Full text: St. Ingberter Anzeiger

Vermischtes. 
Würzburg, 27. Juli. Vor dem Militär⸗ 
dezirksgericht wurde heute der Sergeant des 17. Inf⸗ 
Reg. Karl Zirkler, geb. aus Dinkelsbühl, verhandelt, 
der am 15. Mai d. J. in Germersheim, während 
als Gewehrunteroffizier die im Wallgraben üben⸗ 
den Mannschaften zu bewachen hatte, aus Unvor⸗ 
sichtigleit seinen Freund, den Sergeanten Wilhelm 
dahn derselben Kompagnie erschossen hatte. Hahn. 
der im Hauptgraben siand, hatte scherzweise einen 
Erdkloß wider Rirkler geworfen, der darauf das 
Bewehr eines neben ihm stehenden Soldaten zur 
Hand nahm, um Huhn zu erschrecken. Als dieser 
hinter die Mauer zurückgesprungen war und ge⸗ 
ade noch mit dem Kopse über dieselbe hinwegsah, 
ging Zirkler das Gewehr los, und die Kugel traf 
dahn so unglücklich vor die Stirne, daß er auf der 
Slelle todt zusammensank. Zirkler hatte unglück⸗ 
lcherweise mit der einen Hand das Gewehr am 
Abzug gefaßt und dadurch die Entladung verur⸗ 
jacht. Die Absicht auf Hahn zu schießen, lag ihm 
ferne. Trotzdem beantragte die Staatsbehörde, den 
Zirkler wegen eines miluͤärischen Vergehens wider 
die militärische Ordnung durch unvorsichtige Behand⸗ 
lung einer Dienstwaffe, wodurch der Tod fofort eintrat, 
—XDDDDDD——— Vertheidiger, Hr. Rechts⸗ 
anwalt Heim, plaidirte anf Freisprechung. Die 
Geschworneu verneinten nach nur kurzer Berath⸗ 
ung die an sie gestellte Schuldfrage, worauf Frei⸗ 
prechnng erfolgte. Die Rerhandlung hatte ergeben, 
daß Zirkler nicht gesehen, wie der Inhaber des 
Gewehrs dieses geladen hatte. 
'Wie Würzburger Blätter melden, ist der 
in Basel verhaftete Student Lennig, der bekanntlich 
seinen Gegner Moschel aus Germersheim im Duell 
erschossen hat, nunmehr wieder auf freien Fuß ge— 
setzt worden. 
Die bayerische Realschule rüstet sich 
zu ihrem fünzigjährigen Jubiläum. Durch eine 
Illerhoͤchste Entschließung Sr. Majestät Königs Lud⸗ 
wig J. am 16. Februar 1833 in's Leben gerufen, 
hat sie unter den Namen „Gewerbschule“ alsbald 
n der VBevölkerung einen tiefen Boden gewonnen 
nd dem Staate seitdem nicht bloß ein sehr tüchti⸗ 
zes Bürgerthum, sondern auch sehr viele Beamte 
gewinnen helfen. Im Jahre 1877 hat sie ihre 
14jährige Thätigkeit bebeutend erweitert nnd die 
Zahl ihrer Jahreskurse gerade verdoppelt, indem fie 
zugleich ihren Namen ia „Realschule“ ummoderni— 
firl hat. Die Schulen zu Bamberg, Fürth, Frei⸗ 
fing u. a. begehen ihr Jubiläum schon im laufen⸗ 
den Schuljahr, indem fie eine außerordeutliche, auf 
nehrere Tage sich erstreckende Schlußfeier veran⸗ 
talten. Von den pfälzischen Realschulen ist unseres 
Wissens die Kreisanstalt zu Kaiserslautern die älteste. 
Wie wir vernehmen, ist dieselbe am 7. April 1334 
zröffnet worden; doch soll die projektirte Jubelfeier 
derselben erst im August des nächsten Jahres Statt 
finden und mit dem Schlusse des Schuljahres 
188384 zusammenfallen. 
p Neunkirchen, 29. Juli. Die „Saar—- u. 
Blies⸗Ztg.“ schreibt: Das heutige Bergmanns— 
fest im Kohlwalde hat leider infolge eines bee⸗ 
rübendenVorfalles abgekürzt werden müssen. 
Während die festlich wogende Menge, die Einen 
hier, die Anderen dort, sich an den dargebotenen 
Vergnügungen ergötzte, geräth eine —A 
7 Personen. 6 Männer und 1 Mädchen, auf den 
unglüchlichen Gedanken, der nahen Grube, an deren 
Tingange sie sich gerade befanden, einen Besuch ab⸗ 
zustatten. In großer Unbesonnenheit führen zwei 
Männer, denen die Gefahren des Grubenlebens ge⸗ 
aügend bekannt sein sollten und welche wissen 
mußten, daß die Ventilationsvorrichtungen während 
des Stillstandes der Arbeit nicht funktionieren, ihre 
Bekannten den dunklen Gang hinunter, zünden 
dann Licht an und verursachen hierdurch eine der⸗ 
artige Explosion der in der Grube befindlichen 
Stickgase, daß 6 mehr oder weniger durch die 
hrennende Atmosphäre verbrannt und 1 ESchlosser— 
lehrling Ball von hier) getödtet werden. Bemerklich 
ist das unterirdische Unglück erst durch einen Knall 
und den aus dem Einfahrloch aufsteigenden übel— 
riechenden Dunst geworden. Die sofort von den 
Herren Beamten angestellten Recherchen haben dann 
das Weitere ergeben. Hoffen wir, daß die 6 Personen, 
bon denen 2 Bergleute, mit dem gewiß unvergeß⸗ 
ichen Schrecken und ohne großen Schaden davon⸗ 
sommen. (Ein hier, in St. Ingbert, zirkulirendes 
Herücht sprach anfänglich von 20 und noch mehr 
Bersonen, weiche bei dem erwähnten naurigen Vor⸗ 
alle theils ihren Tod gefunden haben, theils schwer 
Herwundet worden sein sollten. Zum Glücke war 
Zzas Gerücht nach der obigen Meldung der Neun⸗ 
ircher „Saar⸗ u. Blies⸗Zig.“ stark übertrieben. 
Für die Betroffenen ist der Unfall immerhin ein 
echt trauriger. D. R.) 
4Müsühausen, 29. Juli. In dem Mili⸗ 
arbefreiungsprozeß, der hier seit einigen Tagen ver⸗ 
jandelt wuͤrde, erfolgte das Urtheil in der gestrigen 
Sitzung. Sechs Angeklagte wurden freigesprochen. 
Diehl Vater, Batzinger Vater, Ehefrau Wingert zu 
e einer Woche, Baltzinger Sohn und Carl Wingert 
u je zwei Monaten, August Gärtner zu zwei Wochen 
ind der Hauptischuldige Friedrich Wilhelm Gärtner 
u fünf Jahren Gefängniß verurtheilt. 
— Frankfurt, 28. Juli. Golizeigerichts— 
itzung.) — Ein humorvoller Vagabund 
restalete die Sitzung zu einer höchst heiteren. 
derein trat nach dem Namensaufruf ein verwitterter 
ind zerlumpter Patron. Schönen guten Morgen, 
neine Herrn, begann der Angeklagte, der der Ob⸗ 
zachlosigkeit und Arbeitsscheu beschuldigt war, ich 
zin der Sohn vom alte Wolff un hab schun efter 
deß Vergnige gehabt. Waß hawe Se dann heint 
vider an mer auszusetze? Vor s. Erst nennen Sie 
inmal Ihren Vornamen und Ihr Alter. Ang ekl.: 
Ih hääs schun längere Zeit Jakob, wie alt ich 
doer bin tkann ich Ihne nett sage. Vors. 
Warum nicht? Angekl.: No weil ichs nett wääs 
gors.: Sind Sie über 18 Jahre? Angekl.: 
Deß will ich meine. Vors.: Sie sind der Ob⸗ 
sachlosigkeit und Arbeitsscheu angeklagt. Angekl.: 
Deß siell ich in Abred. Wenn ich kää Obdach 
jehatt hab, da hab ich uff der Constawler Wach 
jefotze un deß woar doch wider äns. Vors.: Das 
st ganz logisch. Angekl.: Nett woar! Waß die 
Arweitsscheu betrifft, so beweist Ihne hier der Zettel 
aß ich am 15. Juni ämol hab arweite wolle 
Zorss: Warum lhalen Sie's nicht? Angekl. 
Veil mei zukinftiger Mäster wege Arweitsscheu ein 
esteckt worde is! Vors.: Wer war denn dieser 
amose Meister? Angekl.: Lese Se nor die Unner⸗ 
Hrifi, Hert Assessor: Vors.: Da steht Jakob Wolff 
Zas find Sie am Ende selbst. Angekl.: Ei frei— 
ich, wer werd mich dann sunst in Arweit numme. 
— Vertheidigung be⸗ 
jeht also nur in faulen Ausreden. Angekl.: 
Denn mer schu so diel mal eingesteckt worde is. 
za gehn äm zuletzt die Gründ aus, Herr Amts 
erichtsrath! Vors.: Die Begriffe der Obdachlosig 
eit und Arbeitsscheu sind also konsumirt. Angekl. 
Ja wenns waß zum Consumiren wär, Herr Ober— 
imtsrichter, Lann hätt ich kää Nahrungssorge. 
Bors.: Der Herr Amtsanwalt beantragt 14 Tage 
daft. Eine verhältnißmäkig milde Strafe! An⸗ 
Jekl.: Su is es! Bei dem Wetter mecht ich Se 
virklich bitte vun mildernde Umständ abseh zu wolle. 
Zors.: Sie erhalten 14 Tage und haben die Kosten 
u tragen. Angekl.: Die 14 Täg will ich uff 
neim ietzte Paar Hose absitze odder die Koste trag 
ch nett un' dann wollt ich bemerke, daß ich bei 
neiner Verhaftung im Besitz vum ää Stick Blut⸗ 
vorscht betroffe worde bin un' da sich der Haft⸗ 
zefehl nett uff des Stick Blutworscht erstrecke kann, 
o will ichs retour hawe, sunst wern mer am End 
die Koste drau abgezoge. — Auf diesen Antrag 
erhielt die alte Schnapseule keine Antwort, weshalb 
ie sich murrend entfernte und im Hinausgehen 
iußerte, daß sie das fragliche Stück Wurst der Ge⸗ 
angnißverwaltung zur Verfügung stelle. 
(Vom Woͤrtlein ,‚bon“) Die Frank 
urter Nationalversammlung verwarf den zur deutschen 
deichsverfassung gestellten Antrag des größten deutschen 
Sprachforschers, des alten Jakob Grimm: 
Aller rechtliche Unterschied zwischen Adeligen, 
Bürgern und Bauern hört auf und keine Erhebung weder 
n den Adel, noch aus einem niedern in den höheren 
Adel findet statt.“ 
Aus der Rede, welche Jakob Grimm am 2. 
August 1848 für seinen Antrag hieit, verdienen 
einige Sütze in die Erinnerung zurückgerufen zu 
verden: 
„Seit Erfindung der Buchdruckerei wich die 
Wissenschaft aus den Klöstern und Pergamenten 
ind ging über in die gedruckten Bücher, die dem 
sanzen Volke zugänglich waren, und siehe da, von 
etzt an war die Wissenschaft überwiegend in den 
dänden der fogenannten Bürgerlichen. 
Der größte deutfche Mann, den unsere Glaubens 
reiheit bewirkte, Luther, war aus geringem Stande 
ind so ist es, von nun an in allen folgenden 
Fahrhunderten. Wir werden immer sehen, daß die 
Nehrzahl der erweckten großen Geister dem Bürger— 
stande angehörte. Aus den neueren Zeiten erinner: 
ch an Lessing. Winkelmann, Klopstock, Goethe, Schiller 
lauter unadelige, und es war ein Ranb am Bir— 
zerthum, daß man den beiden letzten ein „von an 
hren Namen klebte. Dadurch hat man sie un 
lein Haar größer gemacht. 
Da ich doch einmal auf dieses Wörichen „von“ 
zu sprechen gekommen bin, das in den letzten Jahr. 
hunderten Manchem den Kopf verrückt hat, so sei 
es mir vergönnt, einen Augenblick dabei zu ver— 
weilen. Es ist nichts als eine Präposition, d. h 
in der Grammatik ein Wort, das einen Casus w. 
giert. Es muß also von diesem Wort ein Casuß 
abgehangen haben, sonst würde es sinnlos sein. 
Immer ist es mir erschienen, daß, was in der 
Sprache albern und sinnlos erscheint, es auch im 
deben ist. Es fordert also immer einen Besiter 
oder Herrn des Guts, worauf es sich bezieht. Ein 
deinrich von Kronberg, ein Heinrich von Weißen⸗ 
Jein, das hat Sinn; aber es klingt unsinnig: ein 
derr von Goethe, ein Herr von Schiller, ein Herr 
don Müller, denn Muͤller, Goethe und Schiller 
sind niemals Orte gewesen.“ 
Elf Jahre später, wenige Jahre vor seinem Tode, 
war es Jakob Grimm beschieden, noch einmal öffent- 
lich vor aller Welt Zeugniß abzulegen, daß jene 
Rede des „tollen“ Jahres seine feste und unwandel- 
—— — 
hundertjähriger Geburtstag wurde in Ganz Deutsch— 
land gefeiert. Jakoh Grimm hielt in der feierlichen 
Sitzung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin 
am 10. November 1859 die Festrede. Kurz zuvor 
war in einem vom damaligen Minister des Imnern 
Grafen von Schwerin, erlassenen, Aufsehen er⸗ 
regenden Reskript an das Festkomité von den Ver— 
diensten „F. v. Schillers“ gesprochen. Jakob Grimm 
mochte dieses wunderlichen Ausdrucks gedenken, abs 
er die nachfolgenden schönen Worte sprach: 
„Nicht einmal drei volle Jahre vor seinen 
Tode wurde Schillern der Adel zu theil und seit: 
zem erscheint der einfache, schon dem Wortjfinn 
zach Glanz streuende Name durch ein sprachwidri 
jorgeschriebenes „von“ verderbt. Kann denn eir 
Dichter geadelt werden? Man möchte es im Vorau— 
derneinen; weil der, dem die höchste Gabe des Geniu⸗ 
Ferliehen ist, keiner geringeren Würde bedürfen wird 
veil Talent sich nicht wie Adel oder Krankheite 
cortpflanzen; alle Welt aber glaubt es steif um 
fest, daß Dichter geboren werden, und hier galt e⸗ 
einem als König im Reiche der Gedanken wal 
zenden. — — — 
Dem unerbittlichen Zeitgeist erscheinen soldh⸗ 
xẽrhebungen längst unedel, geschmacklos, ja ohn⸗ 
Zian. Venn ist der bürgerliche Sinn so beschaffen 
zaß aus ihm in den Adelstand gehoben werder 
nag, müßte auch aus dem Bauernstand in den de 
Bürgers Erhöhung gelten. Jeder Bauer kann aber 
Bürger, jeder Bürger Besitzer eines adeligen Gute⸗ 
verden, ohne daß ihnen die persönliche Würde ae 
deigert wäre. 
Ein Geschlecht soll auf seinen Stamm, wie eir 
Bolk auf sein Alter und seine Tugend stolz sein 
das ist natürlich und recht; unrecht aber scheint 
wenn ein vorragender, freier Mann zum Edlen ge 
macht und mit der Wurzel aus dem Boden gezogen 
vird, der ihn erzeugte, daß er gleichsam in ander 
Irde übergeht, wodurch dem Stand seines Ursprung 
Zeeinträchtigung und Schmach widerfährt. Ode 
joll der freie Bürgerstand, aus dem nun einma 
Goethe und Schiller entsprangen, aufhören, sie 
besitzen? 
Alle Beförderungen in den Adel werden unge 
schehen bleiben, so bald dieser Mittelstand jeinersei 
olz und entschlossen sein wird, iedesmal sie aneun 
chlagen.“ 4 
alle brave Jakob Grimm, — wie wim 
er sich über die Sprachfehler der neuesten * 
argern. Denn ebenso wenig wie Goethe und Sqilt 
sind Tiedemann, Scholz, Burchard jemals Orie 
wesen. Der Stolz, den Jakob Grimm vort 
Jahren von dem freien Mann verlangte, hat u 
in Deutschland noch immer nicht eingefunden. 
Raͤchefreund) 
Clektrische Bleichung der 
waund) Auf Grund wissenschaftlicher Umee 
ingen zweier Professoren der Universität in g— 
sow haben mehrere Etablissements in Vieletcon 
cFlektrizität zur Bleichung der Leinwand verwen 
Ddie rohe Leinwand wird durch eine — 
vöhnlichen Kochsalzes gezogen; darauf wird . 
den noch nassen Sioff ein elettrischer Strom *