Full text: St. Ingberter Anzeiger

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ðt. Ingherter Amzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
slatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 14 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1. 75 H, einschließlich 
d Zustellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 138 , bei Neclamen 80 3. Bei Ainaliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet 
M 140. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 19. Juli. Der Gesandte 
zreußens, Graf d. Werthern, wird nächster 
cage einen längeren Urlaub antreten, und ist für 
ie Dauer desselben die Leitung der Gesandtschaft 
em Legationssekretär Dr. Philipp Grafen zu 
zulenburg übertragen. — Herr v. Ziegler, hisher 
Meinisterrath extra statum des Staatsministeriums 
eß Inneren, wird, wie wir vernehmen, zum 
atusmäßigen Ministerrath des Staatsministeriums 
es Inneren für Kirchen⸗ und Schulangelegenheiten 
rnannt werden. 
Aus Berlin wird der „Danz. Zig.“ von 
uscheinend gut unterrichter Seite geschrieben: Auf 
en Schutz unserer Ostgrenze wird seitens 
er Militärverwaltung seit Jahresfrist viele Sorg⸗ 
alt verwendet. Nicht allein, daß Generalstabs⸗ 
uffiziere, ähnlich wie an die Thore der Westgrenze: 
NRetz und Straßburg, so auch nach Thorn und 
königsberg kommandirt worden sind, der Ausbau 
er Forts und Garnisonsanstalten in Thorn be—⸗ 
dirkt, die Festung ferner mit einer Brieftauben⸗ 
ation ausgerüstet wurde, ist neuerdings die Heran⸗ 
iehung eines Fuß-Artillerie-Bataillons aus dem 
znnern des Reiches nach den Provinzen Ost⸗ und 
VBestpreußen angeordnet worden. Wie wir nun 
oren, hat die im nächsten Monat bei Graudenz 
eginnende Pionier-Uebung mit den Zweck, zu 
onstatiren, ob es sich empfiehlt, die Festung umzu⸗ 
auen. Es verlautet ferner, daß in diesen Tagen 
som Kaifer ein Befehl unterzeichnet worden ist, 
nach welchem das in Metz garnisonirende 8. Ost⸗ 
reußische Infanterie-Regiment Nr. 45 nach Danzig 
ind eins der in Danzig garnisonirenden Regintenter 
veiter nach der ostpreußischen Grenze verlegt 
verden soll. 
Ausland. 
Paris, 19. Juli. In legitimistischen Kreisen 
jeht das Gerücht, Cham bor d's Krankheit rühre 
jon einer Vergiftung her. Derselbe habe unlängst 
wei Kisten vergifteter Cigarren aus Lyon erhalten, 
zie allerdings irrthümlich an ihn adressirt waren. 
ind von diesen Cigarren habe er zwei geraucht, 
vorauf seine Erkrankung erfolgte. 
Varis, 19. Juli. Englands Eigenmächtig- 
eit in Aegypten macht die Pforte der französischen 
dllianz geneigter. Der Sultan beansprucht die 
zestätigung des Suezvertrages. Stanley soll am 
FJongo gegen die französischen Ansiedlungen den 
Viderstand der Eingeborenen anfachen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
»St. Ingbert, 21. Juli. Das theaterliebende 
zublikum unserer Stadt machen wir hiermit wieder⸗ 
olt auf die beiden Vorstellungen auf— 
ierksam, welche Frau Direktor Schroth mit ihrer 
vesellschaft und Frau Albinus aus Frankfurt 
M. als Gast' am nächsten Sonntag und Mon⸗ 
ag Adend im Oberhauser'schen Saale dahier geben 
vird. Der Gesellschaft geht in Bezug auf ihre 
eistungen ein sehr günstiger Ruf voraus; mit 
drem Auftreten dahier stehen uns also, wie wir 
nit Sicherheit annehmen dürfen, zwei höchst an⸗ 
zenehme und genußreiche Abende in Aussicht. 
— In Oberwürzbach wurde den beiden 
»ottigen Lehrern die Leibwäsche, die zum Trocknen 
nufgehängt gewesen, auf brutale Weise mit einer 
ützenden roiben Flüssigkeit bespritzt und dadurch 
Sonutag, 22. Juli 1883. 
)erdorben. Dieser Act gemeiner Roheit wird all⸗1 
gemein verurtheilt. 
— Vom Schwarzbach. Als weltliche 
Deputirte zu der Enthüllung des Unionsdenk— 
nals in Kaiserslautern wurden im Auftrage des 
igl. Consistoriums durch den Synodal-Aus- 
huß für das Decanat Zweibrücken die Lehrer J 
hzussong in Webenheim und J. Vogelgesang in 
Zreitfurt gewählt. 
— Aus der Südpfalz wird berichtet: Die 
mhaltend regnerische Witterung verzögert die Ernte 
n bedenklicher Weise. Der Roggen ist schon eine 
Woche lang geschnitten, kann aber nicht gebunden 
verden. Indessen wird der Weizen völlig reif. 
der Landwirth ist in schlimmer Lage. — Auf den 
Tabakfeldern zeigt sich ein ruchloser Feind, der 
tegenwurm. Manche Felder werden total umge⸗ 
ifluͤgt, andere sind nur noch zum Dritttheil und 
ur Hälfte mit Tabatpflanzen besetzt. 
Am II. August findet die Generalver⸗ 
ammlung des Vereins pfälzischer Thierärzte auf 
der Haardt bei Neustadt statt. 
— Deidesheim, 20. Juli. Wie sitets im 
deben zur Unterstützung seiner Mitmenschen bereit, 
o hat der kürzlich dahier verlebte Herr L. A. Jor⸗ 
an auch noch in seiner letztwilligen Verfügung 
einer Arbeiter gedacht und denselben M. 2000 
sespendet. Ehre seinem Andenken! 
— Aus Ludwigshafen schreibt der „Pf. 
d.“: Der vor kurzem verschiedene Herr Direktions 
ath Hamm hatte das Referat über das Hochbau⸗ 
vesen der Pfälzischen Eisenbahnen. Da vorerst für 
ziese Sparte kein specieller Referent bei der Direk⸗ 
ion ernannt werden soll, hat die letztere verfügt 
»aß das Hochbaubureau, wie es zur Zeit besteht, 
dem kgl. Baurath Herrn Direktionsrath Basler und 
derrn Oberingenieur Mühlhäußer unterstellt werde, 
delche in gegenseitigem Benehmen die betreff. Ge⸗ 
chäfte besorgen werden. 
Vermischtes. 
F Das Münchener Hofbräubier soll 
etzt von so eigenthümlicher Qualilät sein, daß 
zeute, welche gegen die milde Praxis in den Siraf—⸗ 
instalten eifern, schon den Antrag vorbereiten, man 
olle besonders bösartigen Gefangenen als Straf- 
erschärfung künftig statt Wasser nur Hofbräu 
erabreichen. 
F (In Geldern) fand ein Burger in der 
Tasche seines Rockes, der mehrere Wochen auf dem 
zoden gehangen hatte, ein Spatzennesst mit 
ieben jungen Vögeln. 
F (Ein interessantes Postkuriosum) 
vurde dem „Rh. K.“ zur Ansicht vorgelegt: Ein 
grief, der im Jahre 1870 von Wiesbaden nach 
San Franzisko aufgegeben wurde und der nach 
nehr als 13jähriger Abwesenheit kürzlich als un 
ꝛestellbar von seinem kalifornischen Ausfluge zurück— 
ehrte. Der Aufgabestempel: Wiesbaden, 24. 
Närz 1870, ist deutlich erkennbar; das Datum des 
10. Juli 1883 bezeichnet den Tag der glücklichen 
kückkehr. Auch Briefe haben ihre Schichsale! 
F(Sturz vom Thur mseil.) Die poli— 
eilich angeordneten Schutz- und Sicherheitsvorricht⸗ 
ingen bei öffentlichen Schaustellungen haben in 
Zerlin am Montag Abend zwei Menschen vor 
inem gräßlichen Tode bewahrt. Im Weimannschen 
Zolksgarten auf dem Gesundbrunnen finden gegen⸗ 
värtig die Produktionen einer unglaublich kühn 
ind sicher operirenden Seiltänzergruppe statt Am 
Nontag Äbend nun gegen 8 Uhr entwickelte sich 
18. Jahrg. 
hier eine nervenerregende Scene. Die beiden Künst - 
ler Beuno Maningo und Petresku, Rumänier, 
hatten den eindringlichen Rath des Herrn Wei—⸗ 
mann, bei dem aufsteigenden schweren Gewitter ihre 
gefahrvollen Produktionen auszusetzen, nicht befolgt 
und waren unter Donner und Blitzen eben dabei, 
die im Publikum sehr beliebte Elephantenpièce, aus⸗ 
zuführen, d. h. in der Umhüllung eines Elephanten 
nit seinem oben aufsitzenden Kornick über das Thurm⸗ 
seil zu gehen, als die Katastrophe ausbrach. Unter 
einem herniederzuckenden Blitz schien das starke 
Drahtseil nachzugeben, und beide Künstler stürzten 
aus der schwindelnden Höhe unter gellendem Auf⸗ 
schrei kopfüber in die Tiefe. Das unten an— 
gebrachte Netz zerriß zwar durch die Wucht des 
Falles, milderte aber doch, Berliner Blättern zu— 
'olge, den Sturz so, daß beide Artisten unter dem 
Jubel des Publikums sich völlig unbeschädigt vom 
Erdboden zu erheben vermochten. Petresku, einer 
der Artisten, wurde von einem Herrn gefragt, wie 
ihm bei der Fahrt in die Tiefe zu Muthe war, 
worauf dieser zwar lachend, aber doch mit blassen 
Lippen erwiderte: „Hab ich gedacht — Ade, nun 
is futsch die schöne Welt!“ 
Ein Aufsehen erregendes Men— 
schenpaar wird sich am Donnerstag in Berlin 
dem Publikum präsentiren. Nikolaus Semenoff, 
der größte jetzt lebende Mensch, eine Hünengestalt 
don acht Fuß Höhe, dessen resige Körpergröße 
durch eine prächtige, glänzende Rüstung aus Mes—⸗ 
ingblech noch imponirender wirkt und Anneta 
Fsillog, eine ungarische Bäuerin aus dem Zalaer 
domitat, die über einen Haarwuchs, wie er in 
olcher Fülle wohl noch nie vorgekommen sein dürfte, 
»erfügt, sind zwei menschliche Wesen, von denen 
edes für sich die Eigenschaft des Außerordentlichen 
ind Originellen in Anspruch nehmen darf. Das 
daar der Letzteren fällt in schönen Wellenlinien 
zis zum Erdboden, ist blond und 1I Meter 80 
Fentimeter lang. Das Mädchen tritt zum 
ersten Male öffentlich auf und trägt das reiche 
ungarische National-Costüm. Nikolaus Semenoff 
wird nicht verfehlen, in kurzer Zeit der gesuchteste 
Mensch zu sein. Derselbe ist 33 Jahre alt, hat 
den letzten russischen Feldzug mitgemacht und ist für 
eine ungewöhnliche Tapferkeit mit dem St. Georgs⸗ 
kreuz dekorirt. Die Rüstung ist in Paris gefertigt, 
wiegt 160 Pfd., ist von hervorragend schöner Arbeit 
und hat 5000 Fres. gekostet. Man muß, schreiben 
die „B. N. N.“, den riesigen Ritter mit seinem 
mächtigen Schwerte selbst gesehen haben, um sich 
die volle Wirkung der wunderbaren Gestalt vor⸗ 
tellen zu können. 
4 Unter den Dekorierten der Berliner Hy— 
sieine-Ausstellung befindet sich auch der Esseger 
danonenkönig Krupp. Wir zweifeln nicht, daß die 
Brodukte der Krupp'schen Kanonenwerkstätten vor⸗ 
züglich geeignet sind, die Menschen von Krankheiten 
un Gebrechen für immer zu kurieren. 
F Avricourt, 17. Juli. Ein schreckliches 
Unglück hat sich vorgester in dem Dorfe Tom— 
»laine, bei Nancy, ereignet. Ein dort an der 
Meurthe gelegenes, von dem Feuerwerker Guilminot 
„ewohntes Haus ist auf noch unaufgeklärte Weise 
in die Luft geflogen, und die ganze Familie, be— 
tehend aus Vater, Mutter und drei Kindern, hat 
dabei den Tod gefunden. Sämmiliche Leichname, 
die man beim Loschen des Brandes hervorzog, 
waren gräßlich verstümmelt. 
fIn den Tyroler Alpen ist am 14 
und 15. Jupli starker Schneefall eingetreten: die