Full text: St. Ingberter Anzeiger

in Verwendung kam, wurde von der belgischen 
Grenze geholt; mit diesem rivalifirt fast in sieghafter 
Weise der künstliche Marmor, der in allen Colorit— 
Spielarten die Wände hochauf bekleidet. Der Königs— 
bau auf der Herreninsel ist bei der Bahnfahrt nicht 
sichtbar und entzieht sich vielleicht mit Absicht den 
neugierigen Blicken. Jedenfalls günstiger wäre es 
gewesen, hätte man ihn an Stelle des jetzt zu einem 
Brauhause metamorphosirten Klosters aufgeführt, 
von welcher Inselhöhe er die ganze Landschaft be— 
herrscht und seinen zauberhaften Refler im Wasser— 
spiegel des Sees gesunden haben würde. Millionen 
hat der Bau bereus gekostet, und damit werden noch 
lange nicht die Aufwandkosten erschöpft sein. Wenn 
die Könige bauen, haben die Kärrner zu thun. Es 
steht in nächster Zeit zu erwarten, daß die eigent— 
liche Kunst das Kunstwerk ablösen werde, um noch 
dem Bau die letzte künstlerische Weihe zu verleihen. 
Marktbreit, 9. Juni. In dem benach— 
barten Dorfe Bullenheim wurde am 24. v. M. 
ein dem Trunk ergebener Mensch todt aufgefunden. 
Die allgemeine Volksstimme bezeichnete ihn als er— 
schlagen. Der Gerichtsarzt, der in Folge dieses 
Geruͤchts die Besichtigung der Leiche vornahm, hielt 
Lungenödem für die Todesursache, woraufhin die 
Beerdigung vorgenommen wurde. Die Gerüchte fanden 
aber ihren Weg bis Würzburg. so daß auf Ver⸗ 
anlassungd es dortigen Landgerichts die Leiche aus—- 
gegraben wurde. Die Section soll allerdings eine 
gewaltsame Tödtung ergeben haben. Vergangenen 
Dienstag wurde der Thäter verhaftet. Es scheint 
sich um eine Schlägerei zwischen einem Bullenheimer 
Buͤrschen und dem erwäͤhnten excessiven Trunken⸗ 
hold gehandelt zu haben. 
'Wiebelskirchen, 10. Juni. Die un⸗ 
liebsamen Pocken wollen aus der Umgegend gar 
nicht total verschwinden. So mußte im benach⸗ 
barten Münchwies wieder ein Haus mit dem 
schwarzen Schilde versehen werden, weil zwei Pocken ⸗ 
franke in demselben ausfindig gemacht wurden. 
(Saar⸗ u. Vl.⸗3.) 
St. Wendel, 9. Juni. Gestern Morgen 
versuchte der Sohn des hiesigen Stationseinnehmers 
Biunemann, über die Bahnstrecke gehend, auf einen 
heranbrausenden Zug zu springen, um so rascher 
die Stadt zu erreichen. Unglücklicherweise verfehlte 
er das Triuibrett und gerieth unter die Räder eines 
Wagens, welche ihm nach dem „Krzn. Tgbl.“ ein 
Stück vom Fuße abrissen und eine Schulter zer⸗ 
quetschten. Lebensgefahr soll nicht vorhanden sein, 
doch wird derselbe für immer ein Krüppel bleiben. 
4 Von den Komité's, welche sich in St. 
Wendel und Wadern für den Bau einer Hoch- 
waldbahn gebildet hatten, ist eine Petition an 
— UV—— 
mit dem Antrage, die Hochwald⸗Secundäreisenbahn 
uͤber die Linie Trier, Ruwerthal, Reinsfeld, Wadern 
Mettnich, Tholey, St. Wendel mit Anschluß Wa⸗ 
dern⸗Merzig herzustellen. Die Budgetkommission 
des Abgeordnetenhauses hat beschlossen, diese Petition 
der kgl. Staatsregierung zur Erwägung zu über⸗ 
weisen. 
—Ein furchtbarer Wolkenbruch hat in der Nacht 
dom'8. zum 9. Juni die Gelände des Bieler⸗ 
sees heimgesucht. In Tüscherz, eine Stunde von 
Biel, wurden buchstäblich ganze Rebgelände auf die 
Seeftraße und die Eisenbahnlinie (Biel⸗Neuenburg) 
heruntergeschwemmt. Vielenorts mußten sich die 
Bewohner der unteren Stockwerke flüchten. In der 
Stadt Biel ging es verhältnißmäßig noch gnädig 
ab — immerhin gab es viel Wasser in die Keller. 
Von Biel wurden Manschaften requirirt, um wenig⸗ 
stens die Eisenbahn fahrbar zu erhalten. was auch 
gelang. 
'Rädesheim, 7. Juni. Bei Gelegenheit 
der Einweihung des Nationaldenkmals 
auf dem Niederwald findet, wie die „Post“ erfährt, 
das große Festdiner für 500 Personen nicht hier, 
sondern in Wiesbaden statt, da nur die Räume 
des dortigen Schlosses für diese Festlichkeit aus⸗ 
reichen. Wie 1877 bei dem schönen Fest der 
Gruͤndsteinlegung, werden wir voraussichtlich in 
diesem Jahre nochmals Se. Maj. den Kaiser, Se. 
I. k. Hoh. den Kronprinzen und die königliche 
Familie insgesamt hier sehen, wie auch die sämt— 
uchen anderen Fürstlichkeiten, ebenso die Generäle 
des letzten Krieges und die Minister. 
Frankfurt a. M., 9. Juni. Bei dem 
in den letzten Tagen hier abgehaltenen Kongreß 
der deutschen Hutfabrikanten ist einstimmig 
heschlossen worden, bei der Reichsregierung dahin 
horstellig zu werden: 1) daß für das ganze 
deutsche Reich ein einheitliches Jagdgeseß eingeführt 
verde, 2) daß Sonntags die Ausübung der Jagd 
wenigstens Vormittags) verboten werde, 8) daß 
»en Hasen eine Schonzeit vom 1. Januar bis 1. 
Dctober gewährt werde. Da Hasenhaare das haupt⸗ 
ächlichste Rohmaterial für die Filzhutfabrikation 
ind, so ist dieser Industriezweig lebhaft an der 
krhaltung und Vermehrung der Hasen interessirt. 
Man hat berechnet, daß das jährliche Ergebniß an 
dasenfellen im deutschen Reiche sich auf etwa 1 
Million Stück beläuft, und da man ferner annimmt, 
daß sich durch die Verwirklichung obiger Anträge 
das Ergebniß mindestens um ein Drittiel ver⸗ 
mehren könnte, so glaubt man eine Berüchksichtigung 
der Petition seitens der Reichsreaierung erwarten 
zu dürfen. 
(Unverfroren) Ein in Köln wohnen⸗ 
der Rentier, welcher in Mühlheim ein Haus besitzt, 
an dem durch die Hochfluth ein Schaden von etwa 
10 M. entstanden war, stellte jetzt noch den An— 
rag „um Gewährung einer Beihülfe“. Auf ein⸗ 
sezogene Erkundigungen erfuhr man, daß der Bitt⸗ 
leller an seinem Wohnorte zur siebenten Stufe der 
Sʒtaatseinkommensteuer veranlagt ist, mithin jähr— 
ich 8-9000 M. zu verzehren hat. 
F Eine seltene Ehrlichkeit hat ein Arbeiter, der 
»or 10 Jahren von Deutz nach Paris zog, dieser 
Tage bethätigt: Er schickke dem Steuerempfänger 
zu Deutz die rückständige Steuer ein. 
F (Aus Beckum) berichtet die, Dortm. Ztg.“, 
daß ein dortiger Bauer an eine Adresse, die in 
den Zeitungen die Uebersendung eines unfehlbaren 
Mittels gegen Ratten für Einsendung von 3 M. 
afferierte, den verlangten Betrag gesandt und ein 
Packet erhalten habe, in welchem sich ein 213 Fuß 
anger Knüppel mit einem Zettel vorfand, auf dem 
die lakonischen Worte standen: „Mit diesem Knüppel 
chlagen Sie jede Raite, die Sie sehen, kräftig auf 
den Kopf und Sie werden sofort Gelegenheit haben, 
zie unfehlbare Wirkung unseres Mittels zu be⸗ 
vundern.“ 
So Manches auch die Sicherheitszustände in 
Berlin noch zu wünschen übrig lassen, so brauch 
doch die deutsche Reichshauptstadt in dieser Bezieh— 
ung den Vergleich mit anderen Großstädten nicht 
zu scheuen. So sind z. B. in Paris nach einer 
oeben veröffent ichten Statistik über das Verbrecher⸗ 
hum in der französischen Hauptstadt, deren Bevölker⸗ 
ing diejenige Berlins nur um eine halbe Million 
ibertrifft, im Jahre 1882 nicht weniger als 46,000 
herhaftungen vorgenommen worden, unter denen 
70 wegen Todtschlag und Mord. Wegen Wider— 
etzlichkeii gegen die oͤffentliche Gewalt sind 1300 
hersonen, wegen Aufruhrs mehr als 4000 Per- 
onen und wegen aufrührerischer Reden über 1000 
Personen verhaftet worden. Die Hälfte der Ver⸗ 
drechen sind von den gewohnheitsmäßigen, rückfäll⸗ 
gen Verbrechern verübt worden, an den Verbrechen 
jaben sich 6000 Frauen und 40000 Männer be— 
heiligt. In Berlin siad dagegen im vorigen Jahre 
nur wenige Morde vorgekommen, die Ruhe ist nir⸗ 
Jends durch Aufläufe gestört worden, und was die 
ünverdorbenheit der Sitten anlangt, so sind in 
Berlin nur verhältnißmäßig wenig Personen wegen 
yffentlicher Verletzung der Scham verhaftet worden, 
vährend die Zahl dieser Kategorie von Verbrechen in 
Patis sich auf nahe 2000 im Jahre 1882 belaufen 
jat. Was im übrigen die Sanitätspolizei und 
Feuerpolizei anlangt, so verdient auch darin Berlin 
den Vorzug; die Feuerwehr in Berlin leistet aner⸗ 
anntermaßen ungleich mehr als die Pompiers in 
Paris. Auch die Zahl der ungesunden Wohnungen 
st verhältnißmäßig weit größer in Paris als in 
Herlin; was dagegen die Verfälschung der Lebens— 
nittel anlangt, so scheinen die in Paris dieserhalb 
getroffenen Vorkehrungen den Vorzug vor denen in 
Berlin zu verdienen. In Bezug auf den äußeren 
Hlanz und die Reinlichkeit der Straßen gibt Paris 
erhältnißmäßig höhere Summen aus als Berlin; 
n Paris sind 3000 Personen mit der Reinigung 
der Straßen beschäftigt, die dafür durchschnittlich 
100 Fres. monatlich beziehen. 
4 An verschiedenen Stellen der Seeküste von 
Mecklenburg-Schwerin waurde dieser Tage 
die seltene Natuürerscheinung einer Fata Morgana 
beobachtet. Von Doberan wird darüber gemeldet: 
Die See war von Schiffen sehr belebt. So wie 
diese, einander folgend, eine auf der See lagernde 
Nebelschicht von mäßiger Breite passirten, sah man 
ledesmal unter ihnen ein zweites Schiff in umge— 
kehrter Stellung (die Mastspitzen unten, der Schiffs⸗ 
tzrvyer oben.) Dieselbe Erscheinung wurde am See— 
strande bei Markgrafenheide, eine Stunde opu 
bon Warnemünde wahrgenommen. Die sich in da 
Luft spiegelnden. Schiffe zeigten sich hier in einzel. 
nen Fällen noch deutlicher als die wirklichen. Außet- 
dem sah man in westlicher Richtung die hinter dem 
dZeiligendamm belegenen Diederichshäger Höhen in 
aͤhnlicher Spiegelung. Dieselben erschienen in wech 
einden Bildern, bald von tiefen Schluchten durch. 
cchnitten, bald mit Gruppen pinienartiger Baume 
in riesenhafter Größe. 
Einentsetzlicher Vorfalh trug sih 
dor einigen Tagen in dem an der Eder gelegenen 
Dorfe Berich zu. Der dortige Kuhhirte ein bejahr. 
er Mann, welcher schon 40 Jahre dieses Ami be— 
gleitete, hütete mit seinem verheiratheten Sohne die 
Heerde. Da kommt die Schwiegertochter und bringt 
das Mittagsessen. Der Sohn setzt sich hin und 
nimmt das Mahl ein, während der alte Mann, der 
deerde den Rücken kehrend, sich mit der jungen 
Frau unterhält. Da stürzt plötzlich, einem wil— 
den Buffel ähnlich, der bis dahin ruhig weidende 
Zulle auf den Alten in furchtbarer Wuth los, wirft 
hn von hinten zur Erde und bearbeitet ihn in 
zräßlicher Weise mit den Hörnern. Sohn und 
Schwiegertochter, sowie der große Hund stürzen sich 
nuf die Bestie, um es von seinem Opfer zu jagen, 
allein — eine gräßliche Scene! — das wildge. 
vordene Thier läßt nicht ab, alles Schlagen und 
Stoßen ist vergeblich, und an einer stärkeren Waffe 
rmangelte es. So mußten denn Sohn und 
Schwiegertochter zusehen, wie die wüthende Bestie 
den Vater mit den Hörnern in die Höhe schleuderte, 
hn spießte und durch furchtbare Stöße in Brust 
und Seite langsam zu Tode peinigte, sodaß der 
Aermste vor den Augen seiner Kinder unter gräß⸗ 
ichen Qualen den Geist aufgab, bevor weitere 
Hilfe kam. Eine Warnung für Alle ist der schred— 
aͤche Vorfall wieder, solche bösartigen Thiere nie— 
mals aus den Augen zu lassen und nöthigenfallz 
zurch Knebelung, Sprungklötze ꝛc. derartige Bestien 
unschädlich zu machen. 
FGeichsgerichts-Erkenntniß.) Die 
Aufforderung des künftigen Darlehensnehmers an 
Denjenigen, der das Darlehen zu geben fich ver⸗ 
pflichtet hat, zur Gutschrift der versprochenen Sum⸗ 
men kann nach einem Urtheile des Reichsgerichts 
als eine unbedingte oder bedingte Schuldverschreib⸗ 
ung angesehen und als solche dem für Schuldbver⸗ 
schreibungen angeordneten Stempel unterworfen 
werden. Dieser Entscheidung liegt ein Fall zu 
Grunde, in welchem ein Bankinstitut einer Hand⸗ 
ung ein Darlehen von 200,000 Mk. zu gewähren 
sich verpflichtet hat und diese Handlung in einem 
Schreiben an das Bank⸗Institut die Aufforderung 
richtete, ihr die genannten 200,000 Mk. im Conto⸗ 
corrent gut zu schreiben. Dies Schreiben begann 
mit den Worten: „Auf die von ihnen heute ge⸗ 
nommenen 200.000 Mk.“ 
Die Frage der Uebertragbarkeit 
der Retourbillets bbeschäftigt die Direckions⸗ 
behörden der deutschen und verschiedener ausländischer 
Fisenbahnen schon seit länger als einem Jahre. 
Nachdem die Versuche, Personen, welche die für 
die Hin- und Rückfahrt giltigen Billets nach be— 
endigter Hinfahrt wegen Behinderung an der Rüc⸗ 
zahrt, oder aus sonstigen Gründen auf dritte Pet⸗ 
sonen übertrugen, wegen Betrugs zur gerichtlichen 
Bestrafung zu ziehen, mißglückt waren, verlautete. 
daß das Verboi der Uebertragung derartiger Billen 
im Wege des Reglements erlassen und durchgeführt 
werden solle. Diese beabsichtigte Aenderung de 
Betriebs⸗ Reglements erhielt aber weder die Zu 
ttimmung der deutschen, noch diejenige der öster 
ceichischen Oberaufsichtsbehörde. Die bevorstehende 
Beneralversammlung der Eisenbahnverwallkungen 
wird sich deshald nochmals mit diesem Gegenftand 
zu befassen haben. Man darf gespannt sein, weiche 
xrInntwickelung diese, das reisende Publikum uabe 
zerührende Frage noch nehmen wird. 
Gee Ritslionderen) In letzter Zei 
st viel Sprechens don den zahlreichen hundert- und 
usendfachen Millionären der aiten und neuen Wet 
ewesenDie Famie Roihschiid ist dabei zu⸗ 
Milliarden (Franken) werth geschätzt worden, wãhrend 
steilich mehrere Amerikaner ein Banderbilt, Gout, 
Field u. s. w. jeder für sich allein schon um eint 
Milliarde herum besitzen soll. Der bekannte 7 
siter der Silbergruben in Colorado, Madah. 
eine Milliarde noch lange nicht erreichen. Seint 
Gruben, die ihm durch Indianer gezeigt wurden 
Jaben ihm in einen Jahre bis 60. Millionen 
Fetragen. Man spürt bis jetßt jeden Tag neu 
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