Full text: St. Ingberter Anzeiger

zialmitgliedern beftehende Delegation abzusenden. 
Dieselhe ist mit der Generalvertretung des Bundes 
betraut, wwelche e Mitgliedschaflen jahlt. 
Meß, 14. August. Tambourmajot Loffler 
dom 8. baher. InfanterieRegiment hat sich geftern 
i einem Revolder entleibt. Das Motid des Selbst⸗ 
mordes soll gewesen sein, daß Loffler, der bereits 
geun Jahre diente, Angst hatte, nicht mehr kapitu⸗ 
liren zu dütrtfen. . 
pe von der Polizei nicht Alles 
berlangt wird) Kommt in Worms ein 
Mann auf die Poliztiwache und bittet den Schut⸗ 
nann, ihm doch seine Frau zu holen, die in Horch⸗ 
jeim bei der Kirchweihe mit einem Andern herum⸗ 
iehe. Natürlich konnte dem atmen Manne nicht 
deholfen werden. 
p Zwischen Frankfürt und Offenbach 
wird jeht eine elektrische Bahn hergestellt. Die An⸗ 
age wird derart hewerkfielligt, daß jede Viertel⸗ 
ttunde von jedem Endpunkte der Bahn ein Doppel⸗ 
dagen für 60 Personen, sonach circa 7000 Per⸗ 
dnuen per Tag befördert werden konnen. Der ge⸗ 
sammte eleltrische Theil der Anlage wird von der 
Firma Siemens u. Halske ausgefuhrt, welche die 
Freinbarte Leistung garantirt. Der Fahrpreis soll 
20 Pfg. für die ganze und 10 Pfg. für die halbe 
Strecke betragen. Tas Altienlapital der Gesellschaft 
st auf 750000 M. festgesegt. 
4Zur Einweihungsfeier des Nationaldenk— 
mal s auf dem Niederwald hat der Seminar⸗Musik⸗ 
lehrer Becker in Onweiler eine Composition: „Ger⸗ 
nania's Wacht am Rhein“ für Orchester 
Clavier) und Maännerchor geschrieben. Der Chor⸗ 
sext ist von Dr. Wilhelm Fischer und reiht sich 
m das bekannte Lied „Die Wacht am Rhein“ an. 
Die neuen Strophen lauten wie folgt: 
Aus hunderttausend Kehlen scholl 
Im großen Krieg es weihevoll 
ünd wedte brausend überall 
tZei Jung und Alt den Widerhall: 
Lieb· Vaterland magst ruhig sein; 
Fest steht und treu die Wacht am Rhein!“ 
Nun schaut ins schöne Rheingefild 
Von ftolzer Höh' ein Riesenbild; 
Richt übermüth'ge Drohung spricht 
Aus seinem Blick, nur Zuversicht: 
Lieb' Vaterland“ ⁊c. 
Was Kaiser Wilhelms heil'ge Macht 
Dem deuischen Reich zurückgebracht, 
Hleib' deutsch, vom Wasgau bis zum Belt 
So lang die Hand das Schwert noch hält! 
Ja, wenn auch Erz vergeht und Stein: 
Fest steht und treu die Wacht am Rhein!“ 
f Ein entsetzliches Strafgericht ereilte in der 
Nacht auf Sonntag einen Dieb, der in die Park⸗ 
anlagen der Villa Marix zu Erbach im Oden—⸗ 
wald eingebrochen war und bereits mit seiner 
Beute sich entfernen wollte. Im Begriff, über ein 
eisernes Gitter, dessen spitze Stübe durch ein Quer⸗ 
eisen verbunden sind, zu klettern, wich eines der⸗ 
elben und es spießte sich der Dieb selbst auf, in⸗ 
dem ihm eine Eisenstange tief in den Leib drang. 
Sein Hilferufen wurde von Nachtwächtern gehört, 
denen ruaber nach der Befreiung aus seiner Lage 
in den Armen starb. 
Die Untersuchungen von Lebens- und Genuß⸗ 
mitteln, sowie Gebrauchsartikeln, die in der land⸗ 
wirthschaftlichen Versuchsstelle in Marburg vor⸗ 
zenommen worden, fördern recht erbauliche Dinge 
in das Tageslicht. Es wurde u. A. konstatiert, 
aß eine Probe Mehl in beträchtlicher Menge Un⸗ 
trautsamen beigemengt enthielt und ein von diesem 
Mehl hergestellies Brot ganz dunkel violett gefärbt 
war; in einer Wurstprobe, sog. Fleischwurst, wurde 
eine ziemliche Menge Stärkemehl gefunden. Fast 
alle Gewürzpulver erwiesen sich als gefälscht oder 
doch von schlechter Beschaffenheit; Kardamomen⸗ 
Pulver enthieit nur die Schale von dieser Frucht 
und Weizenmehl; ein Nelkenpulver enthielt Weizen⸗ 
ind ein anderes Kartoffelstärkemehl; ein Nelken— 
ofeffer⸗ Pulber gemahlene Stiele der Gewürznelke 
md Mehl; von 59 Proben gemahlenen Pfeffers 
enthielten 38 Palmehl. Maismehl und eine fremde 
Schale, einige auch noch gekörnte Kohle; alle waren 
aAs reiner gemahlener Pfeffer verkauft worden. Von 
10 verschiedenen Proben Ballstrümpfe erwiesen sich 
24 — solche, die unter Anwendung von Brech- 
veinstein und Safranin ponceaufarbig waren — 
als antimonhaltig, zum Theil sehr stark antimon⸗ 
Jaltig. Der Nikotingehalt der eingesandten und 
unterfuchten Cigarrenproben war 0,42 - 0,49 pCt., 
eine sogar 0,64 pCt. Von dem unterjsuchten Trink⸗ 
vusser war das der Magdeburger“ und Kasseler 
Wasserleitung von vorzůglicher Reinhell; 23 Wasser 
—XDD 
Zwurden als ganz untauglich erklart. 
FGartfühlend.) der Indhaber eines 
Derren⸗ Garderobengeschäfts in Westpreußen bemerkte 
eeit einiger Zeit kleine Deficits in seiner Geschäfts 
asse. An einem Sonntage fehlte ein Fünfmarkstüch 
vas um so auffallender war, als nur ein Geld⸗ 
tück dieser Sorte in der Kasse sich befand, wovon 
e e rrene erst kurz vor dem 
Fehlen des Geldes überzeugt hatte. Der Verdacht 
iel auf den Zuschneider des Geschäfts, einen im 
Uebrigen soliden, ruhigen Menschen. Er gestand 
denn auch nach langem Zögern, die fünf Mark 
entwendet zu haben und führte als Grund seines 
Bergehens folgende zarte Logik an: „Wenn das 
Geschäft nicht so still ginge und die Einnahmen 
nicht so gering wären, hätte ich den Herrn selbss 
im einen Gehalisvorschuß gebeten. So aber glaubte 
ch Rücksicht nehmen zu müssen und deßhalb nahm 
ch mir die fünf Mark selber.“ Ob der Geschäfts⸗ 
zerr die zarte Gesinnung seines Zuschneiders zu 
chätzen wußte, glauben wir nicht, denn dieser mußte 
ofort das Geschäft verlassen. 
F Eine furchtbare Feuer sbrur st kam am 
2. August Abends im Parterre eines Hauses im 
Fremm zu Hamburg zum Ausbruch. Zwar erschien 
ie Feuerwehr rasch genug am Platze, aber die 
zlammen hatten in vielen leicht brennbaren Materi⸗ 
ilien reiche Nahrung gefunden und sich bereits in 
as zweite Stockwerk ausgedehnt, so daß an eine 
dettung des Gebäudes nicht mehr zu denken war. 
Lur mit übermenschlicher Anstrengung gelang es, 
in unmittelbar daneben liegendes großes Petro— 
eumlager zu schützen. Beim Erscheinen der Lösch- 
nannschaften drangen aus dem zweiten Stocwerl 
immerliche Hilferufe zweier Frauen, die in höch⸗ 
ter Lebensgefahr schwebten. Die Feuerwehrleute 
zZöcker, Wulf und Elbers drangen muthig durch 
die Flammen aufwärts und es gelang ihnen, die 
zeiden Frauen zu retten, wenngleich alle fünf da— 
nei mehr oder minder schwere Brandwunden erlitten, 
Elvers hatte zudem das Unglück, aus dem zweiten 
Stock ins Parterre hinabzustürzen und sich dabei 
ebensgefährliche Verletzungen zuzuziehen. Der durch 
zie Feuersbrunst angerichtete Schaden, an dem viele 
Besellschaften betheiligt sind, dürfte sich auf eine 
ehr hohe Summe belaufen. 
fOrthographisches.) Man spricht von 
einer neuen und einer alten Orthographie; aber 
wie vielfache Verschiedenheiten gibt es innerhalb 
einer jeden der beiden. Volle Berechtigung hat 
'omit der folgende Herzenserguß eines sächsischen 
Blattes: 
Die taitsche Eenigkeit is zwar sähr scheen, 
Doch mich erfillt's mit frohem Fanadismus, 
In die Ordhichrafieh erpliet zu sähn 
Aen kleenes Bischen Bardigularismus! 
Und hat erscht 'ne Rechtschreibung kanz per se 
Alleene jeder taitsche Staat, Koot weeß es! 
Ich sag's mit Stolz: mir Sachsen brauchen zwee 
Ne harte und 'ne weeche, ai Hercheses! 
Der Kaiser wurde, wie die „P. Z.“ meldet, 
am Abend seiner Ankunft in Babelsberg von einem 
kleinen Unfall betroffen. Der tgl. Kutscher, 
»in schon sehr betagter Mann, hatte versäumt, vor 
em Einfahrtsthor nach Glienicke das übliche Peit- 
chensignal zu geben, infolge dessen das Thor ver— 
chlossen blieb. Er bemerkte dies nicht und fuhr 
nit den feurigen Pferden gegen die massiven eiser⸗ 
ien Flügel, so daß die Wagenstange sofort zer⸗ 
chmettert wurde. Der Kaiser blieb ruhig im Wagen 
itzen, welcher, nachdem die Deichsel nothdürftig zu⸗ 
ammengebunden war, im langsamen Tempo bis 
um Schloß fuhr. Der Kutscher ist sofort pensionirt 
vorden. Es soll demselben vor Jahren bereits ein 
zjanz ähnliches Malheur passirt sein. 
F Einheiteres Schlafstubengeheim— 
niß.) In probater, aber etwas drastischer Weise 
jat, wie das „Deutsche Tagebl.“ erzählt, ein Ehe—⸗ 
nann seine bessere Hälfte von einer häßlichen, in 
Frauenkreisen leider weit verbreiteten Unsitte geheilt. 
In einem Haus der Flottwellstraße in Berlin wohnt 
ein junger, erst seit einem Jahr verheiratheter, durch⸗ 
aus nicht unsolider, aber lebenslustiger Mechaniker. 
Dieser machte seit einiger Zeit die äußerst fatale 
eEntdeckung, daß sein junges Frauchen allmorgend⸗ 
ich beim Kaffeekochen die Taschen seiner Garderobe 
und seine Geldbörse einer gründlichen Visitation 
unterwarf und so in Betreff der im Grund 
chuldigen Angelegenheiten ihres Herrn G 
ind über den Inhalt der letzteren immer auf w 
daufenden war. Als trot eindringlicher Ermahnum en 
ich die Manie so weit steigerte. daß der —* 
pater ein Manko in seinem Geldbestand dae 
rsann er ein Mittel, welches, wie wir verrathen 
dürfen, ganz vorzüglich gewirkt hat. Er —** 
eine, den Fuchsfallen ähnliche kleine . Menschenee 
ind praktizirte diese eines Abends vor dem Schlafen⸗ 
zehen geschickt und unbemerkt in eine seiner Paleioi. 
aschen hinein. Er schlief Morgens noch da 
Schlaf des Gerechten, als er durch ein herzhafle 
ZDilfegeschrei erweckt wurde. Schlaftrunken ieh ej 
sich die Augen und sah, wie Mutter in der Tasch 
des an der Thür hängenden Paletots in höͤchsse 
berlegenheit in der Falle saß und in bewegliche 
Vorten um ihre Befreiung petitionirte. In schein 
Jeiliger Weise erläuterte ihr erst der Gatte, daß, 
von diesen Fallen einige Dutzende anzufertigen hab⸗ 
und diese Probe wohl gestern Abend „aus Versehen 
offen in die Tasche gesteckt habe. Mit sauersüßer 
Miene nahm das bestrafte Frauchen die Entschul⸗ 
digung des Gatten entgegen, sie wird ihre Reu— 
zierde — auf ein anderes Feld lenken. 
F Ein energischer Werber.) Ein höchs 
harakteristisches Aktenstück aus der Zeit des Grose— 
seurfürsten lautet: 
„Hannß Girniderus an Friedrich Wilhelm zu 
Preußen eingereichte Suplik um Erlangung ein 
tüsterdienstes. 
Hochwürdigster, Durchlauchtigster, Großmäch— 
tigster und allerüberwindlichster () Churfürst. 
Treue Dienste geben treuen Lohn, sagt der Haupt— 
Lehrer Syrach im 5t. Kap. Euch ihue ich zu 
wissen, daß der Küsterdienst zu Lanckoditz jetzo offen 
ist, und jetzo ich zu solchen Dienst wohl würdig 
din, und wenn Ihro Großmächtigkeiten meine 
Person sehen und singen hören sollten, werden Sie 
—E 
als daß er ein Küster sein sollte, daß aber di 
Ddundsfott unser Schulze mir feind ist, das machst) 
daß meine Frau eben einen solchen rothen Rot 
jat, wie seine Frau und wenn ich den Dienf 
»aben werde, somit doch gewiß genug ist, so wil 
ich meiner Frau noch einen besseren machen lassen, 
ls des Schulzen Frau seine hat, es mach den 
hundsfott verdrießen oder nicht, und wenn ich nun 
das Primarium bringen soll, so muß es der Hunds 
fott unser Schulze nicht wissen, sonst stößt er 
alles glatt wieder umb, ich verlasse mich ganz ge— 
wiß darauf und verbleibe euer guter Freund so 
lange ich lebe. Lanckovitz, den 27. Jan. 1688. 
Hannß Girnide.“ 
Daneben befindet sich von der Hand des Großen 
Zurfürsten: 
dignatum. 
Dem Supplikanten werden nach abgelegter Probe 
echs Dukaten bewilligt und wenn er in seinen 
Zachen richtig bestehen wird, soll er den Dienst 
yor andern ohne Einwenden des Schulzens haben. 
Signatum Potsdam, den 25. Februar 1688 
Friedrich Wilhelm Churfürst. 
F Die Zahl der Wittwen im deutschen 
Reische ist nach den vorläufigen speziellen Ergeb⸗ 
nissen der Berufszählung vom'5. Juni 1882 auf 
1,809,5340 festgestellt. Wir zählen also beingahe 
wei Millionen Wittwen in unserem deutschen Vater⸗ 
lande. Als erwerbsthätig, d. h. in einem bestimm⸗ 
sen Gewerbe ausschließlich thätig, sind davon nut 
856,925, als undeschäftigt oder nur nebensächlich 
und unbestimmt erwerbstihätig circa eine Million 
und fünfzig Tausend gefunden worden. Witiwen 
von Männern, welche von einem Vermögen, von 
Renten und Pensionen lebten, waren nur 8668 zu 
verzeichnen. Den Wittwen stehen gegenüber 7,719,86 
verheirathete Frauen, so daß also auf je 4 verhei 
rathete Frauen eine Wittwe kommt. D. h. mit 
anderen Worten, von je vier Frauen hat immer 
eine die Wahrscheinlichkeit, Wittwe zu werden. 
F Agram, 16. August. Vorgestern Nacht⸗ 
versuchte eine beträchtliche Menschenmenge die Amts⸗ 
shilder des Finanzgebäudes mit ungarischer Auf⸗ 
schrift gewaltsam zu entfernen, wobei das Militär 
einschreiten mußte. Es kamen viele schwere Ver⸗ 
wundungen dor und wurden zahlreiche Verhaftungen 
vorgenommen. Die Menge riß in einem günstigen 
Augenblicke von mehreren Amtsgebäuden die Amts⸗ 
schilder herunter, welche die Menge unter Geschw 
und Lärm mit Füßen trat. Sämmtliche Fenster 
cheiben im Amtsgebäude wurden durch Stewln 
rvertrüummert. Bei der Wachepositur erzwang n