küste gebracht werden. Als man es öffnete, 
var die Schale innen schneeweiß. Die Haut des 
Tieres, welches ein reichliches Mahl für die 16 
Mann samt ihren Familien lieferte, war von schöner, 
Jauer Farbe. Es ist dies wahrscheinlich die größte 
Muschel, die je nach England gebracht worden ist; 
ine etwas kleinere, aber derselben Art angehörige, 
zefindet sich in der Kölner Kathedrale, wie sie als 
Behälter für das Weihwasser benutzt wird. 
Warschau, 7. Mai. Ein Telegramm aus 
Ziew meldet: Der Dniepr wächst ununterbrochen, 
die Oboloper Vorstadt, viele Straßen, außerdem 
die Gasfabrik, das Brauhaus und andere große 
Etablissements, sowie alle Werkstätten der Schiff⸗ 
fahrtsgesellschaft und ein Theil der Nikolaivorstadt 
tehen unter Wasser. 
— Die englische Regierung trägt sich ernstlich 
nit dem Gedanken, in Egypten den französischen 
Suezkanal durch Errichtung eines englischen 
donkurrenzkanals brach zu legen. — Die von der 
Zommission für den Kanaltunnet zwischen England 
und Frankreich verhörten Sachverständigen haben 
ich bis jetzt alle zu Gunsten des Projekts ausge— 
prochen. Sie glauben, die Gesammtkosten des 
Tunnels würden sich auf höchstens 3 Millionen 
pfd. Strlg. belaufen. Der Urheber E. Watkin 
Zes Projekls empfiehlt, den Bau dem Privatkapital 
u überlassen; nach seiner Vollendung soll aber der 
Tunnel Eigenthum des Staates werden und als 
in internationales Werk zu betrachten sein, das 
ede Bahngesellschaft zu benutzen befugt wäre. Der⸗ 
elbe wurde durch elektrisches Licht erleuchtet werden, 
jehörig gelüftet und für einen größten Verkehr von 
250 Personen⸗ und Güterzügen täglich berechnet 
ein. Die Reise durch den Tunnel würde etwa 
ine halbe Stunde in Anspruch nehmen. Sir E. 
Watkin berechnet, daß im ersten Jahre der Existenz 
des Kanal⸗Tunnels diese Zahl auf mindestens 412 
Mill. Passagiere steigen werde. Zur Bequemlichkeit 
und Schnelligkeit wuͤrden sich billige Fahrpreise ge⸗ 
sellen. Zur Vertheidigung des Tunnels sollte nach 
dem Meere zu ein großes Fort auf Kosten der 
Aktionäre erbaut werden. Bramwell, der berühmte 
Ingenieur behauptete, daß durch den Bau einer 
Froßen befestigten Zollamisstation mit massiven 
Stahlthoren, in Betrieb gesetzt durch hydraulische 
Maschinen nach dem Blocksyftem, jeder Gefahr einer 
Invasion durch den Tunnel wirksam vorgebeugt 
werden könnte. 
GDer geprellte Schah.) Indische 
Blätier erzählen: „Der Schah hat vor Kurzem 
dem Khan von Bokhara einige Spieluhren, Spiegel 
u. dgl.em. zum Geschenke gemacht. Diese Artig- 
eit erwiderte nun der Khan damit, daß er dem 
Schah sechs junge Odalisken, von denen keine noch 
has sechszehnte Lebensjahr überschritten hatte, über— 
chickite. Unterwegs wurden jedoch die Odalisken 
sammt ihrer Begleitung von den Turkmenen ge— 
angen genommen. Nastr-⸗Eddin bot nun für jede 
gefangene Odaliske vier Offizierskreuze seines Sonnen— 
ind Löwen-Ordens an, was die Turkmenen jedoch 
nit der Motivirung ablehnten, daß sie hübsche 
Ddalisken den hübschesten Dekorationen vorziehen. 
Schließlich mußte der Schah für jede Odaliske 
1000 Frs. als Lösegeld erlegen. Wie groß war 
jedoch der Schrecken im Palaste zu Teheran, als 
die Odalisken dort eintrafen und man gewahrte, 
daß die Turkmenen die jungen Odalisken zurückbe⸗ 
halten und statt derselben einige ältere Exemplare 
aus ihren eigenen Harems geschickt hatten. Der 
Schah soll den Turkmenen blutige Rache ge⸗ 
schworen haben. 
4 Die Stadt Los Angeles im südlichen 
Falifornien hat in neuerer Zeit nennenswerthe 
Fortschritte gemacht, worüber ein dortiger Leser der 
New⸗-Yorker Staatszeitung“ folgende interessante 
Mitthellung: Los Angeles hat gegenwärtig etwa 
22,000 Einwohner, darunter beinabe 5000 Deutsche. 
x8 herrscht hier momentan ein außerordentlich 
eges Leben und Treiben; die Stadt ist derart mit 
Fremden überfüllt, daß es schwer hält, in Privat— 
Jäusern sowohl als in Hotels noch Unterkommen zu 
inden. Troßtzdem innerhalb eines Jahres vielleicht 
hunderte von Geschäftshäusern im Herzen der Stadt 
jebaut worden sind, so herrscht immer noch ein 
Mangel an passenden Lokalitäten, und viele Ge— 
chäftsleute, die sich hier in letzter Zeit niederlassen 
vollten, mußten wieder fortziehen, weil sie eben 
eine zusagenden Lokalitäten erhalten konnten. Da 
aber jetzt sehr viele Neubauten projektirt und im 
Bau begriffen sind, so wird in dieser Beziehung 
vohl bald Abhilfe geschaffen werden. Man kann 
in der ganzen Stadt kaum einen Block passiren, 
wo man nicht wenigstens einen Neubau sieht. Ar— 
heiter, besonders Handwerker, finden hier stets Ver— 
vendung nund zwar bei guter Bezahlung. Aber 
rnicht nur für diese, sondern auch für den strebsamen