St. Ingherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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M III.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Der Schluß der Session des Reichstages
vird wahrscheinlich in der Zeit zwischen dem 12.
und 16. ds. Mis. statifinden.
Ausland.
Rom, 9. Juni. Zu dem am 830. Mai der
gdammer vorgelegten deutsch⸗italienischen Handelsver⸗
rage wurde heute der ministerielle Bericht vertheilt,
velcher schließlich sagt: Der Vertrag ist unzweifel⸗
jaft sehr vortheilhaft, angesichts der aus der gegen⸗
vättigen deutschen Handelspolitik hervorgehenden
dindernisse, gegen welche andere Regierungen bisher
jergeblich ankämpften. Man kann sagen: Der Ver⸗
trag ist ein beredtes Zeugniß des gegenseitigen
Wohlwollens, welches die in letzter Zeit zwischen
Italien und Deutschland geknüpften herzlichen poli⸗
ischen Beziehungen erzeugten.
In London nahmen die Schiffsrheder auf
mer Versammlung eine Resolution an, die Vorar⸗
zeilen des geplanten neuen Suez⸗Kanales energisch
ortzusetzen, da v. Lesseps' Erklärungen in der
deneral⸗Versammlung wenig befriedigend seien. Dem⸗
rüchst findet eine neue Verfammlung statt.
Petersburg, 10. Juni. Der Kaiser und
die Kaiferin sind soeben wohlbehalten hier einge⸗
roffen und von der dicht gedrängten Volksmenge
mit enthusiastischen Aundgebungen empfangen worden.
zhre Majestäten fuhren sofort nach der Ankunfit
m offenen Wagen nach der Kathedrale. Die
Tdruppen bildeten längs dem Newski-Prospekte
„palier. Die Stadt ist auf das Festlichste ge⸗
chmückt. Das Wetter ist schön.
Warschau, 9. Juni. In Südrußland sind
lestern Bauern⸗Unruhen ausgebrochen, zu deren
Unterdrückung die strengsten Maßregeln ergriffen
verden.
Die Russen häufen in Reni seit einiger Zeit
VBaffenmengen und Munition auf, welche mitlelst
dampfern nach den bulgarischen Donauhäfen ver⸗
rachtet werden.
Konstantinopel, 9. Juni. Am Mitwoch
and ein erneutes Gefecht mit den aufrührerischen
Abanesen statt. Es bestätigt sich, daß die türkischen
Truppen in den Kämpfen gegen die Albanefen
rroße Verluste erlitten.
Ueber die Kämpfe in Nordalbanien wird
ia Cattaro berichtet, daß bei Hum Türkentruppen
von 600 Hottiaden überfallen und 200 Nizams
nassakrirt wurden. Als die Meldung hiervon in
Skutari eintraf, brach Assim Pascha sogleich mit
19 Bataillonen auf und marschirte gegen das ju—
nichst gelegene Gebiet der Castrati. Der Kampf
dauerle don Samstag bis Sonntag Abends umd
solen 1300 Nizams und 300 (9) Casiran gefallen
ind beiderseitz eine große Anzahl verwundet sein.
Fin Telegtamm des „Times“-Correspondenten
nCaleutta aus Singapore vom 7. do. bezeich⸗
it den Krieg zwischen Frankreich und Ehing als
nurchaus unwahrscheinlich. Die diesbezüglichen Nach-
ichten seien übert ieben
Lokale und pfalzische Nach richten.
7 Der kgl. Landgerichts⸗Präsident zu Zwei⸗
rucken hat den als Slellversreter des Schrur—
orichtspräsidenten ernannien kgl. Landgerichtsdirector
derfend bei dessen Verhinderung von dieser
—58 entbunden und den kgl. Landgerichtsrath
sudrih Gugel als Stellvertreter des Präsidenten
Montag, II. Juni 1883. —18. Jahrg.
— die Fortschrittspartei hat zu der F Schrecken verbreitet in Camp (Massau) ein
demnächst bevorstehenden Ersatzwahl für den Reichs- Insekt, das schon viele Kirschbäume vernichtel hat.
ag im Wahlkreises Landau⸗Neustadt den Es ist, so schreibt die „Bopp. Ztg.,“ ein kleiner
Butsbesitzer Otto Satorius von Mußbach als schwarzer Kafer, der in das Holz der Kirschbäume
Landidat aufgestellt. Von nationalliberaler fich einbohrt. Hat er das außere Holz durchbohrt
Seite ist bekanntlich Rechtsanwalt und Gutsbesitzer und kommt auf das innere Kernholz, so zieht er
Mahla von Landau in Vorschlag gebracht. Die sich zurück, geht am Stamm ein Stück aufwärts
Centrumspartei wird sich wahrscheinlich für den Erst-· und fängt da sein Zerstörungswerk von Neuem an.
genannten der beiden Kandidaten entscheiden. Durch die Mehrzahl der Insekten wird der Baum
— Aus der Vorderpfalz wird der Pf. dann durchlöchert wie ein Sieb und geht bald ein.
Pr. geschrieben: Alles wirkt heuer zusammen, um Man weiß, daß in der dortigen Gegend ein einziger
unsere Hoffnungen auf einen Stichwein zu beleben. dirschbaum oft ein kleines Kapital ausmacht. Auch
Nicht nur, daß die Frühlingsfröste fast gar nicht in Boppard ist das Thier schon aufgetreten. Die
zeschadet und nur einzelne Stoöcke über Winter zu Löcher, welche ein schon angegriffener Kirschbaum
Grunde gegangen sind; nicht nur, daß seit Wochen zeigt, haben die Größe eines Nadelknopfes.
eine die Entwicklung der Reben außerordentlich Der Kronprinz und die Kronprinzessin des
ördernde warme Witterung herrscht, sondern auch deutschen Reiches haben durch Schreiben vom
die Zeit der allgemeinen Traubenblüthe fällt heuer 2. d. M. der Frau Schulze⸗Delitzsch in herzlichen
nach der Bauernregel ganz besonders günstig, denn: Worten ihr Beileid zum Verlust ihres Gatten aus—
„Verblüht der Weinstock im Bollmondlicht, er vollen gedrückt und dabei bemerkt, wie es ihnen Bedürfniß
eisten Trunk verspricht!“ Vollmond haben win sei, „das Andenken des Verstorbenen zu ehren, dessen
aun in diesem Monat am 20. und bis dahin Leben in aufopfernder Selbstlosigkeit dem Wohle der
verden die Trauben am obern Gebirg allgemein arbeitenden Classen gewidmet war.“
blühen und die am untern Gebirge hoffentlich glück FParis, 10. Juni: In der letzten Nacht
lich verblüht haben. Die wortreffliche Witterung hat bei einem Bergwerks-Jugemeur in Nonceau-
kommt aber nicht bloß dem 83er, sondern auch dem les⸗mines eine Dynamit-Explosion stattge—
8Zer zugute, der je mehr gesucht und im Preise funden. Es ist Riemand verletzt, das Haus ist
steigen wird, als erstere an Qualität zunimmt stark beschädigt.
Außerdem hat sich der 82er im Keller so gut ge— FGrei Menschenleben wegen eines
nacht, wie dies nimmer im vorigen Herbst zu er— Hündchens.) Eine Dame mit Sohn und
warten war. Selbst der Wein vom mittleren Ge- Tochler badeie vor etlichen Tagen in Asmöres bei
birge läßt fich jetzt bei der großen Hitze sehr gut Paris ihren kleinen Schoßhund“ in der Seine Das
trinken und ist dabei spotibillig. Hündchen gerieth etwas zu weit ab vom Ufer und
verschwand unter den Wellen. Der junge Mann
trat ins Wasser und hielt sich an den Kleidern
seiner Mutter fest, als er sofort den Boden unter
den Füßen verlor; die Mutter faßte unwillkürlich
nach den Kleidern ihrer Tochter und alle drei Per⸗
sonen verschwanden unter dem Wasser, aus welchen
sie als Leichen gezogen wurden! Und dies Alles
eines Hundes wegen!
F Die große Bockrücke über den Lake Ponchar⸗
train, welche die „New⸗Orleans und Northwestern
Bahn“ baut, wird, wenn vollendet, 21 englische
Meilen lang sein. Es ist dies wahrscheinlich die
längste Brücke der Ver. Staaten und zugleich eine
der festesten. Außer den 32,644 Pfeilern werden
noch über 15,000,000 Kubikfuß Holz dazu ver—
braucht.
f Dornach (Canton Solothurn) ist am Sonn⸗
tag von einem schwerem Hagelwetter heimgesucht wor⸗
den. Die Eisknollen fielen in solcher Masse, daß in
wenigen Minuten große Zerstörung herrschte. Mit
hangem Herzen sahen besonders die Dornacher dem
Unwetter zu. Als endlich das Gewitter wieder
aufhörte, eilte Alles mit angstvollem Herzen auf
die Felder. Ein entsetzlicher Anblick bot sich den
Augen. Die so prächtig mit Samen behängten
Reben lagen zerschmettert da Weizen, Roggen
u. s. w. dedten zerfetzt den Boden. Nicht genug,
die Kirschbäume, vorher mit halbreifen Kirschen
überfüllt, standen da blätterlos, wie im Winier
Auf dem Felde sah man ganze Familien, Mann,
Weib und Kinder, diese vor einem Gemüse- Ge—
treideacker, jene vor vernichteten Reben, Alle laut
chluchzend und weinend. Die guten Leute standen
am Grabe — aller ihrer schönen Hoffnungen.
Nach vielen Fehljahren kündigie dieses Jahr sich
endlich als ein besonders gutes an. Wie Mancher
joffte schon dieses Jahr ruͤcksständige Zinsen, einige
rückende Schulden zu bezahlen und so unbarm⸗
Vermischtes.
F Ein „Talent“ muß der biedere Gemeinde
vater B. in M., Bezirksamt Bamberg II. sein
denn im Dienstbotenbuch eines hier Arbeit suchen—
hen jungen Burschen steht von ihm unterzeichne
chwarz auf weiß: Größe: 12 Kilometer, Augen
„verdreht“, und dabei noch besondere Kennzeichen
ohne.
fF Das Opferfest des Bartes. Kommen
da vor einigen Tagen in Buchsweiler ein Schuster
und dessen Nachbar, ein ehrsamer Küfermeister,
nachdem sie zuvor in dem Hause des letzteren eine
zute Portion Schnaps zu sich genommen, an einem
Montag Morgen in eine Bierbrauerei, um dort
hren kolossalen Brand zu löschen. Bezahlst Duse
dännet, sagte der Küfer zum Schuster. Ne, ich
„ezahl nit, erwiderte dieser, aber zehn Mark be—
ommst Du von mir, wenn Du Dir — Dine Bart
erusrupfst. Es blibt derbi, fiel ihm der andert
ins Wort. Nachdem die zehn Mark deponirt waren,
nachte sich der Küfer an die schreckliche Arbeit, die
twa anderthalb Stunden dauerte, denn er hatte
einen ganz starken, struppigen Bart. Mit einem
Spiegel in der einen Hand, rupfte er nun mit der
andern ein Härchen nach dem andern heraus, zuletzt
dediente er sich noch des Brodmessers, um die
Stümpfe vollends herauszubekommen. Diese sonder⸗
bare Wette hatte viele Neugierige herzugelockt, die
mit Schaudern der Schinderei zusahen. Der Küfer
trug weiter nichts davon, als ein geschwollenes Ge⸗
sicht, aber was lag ihm daran? Er hatte zehn
Mark gewonnen, die er schmunzelnd einsteckte. Die
Leute meinten, der mißhandelte Bart würde nicht
mehr sprossen, aber nach kurzer Zeit war der Küfer
vieder so bärtig als früher, und jetzt wäre er viel⸗
eicht geneigt, um diesen Preis eine abermalig
Wette einzugehen. Wohl bekomms!