Full text: St. Ingberter Anzeiger

ðSt. Jugberter Anzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet viertelijährlich 1 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1. 75 4, einschließliw 
0 ¶ Zuftellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I3 H, bei Neclamen 30 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 122. 
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Wir erlauben uns hiermit, ganz ergebenst zum 
honnement auf den 
— F 
St. Ingberter Anzeiger 
mtliches Organ des kgl. Amtsgerichts St. Ingbert, 
ür das mit dem 1. Juli nächsthin beginnende 
II. Quartal einzuladen. 
Preis und Erscheinen des Blattes bleiben 
unverändert. 
Objektive politische Berichterstattung; 
esonder e Beachtung der lokalen und provin— 
lellen Angelegenheiten, sowie der Vor— 
zänge in unserer preußischen Nachbarschaft; 
eiche und fesselnde Unterhaltungslektüre in dem 
vöchentlich 2mal dem Hauptblatte beigegebenen 
Unterhaltungsblatte und in dem öcseitigen 
llustrirten Sonntagsblatte. — 
Neubestellungen auf den „St. Ingberter 
lnzeiger“ wollen gefälligst bald gemacht werden, 
amit in der Zustellung des Blattes keine störende 
AInterbrechung eintritt. Den geehrten Abonnenten, 
ie das Blatt durch die Träger erhalten, wird das⸗ 
elbe auch im neuen Quartale fortgeliefert werden, 
venn nicht vor Schluß dieses Monats ausdrücklich 
bbestellt wird. 
Die stetig wachsende Verbreitung des „St. Ing⸗ 
erter Anzeiger“ in Stadt und Kanton St. Ingbert, 
owie im Kanton Blieskastel empfiehlt unser Blati 
nuch als wirksames Insertionsorgan. 
Ergebenste 
Kedaktisen u. Exprdilion 
des „St. Ingberter Anzeiger.“ 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Neich. 
Berlin, 24. Juni. Wie die N. Stett. Zig. 
uus zuverlässiger Quelle vernimmt, hat das deutsche 
Narineministerium, wohl in Folge der 
onkin⸗Angelegenheit, den Vertrag, welcher zwischen 
hm und der chinesischen Regierung behüfs 
leberführung des „Ting Yuen“ nach China 
urch eine deutsche Marinebesatzung abgeschlossen 
var, gekündigt und ist dem bereits an Bord des 
Ting Yuen“ befindlichen Theil der Mannschaf! 
vorgestern die Rückberufungsordre zugegangen. Die 
ꝛetreffenden Mannschaften haben gestern bereits die 
banzercorvette verlassen. 
Die Schießversuche mit neuen Gewehrmo— 
ellen gehen ununterbrochen fort. So wird jetzt 
der Hasenheide mit einem vom Fabrikanten Garde 
oustruirten Gewehr geschossen, welches nur drei 
Hriffe erfordert, je eͤnen zum Oeffnen des Ver— 
hlusses, zum Einlegen der Patrone und zum 
Schließen und Spannen des Gewehrs. 
Ausland. 
Aus Paris kommt die Nachricht, daß am 
ꝰmstag Louise Michel, die unter dem Namen 
dittere Louise“ bekannte Communardin, wegen 
heilnahme om Straßentumult und Aufforderung 
um Plündern zu sechsjähriger Einschließung und 
hnjähriger Polizeiaufsicht, ihr Spießgeselle Ponzet 
achtzähriger Einschließung und zehnjähriger Po— 
„iaufsicht berurtheilt worden ist. Drei Angeklagte 
aben geringere Strafen erhalten, die übrigen An— 
tllagten wuͤrden freigesprochen. 
„Im Stelle des kürzüich verstorbenen Generalgou— 
eurs von Polen, Albedinsky, ist, wie neulich 
Dienstag, 26. Juni 1883. 
18. Jahrg 
schon kurz gemeldet, General Gurko zum Ge— 
neralgouverneur von Warschan und zum Kom 
nandirenden der Truppen des Warschauer Militär⸗ 
bezirks ernannt worden. Der General, seit 1846 
Offizier, ist ein hoher Fünfziger, dabei jedoch von 
ingewoöhnlicher körperlicher Rüstigkeit; bis zum Aus-⸗ 
bruch des Krieges von 1877 hat er seine Dienst⸗ 
zeit in Petersburg bei der Garde⸗-Kavallerie verbracht 
und sich als Vorgesetzter einen gefürchteten Namen 
gemacht. Während des Krieges erwarb er sich den 
Ruf eines schneidigen und verwegenen Reiterführers; 
sein tollkühner Uebergang über den Balkan und der 
Vorstoß nach Adrianopel machten ihn auf kurze 
Zeit zu einem der populärsten Generale; doch als 
er sich plötzlich von den Türken zu einem ebenso 
schleunigen Rückzuge genöthigt sah, fiel er in Un— 
znade und mußte nach Petersburg zurückkehren, so 
daß seine kriegerische Laufbahn beendet zu sein schien. 
Das Aufgebot der Garde brachte jedoch auch Gurko 
wieder auf den Kriegsschauplatz; nach dem Fall von 
Plewna rehabilitirte er seinen Ruf als Feldherr 
durch einen abermaligen Balkanübergang und die 
darauf folgende Schlacht bei Philippopel. Kaiser 
Alexander überhäufte ihn mit Auszeichnungen und 
Bnadenbeweisungen; Kaiser Wilhelm verlieh dem 
zlücklichen und tapferen General den Orden pour 
e möérite. Nach dem Attentat Solowiews auf 
Aelexander I1. wurde Gurko Generalgouverneur von 
St. Petersburg, in welcher Stellung er anfangs 
nit unerbittlicher Strenge vorging, dieselbe später 
edoch einer auffallenden Milde weichen ließ, indem 
er den wegen eines Mordanfalls auf den General 
yon Drentelen, Chef der 3. Abtheilung, zum Tode 
derurtheilten Mirski begnadigte, wodurch er sich die 
Ungnade des Kaisers zuzog. Nach der Explosion 
m Winterpalaste wurde er seines Postens enthoben 
ind erhielt unter Alexander II. keine dienstliche 
Funktion mehr. Alexander III. ernannte Gurko 
um Generalgouverneur von Odessa. Die von 
hm bei Odessa im vorigen Jahre abgehaltenen Ka⸗ 
»alleriemanöver haben in militärischen Kreisen hoht 
Beachtung gefunden. Albedinsky war ein Mann 
von feinen Sitten und versöhnlicher Gesinnung, so⸗ 
daß die Polen mit ihm gern verkehrten. Die Mos—⸗ 
kauer Slawisten betrachteten diesen Verkehr mit In⸗ 
grimm und waren seit lange bemüht, einen Mann 
von dem Schlage Murawiews an Albedinskys 
Stelle zu bringen. Die Ernennung des Generals 
Burko dürfte ihren Erwartungen entsprechen; der 
General ist zwar kein ausgesprochener Panslawist, 
aber ein Mann von rauhen Formen, derb und 
schroff gegen Hoch und Niedrig, daher wenig ge⸗ 
eignet, Verkehr mit der polnischen Gesellschaft zu 
unter halten. 
Das neueste Manifest der Nihilisten 
ist „an die russische Gesellschaft von den russischen 
Revolutionären“ gerichtel. Es nimmt 12 Druck⸗ 
eiten ein und scheint vor der Czarenkrönung ver⸗ 
jaßt zu sein, auf welche es mit keinem Worte zu 
prechen kommt. Im Allgemeinen ist der Ton des 
Schriftstückes ein ziemlich kleinlauter. Das Leben 
des jetzigen Kaisers wird nicht direkt 
bedroht, allein es wird hervorgehoben, daß die 
Ermordung seines Vaters seiner hart⸗ 
näckigen Unaufmerksamkeit gegen die Bedürfnisse 
und Wünsche seines Volkes zuzuschreiben ist. Die 
Politik, welche die Vorurtheile der unwissenden 
Massen gegen die Intelligenz des Landes pflegt 
vird scharf gemißbilligt. „Rußland“, so heißt es, 
ist gegenwärtig von einem ganzen Heere von 
Spionen, Männern und Frauen des schlimmsten 
Charakters überlaufen, welche auf Diejenigen fahn— 
den, die freisinniger Ideen verdächtig sind.“ Das 
Document schließt mit einem Hinweis auf den Krieg 
mit Deutschland, in welchen die Regie— 
rung hineintreibt und der mit einer 
schmachvollen Niederlage für Rußland 
enden dürfte. „Deutschland', heißt es, „be— 
jandelt dieses Land in einer Weise, in der Nie— 
mand einen Anderen behandeln könnte, ohne einen 
Schlag ins Gesicht zu erhalten.“ Die Schlußworte 
)es Manifestes lauten: „Die Partei wird fort— 
fahren, willkürliche Gewalt in ihren letzten Versteck— 
orten auszutreiben und Eure Rolle, Mitbürger, ist 
es, die zur Kriegführung nothwendigen Mütel zu 
liefern. Laßt uns demnach Bundesgenossen sein.“ 
Der albanessische Aufstand scheint den neuesten 
Nachrichten aus der Türkei zufolge im Nieder— 
brennen begriffen zu sein. Hafiz Pascha, der sich 
eine Zeitlang in arger Verlegeutheit befand, soll 
die meisten aufständigen Stämme zur Unterwerfung 
bewogen haben. Ein günstiger Ausgang würde 
dem stark bedrohten Ansehen der Pforte in diesen 
schwer zu beherrschenden Gegenden sehr zustatten 
kommen. 
— 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 26. Juni. Das Johan— 
nisfest in Rohrbach sollte, wie wir hören, 
nicht ohne eine bedauerliche Messeraffaire seinen 
Abschluß finden. Bei einem Streite, der sich in 
päter Abendstunde auf der Dorfstraße entwickelte, 
wurde ein Bursche aus Niederwürzbach durch einen 
Stich in die Lunge so schwer verletzt, daß an seinem 
Aufkommen gezweifelt wird. 
St. Ingbert, 26. Juni. Ein gestern 
Nachmittag über unsere Stadt hinziehendes Gewit⸗ 
ter brachte endlich den schon längst ersehnten Regen, 
leider aber nicht in dem ausgiebigen Maße, wie es 
den ausgetrockeneten Gärten und Fluren zu wünschen 
ist. In der Nachbarschaft hat es dagegen recht 
tüchtig geregnet. 
— Zweibrücken, 25. Juni. In der ver⸗ 
zangenen Nacht kurz vor 12 Uhr erschoß sich auf dem 
Militärposten an der Gefangenen⸗Anstalt der Sol⸗ 
dat Klaaßen, ein Norddeutscher (Ostpreuße). 
Man sagt uns, daß derselbe zwar als unsicherer 
Heerespflichtiger im März d. J. eingestellt worden, 
aber in seiner Führung tadellos gewesen sei. Ueber 
das dem unseligen Schritt zu Grund liegende Motiv 
haben wir Nichts erfahren; vielleicht lag dasselbe 
ausschließlich in der Abneigung gegen den Militärdienst. 
(Zw. Zig.) 
— (Pfälzisches Schwurgericht) Am 
Freitag wurde der des Meineids angeklagte 50 J. 
a. Bergmann Peter Riefer von Mittelbexbach zu 
einer Gefängnißstrafe von 1 Jahr verurtheilt. — 
In der Vormittagssitzung vom Samstag wurde die 
20jährige Dienstmagd Barbara Weihmann aus 
Edesheim, angeklagt wegen Mords, zu 4 Jahren 
Gefangniß verurtheilt. Diesselbe hatte ihr T Mo— 
nat altes Kind dadurch getödtet, daß sie ihm mit 
einem Kaffeelöffel Vitriol eingab. — In der Nach—⸗ 
mittagssitzung desselben Tages erhielt der 32 J. a. 
stonrad Pfürrmann, Dienstknecht aus Böbingen, 
wegen Meineids eine 2jährige Zuchthausstraäfe; 
außerdem wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte 
auf 5 Jahre aberkannt. 
— In Otterberg verunglückte das 2jährige 
inzige Kind der Eheleute Fickeis auf traurige Weife. 
Die Eltern wollten, wie wir der „Pf. Pr.“ ent⸗ 
nehmen, Wasser auf einen Karren fahren, als dieser