Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒt. Ingherfer Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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v 172. Dienstag, 4. September 1883. 
18. Jahrg. 
die französischen Revanche-Ideen und 
Elsaß⸗Lothriugen. 
Aus dem Reichßland, Ende August. Es 
taum glaublich, mit welcher Dreistigkeit die 
ranzosen gegenüber der ihnen von Berlin aus er— 
deilten Verwarnung von dem jesuitischen Grundsatze 
jehrauch machen: si fecisti nega (hast du's ge⸗ 
Jan, so leugne es ab). Wie sich einfach mit den 
den letzten Wochen und Monaten erschienenen 
mmern der meisten französischen Blätter belegen 
ßt, ist kaum ein Tag hingegangen, ohne daß den 
esern der Gedanke an Revanche und damit die 
biedereroberurg Elsaß⸗Lothringens in Erinnerung 
ehracht worden wäre. Dabei wird als ganz selbst⸗ 
erständlich vorausgesetzt, daß sämmtliche Elsaß⸗ 
thringer sehnsüchtig den Augenblick erwarten, wo 
e wieder mit Frankreich vereint sein werden. Hierin 
iht stich ungeheure Selbsttäuschung kund. Denn 
die der Berichterstatter auf Grund seiner vielfachen 
bahrnehmungen und Erfahrungen auf das bestimm⸗ 
ee versichern kann, ist diese angebliche Sehnfucht 
ezt nicht mehr oder doch nur in geringem Maße 
ei der großen Masse der Bevölkerung vorhan⸗— 
en. Diese Ueberzeugung glaubte ich bereits seit 
miger Zeit gewonnen zu haben; sie hat sich aber 
u Folge der neuesten Vorgänge wesentlich befestigt. 
denn als hier in Folge des scharfen Artikels des 
gerliner Regierungsorganes fast allgemein in den 
mnheimischen Kreisen der Krieg unvermeidlich schien 
ind damit die Möglichkeit der Wiedervereinigung 
nit Frankreich gegeben war, habe ich von keiner 
zeite freudige Hoffnungen, sondern lediglich tiefe 
»eftürzung und lebhaftes Bedauern aussprechen 
dren. Selbstverständlich gibt es noch einen an⸗ 
jnlichen Bruchtheil der Vevölkerung, welcher je 
der je lieber, wieder französisch werden möchte; 
der die große Mehrheit theilt, wie ich nochmals 
it großer Bestimmtheit glaube behaupten zu können, 
icsen Wunsch nicht. Ich bin der Sache etwas 
cher auf den Grund gegegangen und habe schließ 
diese auf den ersten lick vielleicht überraschende 
batsache doch sehr erklärlich gefunden. 
Zunächst konmt in Betracht die Landbevölkerung. 
it diese schon an und für sich für politische Ver⸗ 
iderungen wenig empfänglich, so tritt hier noch 
mnzu, daß sie in ihrem innersten Wesen steis deutsch 
eblieben war und für das Franzosenthum nie 
htes Verständniß gezeigt hatte. Sie ist mit der 
autschen Verwaltuͤng im Großen und Ganzen zu—⸗ 
nieden und weiß es namentlich gegen früher als 
toßen Vorzug zu schätzen, daß sie mit den Beam⸗ 
n jetzt deutsch reden kann. Manches mag nicht 
ser geworden sein, als es zur französischen Zeit 
ar; aber Das empfindet der Bauersmann doch 
eine sehr große Erleichterung, daß sein Sohn 
d mehr wie ehedem 8 Jahte, sondern nur ihal- 
hlich Zu Jahre zu dienen braucht. Auch? ist 
tht zu übersehen, daß bei dem kief keligidsen und 
urchaus monarchisch angelegten Charakter des alle⸗ 
nnischen Volksstammes die antireligiösen und re— 
alntiondren Bestrebungen in Frankreich hier zu 
inde keinen Beifall finden. 
„Es schließt sich hieran die große Anzahl Der— 
ugen, welche rückhaltlos sich der deutschen Sache 
weschlossen haben und in einer engeren Bezichung 
r Regierung stehen. Zu letzterer Kategotie ge 
ieen vor Allen diejenigen Elsaß⸗Lothringer, welche 
deutsche Dienste getreten sind. Sie alle würden 
e Stellung bei Wiedereinführung der französischen 
rwaltung gefährdet sehen und jedenfalls eine er—⸗ 
ttliche Cuͤbne an ihram Gebalt bilriden. Denn 
s wird nicht bezweifelt, daß Frankreich die hiesigen 
Behälter mit den französischen wieder gleichstellen 
ind damit eine recht bedeutende Reduktion eintreten 
assen würde. Hierbei würden namentlich die Lehrer, 
geistlichen und Justizbeamten betroffen werden, deren 
hehälter unter deutscher Verwaltung durchschnittlich 
im mehr als das Doppelte verbessert worden sind 
ind noch verbessert werden sollen. Auch alle Die— 
enigen, welche unter deutscher Herrschaft zu Einfluß 
jelangt sind und welche, wie die Staatslieferanten, 
naterielle Vortheile von der Regierung genießen, 
ragen kein Verlangen nach Aenderung der politi⸗ 
hen Verhältnisse. 
Am ehesten könnte man noch bei Industrie und 
Zandel, welche zur französischen Zeit sich einer hohen 
HBlüthe erfreuten, ein solches Verlangen voraussetzen. 
Allein auch Dies ist in nur sehr beschränktem Maß 
der Fall. Handel und Industrie haben allerdings 
n der ersten Zeit nach dem Krieg, als der Absatz 
nach Frankreich durch Errichtung der Zollschranken 
vesentlich gehemmt war, schlechte Zeiten durchzu⸗ 
nachen gehabt. Jetzt ist jedoch der Ausfall durch 
rkroberung des deutschen Marktes wieder wett ge⸗ 
nacht, die Geschäfte gehen gut, und da könnte eine 
neue politische Umwälzung Alles wieder in Frage 
tellen. Zudem gewährt die Zugehörigkeit zu Deutsch⸗ 
and eine viel größere Veständigkeit aller Dinge 
är die Zukunft, als die Zugehörigkeit zu der fran⸗ 
ösischen Republik es je gewähren könnte. 
Ein wichtiger Gesichtspunkt darf hierbei schließ⸗ 
ich nicht übersehen werden. Es pflegt ja dem 
zürger, der sein tägliches Brod sich sauer verdienen 
auß, nicht gleichgültig zu sein, welche Steuern er 
u zahlen hat. Da lehrt denn sofort ein Blick auf 
ie deutschen und die französischen Finanzen, wie 
chlecht in dieser Beziehung Elsaß⸗Lothringen fahren 
oürde, wenn es wieder zu Frankreich käme. Jetzt 
jat Elsaß-Lothringen etwa 20 Millionen Mark 
-„chulden, wozu als Antheil an der Reichsschuld 
aum 5 Millionen hinzutreten mögen. Es hat also 
m Ganzen nicht mehr als etwa 25 Millionen 
Nark zu verzinsen. Frankreich hat gegenwärtig 
ine Schuldenlast von etwa 20 Milliarden Mark, 
ind daher würde auf Elsaß⸗-Loihringen, wenn es 
vieder in den französischen Staatsverband einträte, 
—X 
in der Schuld ein Betrag von etwa 800 Millionen 
ntfallen, dessen Verzinsung allein die jetzigen or⸗ 
entlichen Einnahmen voll verschlingen würde. Die 
Steuern würden sich also voraussichtlich gerade ver⸗ 
oppeln. 
Unter diesen Umständen dürfte es doch einiger⸗ 
naßen verständlich sein, daß die Elsaß⸗Lothringer 
ein alzu großes Interesse an der Wiedervereinigung 
nit Frankreich haben, zumal sie anfangen, an der 
ewmonnenen s⸗lbstständigen Stellung Gefall⸗n zu finden. 
ung der Staatsautorität in Kroatien, sowie ener—⸗ 
zische Maßnahmen gegen die antisemitischen Exzesse. 
Ramberg reist unverzüglich ab. 
Budapest, 1. Sept. (Die Unruhen.) 
Es wird dem Pester Lloyd von vertrauenswürdiger 
Seite aus Groß-Kanisza berichtet. Aus allen um— 
iegenden Dörfern flüchten die jüdischen Bewohner 
und auch christliche Grundbesitzer schaarenweise 
hierher. Die Gährung auf dem flachen Lande 
dauert an, die Verkündigung des Standrechts hat 
uuf den Pöbel noch keinen sichtlichen Eindruck ge— 
nacht. Die Bauern werden von den Agitatoren in 
urchtbarer Weise terrorisirt. Vermögende Bauern 
ommen schaarenweise hierher und klagen, daß man 
hnen droht, falls sie sich den Plünderern nicht 
inschließen, würde man ihnen den rothen Hahn 
rnufs Dach setzen. 
Die Orleans und ihre deutschen 
Verwandten. Die „Köln. Zig.“ scheint den 
Irleans von dem Abbruche ihrer Beziehungen zu 
hren mecklenburgischen Verwandten Unrecht gethan 
u haben. Die Kreuzzeitung erhält nämlich eine 
Zuschrift aus Schwerin vom 31. Auqust, worin 
s heißt: 
Wahr ist es, daß von Seiten des Großherzog⸗ 
ichen Hofes der Graf von Paris durch ein be— 
onderes Schreiben von dem am 19. April d. J. 
rfolgten Ableben des Großherzogs Friedrich 
Franz II. in Kenntniß gesetzt wurde, die Antwort 
sarauf war aber eine ebenso verwandischaftliche 
vie freundlich theilnehmende, und mit diesem 
Faktum sind alle Insinuationen und Schlüsse des 
Artikels widerlegt, so daß es nur noch der aus⸗ 
rrücklichen Bemerkung bedarf, wie es ebenfalls un⸗ 
egründet ist, daß der verewigte Großherzog nach 
en Ereignissen im Februar 1848 die Herzogin 
helene und ihre Söhne mehrere Jahre mit Geld⸗ 
nitteln unterstützt hat. 
n 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Der Aufschlageinnehmerei Blieskastel 
vurde die Befugniß zur Ausstellung von Uebergangs⸗ 
cheinen über Branntweinsendungen ertheilt. 
— Zwei von Frankenholz Geitödteten 
onnten bis jetzt nicht gefunden werden, und mußte 
ede weitere Nachforschung vor der Hand eingestellt 
verden, da sich die Explosionen seit dem Moment 
jes Unglüasfalles noch dreimal wiederholten. Der 
twa 300 Meter tiefe Schacht wurde zugedeckt und 
jermetisch verschlossen. Man hofft, daß die Wasser 
us der Tiefe allmählich emporsteigen uud die Ex⸗ 
zlosivstoffe unschädlich machen. Wie man hört, sind 
»en Hinterlassenen der Verunglückten — es sind 
ünf Wittwen mit sechzehn Kindern — von den 
Zesitzern des Gtubenwerkes (Culmann und Comp.) 
Entschädigungen von anerkennenswerther Höhe be⸗ 
reits bewilligt worden. 
— In der Nacht vom 1. zum 2. September 
wurde im Bahnhof Bruchmühlbach einge— 
drochen. Die Diebe stiegen durch die Bureau⸗ 
hür ein, indem sie eine Scheibe an derselben her⸗ 
usschlugen und dann von innen die Thür öffneten. 
Sie schlossen sämmtliche Schubladen auf, durchsuch⸗ 
ten alle Bücher und streuten dieselben überall um—⸗ 
her. Zuletzt kamen sie an die Schalterkasse, aus der 
sie 48 M. 10 Pfg. entwendeten. Verdächtig sollen, 
wie die „Pf. Z.“ hört, zwei Handwerksburschen 
— 
hielten. 
— Die „Corresp. Hoffmann“ schreibt Di 
Gefangenanstalt Frankenthal wird aufgehboben 
Volitische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Muünchen, 2. Sept. Ein königlicher Erlaß 
erändert die Bestimmung in Betreff der Bildung 
ner Schulsprengel dahin, daß künftig neben den 
äumlichen Verhältnissen in erster Linie die Kon— 
ession der Schulpflichtigen entscheidend sein soll. 
Berlin, 3. Sept. Der königliche Hof legt 
seute fir den Grafen Chambord Trauer 
ür 8 Tage an. 
Ausland. 
Wien, 3. Sept. Der Ministerrath beschloß 
zie Entsending Ramberg's als königlichen 
dommissars nach Agram behufs der Wiederherstel⸗