Full text: St. Ingberter Anzeiger

Dame ein Geldbeutel, ca. 30 M. und einige Ringe 
enthaltend, entwendet. Wie sich jetzt herausgestellt, 
wurde dieser Diebstahl von der bei Deutsch in 
Diensten stehenden Magd Ph. begangen. Um den 
Folgen ihres Fehltritts zu entgehen, stürzte sich die 
Genannte gestern Mittag hinter dem neuen Holzhof 
am Velten'jchen Garten in die Woogbach, wo ihr 
der Tod sicher gewesen, wenn nicht Velten'sche Ar⸗ 
beiter sie noch bei Zeiten aus dem Wasser ge— 
zogen hätten. 
— Ddie nächste zweite Sitzung des Bezirks— 
Vereins pfäzischer Post- und Telegraphen-Beamten 
findet am 15. 1. M. in den Lokalitäten des Schützen⸗ 
hauses in Speyer statt. 
Der Vorstand des pfälz. Hauptvereins der 
Gustav-Adolfstiftung macht bekannt, daß das 31. 
Jahresfest bis Mittwoch den 18. d. in Franken⸗— 
hal gefeiert werden soll. Der Gottesdienst wird 
nach Ankunft der ersten Eisenbahnzüge seinen An⸗ 
fang nehmen. Die Abgeordneten der Zweig- und 
auswärtigen Hauptvereine werden schon Abends 
zuvor zut beraihenden Versammlung erwartet. Alles 
re wird das Festprogramm rechtzeitig veröffent⸗ 
ichen. 
Vermischtes. 
Stuttgart, 7. Juli. Heute wurden in⸗ 
folge des in einer Möbelfabrik ausgebrochenen 
Strikes sämmtliche hiesige Möbelarbeiter von 
der Arbeit ausgeschlossen. 600 Arbeiter sind außer 
Arbeit. 
— Die früher auf den 27. September angesetzte 
Feier der Enthüllung des Nationaldenkmals 
duf dem Riederwald wird auf Anordnung 
des Kaisers um einen Tag hinausgerückt, weil das 
Mandver in Hessen⸗Nassau erst am 26. September 
für die Ueberfiedelung des kaiserlichen Hofhalts von 
Homburg nach Wiesbaden frei bleiben muß. Nach 
Zeendigung der Enthüllungsfeierlichkeiten begibt sich 
der Kaser am 29. September von Wiesbaden nach 
Baden⸗-Baden. 
Zum Bau des Kölner Doms sind seit 
dem Jahre 1864 10,803, 100 M. verwandt wor⸗ 
den. Zur Freilegung desselben an der Westseite ist 
noch eine Million Mark erforderlich, von der die 
Hälfte noch disponibel ist. Das Fehlende hofft 
man durch die nächste und letzte Dombauloiterie zu 
erwerben. 
4In Wesel scheint's schlimm um die „ge— 
treue Nachbarschaft“ zu stehen. So hat z. B. ein 
Hausbesitzer in nicht zu verkennender Absicht die⸗ 
jenigen Wande seines Hauses, auf welche der Blick 
seines mit ihm in Fehde lebenden Nachbars fällt, 
in der Weise decorirt, daß er auf dieselben einen 
an einem Galgen baumelnden Kerl gemalt hat. 
Er hat sogar, damit das Auge des Nachbars nicht 
in's Freie sehen kann, ohne auf einen Galgen zu 
blicken, hoch auf dem Dache, den Fenstern der 
Werkstätte des Nachbars gegenüber, mit vieler Mühe 
ein Oelgemälde nach obiger Art anfertigen lassen. 
ꝓ Ein neuer Fall von Schlafsucht ist kürz- 
lich in Braunschweig festgestellt worden. Die 
„Magdeburger Zeitung“ berichtet von dort: Auf 
Veranlassung des Dr. Berkhau hierselbst ist vor 
einigen Tagen aus dem vier Stunden von hier ge⸗ 
legenen Dorfe Velpke ein 15 Jahre altes Mädchen 
in das hiesige Marienstift übergeführt worden, dat 
in einen ähnlichen Krankheitszustand verfallen ist 
wie seiner Zeit der „schlafende Ulan“ in Potsdam. 
Seit dem 10. Februar d. J, also über 423 Mo— 
nate, liegt das Mädchen, in einem todesähnlichen 
Schlaf versunken, zu Bett; der Körper ist vollstän⸗ 
dig abgemagert, ein Theil der Zehen bereits abge⸗ 
storben, das ganze Bild des Todes. Das Mädchen 
ist die Tochter des Chausseewärters Deumeland in 
Velpke. Die Mutter starb vor dreizehn Jahren; 
an ihrer Stelle übernahm eine Verwandte die Führ— 
ung des Haushalts und die Erziehung des Kindes. 
Ofiern vorigen Jahres verließ Marie Deumeland 
die Schule; auf ihren Wunsch ging sie bald dar— 
auf zu ihrer Tante in Vorsfelde, welche dort mit 
einem Abdecker verheirathet ist. Die geistige Be— 
fähigung des Mädchens stand hinter der ihrer Mit⸗ 
schülerinnen immer etwas zurück, außerdem fiel das⸗ 
selbe durch eine besondere Schweigsamkeit und zu— 
rückhaltung auf. Die Eltern hatten immer Mühe, 
daß das das Kind ordentlich aß; die Tante in 
Vorsfelde sah sich genöthigt, zu Weihnachten vorigen 
Jahres das Mädchen wieder nach Hause zu schicken, 
da es nicht essen wollte und immer mehr abmagerte. 
Bierzehn Tage brütete es nach seiner Rückkehr in 
das elterliche Haus dumpf vor sich hin, jede Nahr⸗ 
ung von sich abweisend, bis es am 10. Februar 
d. J. im Beite liegen blieb, ohne sich seit der Zeit 
semals wieder erhoben zu haben. Man glaubte an 
in dem genannten Tage, daß der Tod bereits ein⸗ 
getreten sei und hatte schon die Todtenfrau herbei— 
jerufen, als eine Bewegung der Augenwimpern und 
ein leises Athmen zeigten, daß noch Leben in dem 
dörper vorhanden war. Der herbeigerufene Arzt, 
Dr. Dunker aus Oebisfelde, verordnete zuerst Arz— 
nei, später jedoch nur kräftige Nahrung, wie Boui 
llon, Wein und so weiter. Diese Nahrung wurde 
dem Kranken Mädchen täglich viermal eingegeben; 
in den ersten Wochen mußteu ihr die Zähne aus— 
einandergebrochen werden, um einen Löffel dazwischen 
schieben und so den Inhalt des letzteren einflößen 
zu können. Jetzt nimmt die Kranke die Nahrung 
williger zu sich; sobald ihr Kopf emporgehoben und 
eine Tasse vor den Mund gehalten wird, schlürft 
sie den Inhalt der Tasse aus, indem sie dabei, was 
sie früher nicht that, die Augen ein wenig öffnet. 
Das Gehör scheint noch nicht ganz geschwunden zu 
sein; oft fieht man an ihren Mienen, daß sie be— 
merkt, was in ihrer Umgebung vorgeht. 
Ein höchst eigenthümlicher, ja 
vielleichteinziginseiner Art dastehen— 
der Unfall passirte am vergangenen Freitag 
Nacht einer jungen 22jährigen Dame, Frl. H. in 
Blaßfewitz. Dieselbe hatte sich bei geöffnelem Fenster 
zur Ruhe gelegt und war eingeschlafen, als plötzlich 
in der zehnten Stunde durch das Fenster ein 
Nachtschmetterling, zur Spezies der Noctuen gehörig, 
'ns Zimmer und zwar direkt in das Ohr der 
Schlafenden schwirrte, in dessen Inneres er schlüpfte 
und sich dort festsetzte. Das vor Schreck und 
Schmerz geängstigte Fräulein eilte in Begleitung 
hrer Mutter sofort zu Herrn Dr. M. in Striesen, 
der jedoch seinen ärztlichen Beistand, sei es der 
päten Abendstunde wegen oder daß er sich nicht 
in eine Operation heranwagte, ablehnte. Die er⸗ 
ehnte Hülfe wurde der Dame endlich am nächsten 
Tage früh durch einen anderen Ohrenarzt zu Theil 
der zuerst den Leib des Thieres und dann Flügel 
und Kopf auf operativem Wege nicht ohne Mühe 
und Vorsicht entfernte. Eine Trommelfell⸗Entzünd⸗ 
ung dürfte jedoch immerhin zu befürchten sein. 
4 Folgende (wohl erfundene) Stephan— 
Anekkode wird (wie die „Königsberger Allg 
Z.“ mittheilt) in Königsberg erzählt: Als Staats- 
ekretär Dr. Stephan sich am 23. v. M. auf der 
derreise zur Jagd auf Hochwild befand, trat er 
auf der Station Dirschau in das Telegraphenbureau 
um ein Telegramm an die Frau Staatssekretär 
nach Berlin aufzugeben. In demselben Augenblid 
geht au den expedirenden Beamten eine Draht⸗ 
depesche ein. Se. Erzellenz läßt sie sick 
zeigen, sie lautet: „Sei auf Deiner Hut, 
Stephan ist unterwegs, der steckt seine Nase in 
Alles.“ Der Gebieter der Reichspost lacht laut auf 
und sofort muß der Beamte nach seinem Diktando 
mit zitternder (7) Hand zurücktelegraphiren: „Zu 
ipät! Die Nase steckt schon drin.“ 
(Fine Enthällung aus dem Jahre 
1866.) In der neuesten Nummer des preuß 
Militär⸗Wochenblattes findet sich eine interessante 
Mirtheilung über die Art und Weise, wie die preuß 
Regierung im Frühjahr 1866 Kenntniß von den 
zsterreichischen Feldzugsplan erlangte. Der Oberst— 
lieutenant z. D. v. Blücher, welcher damals, im 
März 1866, als einfacher Lieutenant im 2. Ulanen⸗ 
regiment in Pleß stand, erhielt Auftrag, als Pri— 
valmann nach Oesterreich zu gehen und Beobacht. 
ungen anzustellen. Ein Reisegefährte verrieth ihm 
zufällig die wichtigsten Einzelheiten des ganzen Feld— 
zugsplanes der Oesterreicher. Dieser hatte einen 
ihm bekannten Offizier, der seinem Onkel im Kriegs⸗ 
ministerium einen Besuch gemacht hatte, gesprochen 
und von demselben erfahren, daß er unter Abkürz— 
ung des üblichen Urlaubs Ordre erhalten habe, zum 
Regiment zurückzukehren, denn dieses habe Befehl 
sofort nach Böhmen abzurücken. Als wir uns 
wieder zusammengesetzt (erzählte der Reisegefährte), 
theilte mir mein junger Freund weiter mit, sein 
Onkel habe ihm erzählt, der Krieg gegen Preußen 
sei beschlossene Sache, alle Regimenter gingen nach 
Böhmen oder rückten doch an die Eisenbahnlinien, 
im zufolge des österreichischen Mobilmachungsmodus 
jeden Augenblick nach ihren Wehrbezirken abgehen 
zu können. Als Oberbefehlshaber sei Feldzeugmeister 
Henedeck ernannt, der ein Kommando nur annehmen 
volle, wenn unter ihm kein Erzherzog stehe, was 
hm gewährt sei; als Kavallerieführer seien Edels- 
seim und Fürst Taxis bestimmt. Die Sachsen seien 
nit Oesterreich verbündet, die Aufftellung der Haupt 
armee einschließlich Sachsen solle in der Gegend 
Pardubitz erfolgen, während man ein Kavallerj— 
korps zwischen Olmütz und Weißkirchen konzentriten 
wolle. Der Feldzugsplan sei, mit der Hauptarm 
über Dresden nach Berlin loszugehen, während di— 
Kavallerie wahrscheinlich über Troppau vorbrechen 
und eine Diversion gegen Breslau machen solle 
Die Verpflegung der Armee übernehme die National 
zank, und würde dieselbe diesmal vorzüglich sein 
Der Feldzug solle schnell zu Ende geführt sein n 
in Berlin enden. — Herr v. Blücher kehrte alsbalt 
zurück und stattete dem General dv. Mutius Berich 
ab. Am 28. März hatte er eine dienstliche Unter 
redung mit dem General v. Blumenthal, dem Ge— 
neralstabschef des Kronprinzen, in Breslau. Be 
dieser Gelegenheit vertraute der General ihm Einige— 
über den feindlichen Feldzugsplan an und —2 
nun, daß Herrn v. Blücher diese Einzelheiten zu— 
fällig in den Schooß gefallen waren. Schließüch 
jagte der General: „Ihr Bericht ist als von de— 
höchstin Wichtigkeit befunden worden und direkt an 
Se. Maj. den König gegangen. Sie können sioh 
darauf sein.“ — Man weiß, wie der Bericht si 
in allen Einzelheiten als richtig erwies und wi 
darauf hin der preußische Feldzugsplan zur große 
Ueberraschung der Oesterreicher genau so ausgear 
heitet wurde, als hätte man in Preußen von allen 
Plänen des Feindes Kenntniß gehabt. 
F(rankreichs auswärtige Ver— 
hretung.) Die Gehalte und Repräsentationsgelde 
der Botschafter und bevollmächtigten Minister der 
ranzosischen Republik sind nun folgendermaßen 
ixiri: 139,000 Francs für die Botschafter in 
gerlin und Konstantinopel, 60,000 Francs für die 
evollmächtigten Minister in Beru, 198,000 Franck 
für den Botschafter in London, 119,000 Franck 
für den Botschafter in Madrid, 109,000 Francs 
für den Botschafter in Rom, 248,000 Francs für 
den Botschafter in Petersburg, 169,000 Franck 
für den Botschafter in Wien. Es gibt neun be— 
ollmächtigte Minister erster Klasse mit 30,000 
Francs und dreizehn mit 24,000 Francs mit Aus 
schluß der Repräsentationsgelder. Die Gesandten 
weiter Klasse beziehen folgende Gehalte: in Peking 
30,000 Francs, in Meriko 55,000 Francs, in Washinqg⸗ 
lon, Tokio, (Japan) und Rio de Janeiro ein Jede 
49,000 Francs. in Buenos Ayres 45,000 Franch 
in Teheran 36,000 Francs, in Athen 36,000 
Francs in Brüssel, Haag und Lissabon ein Jede 
29,000 Francs, in Kopenhagen, Lima, München 
Stochholm und Tunis ein Jeder 26,000 Franch 
n Bukarest 25,000 Francs, in Santiago (0hili— 
26,000 Francs in Belgrad 11,000 Francs, ir 
Tanger 8000 Francs, in Port-⸗au⸗Prince 7000 
Francs. 
4 Eine tragische Szene spielte sich m 
Paris kürzlich an der Ecke der Passage Violet 
und der Rue d'Hauteville ab. Die Thatsachen sind 
folgende. Vor eiwa 12 Jahren lernte der damals 
23jährige Kaufmann Felix Gennit die junge 
Bluͤmenarbeiterin Marie B. kennen. Die junge 
deute fanden sich in gegenseitiger Liebe und hei⸗ 
ratheten sich. Ein Jahr darauf wurde ihnen ein 
Kind geboren. Bald aber stellten sich in der Ehe 
ernstliche Konflicke ein, doch wurde das gemeinschaft 
liche Eheleben aufrecht erhalten bis zur Geburt eine 
zweiten Kindes, das jetzt 5 Jahre alt ist. Bald 
danach trennten sich die Gatten freiwillig, Genni 
hlieb mit den Kindern in Paris, während seine 
Frau zu ihren Großeltern in die Provinz zog 
Fndgiltig wurden die gegenseitigen Beziehungen 
jedoch erst im vorigen Jahre abgebrochen, als Frau 
Gennit ihre Kinder zu sehen verlangte, was ihr 
Mann ihr verweigerte. Daraufhin zog die Frar 
nach Paris und strengte einen Ehescheidungsproze 
an. der noch nicht zur Entscheidung gekommen is 
dils ihr Mann ihr aber noch wiederholt jeden Zu 
tritt zu ihren Kindern verweigerte, beschloß sie, sid 
zu raͤchen, und kaufte sich einen Revolver, mi 
welchem sie ihren Mann an jener Straßenecke er 
wartete. Sobald sie ihn erblickte, feuerte sie au 
ihn einen Schuß ab, der aber fehlging, worauf de 
Mann die Fuͤcht ergriff und sich rettete. Ein gan— 
unbetheiligter Passant, ein junger Kaufmann 
Namens Legrand, stürzte sich jetzt auf die erbittert⸗ 
Frau, um ihr den Revolber zu entreißen. Würhend 
nerl diese zwei Schüsse auf ihren Angreifer ah 
der sie aber überwältigte und zu Boden war 
Jetzt nahm das Publikum Partei für die Frau un 
riß Legrand von ihr los. Toll vor Leidenschef 
tfürzte sich diese auf den Unglücklichen und feuerh