Full text: St. Ingberter Anzeiger

Lieblings Thihaudin und demonstriren in lauter 
und unzweideutiger Weise für den gewesenen Kriegs 
minister. Daneden nehmen die auch von gemäßigt 
republikanischer Seite gegen das Ministerium Ferrh 
in Szene geietzten Intriguen, deren Leiter Mr— 
Wilson, der Schwiegersohn des Prasidenten Grevy, 
ist, ihren ungeftörten Fortgang; die Nachricht von 
einer zwischen Ferry und Wilson stattgefundenen 
Aussöhnung hat sich als vollständig unbegründet 
herausgesteüt. Unter diesen Umstanden wird das 
Nabinei bei der in etwa 14 Tagen bevorstehenden 
Wiedereröffnung der französischen Kammern einen 
schwierigen Stand haben und nur rasche und durch⸗ 
greifende Erfolge in der auswärtigen Politik, be⸗ 
sonders in der Tonkinfrage, könnten denselben wieder 
berbessern. Der Vertrag mit den „Schwarzen 
Flaggen“ bedeutet nun wohl einen wesentlichen Er⸗ 
solg Frankreichs in Ostasien, aber von einer Sicher⸗ 
ung ihres Besitzstandes in Annam sind die Franzosen 
noch weit entfernt und was China anbelangt, so 
hat dasselbe sein letztes Wort in der Tonkinfrage 
noch nicht gesprochen. 
Der Deutschenhaß in seiner Verblendung treibt 
in Franukreich gar sonderbare Blüthen. So 
schreibt jetzt ein Fachblatt, die Armée frangaise: 
Man weiß, daß die Elsaß⸗Lothringer seit der An⸗ 
nexion ihrer Provinzen durch Deutschland die Mehr⸗ 
zahl der sich freilich zur Fremdenlegion Meldenden 
gestellt haben. Da sie keine deutsche Soldaten 
werden wollen und keine französische Soldaten sein 
können, so machten sie sich zu fremden Soldaten 
in Diensten Frankreichs. Es scheint nun, daß in 
der letzten Zeit die Reihen der Fremdenlegion noch 
von ganz anderer Seite her zahlreichen Zufluß er⸗ 
hielten. Die Deserteure der deutschen Armee stellen 
fich in so großer Zahl ein, daß dieselbe bald die 
der Elsaß-Lothringer übersteigen wird. Es ist dies 
eine Thatsache, auf die es sich verlohnt hinzuweisen, 
denn man darf nicht vergessen, daß die Leute, 
welche kommen, um in unserer Armee als Fremde 
zu dienen, häufig in ihr Land mit einem ganz an⸗ 
deren Grade zurückkehren, als der, welchen sie in 
Frankreich hatten. Man hat dergleichen gesehen.“ 
der Sinn dieser auf den ersten Blick zwar etwas 
dunklen, aber in seiner Perfidie doch klaren Worte 
kann nur der sein, daß deutsche Offiziere sich als 
Gemeine in der französischen Fremdenlegion anwer⸗ 
ben ließen, natürlich um zu — spioniren! als ob 
die deutschen Offiziere nichts Besseres zu thun hätten! 
In Port au prince (Haupistadt der Re⸗ 
publit Haiti) ist eine Revolution ausgebrochen. 
Die Stadt wurde geplündert, die Hälfte der Häuser 
durch Brandstiftung und Beschießung zerstört; viele 
Personen sind todi. Im Hafen liegen fünf fremde 
Kriegsschiffe. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 16. Oltober. Die hiesige 
kgl. Lateinschule eröffnete das neue Sch iljahr 
mit 79 Schülern, 2 mehr als am Schlusse des 
abgelaufenen Schuljahres. Auf die verschiedenen 
Klassen vertheilen sich die Schüler wie folgt: 
I. Kl. 16, Ii. Kl. 22, II. Kl. 16, IV. Kl. 12, 
V. Kl. 18. Eine gewiß seltene Erscheinung bietet 
die fast gleichmaßige Frequenz der einzelnen Klassen. 
* St. Ingbert, 16. Oktober. Gestern ist 
auf den pfalzischen wie auf allen deutschen Bahnen 
der Winterfahrplan in Kraft getreten. Einen 
kurzen Auszug aus demselben findet der Leser im 
Inseratentheile dieser Nummer. 
— Der Gasthof zum „Pfälzer Hof“ (W. 
Jung) in Landau wurde an die Herren Clundt 
J. Gürleth verkauft. Der Besitzantritt erfolgt am 
l. Jan. 1884. 
— Birkweiler, 13. Oktober. Heute Nach— 
mittag brannte das Wohnhaus von Daniel Dut— 
kon dahier nieder. Von den drei allein und ohne 
Aufsicht sich zu Hause befindenden Kindern konnten 
wei noch gerettet werden, während das eine ver— 
zrannte; dessen Leichnam wurde, nachdem das Feuer 
gelöscht war, halb verkohlt aufgefunden. 
— Edenkoben, 12. Oktober. Gute Herbst⸗ 
aussichten tragen vielfach zur Erhöhung der Güter⸗ 
preise bei. So wurden vor einigen Tagen von 
Frau A. Völker fünf Viertel Wingert, in der Nähe 
der kath. Kirche gelegen, mit der Creeͤcenz um den 
Preis von 8000 Mark verkauft. Trotz dieser großen 
Summe hat der Käaufer doch kein schlechtes Geschäft 
gemacht, denn der diesjährige Ertrag war nahe 5 
Fuder. die um ca. 1700 Mk. zum Verkaufe kamen,. 
(L. Tobl.) 
Die schriftlichen Aufgaben in der 
Anfstellungsprüsfung der pfälzischen 
Schuldienfterspektanten pro 1883. 
l. Deutscher Aufsatz (4 Std): „Geh' 
am Nleinsten nicht vorüber! Nichts ist klein in.: 
dieser Welt·. 
II. Religion (8 Sitd.): A.tatholisch: 
1) Die Tugend des Glaubens. Begriff, Nothwen⸗ 
zigkeit, Eigenschaften und Gegensatze desselben. 
) Die Christenverfolgungen. der ersten drei Jahr⸗ 
zunderte; ihre Ursachen und Folgen. B. prote⸗ 
tantisch: h) Die edangel. Lehre von der Be⸗ 
ehrung und ihrer Frucht ist darzulegen und biblisch 
zu begründen. 2) Reformatorische Bestrebungen 
hor der Reformation und ihr Erfolg. 
III. Rechnen (3 Std.): 1) 2 Rapitalien, 
»on denen das erste 4000 Mk. größer ist, als das 
weite, stehen zu verschiedenen Prozenten aus; das 
weite 80 höher als das erste, und bringen 
leichviei Zinsen. Stände das erste Kapital zu 
—0 
zes ersten aus, so würde das erste 3800 Mi. mehr 
zringen als das zweite. Wie groß waren die 
dapitalien und zu welchem Zinsfuße waren sie 
wusgeliehen? 2) Dividirt man die Differenz zweier 
Zahlen durch 6, so erhält man die kleinere zum 
Zuotienten und 3 zum Reste; dividirt man die 
zumme derselben durch 18, so erhält man den 
12. Theil der größern zum Quotienten und 1 zum 
Reste. Welches sind die 2 Zahlen? 3) Ein Würfel 
und ein Kegel haben bei gleicher Bodenfläche 
zleichen Kubitinhalt. Wenn nun eine Würfelfläche 
57,9236 Quadratcentimeter enthalt: a) Wie groß 
st die Würfelkante? b) Welches sind die Dimen ⸗ 
ionen des Kegels? 0) Wie viel beträgt die Differenz 
der beiden Oberflächen der beiden Körper? 
NB. n-3210; die Resultate sind zu bestimmen 
dis auf Zehntelsmillimeter, auf Hundertelsquadrat⸗ 
nillimeter und auf Tausendelskubikmillimeter.) 
) Die Germania des Notionaldenkmals auf dem 
Riederwalde soll 700 Zentner wiegen. a) Welches 
Bolumen hat das dazu verwendete Metall, wenn 
das spezifische Gewicht desselben als 8,6 ange— 
vommen wird? b) Wie groß wäre die Kante des 
nassiven Würfels, der sich aus dieser Masse formen 
ieße? 
IV. Geographie (1 Std.): 1) Was ist ein 
ynodischer, was ein siderischer Monat? 2) Kanal⸗ 
derbindungen Frankreichs. 8) Britische Besitzungen 
— 
Bevölkerungsverhältnisse der Balkanhalbinsel. 
V. Geschichte (1 Std.): 1) Auftreten der 
Normannen in der Geschichte. Welche Reiche 
gründeten sie? 2) Bestimmungen des westfälischen 
Friedens a) in territorialer d) in staatsrechtlicher 
) in kirchlicher Hinsicht. 3) In welche Zeit fallen: 
V der II. punische Krieg, b) Der Vertrag zu 
herdun, c) der Kurverein zu Rense, d) der 
chmalkaldische Krieg e) der Reichsdeputationshaupt— 
chluß? 4) Die Entstehung der Pfalzgrafschaft 
dei Rhein! 
VI. Pädagogik (4Std.): 1) Welche Zwecke 
hat der Geschichtsunterricht in der Bolksschule und 
dbie kann der Lehrer seine Aufgabe erfüllen? 
2) Das Wahrheitsgefühl und seine Pflege. 3) Fried⸗ 
rich Fröbel, sein Leben, seine Ziele und seine Be— 
deutung. 
VilI. Naturkunde (2Std.): 1) Das mensch⸗ 
iche Auge; 2) Die Füße der Vögel; deren Be— 
iehung zu der Nahrung und VLebensweise. 83) Die 
Ddoldengewächse. 4) Die Verdunstung; ihre Ursachen, 
demmung und Förderung; Wirkung. 
VIII. Zeichnen (3 Std.): Eine Freihand— 
„eichnung. Dann folgende Aufgaben: 1) Tang- 
enten zu zeichnen a) von einem deliebigen Punkte 
m Kreisumfange b) von einem außerhald des 
Zreises, aber in derselben Ebene mit diesem liegen— 
den Punkte. 2) Es ist eine Ellipse zu zeichnen 
nit Achsen von 5 und 7 em. 
IX. Gemeindeschreiberei (2 Std.): 1) 
Welche Personen haben gesetzlichen Anspruch auf 
ie Theilnahme an Gemeindenutzungen? Wer ent⸗ 
cheidet in solchen Streitfällen? Welche Pflichten 
iegen denjenigen ob, welche Gemeindenutzungen 
eziehen? 2) In welchem Dienstverhältnisse steht 
der Gemeindeschreiber zum Bürgermeister, dem Ge⸗ 
neinderathe und der Distriktsverwaltungsbehörde 
nach Maßgabe der Bestimmungen der pfälzischen 
ßemeindeordnung. 
X. Landwirthschaft (1Std.): Die stick⸗ 
toffhaltigen indifferenten Pflanzenbestandtheile! 
Vermischtes. 
F Neustadt, a. D. (Bayern). Dieser Ta— 
'and hier eine Trauung stait, bei welcher 8* 
Bräutigam ein 8ljähriger Greis, die Braut ein 
unges Mädchen von 22 Jahren war. Es ist der 
hemalige Hofbauer, nunmehr Privatier J. Huber 
velcher sich als Wittwer veranlaßt sah sich in 
diesem Alter nochmals in das süße Joch der Ehe 
zu begeben. 
7? Saarbruücken, 15. Oltober. Veiflossene 
Nacht entfernte fich, wie wir hören, ein Unteroffigier 
des hier garnisonirten Dragonerregiments Nr7 
unter gleichzeitiger Mitnahme seines Pferdes. Ob 
derselbe dessertirt ist oder nur einen Ritt auf eine 
der Kirmesen in der Umgegend machen wollte wird 
die weitere Untersuchung zeigen. 
F GEinsseltsamer Pferdemarkth Wie 
der „Saarg. Z.“ gemeldet wird, hat der letzte dies 
ährige Pferder und Viehmarkt, welcher am 8. ds. 
Mts. in Forbach stattfand bezw. stattfinden sollte. 
einen unerwartet schlechten Verlauf genommen. Der 
zanze Zutrieb zu demselben bestand nämlich in — 
inem einzigen Schwein; weder ein Pferd, noch 
irgend ein Repräsentant des edlen Hornviehgeschlechtes 
wvar zu sehen. 
GEin tödtlicher Schluck) Der Maurer 
Jung in Undenheim bei Worrstadt bemerkte in 
einem Dachstübchen, in dem er arbeitete, auf einem 
Vrettchen, etwas versteckt, ein Flaschchen mit einer 
ranniweinähnlichen Flüssigkeit. Jedenfalls in der 
Meinung, aͤlles was wie Branntwein aussehe, sei 
auch Branntwein, that er in der Eile einen tüch— 
tigen Schluck und muß bald darauf zu Boden ge⸗ 
fallen sein. Man fand ihn auf dem Boden lie— 
zend, nur noch wenige Leibenszeichen von sich 
gdebend. Das Fläschchen mit Carbolsäure lag neben 
ym auf der Erde. Der in wenigen Minuten nach 
dem Unglücksfalle erschienene Arzt konnte keine 
Rettungsversuche mehr vornehmen, da der Bedau— 
eraswerthe bald verschied. 
(Vivat sequens!) Im Inseratentheile 
der „Magdeburger Ztg.“ liest man folgende Anzeige 
des größlen Leinengeschäfts Magdeburgs: „Die 
deinenhandlung von Peter Georg Palis, Inhaber: 
darl Rahmdor, Kaiserstraße 97, am alten Ulrichs⸗ 
hor, sieht sich zu der Erklärung veranlaßt. daß sie 
ferner französische Artikel, Noureautés de Paris. 
nicht mehr führen wird. Die noch vorhandenen 
gestände werden zu zurückgesetzten Preisen verkauft.“ 
Große Pariser Haͤuser, wie , Printemps“, „Au bon 
narcho“ ꝛc. versenden soeben wieder ihre Preiscou⸗ 
rante. Angesichts der wilden Deutschenhetze, deten 
-chauplatz namentlich Paris ist, sollten alle 
eutschen Patrioten und — Pairiotinen es als na⸗ 
ionale Pflicht erachten, derartigen geschäftlichen An⸗ 
rbietungen nicht das mindeste Gehör zu schenken. 
Zoffentlich wird der deutsche Stolz stark genug ent⸗ 
dickelt sein, um Denen, welche unser Vaterland 
Jassen und dessen bei ihnen lebende Angehörige aus 
hrem Brode verjagen nicht auch noch die Tafchen 
zu füllen, ganz zu schweigen von der in solchen 
Zäufen liegenden nationaldkonomischen Versündig- 
ung am eigenen Vaterland. (Die Red.) 
p Der erste Tabakraucher in Deutfch— 
land war wohl jener Mohr, den der große Kur⸗ 
fürst von Brandenburg von seinem Feidzuge am 
Rhein mit in die heimische Mark nahm, In einem 
Dorf, als des Kurfursten Wagen auf der Durdh⸗ 
reise vor der Schmiede hält, um etwas ausbessern 
zu lassen, läuft Alles zusammen und starrt den 
Schwarzen an, der in seiner Livree gar stattlich 
zinten aufsitzt. Dem wird aber die Geschichte endlich 
zu langweilig, er holt eine kurze Thonpfeife aus 
der Tasche, stopft sie, steigt von seinem Sitze und 
ritt in die Schmiede, wo er eine glühende Kohle 
‚om Feuer nimmt und auf seine Pfeife legt; dann 
teckt er das Ding zwischen die Zähne und zum 
allgemeinen Entsetzen der Umstehenden beginnen 
ide Wollen aus des Mohren Mund und Nase zu 
sualmen. Einer der Bauern aber nimmt sich, doch 
in Herz und tritt ein wenig näher heran, zu sehen, 
b drnn das Ding mit rechten Dingen zugehe oder 
ein richtiger Teufelsspuck sei. Der gutmüthige 
Mohr nimmt die Pfeife aus dem Munde und 
zietet sie, während er mit seinen weißen blinkenden 
Zähnen den Burschen angriust, diesem an, als wolle 
ejagen: „Versuch's auch einmal, es schmedt gut. 
Da prallt aber der Bauer doch zurück und indem 
die Mütze zieht, versetzt er daukend: „Nec 
qnädigster Hert Düwel, ick fret keen Für.“ (Rein, 
nädigster Herr Teufel, ich fresse kein Feuer.)