Full text: St. Ingberter Anzeiger

einde zu herzlicher Erbittung göttlicher Gnade zu 
sem wichtigen Geschäft erinnert, sodann in der 
iche vor Augen und Ohren der ganzen Gemeinde 
Singprobe mit denen Bewerbern fürgenommen 
d nach —D ndigung dieselben im Pfarrhaus 
d weiter ten iret: 
F Martin Ott, Schuster aus A., 30 Jahre 
vebens alt, hat in der Kirch gesungen: Christ 
n Todesbanden ⁊c. Dreierlei Handschrift hat 
elesen — mittelmäßig; drei Fragen aus dem 
asand beantwortet — recht; aus dem Catechisme 
c. ceoeno (heiligen Abendmahl) und die 54. 
crage recitirt ohne Fehler; drei Reihen dictando 
rieben J de Fehler; des Rechnens ist er 
gaus unerfahren. 
u Jakob Mähl, Weber aus D., hat die Fünfzig 
nuer sich, hat gesungen: O Mensch bewein dein etc. 
dem Catech. dem Dekalog (zehn Gebote) und 
JFrage recitiret ohne Fehler; dictando drei 
heihen — — 5 Fehler; des Rechnens 
nicht kundig. 
9 Pphhilipp Hopp, Schneider aus G. schon ein 
at gebrechlicher Mann von 60 Lebensjahren, sollte 
— 
nesen. Hat gesungen: Ein Lämmlein geht ꝛc. 
jjetando nur drei Wörter geschrieben — mit Mühe 
nlesen. Rechnen ganz unbekannt, zählt an den 
gingern wie ein klein Kind. Wurde ihm gemeldet, 
'er thöricht gehandelt habe, sich zu melden, was 
uch mit Thränen und Seufzen bekannt. 
Johann Schutt, ein Kesselflicker von allhier, 
al b60 Jahre des Lebens auf Erden gewandelt 
ind hat gesungen: O Ewigkeit, du Donnerwort ꝛtc. 
heim Catoch. bemerkte man, daß er sothanen 
Zücen noch nicht im exercitio stehet. Dictando 
rei Reihen geschrieben — was Buchstaben betrifft, 
—— 
5) Friedrich Loth, ein Unteroffizier aus Sch., 
o im Hochedlen von Grumbkow'schen Regiment den 
zeldzug gegen die Schweden gemacht und alldort 
un Bein verloren, 45 Jahre des Lebens alt, hat 
esungen: Christ lag in Todesbanden ꝛc. Catech 
wohl inne. Vier⸗Fragen aus dem Verstand — 
iemlich. Dictando drei Reihen doch mit 8 Fehler. 
Rechnen Addiren und dubtrahiren inne. 
Es wurde nun einmüthig davon gehalten, daß 
salobb Mähl wohl der capabelste, wogegen den 
inderen, namentlich dem Kesselflicker, nicht zu trauen, 
intemalen er viel durch die Lande streiche, dagegen 
der Kriegsknecht wohl die Fuchtel gegen die armen 
Rindlein zu stark zu gebrauchen in Verdacht zu 
nehmen sei, was denen mitleidigen Müttern der⸗ 
lben doch sehr ins Herz stechen und wehe thun 
unnte, auch sei zwischen rohen Soldaten und solchen 
Birmlein doch ein Unterschied zu setzen. Der 
hastor ließ nun votiten und wurde Maehl ein— 
immig erwählet. Da nun selber Jakob Maehl 
ulezett bonas famas gewesen und die ganze Ge— 
neinde Pastorem darum bitten, so giebt auch dieser 
n Vertrauen auf Gottes Segen gemeldeten Maehl 
in votum ab. Nach abgelegten votis wurde 
Achem der Entschluß nebst erforderlicher Erinnerung 
ind Verhalten eröffnet, auch angezeigt, daß er fluge 
tziehen solle. — Hierauf wurde bei herzlichem 
segenswunsche des Pastoris mit dessen und der 
nzen Gemeinde Befriedigung auch beiderseitiger 
Linigkeit solches Protokoll versasset und unterschrieben.“ 
Von der Größe der deutschen Armee 
unn man sich nach folgenden Aeußerungen, die 
Major im Generalstab Frhr. v. d. Golt in 
em Buch: „Das Volk in Waffen“ macht, einen 
briff bilden: „Ein einziges Armeekorps, das auf 
nn Straße marschiert, braucht 18 Meilen Raum, 
J ip fortbewegen zu können.“ Das ganze deutsche 
er Gegenwart, als eine eng aufgeschlossene 
— gedacht, wäre so lang, daß, wenn 
Spitze in Mainz einrückte, das letzte Glied 
Ige Eydtkuhnen an der russischen Grenze zu 
n im Stande wäre. Wenn es unaufhörlich, 
ead Nacht, durch ein Thor marschierte, so 
* es zum vollen Durchzuge eines ganzen 
e bedürfen. Zu seiner Unterkunft sind, auch 
—* e u mit ee belegt wird, 200 
en Landes nothwendig. 
h sDas unsinnige Schnüren, ohne welches 
de Frauen die weibliche Toilette gar nicht 
en önnen, und welches schon so sehr viel Un— 
* —6 hat, wird in einem Modebericht 
dig J er Llhod verdienter Weise hart mitgenommen. 
* att schreibt: Viele meinen, daß die Natur 
8* ch und nach an das Schnüren und Pressen 
ne. daß man den weiblichen Körper „formen“ 
müsse und deßhalb gut thue, die Mädchen schon 
zeitig Mieder tragen zu lassen. Diese Logik scheint 
Tausenden eitler Mütter so glaubwürdig, daß sie 
einen Anstand nehmen, ihre dreijährigen Mädchen 
schon in Corsets zu zwängen; im zwölften Jahre 
hat das kleine Fräulein selbstverständlich schon eine 
zut geschweifte Taille — cambré, wie der tech⸗ 
nische Ausdruck lautet —, im vierzehnten wird 
es bleichsüchtig, im sechzehnten nervös, als junge 
Frau viel bewundert, aber auch viel bedauert; sie 
leidet sich mit unachahmlichen Chic, hat eine Taille 
zum Umspannen, ist aber leidend immer leidend, 
abgespannt, alle Curen wollen nicht anschlagen, die 
ach so sehnlichst erhofften Mutterfreuden bleiben 
ihr versagt. Neiderfüllt blickt sie auf die Frau 
aus dem Volke, die in üppigster Gesundheit und 
Rundung strahlt, der schöne, blühende Engelsköpfchen 
entgegenlächeln, die nichts von Hysterie, Nervenreiz, 
Blutandrang, Brustschmerzen und dem ganzen Heer 
der sie plagenden Krankheitserscheinungen weiß. 
Wo steckt der Fehler? Man mag ihn noch so of! 
und laut nennen, Aerzte mögen noch so eindring— 
'ich auf ihn hinweisen, für die, die nicht hören 
vollen, ist jede Warnung umsonst, so lange die 
Mode einen Gebrauch begünstigt der nicht nur un— 
chön, sondern auch gesundheitswidrig ist und so⸗ 
ange sich Männer finden, welche derart miß— 
gestaltete Weiber heirathen. 
4 Dem Dichter Gottfried Kinkel soll auf 
einem Grabe in Zürich ein Denkmal errichtet 
verden. Eine Anzahl angesehener Männer hat sich 
nn der schweizer Stadt, in deren gastlicher Gemark⸗ 
ing der deutsche Dichter den letzten Theil seines 
Zebens in einer gesicherten und geachteten Stellung 
jerbrachte, zusammengethan, um jener Ehrenpflicht 
zu genügen. Das gedachte Züricher Komité ladet 
die Freunde des Dichters in seinem Heimathlande 
ur Theilnahme an dem Liebeswerke ein. 
— Einen niedlichen, Roman zur See“ er—⸗ 
zählt Jules du Bernay im Petit Journal pour 
ire ungefähr folgendermaßen: Nennen wir sie, 
venn es Ihnen genehm ist, Paula. Ah! welch 
in reizendes junges Mädchen! Welch' entzückende 
Szängerin perlender Koloraturen! Die Einen sagten: 
— Eine Perle!“ Die Andern: — „Ein Sternl“ 
Weder dem Einen noch dem Andern durfte wider⸗ 
prochen werden. In Paris setzte sich Paula's Leben 
aus lauter Triumphen zusammen. Vergötternde 
Feuilletons, zu ihren Füßen sinkende Bouquets und 
andere Aufmerksamkeiten überboten sich gegenseitig. 
Fines Tages aber erhielt sie ein Telegramm aus 
der neuen Welt. Irgend ein Barnum forderie sie 
auuf über den Ozean zu segeln, um ihre tönreiche 
Stimme von den Bühnen Brasiliens herab erklingen 
u lassen, sei es auch nur einige Monate lang. Dort 
verde sie leichter und in reicherem Maße als irgendwo 
onst in der Welt jene beiden kostbaren Güter ein— 
jeimsen, nach denen der Sinn der Menschen vor 
Allem zu stehen pflege: Gold und Ruhm. Paula 
wvarf ihr hübsches Koͤpfchen in den Nacken zurück; 
dann erwiderte sie dem betreffenden Barnum tele⸗ 
zraphisch das eine Wort: Angenommen! Und sie 
chiffte sich ein nach Südamerika. Folgen wir ihr 
zur See! „Paula ist hier!“ flüsterten die Mit— 
dassagiere einander zu. „Die reizende Paula!“ — 
Paula, die Perle!“ — „Paula, der Stern!“ — 
„Die unvergleichliche Paula!“ — An Bord pflegen 
zie jungen Herren ohnhin ganz besonders aufmerk— 
am und zuvorkommend gegen das schöne Geschlech 
zu sein; kein Wunder, daß unsere schöne Reisende 
ich von Verehrern umschwärmt sah. Paula aber 
zewahrte eine tactvolle Zurückhaltung und ließ die 
jungen Herren, die sich darum mühten, von ihr 
ausgezeichnet zu werden, deutlich genug erkennen. 
»aß sie auch die kleinste Gunst nicht anders als 
zleichzeitig mit ihrem Herzen und ihrer Hand ver— 
chenken werde. Um diese beiden beneidenswerthen 
Güter tauchten denn auch binnen Kurzem an Bord 
des betreffenden Amerikafahrers nicht weniger 
als drei eifrige Bewerber auf, sämmtlich Söhne 
guter Familien, sämmtlich junge Mäuner von ange— 
nehmem Aeußern und gewinnenden Manieren 
Welchen sollte Paula wählen? In ihrer Unent— 
chlossenheit wendete sie sich an den Kapitän des 
Schiffes, einen Vertrauen einflößenden Mann ge— 
setzten Alters, dessen besonderer Obhut sie ohnehin 
seitens ihrer Verwandten vor der Abreise warm 
mpfohlen worden war. Ihm trug sie ihre 
Zweifel vor. „Wahl macht Qual“, lächelte 
der Kapitän; „aber da Sie so unentschieden sind, 
tellen Sie doch Ihre drei Verehrer auf einmal auf 
die Probe, etwa in ähnlicher Art, wie Penelope es 
hren Freiern gegenüber gethan!“ — „Aber wie 
denn?“ — „Nun, falls Sie ein kleines Bad nicht 
scheuen, können Sie ja einmal, wie aus Unvorsich⸗ 
tigkeit, über Bord stürzen, um zu sehen, welcher 
von den Dreien Sie aufrichtig genug liebt, um 
sein Leben an das Ihrige zu wagen. Ich würde 
zum Voraus dafür Sorge tragen, daß das Rettungs⸗ 
hoot unmittelbar zur Stelle sei und Sie von dem⸗ 
selben rasch genug aus dem nassen Element befreit 
würden.“ — Paula überlegte sich's nicht allzulange. 
Jung, muthig, abenteuerlustig wie sie war, wagte 
ie Angesichts ihrer drei Verehrer den kühnen Sprung 
in die Tiefe und führte, Dank ihrer Bühnenübung, 
die Komödie so geschickt aus, daß kein Zuschauer an 
twas Anderes, als an einen plötzlichen Unfall 
denken konnte. Alsbald stürzten sich zwei der jungen 
Männer ihr nach. Der dritte blieb unbeweglich. 
Während aber Paula von dem Rettungsboote rasch 
ereilt und in Sicherheit gebracht wurde, gelang es 
nur eben zu knapper Noth, dir beiden eifrigen Ver⸗ 
hrer, die unglücklicher Weise Beide nicht schwimmen 
konnten, noch lebend auf's Trockene zu bringen. 
Fragend trat Paula abermals vor den Kapitän. 
Da ihrer Zwei sich um ihretwillen in Lebensgefahr 
»egeben hatten, war sie um wenig klüger, als zuvor. 
„Ei was“, meinte der Kapitän, „ich an Ihrer 
Stelle würde keinen Augenblick im Zweifel sein 
Was wollen Sie mit einem Menschen anfangen, 
der so unbedachtsam ist, ins Wasser zu springen, 
wenn er nicht einmal schwimmen kann? Solche 
Phantasten eignen sich nicht dazu, ein junges Wesen, 
wie Sie sind, durch's Leben zu geleiten.“ — „Daran 
mögen Sie wohl recht haben“, meinte Paula sinnend; 
„aber was nun thun?“ — „Wenn Sie meinem 
Rathe folgen wollen“, erwiderte der Kapitän, „so 
heirathen Sie. ..“ — „Doch nicht etwa den Drit⸗ 
ten?“ —,„Eben den! Ihn, der sich nicht vou der 
Stelle gerührt hat; den Egoisten!“ — Nun, was 
chat wohl Paula? Folgte sie dem gegebenen Rathe? 
— Mit Nichten. Sie beglückte mit ihr Hand den 
Kapitän und hat es bis jetzt nicht bereut. 
F GEine neue Geburt-Anzeige.) Kin⸗ 
der, die ihre soeben erfolgie glückliche — Geburt 
durch ein lithographisches Cirkular anzeigen .... 
das ist die neueste Wunder⸗-Erscheinung! Der große 
Gedanke kommt, wie die Idee der Menschenrechte, 
aus Frankreichs Kapitale, und wir finden ihn aus⸗ 
gedrückt in der folgenden, gestern hier eingelangten 
lithographirten Karte: 
I. 
se donne l'honneur de vous 
annoncer, qu'il vient de parastre 
aujourd'hui au monde. Mama 
se porte fort bien. 
Chez Mr. ..... 17. Juin 1883. 
Die mit bezeichnete Ecke zeigt das Bild eines 
Bébé in einer dem ersten Lebenstag entsprechenden 
hdüllenlosigkeit, wie es mit sehr einnehmender und 
artiger Pose auf einem Kissen liegt. Für uns 
wäre der deutsche Text zu acceptiren: 
..... giebt sich die Ehre, Ihnen anzuzeigen. 
daß er heute zur Welt gekommen ist. 
Mama befindet sich wohl. 
Bei Herrn ..... Datum. 
F Rom, 25. Juni. In dem Theater zu 
Dervio (Provinz Como) brach gestern Abend während 
der Vorstellung Feuer aus, wobei 47 Personen ums 
Leben kamen und 10 verwundet wurden. 
F London, 25. Juni. Auf dem Kanal hat 
ein Zusammenstoß zwischen den Schiffen „Waitrara“ 
und „Hurunui“ stattgefunden, welche beide sich auf 
dem Wege nach Neu⸗Seeland befanden. „Waitrara“ 
kenterte, wobei 25 Personen ertrunken sind. 
F Auf 32 Millionen Rubel werden die Kosten 
der Krönungsfeierlichkeiten geschätzt. Schon 
der erste Empfang kostete 20,000 Rubel, die Be⸗ 
leuchtung des Kreml 80,000, diejenige der Kasernen 
90,000, der Straßenschmuck mit den Bildern der 
alten Großfürsten und Zaren, den Wappen, Fahnen, 
die beleuchtete Flotille auf der Moskwa zusammen 
160,000 Rubel ꝛc., Stadt, Adel und Bürger haben 
wieder ihre eigenen Ausgaben gemacht; allein das 
„Salz⸗ und Brodgefäß“ des Adels kostete 35200 
Rubel; die Volksfeste erforderten jedes mindestens 
1,000,000 und dabei war zum Glück doch schon 
das meiste Tischgeräth im Kreml vorhanden, denn 
dieser Silbervorrath wird auf 13 Millionen Rubel 
geschätzt. Katharina II. hinterließ Sevres-Porzellan