Full text: St. Ingberter Anzeiger

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der ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
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M 127. Dienstag, 3. Juli 1883. 
—18. Jahrg. 
iti e zuverstehender Weise darauf aufmerksam gemacht 
Politische Uebersicht. worden, daß Deutschland in keiner Weise auch nur 
Deutsches Reich. moralisch, die Partei China's ergreifen und sich da— 
zurch gewissermaßen als Gegnerin Frankreichs be⸗ 
rrachten lassen könne. Aus diesem Grunde, und 
China weiß diese Haltung des Berliner Kabinets 
pollständig zu würdigen, ist auch das Verbot der 
Beleitung des chinesischen Panzerschiffes Ting Tyuen 
zurch deutsche Marinesoldaten in keiner Weise eint 
leberraschung für China gewesen. Die chinesische 
Besandtschaft war lange vor der Veröffentlichung 
dieses Verbotes davon verständigt. Eine Einmisch⸗ 
ung der französischen Gesandtschaft aber hat in dieser 
Angelegenheit überhaupt nicht stattgefunden. 
Ueber das Befinden des Reichskanzlers 
irculiren wieder Gerüchte, denen zufolge sein Zu— 
tand zu ernsteren Bedenken Veranlassung geben 
'oll. Die Thatsache, daß Fürst Bismarck nicht im 
tande war, den Feldmarschall v. Manteuffel zu 
mpfangen, für den er eine besondere Verehrung 
hat, mag zur Entstehung dieser Gerüchte vielleicht 
mit beigetragen haben. 
Berlin, 2. Juli. Fürst Bismarck ist heute 
Nachmittag 8 Uhr 40 Min. nach Friedrichsruht 
abgereist. 
lungen schweben wegen des Erwerbes weiterer neun 
Millionen Acres, von denen ein Theil an der Küste des 
Bolfs von Mexiko liegt. Das Land wird als reich 
an Eczen, Kohlen und Nutzpflanzen geschildert, so 
daß geeignete Colonisten dort reichlich zu thun finden 
würden. Die Sache erscheint noch immer sehr 
problematisch. Die genannte Zeitung bemerkt: Will 
Fürst Bismarck es einmal versuchen, „Deutsch- 
Mexikaner neben die Millionen von Deutsch-Ameri— 
tanern zu stellen, so wünschen wir ihm den besten 
Erfolg. Der Republik Mexiko wird er dadurch 
ein wertihvolles Bevölkerungs-Element zuführen, das 
sie brauchen kann. Eine förmliche Abtretung von 
Land aber mit den Hoheitsrechten über dasselbe ge— 
hört zu den Unmöglichkeiten. Mexiko hat das 
Schwert der Vereinigten Staaten schon einmal ge— 
fühlt und alle Schätze des Juliusthurms reichen 
nicht aus, um unter diesen Breiten erfolgreich als 
Bundesgenosse Mexiko's aufzutreten.“ 
Die gleich jetzt mit vorgenommene Feststellung 
es Reichssetats pro 1884/883 hat für Bayern 
zas Gute gehabt, daß das Budget der kommenden 
Finanzperiode, dessen Berathung im Herbst beginnt, 
Fedeutend entlastet ist. Durch die erhebliche Re— 
uzirung der Matrikularbeiträge und andere günstige 
Imstände hofft man ohne Defizit auszukommen 
damentlich sind die Erträgnisse des Eisenbahnetats 
ehr zufriedenstellend. Füur den im Herbst zu— 
ammentretenden Landtag werden verschiedene Re— 
ierungsvorlagen erwartet, zunächst eine solche über 
rẽrrichtung einer staatlichen Hagelversicherungsanstalt. 
das Bedürfniß einer derartigen Anstalt ist allge⸗ 
nein und wiederholt öffentlich festgestellt worden 
ind so würde die Regierung mit ihrem Vorgehen 
mf vielen Beifall rechnen können. Man meint, 
8 würde das Beste sein, die neue Hagelversicher⸗ 
angsanstalt nach Art der bereits bestehenden und 
egensreich wirkenden Immobiliar-Brandversicherung. 
aämlich als eine Anstalt der Betheiligten unter 
Staatsaufsicht und mit Antheil des Siaates an 
)er Verwaltung, einzurichten. 
Darmstadt, 2. Juli. Die Darmstädter 
zeitung bestätigt offiziell die Verlobung der ältesten 
Tochter des Großherzogs, Victoria, mit dem 
brinzen Ludwig von Battenberg, Sohr 
neß Prinzen Alexander von Hessen. 
Berlin, 1. Juli. Unter dem Titel: „Der 
utsche Reichskanzler und die inneren 
zerhältnisse in Deut schland und in Preußen“ 
ꝛeröffentlicht die Deutsche Revue eine Betrachtung 
iber die gegenwärtige Lage, welche, wie eine libe⸗ 
ale Zeitung bemerkt, der Absagebrief eines hervor⸗ 
agenden conservativen Politikers, eines ehemaligen 
Ninisters, wie vermuthet wird, an den Fürsien 
hdismarck zu sein scheint. Die Auffassungen des 
berfassers bieten an sich wenig, was nicht schon 
inderweitig und vielleicht schärfer gesagt worden 
väre; was denselben einen besonderen Werth ver⸗ 
eiht, ist der Umstand, daß der thatsächliche Beweis 
eführt wird, wie die kritische Beurtheilung der 
hdegierungsverhältnisse keineswegs mehr das Ptivi—⸗ 
egium oppositioneller Kreise ist. Vielleicht würden 
jerade die preußischen Collegen des Fürsten Bis— 
narck in dieser Hinsicht noch manches Material 
iefern können, um die Behauptung des Verfassers 
u bestätigen, daß der Heerd der Frictionen, so 
veit solche heute noch möglich sind, in den preu— 
ischen Ministerialressorts zu suchen sei. 
Dem Kaiser soll vom König und vom 
rinzen Georg von Sachsen bereits die Zusage ge⸗ 
aacht sein, daß sie der feierlichen Enthuͤllung des 
dationaldenkmals auf dem Niederwald bei— 
dohnen werden. Ueber einen bestimmten Termin 
yer Feier soll sich der Kaiser bis jetzt jedoch noch 
ücht entschieden haben, wie über die Bewegungen 
ies kaiserlichen Hoflagers für die Monate Augusf 
ind September uͤberhaupt noch keinerlei Bestimm- 
ngen getroffen sind. Indessen verlautet, der Kaiser 
abe eine Einladung, der Jubelfeier des 28jährigen 
Bhestehens des Vadener Rennvereins beiguwohnen, 
Agenommen und werde für die Zeit vom 28. 
lugust bis 2. September in Baden⸗Baden Aufent⸗ 
alt nehmen. 
die chinesische Diplomatie ist von Berlin 
us von Änbeginn der Streitigkeiten an, die sich 
waen Tonkins zwischen Peling und Paris ent 
»onnen haben, ganz ausdrücklich und in nicht miß⸗ 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 3. Juli. Wie uns mitge⸗ 
theilt wird, machen die aktiven Mitglieder der 
„Gemüthlichkeit“ in nächster Zeit einen Auss— 
flug nach St. Johann, um daselbst bei dem 
Fest der Fahnenweihe des Vereins „Vicioria“ mit—⸗ 
zuwirken. 
* St. Ingbert, 3. Juli. Gestern Mittag 
wurden zwei junge Leute von hier, welche nach 
Amerika auswandern wollten, am Bahnhofe ver— 
haftet, als sie im Begriffe waren, in den Zug ein⸗ 
zusteigen. Entziehung der Militärpflicht seitens der⸗ 
jelben, soll der Grund zu dieser außergewöhn⸗ 
lichen Maßregel gewesen sein. Dieser Grund muß 
sich jedoch als nicht stichhaltig erwiesen haben; denn 
noch am Nachmittage wurde die Verhaftung wieder 
aufgehoben und traten sodann mit einem Abendzuge 
die beiden Europamüden ihre große Reise an. Hoffeni⸗ 
lich erweist sich für den fernern Verlauf derselben 
die unliebsame Unterbrechung nicht als böses Omen. 
*St. Ingbert. 8 Juli. In der Nacht 
von Sonntag auf Montag wurde auf dem hiesigen 
Hüttenwerke ein neuer Treibriemen im Werthe von 
über 100 Mark zerschnitten und ein Stück davon 
entwendet. Ein ähnlicher Fall kam schon einmal 
vor noch nicht langer Zeit vor, nur daß damals 
der ganze Treibriemen mitgenommen wurde. 
*— Die gerichtliche Untersuchung wegen 
Botteslästerung gegen fünf Bewohner der 
GBemeinde Ballweiler, wovon wir seiner Zeit 
berichteten, wurde durch Beschluß der Strafkammer 
des kgl. Landgerichts Zweibrücken eingestellt. Die 
Beschuldigten wurden demnach außer Verfolgung 
gesetzt und der Staatslasse die entstandenen Kösten 
der Voruntersuchung überbürdet. 
* Blieskastel, 3. Juli. Gestern Abend 
nach 8 Uhr wurde dahier der 17. Verbandsta g 
der pfälzischen Creditgenossenschafteü 
mit der Vorversammlung im hübsch ge⸗ 
schmückten Gartenlokale der Frau Wwe. König ein⸗ 
geleitet. Als Vorsitzender fungirte der Verbands— 
director Herr Dr. Knecht von Reustadt, als Schrift⸗ 
jührer Herr Assessor Con rad von Kaiserslauiern. 
Die Anwaltschaft war vertreten durch Herrn Dr. 
Schneider, auch von der Genossenschaft zu 
Frankfurt a /M. war ein Vertreter zugegen. Die 
Feststellung der Präsenzliste ergab 65 Vertreter von 
ofälzischen Vereinen, dabei als Vertreter des Vorschuß⸗ 
dereins St. Ingbert die Herren: J. Beer, 
Drumm, Bayer, J. Fiak und Kaufmann 
Dussong ⸗Blieskastel. Die Wahl des Bureaus 
Ausland. 
Paris, 2. Juli. Nachrichten aus Frohsdor 
bezeichnen Chambord's Zustand als hoffnungslos 
die Union fordert zu Fürbitten für denselben auf 
Paris, 2. Juli. Einer Depesche der Union 
aus Rom zufolge übersandte Ferry dem Papste mit 
der Antwort Grevy's auf das letzie päpstliche Schrei— 
ben eine vertrauliche Note, worin die gegenwärtige 
Lage der Parteien Frankreichs und die Haltung 
des Landes und der Kammern auseinandergesetzi 
sowie auf die Schwierigkeiten hingewiesen wird, 
welche der Regierung bei ihren Bemühungen, die 
antiklerikale Bewegung aufzuhalten, bereitet werden. 
In Frankreich seien die Katholiken der Regierung 
reindlich gesinnt und suchten Mittel, um dem Mi— 
nisterium Schwierigkeiten zu bereiten. Der Schluß 
der Note sei versöhnlich gehalten. Die Union fügt 
hinzu, der Vatikan habe das formelle Versprechen 
erhalten, daß die Gehälter für die Curie bei Ge— 
legenheit der Amnestie am 14. Juli wieder herge⸗ 
tellt werden würden. 
Konstantinopel, 30. Juni. Der Sultan 
hat alle zur diesjährigen Zeit Statt finden sollenden 
Pilgerfahrten nach Mekka untersagt. 
Das Gerücht von der Colonisirung bedeutender 
Landstriche in Mexiko durch Deutsche, dessen 
vir schon früher erwähnt, erthält sich, wie die 
New⸗ Yorker Handels⸗Zeitung“ schreibt, mit großer 
Zähigkeit. Damals hieß es, Dr. Lindemann von 
Philadelphia sei vom Fürsten Bismarck beauftrag! 
worden, Land in Mexiko anzukaufen, um Deutsche 
darauf ansiedeln zu können, und die deutsche Regie— 
rung stände hinter dem Projekt. Die neueste Ver— 
sion lautet etwas anders; der Agent des deutschen 
Keichskanzlers soll jetzt Dr. Bedlack, ebenfalls von 
Philadelphia sein; auch soll es sich nicht mehr um 
Anterhandlungen mit der Regierung von Mexiko 
oder den Gonverneuren von mexikanischen Staaten 
handeln, sondern das Ganze sich nur als ein Pri⸗ 
vatgeschäft in kolossalem Maßstabe darstellen. Bis 
jetzt sollen eine Million Acres gesichert sein, die 
aber nicht, wie früher behauptet, im Staate Zaca— 
tecas, sondern in den Staaten Nuevo Leon und 
San Luis Potosie liegen. Auf dieser ganzen unge⸗ 
heueren Strecke stehen etwa 500 Häuser, die mit 
in den Kauf genommen werden sollen. Unterhand⸗