Full text: St. Ingberter Anzeiger

zramie von 250,000 Mk. gewonnen. So hat 
a Betrag von 3 Mtk. für das Gothaer Loos dem 
sanne die runde Summe von 215,000 Mk. ein⸗ 
acht. Der Gewinner der übrigens bereits mit 
ütern gesegnet sein soll, hat dem Verkaͤufer 
Looses ein Geschenk von 3000 Mk. gemacht. 
Grauzosen über Deutschland.) 
zinet der französischen Correspondenten, die bei der 
—9— nach Moskau sich in Berlin aufgehalten haben, 
sͤhlt im Gil Blas, daß er im „Koiserroff“ ge⸗ 
* und sich überdas Wort „Schlitt“ gewundert 
u welches am Sonntag vor allen Kirchen den 
Hagen langsames Fahren gebot. Noch größeres 
zrstaunen erregte ihm der Bierkonsum der Einge— 
enen im Berliner Rathskeller, wo es entsetzlich 
uch Sauerkraut gerochen haben soll. „Abends 
indet man alle diese Trinker im Garten der „Wal⸗ 
saka“ wieder, wo sie vor kolossalen Gläsern sitzen, 
e man mit beiden Händen anfassen muß, um sie 
imn die Lippen zu bringen. In Wahrheit, es sind 
Herhörte Gläser, wie sie der Riese Pantagruel wohl 
zhraucht haben mag. Und jedes der zarten jungen 
sadchen hat mindestens zwei solche Gläser vor sich 
jehen. Nichts von alledem, was man von Berliner 
zunkern erzählt hat, ist auch nur im Geringsten 
weririeben.“ Auch Herr H. Happ läßt sich im 
igaro gelegentlich seiner Durchreise durch Berlin 
Anehmen, allerdings in etwas anderer Weise. Er 
hreibt: „Meine Bewunderung für die Deutschen 
d nicht verdächtig sein. Jawohl, hier ist Alles 
ung und rüstig. Diese Mauern sind festgebaut, 
die die Männer, die sich dazwischen bewegen. Dieses 
holk ist mit Selbstvertrauen erfüllt und freut sich 
riner Nannhaftigkeit; es lebt im Vollgenusse des 
Hewußtseins der eigenen Kraft. — Hier (in Berlin) 
nuß man den Deutschen überraschen, hier in der 
deloration seiner Häuslichkeit. Weg mit den alten 
zchablonen, mit den alten Vorurtheilen und Irr⸗ 
hümern. Dieses Volk ist reich, es ist stark, es ist 
m großes Volk, und ich schreibe es nieder, weil es 
Jeit ist der Wahrheit ins Gesicht zu schauen. Lacht 
ur über die goldene Brille, den Bierbauch und die 
derbe Schnauze, sie sind schwerfällig, massip, was 
Irr wollt, aber was für ein Volk stolzer Soldaten, 
und wie in diesem weiten Lande, das ich jetzt be— 
reise, Alles marschirt, exerzirt und arbeitet nach 
deibeskräften.“ Es folgt dann eine Beschreibung 
ion Berlin; der französische Journalist wird hier 
zurch das ausgebildete Militärwesen, dem man überall 
negegnet, überrascht. Ich habe — so fährt er fort 
mm Tramway Soldaten in voller Uniform, das 
dewehr in der Faust, getroffen, ich habe andere 
sesehen, die den Säbel an der Seite und Milch— 
infee vor sich hertrugen; ich habe Offiziere in ihrer 
jsuipage mit gallonirtem Diener auf dem Bock bei 
m Posten anfahren sehen — aber dennoch be— 
vahren Soldaten und Offiziere, was sie auch thun 
nögen, eine militärische Haltung, ein kriegerisches 
nd disziplinirtes Aeußere. Niemals büßen sie die 
tsspectibility? der Uniform ein, und das Pupli⸗ 
im schaut ihnen nach und liebt sie nicht mit der 
französischen Neugier, welche das vorüberziehende 
ziment begrüßt, sondern mit einer gewissen Zärt⸗ 
—F denn der Soldat gehört zu der Nation, er 
die Nation; man hat ihn nicht vom „Civil“ 
gerissen, er hat nicht einem 2. Dezember gedient.“ 
Dieses Volk“, so schließt der Redakteur des 
alaire seinen Bericht, „ist nicht arm, man muß 
deser Sage die Flügel stutzen; nem, es hat nicht 
ile seine Kräfte in dem Kriege gegen uns vergeudet, 
muß es sagen, trotzdem das Bekenntniß mir 
wird. Von Weitem wiegen wir uns im 
tdanken des Friedens der Waffenruhe. Kommt 
und seht Euch die Dinge in der Nähe an. Deutsch- 
3 wragt die Pickelhaube, es ist fürchterlich und 
uFr. Paul Börner, einer der bekanntesten 
nwisch thatigen Aerzte, schreibt in der „Nat⸗Ztg.“ 
in der Hygieine-Ausstellung zu Berlin befind⸗ 
& bett u. A. Folgendes: „Hervorzuheben 
ie von Dr. Georg Recknagel, Rektor der 
nndustrieschule in Kaiserslautern, ausgestellten 
ende Recknagel gehört zu den ausgezeich 
n Anbeitrn und Erfindern auf diesem Gebiet 
mn die Wissenschaft wie die Praxis mit einer 
9* ugn Instrumenten, vor Allem zur Messung 
a pabhsten Luftströmungen, beschenkt, so daß 
dun 3. B. die Luftbewegung zwischen unserer 
an und unserer Haut in erfolgreicher Weise 
nen sir ,worden ist. Wir gewinnen dadurch 
* ndie Higieine der Kleidung überaus wich— 
F Ein jugendlicher Waidmann ist das 
Söhnchen des Grafen Hügel auf Reinthal. Der 
etzt zehn Jahre alte Knabe hat im Alter von 
nenig mehr als 81/4 Jahren seinen ersten Auerhahn 
erlegt. Seitdem machte er zunächst die Hühner⸗ 
ind dann die Hasen⸗-Treibjagden mit und schoß 
uweilen brillante Doubletten auf abstreichende 
dühner, so daß er die allgemeine Bewunderung 
rregte. 
x Die Auswanderung scheint in diesem Jahre 
rheblich schwächer zu werden, als in den beiden 
etzten Jahren. Im April sind über Hamburg 
iur 12,815 Personen befördert worden, gegen 
16,748 im April 1882 und 21,117 im April 
881; in den ersten vier Monaten wanderten über 
»amburg aus: 1888 26,147, 1882 44,249, 
.881 45,752 Personen. Von den obigen 12,815 
Auswanderern gingen 12,014 nach den Vereiniaten 
Ztaaten. 
F Paris, 22. Mai. Der poetische 
Friseur.) Eine amusante Gerichtsverhandlung 
»elustigte weit stärker als manche Posse die Richter 
ind das Publikum der siebenten Abtheilung der 
Pariser Police Correctionelle. Klägerin: Ma— 
hame de Sainte-Estoͤphe, eine in ihrem Viertel 
ahrelang bekannte Cocotte. Angeklagter: 
Alcibiades R...., ein ebenfalls im Quartier 
kreda bekannter Haarkünstler Gegenstand der 
dlage: Lassen wir der Dame (eine ziemlich ver⸗ 
chossene Vierzigerin mit ungeheueren Prätensionen) 
das Wort: Klägerin: Der Herr hatte die 
Ehre mich zu frisiren. ... Angekl. (die Achsel 
uckend): Oh die Ehre! ... Klägerin: Nun, 
Profit war auch dabei, erstens dreißig Francs 
monatliches Fixum, dann die verschiedenen Requi— 
iten. Angekl.: Jawohl, das ist richtig, Schminke 
für die Wangen, Karminroth für die Lippen, Cos— 
netik für die Augenbrauen, chinesische Pomade für 
die Hände, russische Zahnpasta, Verjüngungsmilch 
und ... Präs.: (einfallend): Sie verletzen das 
Amtsgeheimniß. (Gelächter). Klägerin fort— 
ahrend)! Ich bestellte bei dem Herrn da, als 
meinem Lieferanten, ein kleines Haarzöpfchen. 
Angekl.: Wie, ein Zöpfchen? (die Hände aus— 
spannend), einen Meter lang und dicht geflochten, 
das nennt sie Zöpfchen! Klägerin: Dasselbe 
sollte goldblond sein, wie mein natürliches Haar. 
Angekl.: (tichernd): Natürliches Haar (mit 
Nachdruck) natürliches Haar! als wenn man nicht 
vüßte ... Präs; Angeklagter, Sie haben jetzt 
zu schweigen. Klägerin: Statt dessen, was 
hringt mir der Herr? Ein fuchsrothes Seetau! 
Fin Unding! Meine Herren, die Leute hätten 
icher geglaubt, ich habe einer Kuh den Schweif 
ibgeschnitten. Ich verweigerte die Annahme dieses 
cheußlichen Haargewüchses und sehe mich anderswo 
im ... Was thut der Herr! Er stellt den Kuh— 
chweif an der auffallendsten Stelle seines Erkerfensters 
ur Schau. Angekl.: Ja wohl, unter Glas 
ind Rahmen mit Versen, die ich vorzulesen mir zu 
rlauben bitte. (Der Friseur verliest in der That 
in kleines Gedicht, welches den Vorübergehenden 
»en ominösen Haarzopf als eine „Locke“ von dem 
dopfe der Madame Sainte-Estèphe präsentirt, 
velche als Erinnerung an süße Stunden aufbewahrt 
vird.) Präs.: (zur Klägerin): Deshalb also 
jaben Sie auf Ehrenbeleidigung geklagt. An— 
zeklagter, verantworten Sie sich. Angekl.: Die 
Untwort ist kurz und bündig. Madame hat den 
Zopf bestellt, sie muß ihn zahlen, 200 Francs 
ind die Verse schenke ich ihr obendrein. (Sich in 
zie Brust werfend): Für geistige Arbeiten nehme 
ch keinen Lohn. (Gelächter). — Der Gerichtshof 
veist die Klägeriu ab, da ihm das Verfahren des 
yoethischen Frisepyrs einer Madame de Sainte— 
Fstoͤphe gegenüber durchans nicht ehrenbeleidigend 
rscheint. Diese brummt im Weggehen: „Elender 
. .. kratzer“, wind sich aber dennoch abfinden 
nüssen, wenn sie nicht auch fernerhin ihre „Locke“ 
dem Gaudium des Viertels überlassen will. 
F (Ein See-Canal durch Palästina.) 
Von London aus wird gegenwärtig für ein neues 
ehr interessantes Canalprojekt Propaganda gemacht, 
zu dessen Studium und Vorbereitung sich eine 
Aktiengesellschaft, deren Kapital vorläufig nur 10,000 
Pfd. St. betragen soll, unter einflußreicher Patro⸗ 
ianz bereits gebildet hat, so daß an dem Ernst 
»er Proponenten nicht zu zweifeln ist und nur die 
Durchführbarkeit des Projektes zu beweisen sein 
vird. Das Projekt basirt auf einer Kanalverbin— 
zung von Carmel am Mittelländischen Meere mit 
»em Thal des Jordan und diesem Flusse, wodurch 
das lange und schmale Jordanbecken, welches das 
Todie Meer zum Endpunkte hat, in einen mäch⸗ 
igen Schiffahrtskanal verwandelt würde, dessen 
Ausfluß in das Rothe Meer, bezw. in den Golf 
yon Akabah durch einen zweiten kurzen Durchstich 
»ermittelt werden soll. Kommt dieses Projekt zu 
Stande, so ist dem Suezkanal eine gewaltige Kon⸗ 
kurrenz geboten, und zwar auf ausschließlich türki⸗ 
schem Gebiete, was andererseits den Palästinakanal 
allerdings auch zum Gegenstand neuer Kämpfe und 
Rivalitäten zwischen den seefahrenden Nationen 
machen könnte. 
F Die Hängebrücke über den East River, 
welche Newyork mit Brooklyn verbindet und 
deren Herstellung 13 Jahre in Anspruch nahm, 
wurde am 24. Mai eröffnet. 
F GEine unterirdische Straße.) Die 
Vertretung des Staates New-Hork hat einer Gesell⸗ 
chaft die Concession zum Baue einer unterirdischen 
Straße ertheilt, welche die Leistungsfähigkeit der 
Hauptverkehrsader New-Yorks, des Broadway, unter 
velchem sie sich hinziehen wird, verdoppeln soll. 
Fine Straße soll es werden, kein bloßer Tunnel, 
indem dieselbe an beiden Seiten von Trottoirs be⸗ 
grenzt wird, welche den Zugang zu den in electrisch 
beleuchtete Läden verwandelten Lagerkellern der be— 
treffenden Geschäfte in der Oberwelt und zugleich 
als Perrons für die die Mitte einnehmenden vier 
Geleise dienen sollen. Von diesen Geleisen sind 
die beiden äußeren für den Verkehr der langsam 
ahrenden, häufig haltenden Züge bestimmt, während 
die inneren für die Schnellzüge bestimmt sind. 
Wie sich die Unternehmer den Zugang zu den 
etzteren Geleisen denken, ist leider nicht angegeben. 
In der Nacht sollen zwei Geleise den Güterverkehr 
»ermitteln. Endlich wird unter den Trottoirs je 
ein geräumiger Cannal gebaut, welcher die Gas⸗, 
Wasser⸗, Dampfheizungs- und Abzugsröhren, sowie 
die vielen electrischen Kabel aufnehmen soll. Die 
Decke der unterirdischen Straße soll kuünftig das 
Straßenplanum des Broadway bilden; der Bau, 
velcher allerdings den Verkehr furchtbar stören 
dürfte, wird demnach nicht tunnelartig vorgenommen. 
(Ein Opernhaus auf Rädern) Eine 
Besellschaft in Kansas-City hat sich gebildei, um 
dasselbe zu bauen und darin zu spielen. Es soll 
nus acht Eisenbahnwaggons bestehen, welche durch 
inen geschickten Mechanismus zu einem geräumigen 
Zau mit cinem Saal für das Publikum und voll⸗ 
tändiger Bühne erweitert werden koöͤnnen. Dieses 
Opernhaus ist für Gemeinden bestimmt, welche keine 
dokale besitzen, um Theaterstücke aufführen lassen 
zu können. Es wird auf der Eisenbahn von Ort 
uu Ort geführt und wird ein tragbares Geleise mit 
ich führen, auf dem es sich leicht und schnell be— 
vegen und in ein Theater umgewandelt werden 
iann. 
fGEine Zeitung mit Rasirstube.) In 
er in Porto Allegre (Brasilien) erscheinenden deutschen 
Zeitung „Germania“ lesen wir: „In Logansport 
in Indiana kommt jetzt ein deutsches Blättchen her⸗ 
aus, mit welchem eine Rasirstube verbunden ist. Re⸗ 
dakteur und Herausgeber des Blattes ist Herr Day, 
dem Schreiber Dieses einen Besuch abstattete, nach⸗ 
jem er sich vorher von Frau Day, der Gattin des 
stedakteurs, fein säuberlich hatte rasiren lassen, denn 
die Frau Redakteur hält einen „Barbershop' und 
asirt, frisirt und pomadisirt ihre Kunden höchst 
igenhändig. Das ist ein „Improvement“, denn 
zewöhnlich hantirt in den ländlichen Zeitungsofficen 
hlos der Mann die Scheere, obschon auch schon 
Mancher selbst dabei Haare gelassen hat. Jedenfalls 
jat die Logansporter „Germania“ ein Zukunft und 
ollte unbedingt die beste Bezugsquelle für haar— 
träubende Geschichten und schneidige Artitel sein, 
zie ihren Gegnern eklig den Kopf waschen.“ 
Gingesalzenes Holz.) Wer hätte je 
edacht, daß man diese Aufmerksamkeit dem spröden 
Naterial zuwenden würde, und doch ist dem so. 
Die „Ob.«“S.«Z.“ läßt sich berichten, daß man auf 
der Insel Sardinien dasffolgende, an Einfachheit kaum 
u übertreffende Verfahren anwendet, um das zur 
Herstellung von Wagenrädern dienende Holz vor 
dem Schwinden, Werfen und Reißen zu bewahren. 
Jene Holzstücke, welche zu Wagenrädern benutzt 
werden sollen, läßt man vor ihrer Bearbeitung fünf 
bis acht Tage lang in mit gewöhnlichem Salze über— 
sättigtem Wasser einweichen und erzielt durch dieses 
Verfahren, daß weder Sonnenhitze noch irgend ein 
inderer äußerer Einfluß im mindesten auf das Holz 
ainwirkt.