Full text: St. Ingberter Anzeiger

Frankfurt⸗Mainz⸗Ludwigshafen erfolgen. Vor An⸗ 
sritt der Rückfahrt sind die Billete durch die be— 
treffende Billet⸗Expedition in Berlin abstempeln zu 
lassen. Alles nähere ist aus den bezüglichen Afsichen 
zu ersehen. 
Vermischtes. 
München, In der Marimilianskaserne hat 
sich in der Nacht vom Samstag auf Sonntag in 
der Mitte eines Schlafsaales ein Obergefreiter vom 
1. Feldartillerieregiment an einem Lampenhacken 
erhängt. Als Motiv des unglücklichen Schrittes 
wird Unmuth darüber bezeichnet, daß die Löhnung 
nicht an dem Tage ausbezahlt wurde, an welchem 
der Obergefreite es erwartet hatte. Er soll aus 
diesem Aulasse den Selbstmord seinen Kameraden 
angekündigt und dieselben zu bereden versucht haben 
sich ebenfalls zu erhängen.!! 
(Ein naiver Fechtbruder in Mün— 
chen.) Arrestant zum Gendarmen: „Ich bin heute 
zum ersten Male hier, — nicht wahr, Sie sind so 
freundlich und machen mich unterwegs auf die Sehens⸗ 
würdigkeiten der Stadt aufmerksam ?!“ 
4Von dem Obersten von Will in Würz— 
bpurg, von dessen Pensionirung eben in den Zeit⸗ 
ungen gesprochen wird, schreibt das Münchener 
„Frmdenblatt“: Oberst v. Will war es, der durch 
heldenmüthiges Festhalten an den gefaßten Positi⸗ 
onen in den heißen Schlachttagen um Orleans 
wesentlich zum Siege der deutschen Fahnen beitrug 
und der duͤrch geschickte und glückliche Leitung eines 
außerordentlich gut dirigirten Feuergefechtes bei 
Beaugenzy, (8. Dezember 1870) seiner Artillerie⸗ 
Abtheilung „Die eiserne Division“ erwarb. Für 
hervorragende Tapferkeit vor dem Feinde wurde 
Hrn. v. Will die höchste bayerische Militärauszeich⸗ 
aͤung, der kgl. Max-Josephs⸗Orden, und damit die 
Erhehung su den Adelsstand zu Theil; ihm verlieh 
uͤberdieß seine Heimathstadt neben dem Ehrenbürger— 
recht einen silbernen Lorbeerkranz. 
4 Die Herbstübungen der Divisionen des 1. kgl. 
bayer. Armeekorps werden dies Jahr zum 
ersten Male in den bayer. Hochgebirgen abgehalten 
werden. Der Kronprinz wird denselben auf seiner 
Inspizirungsreise als Chef der 4. Armeeinspektion, 
zu welcher bekanntlich die beiden bayerischen Armee korps 
gehören, wahrscheinlich beiwohnen. Die 1 Divbision 
wird Prinz Leopoldvon Bayern, der Schwieger⸗ 
sohn des österreichischen Kaiserpaares, befehligen. 
(Unschuldig verurtheilt.) Aus dem 
Zuchthause zn Werden wurde am 17. d. M. ein 
Siräfling entlassen, der unschuldig zu einer Zucht⸗ 
hausstrase von 15 Jahren wegen Todtischlags ver— 
urtheilt war und von dieser Strafe bereits 2 Jahre 
berbüßt hatte. Jetzt hat ein Sterbender auf dem 
Todtenbeite das Geständniß abgelegt, daß er das 
Verbrechen begangen habe und Jener unschuldig sei. 
Die weiteren Ermittelungen haben ergeben, daß das 
Geständniß richtig sei. 
4 Eine wichge Entscheidung für frühere Sol— 
daten ist seitens des Landgerichts J zu Berlin ge— 
fällt worden, welche nicht genug verbreitet werden 
kann, da vielleicht manchem sich in ungünstiger Lage 
befindlichen hierdurch eine Aussicht entsteht. Das 
Langericht hat gegen den Militärfiscus entschieden, 
daß die Kriegsjahre der Unteroffiziere und Soldaten, 
ebenso wie den Offizieren, bei Pensionirung resp. 
Anstellungsberechtigung doppelt zu rechnen seien, 
was der Militärfiscus bis dahin bestritt und es 
hat sich dieser im betreffenden Falle dem Urtheile 
gefügt. Die Consequenz dürfte sich demgemäß fol⸗ 
gendermaßen stellen: Die Penfions- resp. Anstel⸗ 
uumgsberechtigung beginnt für Unteroffiziere und 
Sodaten bei Invalidität mit dem 8. Jahre. Wie 
biele giebt es nun, die über fünf Jahre bei der 
Fahne gewesen und die Feldzüge 1866 (gilt für 
Haunoveraner, Kurhessen, Nassauer ebenfalls), und 
1870171 mitgemacht, mithin, da diese event. doppelt 
gelten, über acht Jahre gedient haben, also auch bei 
eingetretener Invalidität (nicht Erwerbungsfähigkeit, 
die stets pensionsberechtigt war) pensions resp. civil⸗ 
bersorgungsberechtigt sind. Für Individuen, die in 
Civildienst übergegangen, liegt die Wichtigkeit auf 
der Hand, da sie früher zu der erstrebten 
Pensionshöhe kommen. Auch ist für diese die Ent⸗ 
scheidung wegen der Anciennität wichtig. 
psC(poesie und Prosa.) Berliner Blätter 
erzählen: An einem schönen Sonntagsmorgen des 
jüngst verflossenen Rosenmonats schaute ein junger 
Maun, festtäglich gekleidet mit frischem Gesichte, 
recht elegisch hinüber nach einem jungen Mädchen 
z03 wie er selbst. den Abgang des Zuges nach 
Potsdam auf dem Perron zu erwarten schien. Sie 
erwiderte schüchtern seinen Blick; da faßte er sich 
ein Herz und fragte mit etwas unsicherer Stimme: 
„Geehrtes Fräulein! Würden Sie — wie wäre 
e8 — würden Sie es nicht übelnehmen, wenn ich 
mir die Frage erlaubte, wo Sie heut' den schönen 
Zommertag verbringen werden?“ Bescheiden lächelte 
ie, sah ihn freundlich an und sagte: „Det is mir 
anz Wurscht“ 
(Geichsgericht⸗Entscheidung.) Die 
Lebeusbersicherungs-Gesellschaft, welche trotz der 
enntniß von den wahrheitswidrigen Angaben eines 
ich Versichernden, die Prämien annimmt, ist im 
Falle seines Todes zur Zahlung der Versicherungs⸗ 
umme verpflichtet. 
Im Interesse von Lebensversicherungs-Nehmern 
heilen wir folgendes vom Reichsgericht neuerdings 
zefälltes Urtheil mit: Bei der Preußischen Lebeus⸗ 
ind Garantieversicherungs⸗Aktien-Gesellschaft Fried⸗ 
ich Wilhelm zu Berlin / hatte der Kaufmann K. 
ein Leben in Höhe von 5400 Mark im Jahre 
1874 versichert. Der Versicherungsnehmer hatte 
abei eine der Fragen in der von ihm auszufüllen⸗ 
»en Deklaration, ob er bereits bei einer anderen 
Versicherungsgesellschaft einen Versicherungsantrag 
gestelli habe, wahrheitswidrig mit; „Nein“ beant⸗ 
vortet. Denn kurz vorher hatte K. sein Leben bei 
einer Magdeburger Gesellschaft zu versichern ver⸗ 
ucht, welche jedoch den von ihm gestellten Antrag 
ibgelehnt hat. Von dieser Thatsache erhielt die 
Bejellschaft , Friedrich Wilhelm“ später Kenntniß, 
nichtsdestoweniger aber nahmsie die weiteren Prämien 
)es K. forigesetzt an. Im Jahre 1880 starb K. 
ind als nun seine Erben resp. deren Cessionarien 
ie Auszahlung der Versicherungssumme beanspruch— 
en, da verweigerte die Gesellschaft die Zahlung der 
Zumme, indem sie sich auf die wahrheitswidrige 
Angabe des K. in der Deklaration und auf den 
zadurch geschaffenen Ungültigkeitsgrund aus 86 
er Allgemeinen Verficherungsbedingungen berief. 
Das Kammergericht verurtheilte aber die Gesellschaft 
zur Zahlung, und die von dieser dagegen eingelegte 
Rebision wurde von Reichsgericht, J. Civilsenat, 
zurch Urtheil vom 19. Mai 1883 zurücgewiesen, 
endem es begründend ausführte: „Hat Beklagte 
ewußt, daß K. jenen Versicherungsantrag bei der 
Magdeburger Gesellschaft gestellt hat und dak der⸗ 
elbe von dieser abgeiehnt worden war, daß somit 
ie betr. Fragen in der Deklaration vom 23. Sept. 
1874 unrichtig beantwortet waren, und hat sie, 
obschon sie jene Thatsachen erfuhr, nachdem sie den 
Verficherungsvertrag mit K. abgeschlossen hatte, das 
Hertragsverhältniß durch An nahme weiterer Prämien 
'ortgesetzt, so kann sie, wie das Berufungsurtheil 
nit Recht angenommen, auf den Ungültigkeitsgrund 
aus 8 6 der Allgemeinen Versicherung Sbedingungen 
uicht zurückkommen; sie ist vielmehr, nachdem der 
Tod des Versicherten eingetreten ist. verpflichtet, die 
Zersicherungssumme zu zahlen. 
GEisenbahnbrücke über den Belt!) 
Fin Ingenieur beschäftigt sich mit dem Plane, Jüt— 
and und Fünen durch eine feste Eiseubahnbrücke 
wischen Snoghöi und Kongebroen (Schnakenhöhe 
ind Königsbrücke) an der engsten 750 Meter mes— 
enden Stelle des Kleinen Beltes zu verbinden 
durch Brückenköpfe ließe sich die Breite des Meer— 
irmes wohl noch verringern, doch werden mitten 
sinein Pfeiler gesetzt werden müssen, die durch eine 
dlappoffnung den Schiffen Durchgang gewähren. 
4 Mit dem nächsten Jahre scheidet der letzte 
Jahrgang derjenigen Landwehrmänner aus dem 
deere aus, die noch an dem Kriege 187071 Theil 
senommen haben, so daß von 1884 ab das deutsche 
heer, was den Mannschaftsstand betrifft, in seinen 
Keihen keine Soldaten mehr zählt, welche den Krieg 
aus eigener Erfah rung kennen. 
— Vorgestern (Dienstag) waren es 200 Jahre, 
daß die erste Auswanderung von Deutschland 
aus nach der neuen Welt vor sich ging. Am 
24. Juli 1683 verließ das Schiff „Concord“ von 
Hravesend aus Europa, um die ersten deutschen 
Auswanderer nach Amerika zu bringen. Dreizehn 
Familien mit etwa 40 Seelen eröffneten an diesem 
Tage den Auswandererstrom, der seitdem in immer 
jrößeren Dimensionen Amerika überfluthete, woselbst 
Jeute über 12 Millionen Deutsche gezählt werden. 
die traurigen Verhältnisse Deutschlands nach dem 
)reißigjährigen Kriege hatten diese Auswanderer zum 
Berlassen des Landes veranlaßt. das von den Kriegs- 
horden verwüstet war und unter dem harten 
Drucke der Fürsten eine wenig verheißungs— 
sosle Anssicht auf eine gesicherte Existenz bot. Diese 
ersten Auswanderer fanden Aufnahme in dem von 
Wilhelm Penn von der englischen Krone gekauften 
ind nach ihm genannten Lande Pennshylvanien 
Jebrigens war das Auswandern damals und auch 
ziel später keine leicht Sache. Eine Verordnung 
Friedrich Wilhelm J. vom Jahre 1721 bedrohn⸗ 
die Auswanderung eines preußischen Bauern sowie 
die Verleitung eines solchen mit Todesstrafe. Wer 
ꝛinen Emigranten wieder einfing, erhielt 200 Thaler 
765 und 1784 wurde in Speier Lruten don 
zuter Aufführung, Arbeitsfähigkeit und sonst hin— 
änglichen Mitteln die Auswanderung verboten. 
Begen Ende des vorigen Jahrhunderts wurden 
diese die Emigration erschwerenden Bestimmungen 
zumeist außer Kraft gesetzt. Größeren Aufschwung 
nahm die Auswanderung erst nach dem Kriege im 
Jahre 1815 und besonders 1817 als eine Folge 
zer damals herrschenden Hungersnoth. Auch die 
»olitischen Ereignisse der Jahre 1830 und 1848 
dann die Hungersjahre 1847 und 1853 blieben 
nuf die Auswanderung nicht ohne fördernden 
Finfluß. 
F Galanterie unseres Kaisers. Sen 
venigen Tagen erst weilt Kaiser Wilhelm wieder 
in dem ihm liebgewordenen Gastein, und schon 
exrzählt man eine ganze Menge kleiner Züge von 
)er Leutseligkeit des greisen Monarchen. Unter 
Anderem theilt eine Dame dem Neuen Wiener 
Tageblatt eine Szene, die sich am Freitag um 10 
Ahr Vormittags dortselbst aus der Kaiserpromenade 
ibspielte und deren Zeugin sie war, in folgender 
Weise mit: Als der Kaiser Wilhelm heute seinen 
Jewoͤhnlichen Spaziergang auf der Kaiserpromenade 
nachte, erhob sich von einer Bank Frau Anna K., 
.k. Hauptmanns-Gattin, um dem Kaiser ihre Ehr— 
urcht zu bezeigen; bei dieser Gelegenheit fiel ihr 
Strickzeug zur Erde und der greise Kaiser hob ihr 
hasselbe von dem Boden empor, was sowohl für 
des Kaisers Rüstigkeit, als für seine Ritterlichkeit 
pricht. — Bei dieser Gelegenheit wollen wir einige 
Zahlen mittheilen, welche über die Kosten des 
aiserlichen Aufenthaltes in Gastein Aufschluß geben: 
Se. Majestät nimmt in Gastein für sich, seine Suite 
ind Dienerschaft, kurz für seine ganze Umgebnng, 
;34 Zimmer in Anspruch. Davon sind 34 im 
Jadeschloß selber, 10 wurden bei Straubinger und 
O im sogenannten „Schwaigerhause“ (ebenfalls 
S„traubinger gehörig) genommen. Für diese 54 
zimmer, unter denen sich allerdings für die Diener— 
chaft auch mehrere Mansarden befinden, bezahlt die 
aiserliche Hoffasse für die Dauer der Kur, also für 
21 Tage, den Betrag von 4500 Gulden. Der 
daiser nimmt außer dem ersten Frühstück nur zwei 
Mahlzeiten ein, das Dejeuner im engsten Kreise 
ind das Diner zwischen fünf und sechs Uhr an 
velchem selien weniger als zehn und niemals mehr 
us fünfzehn Personen Theil nehmen. Zum De⸗ 
euner müssen jeden Tag Krebse serviert werden, 
och kommen dieselben bereits aufgelöst auf die 
Tafel, damit keine weitere Bemühung mit dent Ge— 
russe verbunden sei. Das tägliche Menu des Diners 
zesteht aus Suppe, Fisch, Beef, zwei Entrees, Braten 
Mehlspeise, Konfekt und Obst. Ganz ausdrücklich 
fi aber dabei vorgeschrieben, daß das Beef weich 
ei. Für dieses Diner ist dem Pächter des Bade⸗ 
chlosses per Couvert und ohne Wein der Betrag 
»on 12 Fl. bewilligt. Den Wein für den eigenen 
Bebrauch führt der Kaiser mit sich. 
Eine dramatische, herzbeweglich 
S„cene, das letzte Capitel eines Liebesromaue— 
rzählt das W. Extrablatt folgendermaßen: Wir 
zefinden uns in der Wohnung eines Armenrathts 
anus einem der westlichen Bezirke Wiens. Der 
derr siht an einem Schreibtische und blattert eifrig 
n traurigen Beweispapieren, die ihm seine armen 
Zchühlinge vorgelegt. Der Armenrath nimmt eb 
»rn'st mit seiner Pflicht. Niemand ver⸗ 
—DD spet 
im Abend: der Regen stürzt in Strömen herunter. 
der Armenrath hat eine Pause in seiner helfenden 
Thätigkeit gemacht; er stellt sich an das Feuster 
ind buckt in das Unwetter hinaus: — on gegen, 
ibec naht eine schwantende Gestalt dem Hause des 
Armenrathes. Auf ihrem Arme trägt sie ein kleines 
Zind. Wenige Augenblicke jpäter klopft es an der 
Thüre Herein !Unficheren Schritles, die v 
zekleideten Füße vorsichtig auf den Laufteppich jchn 
st die Frau in das dunkle Zimmer getreten. q 
s gelonmen, um Hilfe in ihrem ünglüch u 
ehen.Mite zillernder Stimme trägt sie ihr 
jegen vor. Ver Armendater hört aufmerlsam * 
sanat dann don der Biustellecin die Papiere ur