Full text: St. Ingberter Anzeiger

zt. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts 5äk. Ingbert. 
SEt. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1A6 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen L 95 H, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 , bei Reclamen 303. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
X 193. 
Donnerstag, 4. Oktober 1883. J— —18. Jahrg. 
Politische Uebersicht. Igegen Frankreich gerichtete Kundgebung zu 
vermeiden. 
Deutiches Reich. Madrid, 3. Oktober. Der König wurde bei 
München, 29. Sept. Der dahier versammelt seiner Ankunft von einer ungeheuren Volksmenge 
gewesene Ausschuß des bayerischen Brauer-Vereins hegrüßt und übermittelte den Armen von Paris 
soͤßte einen Protest gegen die von der Staatsre- 10.000 fr. 
gierung beschlossene provisorische Forterhebung des 
rthöhten Malzaufschlages ab. Die Brauer finden 
ca bei den günstigen Staatsfinanzen angezeigt, daß 
huen wenigstens 1 Mark vom Hektoliter Malz er⸗ 
assen werde. 
München, J1. Oktober. An Stelle der Herren 
Zchlör und Vaillant werden seitens der Linken 
» Mitgliedern des Finanzausschusses vorgeschlagen 
ie Herren Dr. Frhr. v. Stauffenberg und Dr. 
Flemm⸗Ludwigshafen. Herr Baillant ist aus pri⸗ 
zaten Gründen aus dem Finanzausschuß, dem er 
rit einer Reihe von Jahren angehörte und wo er 
as Referat über das Berg⸗ und Hüttenwesen inne 
atte, ausgetreten. Dr. Rittler wird, so viel man 
gemein hört, das Cultusreferat beibehalten und 
tisenbahnreferent wird Herr v. Stauffeuberg. 
Am Montag Abend ist der Reichstagsabgeord 
iete Antoine in Metz verhaftet worden; wie 
in Telegramm meldet, soll die Verhaftung durch 
en Reichsanwalt veranlaßt worden sein und handle 
s3 sich um die Anklage des Landesverraths. Da 
die Verhaftung eines Reichstagsabgeordneten und 
hre Veranlassung sofort durch den Reichskanzler 
dem Präfidium des Reichstags mitgetheilt werden 
unß, wird man ja bald Näheres erfahren. 
Straßburg 2. Oktober. Nach Lage der 
Sache ist bezüglich der Verhaftung Antoines 
Detz nichts Anderes anzunehmen, als daß es sick 
dei dieser Maßregel um eine Verfügung des Reichs 
jerichts gehandelt und daß damit die Unterjsuch— 
ingshaft gegen den des Landesverraths bezichtigten 
Ungeschuldigten ihren Anfang genommen hat. Die 
derhaftung Antoines wird sich somit auf die Be—⸗ 
timmungen im 8 112 der Strafprozeßordnung 
tützen. Man wird es mit Genugthuung begrüßen 
dürfen, daß der Fall Antoine jetzt dem unsicher hin 
und her schwankenden Urtheil der Menge entzogen 
und vor ein sachverständiges, unparteiisches Forum 
xbracht worden ist, vor den zuständigen Richter 
dem Uriheile des Reichsgerichts, dieses erlauchten 
htreises der hervorragendsten Juristen aller deutschen 
Staaten, darf mit vollem Vertrauen entgegengesehen 
verden. 
Die Kaisertage am Main und Rhein 
sehören nun der Vergangenheit an, aber ihre Ein— 
rücke, besonders was die Nationalfeier auf dem 
diederwald anbelangt, werden noch lange im deut⸗ 
chen Volke haften bleiben. Auch im Auslande hat 
etztere ihre mächtigen Eindrücke, hinterlassen, wie 
ie für Deutschland so wohlwollenden Betrachtungen 
er Wiener und Londoner Blätter über die Nieder⸗ 
valde Feier beweisen und es ist bemerkenswerth, wie 
don denselben bei dieser Gelegenheit die Friedens⸗ 
liebe des deutschen Volkes beioni wird, bielleicht, 
daß der ganze Verlauf der Festlichkeiten am Rhein 
auch den Franzosen Anlaß zum Nachdenken giebt. 
Ausland. 
Madrid, 2. Oktober. Gestern Abend fand 
or dem Gebäude der deutschen Gesandtschaft eine 
Impathische Kundgebung sialt. Ueber zweitausend 
derfonen vereinigten sich vor dem Legationshotel 
und riefen: „Hoch der Ülanen-Oberst! Es lebe 
deutschland!“ 
„Madrid, 2. Oktober. Anschläge in den 
Etraßsen der Stadt fordern das Boölt“ quf iede 
Vermischtes. 
F München, 3. Oktober. Der definitive 
Schluß der internationalen Kunst-Ausstellung ist 
auf den 15. Okober fesigesetzt worden. 
F Neunkirchen, 1. Oktober. Die am letz⸗ 
ten Samstag in der Blies aufgefundene Leiche ist 
als diejenige des 73jährigen Taglöhners Philipp 
Leibrock aus Ernslweiler in der Pfalz rekognosziert 
und bereits heute Vormittag hier beerdigt worden. 
(S. u. Bl.3.) 
F In Rüdesheim schätzt man die Zahl der 
Fremden beim Niederwald⸗Feste am 28. September 
auf 80000. 
4 Mainz, 30. Sept. Echwurgericht.) In 
den ersten Tagen des Monats August wurde — 
wie seiner Zeit auch im Anzeiger mitgetheilt — in 
dem benachbarten Nierstein eine entsetzlich rohe That 
dadurch verübt, daß der Gutsverwalter Gg. Schätz- 
ler den 9jährigen Knaben Wilh. Elbing, welcher 
auf dem Gut des Herrn Weinhändler Lautern 
Aepfel entwendete, derart auf den Boden warf, daß 
der Junge an den Folgen der erhaltenen Verletz⸗ 
ungen verstarb. Schätzler wurde wegen dieses Ver⸗ 
brechens in Untersuchung gezogen und wurde gestern 
diese Angelegenheit vor dem Schwurgericht abgeur⸗ 
theilt. Der Beschuldigte ist der That geständig 
und gibt derselbe an, derart in Aufregung gewesen 
zu sein, daß er nicht gewußt hätte. was er that. 
Im Uebrigen genießt der Angeklagte einen sehr 
guten Ruf; durch Zeugen wird alsdann nachge⸗ 
wiesen, daß Schätzler, als der Junge über den 
Staketenzaun geklettert war, den Jungen mit der 
einen Hand zwischen den Beinen und mit der 
andern am Hals gefaßt habe, ihn dann, so hoch er 
reichen konnte, in die Höhe gehoben und alsdann 
mit aller Gewalt zu Boden geworfen habe. Der 
Knabe krümmte sich, ohne einen Laut von sich zu 
geben und verstarb nach zwei Stunden. Die 
Leichenöffnung ergab als Todesursache eine absolute 
tödtliche Verletzung des Schädels, hervorgebracht 
durch unmenschliche Behandlung. Die Geschworenen 
erkannten unter Annahme mildernder Umstände den 
Angeklagten für schuldig und wurde derselbe zu einer 
Gefängnißstrafe von 10 Monaten verurtheilt. 
FIn Mainz wurde vom Kriegsgericht der 
erst 31 Jahre alte Mathias Hertels aus Saarlouis 
zu 2 Jahren 9 Monaten Gefängnis und Ausstoß⸗ 
ung aus dem Militärstande verurtheilt. Derselbe 
hat seit Jahren ein überaus abenteuerliches Leben 
geführt. Es ist jener Betrüger, der vor längerer 
Zeit, als Mönch verkleidet, in aller Herren Ländern 
die tollsten Schwindeleien verübte. 
FeFrankfurt, 2. Oktober. Hier hat gestern 
der Militärentziehungsprozeß begonnen. Angeklagt 
sind folgende 8 Personen: Landwirth Markus Rei— 
nach von Homburg, 74 Jahre alt, Kaufmann Isi⸗ 
dor Nahm von Grünstadt, 25 Jahre alt, Kaufmann 
Moritz Marschütz von Gunzenhausen, 50 Jahre alt, 
und sein Sohn Kaufmann Heinrich Marschütz, 28 
Jahre alt, Kaufmann Moses Frank, geboren 1835, 
und sein Sohn Joseph Frank, Kommis, 22 Jahre 
alt. Kaufmann Moritz Siern von hier, 51 Jahre 
alt. Ein Angeklagter, Salomon Sichel, ist nicht 
erschienen. 
Wie man aus Dortmund schreibt, nimmt 
der Bedarf an Kohlen ganz bedeutend zu, so daß 
die Zechen denselben nur schwer zu decken vermögen. 
Eine Anzahl von Kohlenwerken im Dortmunder 
und Bochummer Revier ist deshalb dazu überge—⸗ 
gangen, den Preis pro Doppelladung um 3—5 M.,ins⸗ 
hesondere für Hausbhrand., vom 1 Okt ah zu erhöhen