St. Jucherfer Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der „St. Ingberter Anzeiger“? erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöhentlich mit Unterhaltungs⸗
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteliährlich 1.A 40 Z einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 14 75 4, einschließlich
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auf welche die Expedition Austunft ertheilt, 13 B, bei Reclamen 30 3. Bei 4maliger Einrüdung wird nur dreimalige berechnet.
M 139.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
München, 18. Juli. Das bei der letzten
Budgetberathung von der Majorität der Abgeord⸗
getenkammer abgelehnte Regierungspostulat auf
vermehrung des Richterpersonals des
ßerwaltungsgerichtshofes um zwei Räthe
vird in den Entwurf des Budgets für die nächste
zinanzperiode wiederholt eingestellt werden, da die
zjahl der Beschwerden an den Verwaltungsgerichts⸗
sof fortwährend in solcher Zunahme begriffen ist,
zaß die durch das fragliche Postulat möglich wer⸗
yende Bildung eines dritten Senates nicht mehr
anger aufgeschoben werden kann.
Berlin, 18. Juli. Dem Magistrat und den
Ztadtverordneten gingen Dankschreiben des
daisers, der Kaiserin, des Kronprinzen und der
prinzen Wilhelm auf die anläßlich der Geburt des
weiten Sohnes des Prinzen Wilhelm dargebrachten
Blückwunschadressen zu. Der Kaiser hofft, daß auch
er neue Sproß sich dereinst zum Segen des Landes
u einem starken und kraftvollen Gliede des Hohen⸗
ollernstammes entwickeln werde.
Dem Vernehmen nach beabsichtigt der Reichs⸗
tanzler, sich von Friedrichsruh direct, ohne Ber⸗
in zu berühren, nach Kissingen zu begeben, jobald
ein noch immer nicht zufriedenstellendes Befinden
s gestattet.
Die Hauptaufgabe der nächsten Reichstags⸗
ession wird das Gesetz über die Unfallversicher⸗
ing der Arbeiter sein müssen. Es ist nicht zu ver⸗
ennen, daß, wenn das Ausnahmegesetz gegen die
lusschreitungen der Socialdemokratie nicht mehr
7„chaden als Nutzen bringen soll, auf dem Wege
er positiven Maßregeln zur Verbesseruag der Lage
er arbeitenden Klassen endlich, und zwar zum
Nindesten gleichzeitig mit der Verlängerung des
zozialistengesetzes, ein wirklich bedeutender Schritt
ethan werden muß. Das Krankenversicherungsge⸗
eß ist, so sehr die Ausschließung der ländlichen
Naschinenarbeiter zu beklagen ist, doch mit Recht
ils besonders beachtenswerther Anfang einer naeuen
zeit der Sozialpolitik begrüßt worden. Aber man
zarf nicht vergessen, daß in den Arbeiterkreisen,
nsbesondere den industriellen, weit dringender das
hedürfniß einer Sicherstellung gegen die wirthschaft⸗
ichen Folgen von Betriebsunfällen empfunden wird
ind daß in der That der Gedanke des Krankenver⸗
icherungszwangs nur oder hauptsächlich nur deß⸗
vegen so rasch verwirklicht wurde, weil man seiner
uur Durchführung der Unfallversicherung bedurfte.
—X diesen Umständen sieht man der Neuausar—
eitung des Unfallversicherungsgesetzes mit Spannung
tqgegen.
Tabakbesteuerung. Das Gerücht, daß
eitens der Reichsregierung Material zu einer ander⸗
deitigen Vorlage wegen höherer Besteuerung des
Tabaks gesammelt werde, bestätigt sich, wie wenig
ens die V. Ztig. meldet. Nachdem das Tabai
aenopol im Reichstage auf einen so bedeutenden
Biderstand gestoßen ist — 277 von 820 Stimmen
Hdaß wenigstens vorläufig auf die Einführung
esselben nicht gerechnet werden kann, ist man wieder⸗
im der Frage näher getreten, ob es nicht moͤglich
i. die Tobakfabrikatsteuer nach amerikanischem
Nuster einzuführen.
Es wird bestätigt, daß augenblicklich zwischen
deutschland uind der Tüͤrkei Verhandlungen
vegen der Revision des Tarifs in dem bestehenden
sNandelsvertrage stattfinden. Die Verhandlungen
Samstag, 21. Juli 1883.
—18. Jahrg.
werden in Konstantinopel von dem Spezialbevoll⸗
mächtigten Deutschlands, Generalconsul Gillet, mit
den türkischerseits hiefür designirten Commissaren
zeführt. Es heißt, der deutsche Unterhändler er⸗
hebe gegen die Erhöhung des Tarifs für Artikel,
die nicht von Deutschland importirt werden, keinen
xinwand, und ist bereit, die Erhöhung des Ein—
uhrzoslls für gewisse Artikel unter der Bedingung
uzugestehen, daß seitens der Pforte durch eine ent⸗
prechende Herabsetzung des Einfuhrzolles für andere
Artikel eine Compensation geboten wird. Die Pforte
hJat ihrerseits ihren Apell an die deutsche Regier⸗
uing, den beabsichtigten Reformen des türkischen
Zollwesens keine Hindernisse in den Weg zu legen,
erneuert.
unterseeischen Tunnels zwischen Spa—
nien und Afrika erwogen. Das Blatt fügt
hinzu, daß, obwohl kein Beschluß gefaßt wurde,
der Plan doch großen Anklang gefunden habe.
Der König von Griechenland wird sich,
der „N. Freien Presser zufolge, am 24. Juli
zum Kurgebrauche nach Wiesbaden begeben und
etwa sechs Wochen daselbst verweilen.
Newyork, 16. Juli. Die Einwaaderung in
den Vereinigten Staaten ist in entschiedenem Rück-
zange begriffen. Während des am 30. Juni be⸗
endeten Fiscaljahres kamen in den Ver. Staaten
599, 114 Einwanderer an, gegen 788,992 im vor⸗
jergehenden Jahre. Hierzu lieferte Deutschland
191,643; England und Wales 79,852; Canada
34,3971; Irland 63,720; Schweden 34,596;
Italien 31,715; Norwegen 21,849 und Schott-
land 19,612. Ausgenommen bei Schottland, hat
die Auswanderung aus allen diesen Ländern sich
nermindert; dies ist namentlich bei Deutschland und
Zchweden der Fall. Das neue Fiscaljahr eröffnet
war mit zahlreicheren Ankünften, als in demselben
Zeiträume des Vorjahres, doch läßt sich daraus
noch kein Schluß auf die Gesammtzahl der Ein⸗
wanderer ziehen.
Ausland.
Die französische Generalsteuerdirektion hat
eine Uebersicht für Ausfuhr und Einfuhr während
des ersten Halbjahres von 1883 veröffentlicht. Dar—
nach beträgt die Einfuhr 2,418,211 fr. und die
Ausfuhr 1,689,646 fr., im Vergleich zu den Vor⸗
ahren sehr ungünstige Ziffern. Es ergibt sich aus
dem Bericht der Steuerbehörde: 1) daß die Gesammt⸗
umme der Einfuhr diejenige der Ausfuhr gegen⸗
wärtig um 730 Millionen üherschreitet, während die
Summen während der gleichen Zeitdauer des Vor⸗
ahrs nur 633 Millionen betrug; 2) daß die Ein⸗
uhr an Rohstoffen 1172 Millionen, die Ausfuhr
dagegen nur 326 Millionen beträgt, was einen
Unterschied von 846 Millionen bedeutet; 3) daß
die Einfuhr an Nahrungsmitteln die ensprechende
Ausfuhr um 360 Millionen übersteigt. Diese Ziffern
erregen bei den Leuten, welche sich mit National⸗
konomie beschäftigen, die lebbafteste Unruhe, welche
ich wiederum weiteren Kreisen mittheilt. Der beste
Beweis hiefür ist, daß das Vertrauen im Spar—⸗
assenverkehr immer noch bei Weitem nicht wieder
jergestellt ist, wofür der Zahlenbeweis vorliegt.
Die Hetze gegen die „Fremden“
dauert lustig fort, und L'Evénement ist heute eine
zar gemüthliche Lektüre für die Ausländer in Paris.
Die auderthalb ersten Spalten füllt der Direktor
Tdmond Magnier mit einer schrecklichen Verwünsch—
ung Englands, die nur den Anfang einer Campagne
zegen das perfide Albion bilden soll; dann kommt
der gute Aurélien Scholl mit über zwei Spalten
für die Patriotenliga und gegen alles fremde Pack
hauptsächlich gegen die Deutschen und Italiener
Er fordert dringend, daß der Gemeinderath eine
Verordnung erlasse, welche den Arbeitgebern vor⸗
chreibt, in welchem Verhältniß sie Ausländer be—
chäftigen dürfen. Nachdem Scholl seinen eigenen
Zorn ausgehaucht hat, kommt er auf seinen Freund
Paul Déroulode zu sprechen, der kützlich in Rouen
zegen die Deutschen wüthete, und schließt mit einem
Tilate, das von einem Zeichner der Patriotenliga
— wir wollen dem Namen des Edlen keine Reklame
nachen — herrührt. Dieser erzählt, wie beschämend
.z für die Franzosen ist, daß in den Kiosken auf
den Boulevards deutsche Blätter verkaust werden,
don denen eines den Titel trägt: „Nachrichten aus
xlsaß⸗ Lothringen“. Auch Aurélien Scholl sind die
deutschen Blätter ein Dorn im Auge, und nach
allem, was man von ihm kennt, glaubt man ihm
gerne, wenn er versichert, er trete in keinen Laden,
auf dessen Thüre die Worte stehen: „Man spricht
deutsch.“
Madrid, 18. Juli. Das Blatt „El Liberal“
neldet, daß in einem gestern abgehaltenen Kabinets⸗
ath die Minister einer von einer französischen Ge—
llschaft unterbreiteten Plan für den Bau eines
Lokale und pfälzische Nachrichten.
—e Ensheim, 19. Juli. Viktualienmarkt.
Fartoffeln per Kilo 8,75 M., Butter per r Kilo
110 -- 1,220 M., Eier per Dutzend 70 Pfg.,
Weißkraut per Kopf 12 — 20 Pfg. Gelbrüben
per Bund 5 Pfg.
— Niederwürzbach, 20. Juli. Da durch
Erlaß des Herrn kgl. Oberstaatsanwaltes vom 23.
Juni l. Irs. der Standesbeamte von Niederwürz⸗
bach wegen mustergiltiger Führung der Standesakten
vom Jahre 1882 mit einer Belobung ausgezeichnet
vorden ist, so bewilligte der dasige Gemeinderath
dem Gemeindeschreiber Peter Wolf die Remune—
ration von 90 Mar“
— Blieskastel, 18. Juli. In einer Zelle
des hiesigen Amtsgerichtsgefängnisses wurde heute
ein Schustergeselle aus St. Johann, der am Mon—⸗
ag inhaftirt wurde, an der Zimmerthüre mittelst
eines Sactuches erhängt aufgefunden. Man ver—
nuthet, daß der Selbstmörder nicht wegen des ihm
zur Last gelegten Betruges, sondern aus weit trif—
tigeren Gründen diese That begangen hat, indem
er als verdächtiges Individuum verrufen ist.
— Herr Rector Dr. Autenrieth in Zwei—
drücken erläßt eine Bitte um Sammlungen auf
dem Gebiete der pfälzischen Mundarten. Es kommit
iach seiner Meinung darauf an, daß möglichst viele
ind möglichst genaue Sammlungen angestellt werden,
paß insbesondere diejenigen Stände und Personen,
velche am meisten direck mit dem Volke verkehren,
also Forstleute, Notare, Gerichtsvollzieher, Ein—
iehmer, Geistliche, Lehret und Aerzte, aufzeichnen,
vas von Eigenthümlichkeiten in ihrem Orte, Gau,
Bezirk oder Thal sich bietet und diese Aufzeich-
zungen an eine Lateinschule oder an ein Gymna—
sium oder direct an Herrn Dr. Autenrieth ein—
enden.
— Aus Landau wird der „Pf. Pr.“ ge—
chrieben: Der Tod des in Würzburg im Pistolen⸗
duell gebliebenen pfälzischen Studenten Ernst
Moschel aus Germersheim, Sohn des dortigen
gl. Rentbeamten und Enkel des verstorbenen Kon⸗
istorialraths Moschel in Speyer, erregt hier die
allgemeinste Theilnahme, da derselbe halb Landauer
dind ist, dahier seine Gymnasialstudien machte und