Full text: St. Ingberter Anzeiger

Einübermüthiger Franzose erlaubte 
sich in Heidelberg vor einigen Tagen in Gegenwart 
ner deutschen Gesellschaft spottische Bemerkungen 
sber die Schloßruine zu machen und schrieb Fol⸗ 
endes in das Fremdenbuch: „Bravo, Melac! 
Benn Du die rohe Beschießung von Paris, St. 
Floud u. A. hättest voraussehen können, würdest 
du nicht nur das Heidelberger Schloß, sondern 
ille Städte der Pfalz vernichtet haben. Sie sind 
och wahrhaftig zu seltsam, diese Deutschen, welche 
sber die Ruinen von Heidelberg jammern, sie, 
velche Paris durch Hunger und Feuer, aber nicht 
durch eine Erstürmung eingenommen haben. Ein 
pariser, welcher hofft, bald wiederzukehren, aber 
zicht als Reisender, sondern als Sieger.“ Ein Herr 
der deutschen Gesellschaft, welcher schnell einen Blick 
n das Fremdenbuch gethan, konnte sich bei solcher 
Frechheit des Franzosen nicht enthalten, seinen 
dandslenten den letzten Satz mit ironischem Pathos 
aut vorzulesen. Mit einem wüthenden Blick auf 
iie Gesellschaft verließ der Unverschämte eiligst die 
erraffe. 
Unter der Ueberschrift ', Hony soit qui mal 
ponse“‘ hringen Berliner Blätter das folgende 
znserau: „Eine junge, lebensfrohe vielgereiste Dame, 
vpelche das Leben als Gesellschafterin bei einer alten 
dame herzlich langweilig findet, möchte es einmal 
nit dem masculinum probiren und ersucht die— 
enigen Herren, welche sich bereits einiger Antiqui⸗ 
at rühmen können und geneigt sind, eine Gesell⸗ 
chafterin und Repräsentantin ihres Hauswesens zu 
ngagiren, ihre gef. Offerten postlagernd u. s. w.“ 
Auch ein Zeichen der Zeit! 
fGodenlose Frechheit.) Einem Rechts⸗ 
inwalt in Posen ist ein Schreiber mit 8000 Mt. 
urchgegangen. Kurz darauf erhält derselbe von 
einem Schreiber folgenden Brief: „Hochgeehrier 
herr! Da ich zu keinem anderen ein solches Ver⸗ 
rauen habe, als wie zu Ihnen, so erlaube ich mir, 
ie Anfrage au Sie zu richten, ob Sie vielleicht 
sür den Fall, daß ich erwischt werde, meine Ver⸗ 
heidigung übernehmen wollen. Hochachtungsvoll 
1. 3.“ 
Mit dem 1. Januar k. J. beabsichtigt die 
hostbehörde die Einführung weiterer Verbesserungen 
n ihren Verkehrsmitteln ins Leben treten zu lassen. 
zunächst soll das schon lange gehegte Projekt, kleinere 
Heldbeträge (unter 3 Mk.) ohne die mit 20 Pfg. 
elasteten Postanweisungen zur Auszahlung zu bringen, 
ʒerwirklicht werden. Es geschieht durch einfache 
ßostkarten, welche mit einem Coupon zur Angabe 
— 
Uuch ist die Einführung der belgischen sogenannten 
Zriefkarten (cartes-lettres) ins Auge gefaßt. Die— 
elben haben die Form der Postkarten mit Antwort 
ind sind an den Rändern durchlöchert und mit 
tlebstoff versehen, wodurch ein Verschließen ermög⸗ 
icht ist. Der Zweck ist, dem Publikum eine schnelle 
ind sekrete Korrespondenz zu ermöglichen in solchen 
Fällen, wo die Beschaffung von Pavier und Couvert 
eitraubend ist. 
f In Preußen soll in Folge einer von 
söchster Stelle gegebenen Anregung zur Bekämpf—⸗ 
ing des Vagabundenwesens in jedem landräthlichen 
creise eine Natural-Verpflegungs-Station für die 
wfgegriffenen Landstreicher und Bettler eingerichtet 
verden, von wo aus dann die betreffenden Personen 
yen möglichst bald in allen Provinzen einzurichten⸗ 
»en Arbeiterkolonien überwiesen werden sollen. Die 
iemlich betrüchtlichen Kosten, die durch diese neuen 
kinrichtungen hervorgerufen werden, sollen in jedem 
treise durch Einführung einer neuen Kreissteuer, 
iner Vagabundensteuer, die durch Zuschlag zu den 
onstigen Kreissteuern aufgebracht wecrden soll, ge⸗ 
eckt werden. 
f Ein eigenartige Unglücksfall ereignete 
ich am 6. ds. Mts. in Zawod zie bei Kattowitz. 
Hort fegten die Schornsteinfeger den Schornstein 
ines Bäckers. Am Fuße des Schornsteins tum— 
nelten sich einige Knaben. Der Schornsteinfeger, 
oelcher im Schornsteine beschäftigt war, war bis 
in die obere Oeffneng gelaugt und kroch durch 
ieselbe heraus, um etwas frische Luft zu schöpfen. 
Sein Kratzeisen, welches ihm auf der Schulter lag, 
jel dabei von demselben herunter und einem 18— 
aährigen Knaben auf den Kopf. Letzterer wurde 
oollstandig durchgeschlagen. Der Knabe starb nach 
inigen Minuten. 
*(Vom Pariser Pöbel.) Bekanntlich 
jat der Pariser Pöbel in Folge von Hetzereien einen 
»eutschen Karousselbesitzer namens Opiß gezwungen, 
ein Karoussel aufzugeben, da er bei der steten Be— 
drohungen für sein Leben fürchten mußte. Derselbe 
hzat über diese Vorgänge an einen Nürnberger Ge⸗ 
chäftsfreund geschrieben, der diesen Brief dem „Frk. 
dur.“ überließ. Derselbe vom 6. Oktober datirt, 
autet mit Fortlassung des Nebensächlichen: „Ich 
hjabe mein Karoussel in Paris seit drei Wochen ver⸗ 
auft und bin seit vier Wochen wieder in meine 
eimath (Hannover) eingezogen. Ich konnte mich 
niicht mehr in Paris und Frankreich halten, da fich 
n Paris ein Verein von Konkurrenten gebildet 
atte, um zusammen zu arbeiten, bis sie den „Prüs⸗ 
ien“ aus Paris herausgetrieben hätten. Sie er⸗ 
auften mehrere Redakteure Pariser Journale und 
mnoncirten Folgendes: „Opitz aus Hannover 
var 1870 im Feldzug Alanenoffizier beim 12. 
llanenregimente aus der „armée des amateurs de 
endules.““ Ich sei von Bismarck nach Paris ge⸗ 
chickt, um zu spioniren. Hierauf sammelten sich 
ille Tage Tausende von Menschen in dem „Jardin 
les Tuileries,“ wo ich mich besand, und schimpften 
iber mich; sie wurden aber durch die Polizei in 
Kuhe gehalten. Vier Tage ging es so. Den fünften 
Tag wurde mir untersagt, das Geschäft zu betrei⸗ 
»en; ich mußte abbrechen. Beim Abbrechen wollte 
nan mir nicht das Leben lassen, sondern mich er—⸗ 
chießen und mein Karoussel verbrennen. Ich mußte 
nich schon verstecken, den Garten verlassen, das 
Abbrechen meinen Burschen überlassen, wo schon 
3-4000 Menschen sich versammelten und schrieen: 
Karoussel verbrennen. Besitzer erschießen!“ 40 
Schutzleute wurden zum Schutz angestellt bis zum 
ende des Abbrechens, und ich wurden zum Schutz 
ingestellt bis zum Ende des Abbrechens und ich 
vurde begleitet bis zum Ausgange des Gartens, 
vo die Wagen vor Menschenandrang kaum zum 
Passiren gebracht werden konnten. Ich bemühte 
nich, Gegenannoncen zu machen, es wurden aber 
eine angenommen. 
F Eine seltsame Entführungsgeschichte, die eines 
ebenjährigen Mädchens, wird aus Paris gemeldet: 
dieses Kind, ein auffallend hübsches rosiges Mädchen 
nit blonden Locken und schwarzen Augen, war die 
Tochter einer Witwe, die in guten Verhältnissen 
ebte und sich lediglich mit der Erziehung dieses 
dindes beschäftigte. Seit einiger Zeit merkte die 
Mutter, daß ein Fremder ihr vielfach nachging, 
oenn sie das Kind spazieren führte. Letzthin redete 
r sie an und stellte ihr, während eines heftigen 
stegens, seinen Schirtm zur Verfügung, ein Aner— 
ieten, welches die Dame mit Dank annahm. 
Um vorigen Sonntag näherte er sich ihnen wieder 
ind bat die Frau, sie möge ihm erlauben, das Kind 
n einen Laden zu führen, wo er ihm etwas Zucker⸗ 
verk kaufen wolle. Seit dieser Zeit ist das Kind 
nerschwunden. In dem Laden ist es nicht gewesen, 
dagegen hat man durch die Nachforschungen der 
Polizei und der privaten Nachforschungsbüreaus 
rmittelt, daß ein Herr, dessen Beschreibung auf 
»en vorerwähnten Mann hindeutet, in Begleitung 
ines siebenjahrigen Kindes mit dem Nachtzuge nach 
dem Osten abgefahren ist. Er hatte für sich und 
eine Begleiterin je einen Fahrschein nach Peters⸗ 
»urg gelöst. Die arme Muitter ist der Verzweiflung 
iahe. Ein hochherziges Mitglied der Aristokratie, 
»as von der seltsamen Geschichte gehört hat, hat 
ine Belohnung vo 10 000 Franken ausgeschrieben, 
die derjenige erhalten soll, dem es gelingt, die Spur 
des verschwundenen Mädchens zu ermitteln. 
F In London wurde der Grundstein zu dem 
deutschen Waisenhause gelegt, welches im Jahre 
1879 zum Andenken an die goldene Hochzeitsfeier 
»es deutschen Kaiserpaares als „Kaiser Wilhelm⸗ 
Ztiftung“ gegründet wurde. Bisher waren die 
irmen Waisenkinder in einem zu diesem Behufe ge— 
nietheten Hause untergebracht. Die schönen Resul⸗ 
ate der jungen Wohlthätigkeitsanstalt hielten das 
jnteresse der deutschen Colonie, an dieser Stiftung 
ege, und, Dank der Freigebigkeit einiger hochange⸗ 
ehenen Mitglieder der Cotonie, sowie dem regen 
VBohlthätigkeitssinn der in London lebenden Deut⸗ 
hen wurde es möglich, an den Bau eines eigenen 
Paisenhauses zu schreiten. Es wurde zu diesem 
zehufe ein schönes Grundstück, etwa 5 Minuten 
om deutschen Hospital in Dalston entfernt, er— 
borben und mit den Grundaushebungen begonnen. 
Die Grundsteinlegung erfolgte im Beisein des deut⸗ 
chen Botschafters, Grafen Münster, und einer zahl— 
reichen Gesellschaft. Frau Baronin Schröder führte 
die ersten drei Hammerschläge. In dem Steine 
vurde eine urkundliche Geschichte der Entstehung 
des Waisenhauses und, die bisher erschienenen Jahres 
erichte hinterlegt. 
F Die Liverpooler Polizei fahndet auf eine 
Frau namens Katharina Flannigau, welche im Ver⸗ 
dachte steht, im Laufe der letzten zwei Jahre nicht 
weniger als fünfzehn Personen, deren Leben fie der⸗ 
ichert hatte, behufs schnellerer Erlangung des Ver⸗ 
icherungsbetrages durch Gift in das Jenseits de⸗ 
fördert zu haben. 
* St. Petersburg, 15. Okt. In der 
Synagoge von Ziwonka (Godolien) entstand 
vährend des Gottesdienstes in der Frauenabtheilung 
hlinder Feuerlarm. Alles drängte in panikartigem 
Schrecken nach der Thüre. Vierzehn Frauen wurden 
dabei getödtet, dreißig verwundet. 
EGie die Verbannten in Sibirien 
heirathen.) Das Irkutsker Blatt Sibir erzählt 
folgende ebenso interessante, als charakteristische That⸗ 
sache bezüglich der Heirath unter den Verbannten 
auf der Insel Sachalin (Ostsibirien): Will ein 
Arrestant heirathen, so wendet er sich an den Auf⸗ 
seher und dieser wählt für den Bittsteller je nach 
einer Aufführung eine Braut, mit der der Arrestant 
Heirathskandidat) zwei bis drei Tage ungetraut 
usammenleben muß. Erklärt der Arrestant nach 
LBerlauf dieser Frist dem Direktor, daß ihm die 
Auserwählte nicht gefällt, so erhält er 25 Stock⸗ 
treiche und dann erst eine zweite Braut u. s. w. 
dieselbe Procedur wird auch den weiblichen Arre— 
tanten gegenüber geübt. Diese Ehen werden nicht 
irchlich geschlossen und heißen die „Aufseher⸗-Ehen“. 
Das genannte russische Blatt bürgt für die Richtig⸗ 
leit dieser seiner Mittheilung. 
fF(Golzheirathen) Die im Indianer⸗ 
Territorium zwischen Weißen und Indianerinnen 
ibgeschlossenen Ehen pflegt man mit dem Worte 
„Holzheirathen“ zu bezeichnen. Wird man nämlich 
der Schwiegersohn eines Indianers, so erhält man 
in Bezug auf Holzprivilegien die Rechte eines wirk⸗ 
ichen Indianers. Im Indianer⸗Territorium gibt 
es aber noch viel kostbares Wallnußholz, und es ist 
veniger Risiko dabei, die Tochter eines der dort 
Jausenden Indianerstämme zu heirathen um gutes 
)olz hauen und verkaufen zu können, als dieses 
dolz zu stehlen. Heirathen der gedachten Art sind 
iber nur selten von langer Dauec. „Kein Holz, 
leine Indianerfrau“ (no wood, no squaw), so lautet 
das Motto derjenigen Weißen, die in Indianer⸗ 
familien hineinheirathen; und wenn kein Geld mehr 
mit Holz gemacht werden kann, so trauern gewöhn— 
lich bald eine verlassene Gattin und verschiedene 
dalbblut-Papoosen um ihren Gatten und Vater. 
Man sollte denken, die rothhäutigen Schönen würden 
zurch Schaden klug, aber nein, — ihnen steht eine 
Heirath mit einem Blaßgesicht eben so hoch wie 
dem weißen Schnappfäckler das Wallnußholz. 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Speyer Franz Joseph Späth, 
64 J. a.; in Zweibrücken Bierbrauereibesitzer Dr. 
Heinrich Busch, 35 J. a.; in Hütschenhausen 
Frau Theobald Clos Wittwe, 61 J. a.; in Born⸗ 
heim Frau Apollonia Kummler, geb. Baum, 
59 J. a. 
Für die Redaktion verantwortlich: F. X. Deme tz. 
Nr. 54 des praktischen Wochenblattes für 
alle Hausfrauen „Fürs Haus““ (Preis viertel⸗ 
jährlich 1 Mark) enthält: 
Deutsche Mädchen der Vorzeit. — Wasser⸗ 
Motoren. — Dienstmädchen in Italien. — 
Hausfrauen auf dem Lande. — Die Ameri— 
kanerin auf Reisen. — Fruchtsaft zu Limo— 
nade. — Umgang mit Herren. — Für den 
Erwerb. — Unsere Kinder. — Hausgarten. 
— Die Wohnung. — Kleidung. — Haus— 
nitiel. — Hausthiere. — Die Wäsche. — 
Hausgeräthe. — Für die Küche. — Fern⸗ 
sprecher. — Echo. — Briefkasten der Schrift⸗ 
stelle. — Räthsel. — Der Markt. — An— 
zeigen. — Probenummer gratis in allen 
Buchhandlungen. — Notariell beglaubigte 
Auflage 20,000. — Wochenspruch: 
Einsam blühen, ist ein harter Spruch, 
Doch die Rose ist sich selbst genug; 
Aber welken in der Einsamkeit 
Ist das allergrößte Herzeleid.