Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
r ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs— 
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* 109. 
as Gewerbegesetz in seiner nenen Fassung. 
Die nun zum Abschluß gebrachte Gewerbe— 
ovelle hat im Wesentlichen folgende Aende— 
ungeninder Gewerbegesetzgebung her— 
eigeführt: Für die Veranstaltung von Singspielen, 
chaustellungen und theatralischen Aufführungen 
hne höheres künstlerisches Interesse sind die Be— 
ingungen der Untersagung verschärft, insbesondere 
urch die Bestimmung, daß die Erlaubniß zu ver⸗ 
gen ist, wenn Thatsachen vorliegen, welche die 
nnahme rechtfertigen, daß die beabsichtigten Ver— 
astaltungen den Gesetzen oder den guten Sitten 
widerlaufen werden. Hinsichtlich der Tanzlustbar⸗ 
„sen ist bestimmt, daß sich die Abhaltung von 
anzlustbarkeiten nach den landesrechtlichen Be⸗ 
mmungen richtet. Ferner besteht die neue Vor— 
zrift, daß der Betrieb des Hufbeschlaggewerbes 
urch die Landesgesetzgebung von der Beivringung 
nes Prüfungszeugnisses abhängig gemacht werden 
inn. Gewisse Gewerbebetriebe, wie die Ertheilung 
on Tanz⸗, Turn⸗ und Schwimmuunterricht, Gesinde⸗ 
ermiethung, Pfandileihgeschäft und Dergleichen, 
nnten bisher auf Grund von Bestrafung wegen 
zittlichkeiis⸗ oder Eigenthumsverbrechen untersagt 
„erden. Sie sollen jetzt untersagt werden, wenn 
chatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit 
er Gewerbetreibenden in Bezug auf diesen Ge⸗ 
verbebetrieh darthun. Derselben Beschränkung 
llen durch die Novelle fernerhin noch andere Get 
erbebetriebe unterworfen sein, wie der Handel mit 
vprengstoffen, die Besorgung fremder Rechtsangelegen⸗ 
eiten (Winkelkonsulenten), die Vermittlung von Im⸗ 
nobiliarverträgen, Darlehen, Heirathen, das Gewerbe 
xt Auktionatoren. Der Schwerpunkt der ganzen 
dovelle ist in den Bestimmungen über die Handlungs- 
eisenden und den Hausirhandel enthalten. In dieser 
eziehung besteht die Bestimmung, daß das Aufkaufen 
on Waaren nur bei Kaufleuten, Produzenten oder 
moffenen Verkaufsstellen erfolgen darf, und die 
vorschriften über die Legitimationsscheine. Die ein⸗ 
jneidendsten Umänderungen haben aber die Vor— 
hriften über den Gewerbebetrieb im Umherziehen 
tfahren. Der Kreis der vom Feilbieten im Um— 
etziehen ausgeschlossenen Waaren ist erheblich er—⸗ 
ritert (namentlich sind Gold- und Silberwaaren, 
aschenuhren ausgeschlossen); verboten ist ferner im 
nherziehen die Aubühung der Heilkunde seitens 
icht approbirter Personen, die Vermittsung von 
sarlehens und Rückkaufsgeschäften, das Aussuchen 
on VBestellungen auf Branntwwein. Hinsichtlich des 
olportagebuchhandels sind vom Feilbieten im Um— 
Wiehen Druckschriften ausgeschlossen, die in sittlicher 
der religisser Beziehung Äergerniß zu bereiten ge— 
guet sind oder mitlelst Zusicherung von Prämien 
r Gewinnen vertrieben werden; auch wird dem 
ündler die Führung eines polizeilich genehmigten 
tzeichnisses seiner Bücher auferlegt. Ferner sind 
Gründe für Versagung des Wandergewerbescheines 
wblich erweitert; bemerkenswerth ist namentlich 
Anordnung, nach welcher zum Versagungsgrunde 
ß von Kindern gemacht wird, für deren 
ee oder Unterricht nicht genügend gesorgt ist. 
chtli andergewerbeschein kann nur in Folge ge— 
Pe Verurtheilung nicht aus dem Grunde 
dy werden, daß gewisse Thatsachen eine gegen 
Nachuchenden ungünstige Meinung hervorruͤfen. 
88 ist zu erwähnen das Verbot des Hausir— 
8* nach Sonnenuntergang, des Eintretens in 
Vohnungen, das Verbot des Feilbietens im 
AIehen vermittelst der Versteigerung oder des 
»viels: eine Verbesserung ist auch die Befrei— 
Samstag, 9. Juni 1883. 
18. Jahrg. 
ung des Feiblietens selbstgewonnener landwirthschaft⸗ 
iicher Erzeugnisse und Dergleichen vom Wanderge— 
verbeschein. Von großem Werth ist ferner der neue 
Zusatz, daß Anordnungen des Bundesraths über 
eitweiliges Verbot des Hausirhandels für bestimmte 
Waaren aus sicherheits- und sanitätspolizeilichen 
ßründen der nachträglichen Zustimmung des Reichs- 
ags bedürfen. Eine entschiedene Verbesserung ist 
juch die Bestimmung, daß zur Vertheilung von 
Druckschriften zu Wahlzwecken und zur nichtgewerbs⸗ 
näßigen Vertheilung von Druchschriften in geschlosse⸗ 
ien Räumen eine polizeiliche Erlaubniß nicht er— 
orderlich ist. 
als eine legislative Formulirung des in der letzten 
Note stizzirten Programms. Die Vorlage wird 
»oraussichtlich an eine Kommission überwiefen. 
Der Reichsstag nahm am Mittwoch nach 
ierheblicher Debatte die Reblauskonvention in 
ritter Lesung an. Die Petition einer Kemptener 
Firma um Schadenersatz wegen einer auf der Mel— 
bourner Ausstellung angeblich durch Schuld des 
steichskommissars Geheimraths Rouleaux erlittenen 
außerordentlichen Benachtheiligung wurde trotz des 
Widerspruchs Böttichers der Regierung zur Berück 
ichtigung überwiesen. Der Reichstag uͤbcwies ferner 
ꝛine Petition gegen den Impfzwaug entsprechend 
dem Kommissionsantrag an den Reichskanzler mit 
dem Ersuchen, eine Untersuchung der Impfeinricht- 
ungen und eine Impfstatistik herbeizuführen, sowie 
ein Seuchengesetz und die obligatorische Leichenschau 
anzuregen. Der Antrag Reiniger auf Einsetzung 
einer Kommission zur Untersuchung des Nutzens, 
bezw. Schadens des Impfzwangs wurde dagegen 
abgelehnt. 
Der Reichsstags⸗Abgeordnete Dr. Las—⸗ 
ker reist mit dem Norddeutschen Lloyddampfer Werra 
am 14. Juni von Southampton nach Amerika ab. 
Ausland. 
Paris, 6. Juni. Die Franzosen kommen 
immer mehr zur Erkenntniß, daß sie sich mit der 
Tonkin-Angelegenheit eine Suppe mit 
itterem Nachgeschmad eingebrockt haben; aber sie 
nüßten keine Franzosen sein, wenn sie die Schuld 
afür bei sich und nicht vielmehr bei irgend einem 
Nachbar suchen wollten. So hat es gestern Aurelien 
A herausgebracht, daß 
Frankreich von Niemand anders in die Tonkin— 
iffaire hineingeritten worden ist, als von — Preußen 
ind England, welchen nichts erwünschter sei, als 
Frankreich seine Kräfte zersplittern zu sehen. Preußen 
zegehe nicht solche Thorheiten, es konzentrire fich 
n Europa und überschwemme nebenher Frankreich 
nit Möbeln, Bier, Handlungsgehülfen und — 
»londen Weibern. Der Haßerguß gegen die Prus⸗ 
iens, welcher an die Reden Derouloͤdes und seiner 
Patriotenliga erinnert, ist sehr ergötzlich zu lesen 
ind offenbar dem Aerger über die steigende Ein— 
uhr deutscher Industrieerzeugnisse in Frankreich ent⸗ 
prungen. Aber, so fährt Scholl fort, der Deutsche 
st zwar unser neuester, jedoch kein unversöhnlicher 
Feind. Der ewige Feind ist der Engländer, der 
Alles an sich reißt, der Engländer, der uns vertreibt. 
Er hat uns Canada genommen, die Antillen, In— 
dien. Ueberall, wo der Neger sich auflehnt, wo 
der Araber sich empört, ist man sicher, einen Eng— 
länder und einen Missionär zu finden. Der eng- 
lische Missionär oder der preuͤßische Spion, das ist 
Alles Eins. — Damit die Jialiener nicht leer aus— 
gehen, versichert Scholl, das deutsche Heer, welches 
Frankreich von Nizza her überfallen, wäre sicher, 
in Marseille 50,000 Mann italienischer Hilfstruppen 
in den dortigen Arbeitern zu finden. Es ist be— 
anntlich nichts zu geistreich, aber auch nichts zu — 
yumm, um nicht in einem französischen Blatte ab— 
gedruckt zu werden. 
Der frauzösische General Wimpffen setzt im 
Evénement“ seine Enthüllungen über die deulschen 
driegspläne fort. Er kennt den Feldmarschall 
Noltke gut genug, um zu wissen, daß „derselbe 
in unversöhnlicher Feind Frankreichs ist und, wie 
ibrigens jeder echte Deutsche, dieses Land noch für 
u mächtig ansieht“. Daher Moltke's Herumkrauchen 
m allen Theilen der französischen Grenze. Jetzt 
abe er sich überzeugen wollen, ob ein Heer von 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Muünchen, 7. Juni. Se. M. der König 
ießen dem Reichskanzler Fürsten Bismarck auch für 
en bevorstehenden Aufenthalt in Bad Kissingen 
vieder kal. Hofequipagen und Pferde mit dem erforder⸗ 
lichen Dienstpersonal zur Versügung stellen; diesel⸗ 
hen haben seit einigen Tagen Bereitschaft, doch ist 
ioch unbestimmt, an welchem Tage sie nach Kissingen 
ibzugehen haben. — Gemäß allerhöchster Anordnung 
darf, wie in den Vorjahren so auch für die bevor— 
tehende Ernte, wieder von allen Äbtheilungen der 
»ayerischen Armee, mit Ausnahme der Cabalerie, 
ꝛine größere Anzahl Mannschaften, die zur Ernte— 
arbeit verwendet werden können, auf die Dauer 
von je 30 Tagen beurlaubt werden. 
Aus den Reichslanden, 5. Juni. Nach 
dem dieser Tage erschienenen Ausweis der Straß⸗ 
vurger Universität gehören von den daselbst im 
aufenden Sommersemester studirenden Elsaß-⸗Loth⸗ 
ingern, welche bereits 36,8 pCt. der Gesammtfre⸗ 
juenz ausmachen, nicht weniger als 169 Unter⸗ 
xUsaß, dagegen blos 87 dem Ober⸗Elsaß und 21 
zothringen an. Diese Zahlen, welche sich aus an⸗ 
eren Gebieten vervollständigen ließen (Unter⸗Elsaß 
sellte z. B. im Vorjahre 166, Ober⸗Elsaß 89 und 
othringen nur 48 Einjährig-Freiwillige), geben so 
iemlich das richtige Verhäliniß an, wie sich die 
zevölterung der einzelnen Bezirke zum Deutschthum 
tellt. Es steht somit Unter-Elsaß demselben am 
iächsten, Vothringen dagegen am fernsten. Die 
Ztatistit über die nach dem Kriege erfolgte Aus— 
vanderung, über den Besuch der höheren in⸗ und 
usländischen Lehranstalten seitens der Elsaß⸗Loth⸗ 
inger, die Ableistung der Militärpflicht, den Zu— 
rang zur Beamtenlaufbahn u. s. w. bestätigt durch⸗ 
veg diese Annahme und dürfte geeignet sein, da⸗ 
auf hinzuweisen, daß bei Beurtheilung der Zustände 
m Reichslande mehr als seither vielfach geschehen 
st, die Verschiedenartigkeit der einzelnen Bezirke in 
Zetracht gezogen werde. 
Berlin, 6. Mai. Der Inhalt der neuen 
irchenpolitischen Vorlage hat mehrseitige Ueberrasch— 
ing hervorgerufen. Die äußerne Rechte hofft durch 
Verweisung der Vorlage an eine Kommission er— 
jebliche Abänderungen zu erzielen. Die Seecessio— 
uisten, die Nationalliberalen und die Fortschritts— 
zartei sind für die Annahme der Vorlage. Das 
Centrum erklärt sich noch unzufrieden. Die „Ger— 
mania“ meint, die Vorlage enthalte Vortheile vor 
der letzten Note. Die „Nat. Ztg.“ sagt: Die Vor—⸗ 
lage bedeute einen neuen Rückzug der Staatsgewalt, 
nichts anderes; die eine Hälfte der Anzeigepflicht 
—A 
es bestehen bleibenden Theiles gesichert würde. Die 
Voss. Ztg.“ sagt: Der Entwutrf charakterisire sich