Full text: St. Ingberter Anzeiger

auf eine Dynamitpatrone schließen, während die 
Polizeibeamten, die gleich darauf den beschädigten 
Raum völlig absperrten, beruhigend versicherten, 
sein nur ein Mörser gesprungen. Ueber die 
wirliiche Ursache des Unfalles, dem glücklicherweise 
tein Menschenleben zum Opfer gefallen ist, wird 
hoffentlich die Untersuchung Aufklärung bringen. 
4 Ein Dauermarsch nach Brandenburg 
a. H. wurde am vergangenen Sonntag von Turnern 
qus den Vereinen des Berliner Turnraths ausge⸗ 
führt. 24 Mann machten sich früh 5 Uhr 15 
Min. vom Potsdamer Platz aus auf den Weg. 
Fin feiner Regen begleitete sie in den ersten Stun⸗ 
den, während an den vielen frei und höher ge⸗ 
legenen Theilen der Chaussee die geschlossen mar⸗ 
schierende Schaar der Sturm gewaltig packte. In 
Groß⸗Kreuz, nach 684 Meilen Weges, verzichteten 
TMann auf den Weitermarsch, während 20 Mann 
(nach viermaliger Rast von zusammen 8 Stunden 
27 Min.) in Brandenburg a. H. um 6 Uhr 50 
Min. eintrafen. Sie hatien 884 Meilen — 66 
Kilometer — in 13 Stunden 35 Min. zurückge⸗ 
legt, die Meile in 1 Stunde 913 Min. den Kilo— 
meter in 9 Min. 1286 Sek. Die Leistung stellte 
sich vormittags bei den ersten 86 Kilom. auf 
8 Min. 53*23 Sek. à Kilom., nachmittags bei den 
übrigen 30 Kilom. auf 9 Min. 20 Sek. a Kilom. 
F Die „Deutsche Reichsfechtschule“ 
hat eine ganz underhoffte und nicht unbedeutende 
Erbschaft gemacht. In Schöneberg verstarb in der 
vorigen Woche ein Beamter der Pferd⸗Eisenbahn 
mit Hinterlassung eines Vermoögens von angeblich 
12,000 Mk., aber ohne Erben. Die Freuden des 
Ehestandes hatte er nie kennen gelernt, dagegen 
zfiers zu Freunden und Collegen gesprächsweise 
geheimnißboll geaußert, sie würden fich nach seinem 
kode — er war längere Zeit leidend — noch über 
hn wundern. In seinem Nachlaß ist, der Berliner 
Zeitung zufolge, auch ein Testament gefunden, in 
welchem er die deutsche Reichsfechtschule, eventuell 
das deutsche Reichs-Waisenshaus in Lahr zu seinem 
Universalerben einsetzt. 
Der Pariser ,„Figaro“ auf dem Niederwald. 
Der Figaro“ hat seinen Mitarbeiter Pierre Giffard 
zur Enthüllung des Niederwald. Denkmals an den 
RKhein gesandt und erhält von ihm eine ausführliche 
Beschreidung des Denkmals, dessen Kunstwerth der 
Franzose außerordentlich hochstellt. In dieser Be— 
schreibung führt Herr Giffard auch die Inschriften 
mn, die sich auf dem Sockel des Monumentes be⸗ 
inden und übersetzt dabei den Refrain der „Wacht 
am Rhein“, „Lieb Vaterland magst ruhig sein, 
fest steht und ireu die Wacht am Rhein“ mit: 
Aime ta patrie et dors tranquille; on monte 
ia garde aux bords du Rhin“ — „Liebe dein 
Vaterland und schlafe ruhig“ ist doch wirklich aus⸗ 
zezeichnet! 
4 Eine furchtbare Gasexplosion fand am Sonn⸗ 
jag Morgen in Paris im Hotel der Polizeiprü 
feltur am Boulevard du Palais statt. Man schreibt 
uns darüber: Schon von früh Morgens an hatte 
sich ein starker Gasgeruch, der aus den Kellern zu 
kommen schien, bemerkbar gemacht und der Polizei⸗ 
präfekt hatte in Folge dessen Befehl gegeben, Nach— 
forschungen anzustellen. Doch ehe die Leute der 
Basgesellschaft anlangten, ertönte plötzlich kurz vor 
Mittag eine gewaltige Explosion, die das ganze 
Hebäude der Polizeipräfektur bis in seine Grund— 
festen erschüttern und alle Fensterscheiben zersplit— 
tern machte. Das Pflaster vor dem Gebäude wurde 
in die Höhe gehoben und nach allen Richtungen 
umhergeschleudert und im selben Augenblick 
brachen auch die Flammen von allen Seiten aus 
den Kellerräumen hervor. Eine Zeit lang war die 
ganze Polizeipräfektur in einen schwarzen undurch⸗ 
dringlichen und scharf riechenden Qualm eingehüllt. 
Die Feuerwehr langte schnell an und wurde auch 
schnell des Brandes Herr. Leider sind außer dem 
materiellen Schaden auch mehrere Menschenleben 
dabei zu Grunde gegangen. So wurde der auf 
Posten stehende Polizeisergennt von den ihn um— 
zingelnden Flammen tödtlich versengt und auch 
mehrere andere Personen von den umherfliegenden 
Steinen getödtet. Die genaue Zahl der Geiödteten 
und Verwundeten ist noch nicht bekannt. 
r Aus Belgien berichtet man der „Fr. Z.“ 
folgendes Geschichten: Vor einigen Wochen starb 
ein alter, sehr reicher Jungeselle in einem Städtchen 
in Belgien. Sein Bedienter wachte trübe Nächte 
lang an seinem Sterbebette, allein zuletzt fühlte er 
sich erschöpft und rieth seinem Herrn, die Hilfe 
einer HKrankenschwester aus dem benachbarten Kloster 
in Anspruch zu nehmen. Der Sterbende gab seine 
Einwilligung dazu und bald setzte sich eine junge, 
uufmerksame Schwester an sein Bett und ließ ihm 
die sorgfältigste Pflege angedeihen. Der arme Mann 
tarb; allein ehe er die Reise in die andere Well 
intrat, hatte er in seinem Testamente eine Ver—⸗ 
inderung vorgenommen und eine sehr bedeutende 
Zumme Geldes nicht nur seinem treuen Diener 
ondern auch der jungen Krankenschwester, die ihn 
verpflegt hatte, hinterlassen. Im Kloster der Letzteren 
vard die Nachricht davon bald bekannt. Die Mutter⸗ 
Oberin empfing ihre „geliebte Tochter“ mit offenen 
Armen, küßte sie mit inniger Zärtlichkeit und be— 
glückwünschte ste wegen der Art und Weise, wie sie 
hre heilige Arbeit vollbracht hatte. — „Ach! welch 
ein Glück für unsere Gemeinschaft!“ rief sie be— 
Jeistert aus. „Das ist eine wohlverdiente Summe!“ 
Allein die Krankenschwester antwortete unverzüglich: 
„Um Vergebung, Mutter⸗Oberin, denn nicht dem 
Tloster, sondern mir allein ist die Summe testa— 
nentarisch vermacht worden, ich bestehe darauf und 
hehalte sie.“ Bei dieser Antwort verlängerte sich 
das Gesicht der Superiorin in bedeutendem Maße. 
... Die junge Schwester aber kehrte nach Haust 
—XR 
hres beiderseitigen verstorbenen Wohlthäters. 
FNew⸗NYork, 30. Sept. Aus Sieges— 
tationl(Californien) wird die Erplosion einer Pul⸗ 
verfabrik gemeldet, bei welcher 40 Chinesen getödtel 
oder verstümmelt wurden. 
F (GDer schlaue Sachse.) Ein kürzlich in 
New⸗NYork eingewanderter Leipziger, der bei seiner 
Ankunft mit dem Reisestaub auch seinen väterlichen 
Namen abgeschüttelt hatte und sich Lehmann nannte, 
vurde gelegentlich eines Spazierganges durch die 
Straßen der Stadt von einem vorübergehenden 
Fremden mit den Worten: „Guten Morgen, Herr 
Schulze!“ begrüßt. Der gute Sachse sinnt eine 
Weile nach, kann sich aber nicht erinnern, den 
Menschen jemals gesehen zu haben. „Aha!“ denkt 
er, ‚das is mich sicher Ener von die Ludersch, von 
die sog. „Bauernfänger!“ Da heeßt's: fein uff— 
zepaßt!“ In dieser Meinung wurde das Leipziger 
Brünhorn nur noch bestärkt, aks der Fremde, nach 
inigen Schrittien wieder umkehrend, höflich fragte 
„Sie verzeihen schon! Habe ich mich nicht geirrt? 
Sind Sie nicht Schulze aus — —“ dabei schnalzte 
rumit den Fingern als ob ihm der Heimathsori 
des Angeredeten nicht einfallen wollte. — „Nee! 
Sie irren sich, mein kut'ster Herr, ich heeße Sie 
nicht Schulze, sondern Lehmann, uffzuwarten, ja!“ 
— Der Fremde entschuldigte sich hierauf und ging 
seiner Wege. Einige Minuten später trat ein 
Anderer, dem Sachsen ebenfalls Unbekannter, auf 
unseren Freund zu und als ob er einen alten Be⸗ 
kannten begrüßte, klopfte er ihm auf die Schulter 
und rief freudig überrascht: „Halloh, Lehmann, 
altes Haus, wie geht's denn?“ — Diesmal war 
der vorsichtige Leipziger Sache ganz sicher und mit 
inem unzweideutigen schlauen Zwinkern des linken 
Auges, antwortete er dem Fremden: „Nee, mei 
ut'stes Thierchen — Sie irren sich; mein Name 
s Sie nämlich gar nich Lehmann — ich heeße 
Sie Schulze! Ja! Fragen Sie gitigst blos Ihren 
Fraiund, der dort an der Ecke lauert!“ Nachdem 
ich auch dieser Confidenzschwindler schleunigst ver⸗ 
zogen hatte, blickte ihm der schlaue Sachse höhnisch 
iachend nach und rief; „Mir Leibz'ger sain nicht 
so dumm! Gelegentlich heeß' ich Sie weder Schulze 
noch Lehmann, sondern Werschtche!“ 
F Der Newyorker „Puc', das bekannte, 
bdon Keppler gegründete Witzblatt, erklärt die Ein⸗ 
ladung Villards zur Eröffnung der Nord-Pacific 
Bahn als den neusten Weg, Altien zu verbessern. 
Auf einem großen Vollbild zeigt „Puck“ Henrr 
Villard als Ausrufer einer Schaubude, neben ihm 
steht Karl Schurz und paukt mit Macht auf die 
Reklametrommel los. Ueber dem Eingang der 
-cchaubude sind die Karikaturen berühmter deutscher 
Autoren — Paul Lindau sieht besonders ehrwürdig 
ind feierlich aus —, eines lebendigen deutschen 
Barons, eines echten Lord und deutscher Professoren 
nufgehängt und Showman Villard schreit dem 
Publikum von der Tribüne herab zu: „Hierher, 
meine Herren! Hier wird was fürs Geld geboten! 
Hier sind zu sehen englische Lords, deutsche Barone, 
Literaten, Bankiers, sowie andere Celebritäten, die 
mit großem Kostenaufwand für diese Schow er— 
worben sind.“ 
EGuünstliche Kinder.) Eine amerikanische 
Firma bringt folgende Anzeige: „Wichtig für Rei⸗ 
ende! Durch jahrelanges Nachdenken und unver-! 
drossene Arbeit ist es dem Chef unserer Manufaktur 
von Reiseartikeln gelungen, künstliche Kinder herzu⸗ 
stellen, welche genau ebenso schreien, wie die natür⸗ 
lichen. Es' wird garantirt, daß in ein Koupé, 
aus dem die Stimme eines solchen Schreihalses 
ertönt, kein anderer Reisender einzusteigen wagt, 
und unsere geehrten Kunden sind daher durch eine 
solche Vorsichtsmaßregel durchaus gesichert, allein 
reisen zu können. Ein künstliches Kind Nr. 1 
Schreihals erster Sorte, mit ausnehmend malitiosem 
Timbre der Stimme und Sfacher Steigerung im 
Ausstoßen eigensinniger Töne) 10 Dollars, Nr. 2 
(mit sehr heftigen, aber lamentablem, unaussteh⸗ 
lichem Gewinsel) 5 Dollars, eiun gewöhnliches Kind 
Nr. 3 Wwelches blos von Zeit zu Zeit ein er⸗ 
schreckendes Geräusch ausstößt und bequem in jeder 
Rocktasche getragen werden kann) 2*3 Dollars. 
Die Arbeit ist bei allen drei Nummern solid und 
elegant. Für die Dauerhaftigkeit wird auf ein 
Jahr garantirt. 
r Ein leicht zu fabrizierender Wetterprophet. *e 
Lot Kampher, !/2 Loth Salpeter, Lot Salmiak, 
jeder dieser Stoffe wird besonders in Kornbrannt⸗ 
wein von mindestens 18 Grad aufgelöst, in eine 
lange, schmale (Pau de Cologne-) Flasche gegossen 
und luftdicht verschlossen. Diese Flasche wird dann 
in freier Luft an eine Fensterbrustung an der 
Nordseite der Wohnung aufgehängt und kann dort 
im Sommer wie auch im Winter hängen bleiben; 
kann aber auch im Zimmer ans Fenster gehängt 
werden. — Wetter-Veründeruugen zeigen sich nun 
immer durch Krystallbildungen an, und zwar nach 
folgender Erfahrung: Klare Flüssigkeit verkündet 
heiteres Wetter — trübe Flüssigkeit zeigt Regen an 
— Eis auf dem Boden: Dicke Luft, im Winter: 
Frost — trüb mit kleinen Sternchen: Gewitter — 
große Flocken: Schwere Luft, bedeckter Himmel; 
im Winter: Schnee — Fäden im oberen Theile 
der Flüssigkeit: Windiges Wetter — kleine Punkte: 
Nebel, feuchtes Wetter — aufsteigende Flocken, 
vwelche oben bleiben: Wind in den oberen Luft⸗ 
schichten — kleine Sternchen im Winter bei hellem 
Sonnenschein: Schnee bestimmt innerhalb der näch⸗ 
ten 48 Stunden — je höher die dicke Flüssigkeit 
im Winter steigt, um so größer wird die Kälte und 
umgekehrt, je dichter sich die dicke Flüssigkeit auf 
dem Boden des Glases im Sommer zusammenge— 
preßt, um so größer wird die Hitze sein. — Diese 
Beobachtungen gelten durchgehens für die nächsten 
24 Stunden. 
Gemeinnüutziges. 
Um Kleiderstoffe gegen Nässe undurchdringlich 
zu machen, giebt Payen nach dem „Centralblatt 
für das gesammte Forstwesen“ folgendes Mittel an. 
Man löst 2 Pfund Alaun in 64 Pfund Wasser 
(1 Maß gleich 3 Pfund) auf, andererseits löst man 
3 Pfund Bleiessig in eben soviel Wasser; beide 
Flüssigkeiten werden vermischt und man erhält einen 
Niederschlag in Pulverform, welcher schwefelsaures 
Bleioxyd ist und weggeworfen wird. Die Flüssig— 
keit, die essigsaure Thonerde enthält, wird behutsam 
abgegossen und es werden in derselben diejenigen 
Stoffe eingeweicht, welche man undurchdringlich 
machen will. Der Stoff, nachdem er einige Mal 
mit den Händen geknetet worden ist, wird in freier 
Luft dem Trocknen ausgesetzt. — 
Für die Redaktion verantwortlich F. XR. Deme z. 
Nr. 52 des praklischen Wochenblattes für 
alle Hausfrauen „Fürs Haus““ (Preis viertel- 
jährlich 1 Mark) enthält: 
Skaldenkunst. — Selbstbeherrschung. — 
Anlernen eines Dieners. — Hanne Nielsen. 
— Nicht anfassen! Schlösser. — Beim Nähren 
meines Kindes. — Unsere Hausbrunnen. — 
Vom Spinnen. — Der Champignon. — 
Die Cichorie. — Ein Jugendtraum. 8. (Schluß). 
— Unsere Kinder. — Hausdoktor. — Haus— 
garten. — Die Wohnung. — Haustiere. — 
Hausmittel. — Die Wäsche. — Für die 
Küche. — Fernsprecher. — Echo. — Brief⸗ 
kasten der Schriftstelle. — Rätsel. — Anzeigen. 
— Probenummer gratis in allen Buchhand⸗ 
ungen. — Notariell beglaubigte Auflag— 
15,000. — Wochenspruch: 
Was soll das Zagen und das Klagen, 
Was bist Du der Verzweiflung nah? 
Hienieden muß ein jeder tragen 
Sein Kreuz nach seinem Golgatha