Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Insherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St. Jugberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstaßt, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blait koftet vierteljährlich 1.4 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 75 4, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 , bei Reclamen 30 3. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
2 102. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 27. Mai. Die „Nordd. Allg. Z.“ 
rblickt in der Moskauer Krönungszermonie einen 
Hhendepunkt in den Geschicken des russischen Reichs 
ind sagt: Der zu Moskau feierlich Gesalbte und 
yekroͤnte aller Reußen ist dem russischen Volksbe⸗ 
oußtsein gleichbedeutend mit der Verkörperung aller 
oͤttlichen und menschlichen Autorität in der Person 
es Monarchen — eine Auffassung, welche der Sache 
es Friedens, der Gesetzlichkeit und der staatlichen 
Iddnung mächtigen Vorschub leistet. Rußland fest 
ind dauernd mit dieser Sache verbunden zu sehen, ist 
er aufrichtigste Wunsch Aller, die es mit seiner 
ind mit der Zukunft des Welitheils ehrlich meinen. 
In diesem Sinne wenigstens richtet das deutsche 
zolk heute seine Blicke nach der Krönungsstadt im 
ernen Osten. Möchte die Moskauer Feier zum 
lusgangspunkt einer neuen Aera des Volkerglückes 
ind des Völkerfriedens sich gestalten! 
Die Nat.«Ztg. erfährt, daß schon in der nächsten 
Voche im Reichstage der Antrag der Elsaß⸗ 
othringer auf Aufhebung des Diktatur⸗Paragraphen 
ur Verhandlung kommen werde. 
Ausland. 
Paris, 26. Mai. Der Budgetausschuß der 
deputirtenkammer verwarf gegen die erklärte Ansicht 
„err Regierung die Kredite für die Anstalten der 
gischßäfe und für die Stipendien der Seminare. 
znfolge dieses Beschlusses nahm der Berichterstatter 
ir das Kultusbudget. FranchChauvbeau, seine 
entlassung. 
Paris, 27. Mai. In einem Ministerrath, 
er heute Vormittag unter dem Vorsitz des Conseils⸗ 
rräsidenten Ferry gehalten wurde, war ausschließlich 
on den Maßregeln zur Durchführung des gestern 
eschlossenen Gesetzes, betreffend die Tonkin⸗Expe⸗ 
ition, die Rede. Die dafür ausersehenen Marine⸗ 
znfanterie⸗Truppen sind schon heute früh in Brest, 
herbourg und Rochefort an Bord gegangen und 
verden auf raschesten Wegen nach Toulon entsandt. 
Ran nimmt an, die Flotille werde Dienstag oder 
Nittwoch spätestens in See stechen können. Außer⸗ 
em wurde beschlossen, zwei Panzerschiffe und ein 
dreuzer sollten underzüglich nach den chinesischen 
Neeren abgehen, um das Expeditionskorps zu unter⸗ 
tützen. Der Marineminister theilte seinen Kollegen 
ine neue Depesche aus Tonkin mit, aus welcher 
servorgeht, daß der Kommandat Riviere sich bei 
inem Ausfall vier Kilometer weit weg von Hanoi 
vagte, dort in einen Hinterhalt fiel und zwischen 
rei Feuer genommen wurde. Riviere und 14 
Nann fielen, 22 Mann wurden verwundet, darunter 
er zweite Befehlshaber, Bataillonschef Berthe de 
hzillers. Riviöre war 1827 zu Paris geboren, 
rat 1843 in die Marineschule ein und wurde 1879 
um Kapitän zur See ernannt, nachdem er sich bei 
er Unterdrückung des Aufstandes der Kanaken in 
deukaledonien befonders ausgezeichnet hatte. Seit 
inem Jahre befehlichte er das kleine französiche 
heschwader in den Gewässern von Tonkin. Ob—⸗ 
vohl von Hause aus Bonapartist, hatte er doch 
päter seien Frieden mit der Republik gemacht, 
nd sein Tod wird daher von allen Parteien gleich 
ufrichtig betrauert. 
Paris, 28. Mai. Gaulois veröffentlicht die 
nterhaltung des chinesischen Gesandten mit einem 
vxmaligen Diplomaten. Ersterer hält einen Bruch 
wischen China und Frankreichunicht als be— 
Dienstag, 29. Mai 1883. 18. Jahrg. 
vorstehend; China müsse aber Tonkin mit allen 
Mitteln unterstützen. 
Zürich, 28. Mai. Bei der gestrigen Bolks— 
Abstimmung wurde mit großer Mehrheif die Auf— 
sebung des Impfzwanges und mit geringer Ma— 
orität die Wiedereinführung der Todesstrafe be— 
hlossen. 
Petersburg, 28. Mai. Die Stadt war 
bährend der verflossenen Nacht glänzend illuminirt. 
die Häuser sind festlich geschmückt und die Straßen 
»on der freudig bewegten Bevölkerung durchwogt. 
leberall herrscht eine musterhafte Ordnung. 
Moskau, 27. Mai. Der Kaiser richtete an 
Minister Giers ein Reskript, welches besagt: „Die 
Macht, der Ruhm und die Ausdehnung des Reiches, 
vie dessen zahlreiche Bevölkerung lassen keinerlei Er⸗ 
berungs⸗ Gedanken Platz, Meine Sorge ist aus⸗ 
hließlich der friedlichen Entwickelung, der Wohlfahrt 
es Landes und den freundschaftlichen Beziehungen 
u den Mächten auf Grundlage der Verträge unter 
Wahrung der Landeswürde gewidmet. Da ich in 
zhnen einen zuverlässigen eifrigen, von diesen Aus— 
ichten beseelten Mitarbeiter gefunden habe, verleihe 
ch Ihnen zum Beweise meiner Dankbarkeit den 
Alexander⸗Newski⸗Orden in Diamanten. 
Moskau, 27. Mai. Das kaiserliche Manifest 
erkündet den Erlaß aller rückständigen Steuern per 
Januar 1883 und zwar der Rückstände der 
dopfsteuer, sowie der direkten und indirekten Ab⸗ 
jaben; die Strafmilderung aller Urtheile, welche 
joch nicht die Gesetzeskraft beschritten haben; die 
Erleichterung abzubüßenden Strafen sowie die Auf⸗ 
sebung der Polizeiaufsicht der auf administrativem 
WVege Verbannten und die Gestattung von deren 
sückkehr. Das Manifest enthält die Erlaubniß zur 
dückkehr für die über die Grenze gegangenen Flücht⸗ 
inge und Theilnehmer an der polnischen Jasurrek⸗ 
ion, denen bisher der Aufenthalt in den Residenzen 
md polnischen Gouvernementsstädten und der Ein⸗ 
ritt in den Staatsdienst verwehrt gewesen. Aus⸗ 
jeschlossen sind Mörder, Räuber und Brandstifter. 
Moskau, 27. Mai. Mit Eintritt der Dunkel⸗ 
jeit begann die prachtvolle Illumination der ganzen 
Ztadt; dieselbe bietet bei der Menge der Verschieden⸗ 
jeit der Beleuchtungskörper einen wunderbaren An⸗ 
lick, ein förmliches Jlammenmeer. Dichbedrängte 
golksmassen durchzogen die Straßen in festlich er⸗ 
egter Stimmung. Nirgends wurde die Ordnung 
jestört. Das Weiter ist günstig. 
Konstantinopel, 28. Mai. In Folge der 
kinwendungen Deutschlands gegen den ad valorem 
Zolltarif, stellte die Pforte für die deutschen Ein⸗ 
uhren bis auf Weiteres den stutus quo wieber 
ser. Die übrigen Mächte verlangen die Behand⸗ 
ung der meistbeaünstiaten Nation. 
pp. Schnappbach, 29. Mai. Wie ich so— 
eben erfahre, verunglückte gestern Nachmittag 
n der benachbarten Grube Altenwald der Bergmann 
Heinrich Wenz von dorten. Derselbe, ein junger 
Mensch von 18 Jahren, blieb sofort todt. 
— Auf dem Bahnhof in Kaiserslautern 
oerunglückte am Freitag der Arbeiter Peter Hafner 
von Otterbach. Wie die „Pf. Volksztg.“ muͤtheilt, 
hlieb Hafner bei'm Ablassen des Krahnens, an 
velchem zur Verladung auf einen Eisenbahnwagen 
25 Schienen im Gewichte von 70 Centner aufge⸗ 
zängt waren, an der Kurbel hängen, wurde durch 
dieselbe herumgeschleudert und dabei am Kopfe und 
»em rechten Bein schwer verletzt; das letztere war 
zollständig abgeschlagen und hing nur noch an den 
daut⸗ und Fleischtheilen. 
— Neustadt a. H. 27. Mai. Die heute 
hier abgehaltene, fast aus allen Gemeinden des Wahl⸗ 
rreises zahlreich besuchte liberale Vertrauensmänner⸗ 
»ersammlung proclamirte einstimmig Herrn Anwalt 
Mahla von Landau als Candidat für die Reichs— 
agswahl. Herr Mahla nahm die Candidatur an. 
Der Fortschritt stellt Reiffel auf. 
— Dürkheim, 28. Mai. Wie man uns 
don zuverlässiger Seite mittheilt, wird der XVII. 
Verbandstag der Pfälzischen Kredit— 
Bßenossenschaften, welcher auf Bewerbung 
des Vorschußvereins in Blieskastel daselbst hätte 
tattfinden sollen, eingetretener Hindernisse wegen, 
auf Ersuchen des Verbandsdirektors nunmehr ent⸗ 
veder Ende Juni oder Anfangs Juli da. Is. da⸗ 
zdier abgehalten. — Der hiesige Vorschuß-⸗ und 
dredit⸗ Verein wird Sorge tragen, daß den Genossen⸗ 
chaftern der Aufenthalt in unserer Stadt ein an⸗ 
zenehmer sein wird. (Dürkh. Anz.) 
— In Hambach, 27. Mai. Heute früh 
wurde auf der Marburg eine große rothe Fahne 
hdemerkt, die in der Nacht von Unbekannten dort 
zufgestekt worden war. Bekanntlich ist heute der 
Jahrestag des Hambacher Festes; der Zweck der 
Demonstration liegt also nahe genug. 
— Aus Siilz läßt sich das „A. W.“ folgende 
Geschichte erzählen: Ein gewisser Mich. Albert von 
hsier war 14 Tage im Elsaß mit Rinderschälen be—⸗ 
chäftigt und als er am Samstag den 19. Mai, 
Nachts 12 Uhr, zu Fuß ermüdet nach Hause kam, 
uim bei den Seinen ruhen zu wollen, fand er sein 
haus nicht mehr am Platze. Das neuerbaute Haus, 
vegen dem Albert bereits protokollirt wurde, da 
es nicht im Alignement stand, war abgetragen und 
entfernt. Der nicht wenig Erstaunte begab sich 
zierauf zu Herrn Adjunkt Ludwig Nunold, weckte 
enselben und fragte, wo sein Haus sei. Da er 
edoch keine Auskunft erhalten konnte, machte er 
ich auf der Stelle, wo das Haus gestanden, ein 
Feuer und bwouakirte daselbst bis zum Morgen. 
— Speyer, 26. Mai. Se. Excellenz der 
gl. Regierungspräsident v. Braun, welcher am 
6. J. M. die Retablissementsarbeiten auf den Hems⸗ 
zöfen, in Friesenheim und Oggersheim, dann am 
6. jene in Bobenheim, Roxheim, Moörsch, Edig⸗ 
jeim und Oppau besichtigte, begab sich heute zu 
zleichem Zwecke nach Wörth, Maximiliansau, Pfortz, 
hagenbach und Neuburg. 
— Speyher, 27. Mai. Gestern Nachmittag 
ertrank im Woogbach an der Baduag'schen Bleiche 
ein Mädchen von 12 Jahren, die Tochter des 
Tagners Brendel. Diese und noch ein anderes 
Mädchen spielten zusammen, wobei letzterem der 
hut in den Bach fiel, welchen die kleine Brendel 
wieder holen wollte; das Ufer ist dort seicht und 
Lokele und pfaälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 29. Mai. Heute macht 
die königl. Lateinschule dahier ihren üblichen 
MRaiausflug. Derselbe geht über Neuhäusel⸗ 
irlel und Kloster Wörschweiler nach Homburg. 
* St. Ingbert, 29. Mai. Mit dem ersten 
)es nächsten Monats tritt auf den pfälzischen 
Fisenbahnen der neue Fahrplan für den 
Sommerdienst in Kraft. Für unsere hiesige Station 
äßt er in Bezug auf Ankunft und Abgang der 
Züge. Alles beim Alten. Einen kurzen Auszug 
nus demselben findet der Leser im Inseratentheile 
—A 
inzuweisen.