Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 204. Samstag, 20. Oktober 1883. 
18. Jahrg. 
dentschlands Industrie auf dem Weltmäarkte. 
Irodukten den Vorzug giebt. Diese alte unrühm⸗ j also edle Vaterlandsvertheidiger habe hängen lassen, 
iche Sucht, an ausländischen Fabrikaten mehr Ge- ohne daß der König das Urtheil —XR 
allen zu finden, als an den einheimischen, beschränkt Was soll man über die Ausgeburt einer überreizten 
mserer Industrie den inländischen wie ausländischen Bhantasie weiter sagen? Sie greift störend ein in 
Narkt, bringt unsere Fabrikanten in Verlegenheit ben Gang der inneren Politik und hetzt die be— 
ind zwingt Millionen unserer armen Arbeiler für hörte Menge in den Radikalismus hinein. Jules 
ärgliche Löhne zu arbeiten. Wer sich daher noch Ferry hat in seinen Reden dem Radikalismus ent⸗ 
ils deutscher Mann und deutsche Frau fühlt, der chieden den Fehdehandschuh hingeworfen und macht 
ze endlich auch einmal ein Stück nationale Ehre den Versuch, alle gemäßigten Parteien zu vercinigen. 
ir die Vertretung der deutschen Industrie ein. Aber er geht gewiß zu weit, wenn er behauptet, 
der Monarchismus werde nie in Frankreich wieder 
ben aufkommen. Schon Ludwig Philipp bemerkte, 
man müsse niemals sagen; „Niemals!“ 
Ein Denkmal für Franktireurs. 
In Bougival feierte man am verflossenen Sonntag 
in patriotisches Fest. Es handelte sich um die 
xẽĩnthüllung eines Denkmals für drei „während des 
drieges von den Preußen erschossene“ Bewohner 
von Bougival. Von denselben hatte der Eine 
viederholt die von den Deutschen angelegten Tele⸗ 
raphenleitungen zerstört und die beiden Anderen 
atien auf deutsche Truppen hinterrücks geschossen; 
isle drei waren kriegsgerichtlich zum Tode verur— 
heilt worden. Bei der Feier waren eine Anzahl 
on Schützen⸗ und Turnvereinen sowie die Schüler⸗ 
ataislone aus den umliegenden Ortschaften ver⸗ 
reten. Paul Déroulède, der betkannte Chef der 
—XD auf und begeisterte 
eine Zuhörer durch eine Ansprache in dem ihm 
igenthümlichen, „patriotischen, Styl. 
Petersburg, 17. Oktober. Die russische 
Regierung hat in England eine Probebestellung von 
Beschützmaterial in der Höhe von 150,000 Rubel 
Jemachi. Wenn sie befriedigend ausfällt wird eine 
Hhesammtbestellung für 15 Millionen Rubel mit 
iner Lieferungsfrist von vier Jahren erfolgen. 
Bei dem Lebensinteresse, welches in Hinblick 
uf die dichte Bevölkerung Deutschlauds die Ent⸗ 
odickelung der deutschen Industrie auf eine möglichst 
ohe Stufe für fast alle Berufskreise unseres 
zaterlandes hat, ist es von Wichtigkeit einmal vom 
luslande her eine Stimme über die Leistungen 
mserer inländischen Industrie, aber auch gleichzeitig 
ber den noch immer ungenügenden Absatz deutscher 
zabrikate zu hören. Ein angesehenes englifches 
achblatt, das „Warehouseman und Drapers Trade 
sournal“ hat neulich der eigenthümlichen Stellung 
er deutschen Fabrikate gegenüber den franzöfischen 
men längeren Artikel gewidmet und ist dabei zu 
em lehrreichen Schlusse gekommen, daß zwar die 
eutsche Industrie jetzt weit bessere Produkte liefere 
ls die französische, daß aber trotzdem diese letztere 
essere Geschäfte mache. Ueber die Ueberlegenheit 
er deutschen Fabrikate und den Rückgang der 
ranzösischen schreibt das erwähnte englische Fachblatt: 
Wer die Bewegung des Verkehrs mit Tüchern 
ahrend der letzten fünf bis sechs Jahre verfolgt 
at, dem konnte eine höchst merkwürdige Thatsache 
cht entgehen, nämlich die, daß Frankreich die 
cähigkeit originellen Schaffens verloren hat und 
att dieses früher charakteristischen Zuges sich die 
esser rentirende Eigenschaft beigelegt hat, sich der 
dee anderer zu bemächtigen und damit die ur— 
hrünglichen Produzenten von den Märkten zu ver⸗ 
rxängen. Es ist notorisch, daß seit 1875 alle 
entschen Fabrikate in Wollenwaaren und Mischung 
on Wolle und Seide mehr oder minder den Reiz 
er Neuheit b sessen haben; war auch das Geschäft 
ait England und Amerika mit Rücksicht auf die 
datur der Waare, die als fancy cloths geht, ein 
eschränktes, so genügte es doch, die bestehenden 
ꝛeutschen Fabriken mit Vortheil arbeiten zu lassen 
nnd neu hervorzurufen. Deutschland beherrscht da⸗ 
er jetzt diesen Markt und besitzt für die besten 
zorten das Monopol. Frankreich ist noch nicht 
a Wettbewerb getreten, weil der Ariikel es noch 
icht reizt. Doch in dem Augenblick, wo die Fa— 
rrikanten von Rheims, Lille, Rouen und Roubaix 
inden, daß die rheinischen Produzenten gute Ge— 
chäfte mit dieser Waare machen, werden sie sich 
uf die Herstellung derselben mit dem Erfolg werfen, 
naß in zwölf Monaten die deutschen Fabriken ge— 
wungen sind, mit einer anderen Neuheit aufzutreten.“ 
Dann wirft das englische Fachblatt die Frage 
uf, warum die Franzosen unter diesen Umstaäͤnden 
ie deutschen Fabrikate verdrängen könnten, da es 
och außerdem bekannt sei, daß jeder englische 
zroßhandler lieber von einem deutschen Fabrikanten 
aufe als von einem französischen, weil der erstere 
aderlässiger nnd ehrlicher sei als der letztere. Die 
Jeantwortung dieser Frage bringt das englische 
jachblatt, wie es selbst zugiebt, in einige Verlegen— 
eit, denn nichts als die Modethorheit der Damen 
ind die alte Fabel, daß die franzosischen Damen 
ilein den besten Geschmack und die schönsten Moden 
esitzen sollten, begünstige in ganz ungerechtfertigter 
Veise die franzöfischen Fabrikate, die noch dazu 
»en Deutschen vielfach nachgemacht würden. Der 
este deutsche Merino, die guten deutschen Woll⸗ 
daaren und Mischungen von Wolle und Seide 
eien dabei, wie das englische Fachblatt ausdrücklich 
etont, besser als Alles, was die Franzosen hervor⸗ 
rächten. — Wer denkt da aber nicht mit Bitterteit, ja 
entrüstung an die Schwäche der deutschen Damen⸗ 
delt selbst, die auch noch immer den franzofischen 
VPolitische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 17. Oktobetr. Se. Maj. der 
könig, höchstwelcher sich vorgestern von Schloß Berg 
wuf den Linderhof begeben, wird Ende dieses 
Nonats hier eintreffen. Se. Maj. werden dann 
0—12 Tage hier verweilen und sich hierauf nach 
ohenschwangau begeben. 
Das Hofbrauhaus im bayerischen 
dandtage. Der Finanzausschuß der bayerischen 
dammer der Abgeordneten hat am 16. Oktober den 
ztat des königl. Hofbräuhauses München berathen. 
Nit Rücksicht auf die günstigen Resultate der letzten 
Jahre beantragte Referent Abg. Burger, die Ein— 
iahmen aus den Hauptprodnktten um 500 Mark, 
lso auf 1,435,000 Mark, und aus den Neben—⸗ 
rodukten um 500 Mark, also auf 36,000 Mk. zu 
rhöhen. Demnach entziffert sich die Mehreinnahme 
jegen das Vorjahr auf 173,770 Mk. Die Staats- 
egierung hat keine Erinnerung hiergegen. Abg. 
dr. Daller hält die Erhöhung für viel zu gering 
ind glaubt die Summe von 1,500,000 Mt. ein⸗ 
etzen zu sollen. Der Antrag des Referenten wurde 
mgenommen. 
Baden-Baden, 17. Ottober. An der gest⸗ 
igen Tafel beim Kaiser nahmen der Großherzog, 
zie Großherzogin und der Erbgroßherzog von Baden, 
»er Fürst und die Prinzessin von Fürstenberg, der 
krzbischoff von Freiburg Dr. Orbin und der hie⸗ 
ige katholische Dekan theil. 
Als feststehend gilt, daß die Reichsregierung 
inen Antrag auf Verlängerung der Dauer des So— 
ialistengesetzes stellen wird. Die Annahme im 
Reichstage wird wohl hauptsächlich vom „Zen⸗ 
rum“ abhängen. 
Man erwartet, daß, wie in Bayern, auch in 
em übrigen Deutschland, speziell in Preußen, 
zer Gesetzentwurf über Aktiengesellschaften den kauf— 
nännischen Korporationen und Handelskammern 
zur Begutachtung vorgelegt werden wird. 
Ausland. 
Splugen, 17. Oktober. Der deutsche Kron⸗ 
zrinz nebst Gemahlin und die Prinzessin Viktoria 
ind mit Gefolge gestern vom Comersee über den 
zplügenpaß gefahren. Dieselben haben hier im 
dotel Bodenhaus übernachtet und sind heute nach 
S„chloß Weinburg-Rheineck, der Sommerresidenz des 
Fürsten Hohenzollern⸗Sigmaringen, weitergereist. 
Die „Köln. Ztg.“ schreibt: Reisende, welche 
oeben aus Paris zurückkommen sind erstaunt 
iber die wilde Aufregung, die dort noch 
mmer in der Bevölkerung über den „Ulanen Obersten“ 
jerrscht. Nicht allein, daß man in dieser Ernennung 
ine absichtliche Beleidigung Frankreichs erhlicke, weil 
das 15. Ulanen⸗-Regiment in Straßburg steht, sondern 
s hat sich noch die Mythe gedildet, daß dieses 
chleswig⸗ holstein'jche Ulanen⸗Regiment Nr. 15 be— 
onders auserwählt sei, weil der Dberst desselben 
m letzten Kriege eine ganze Anzahl Franktieurs 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
? St. Ingbert, 19. Oktober. Es gewinnt 
ast den Anschein, als ob der Zug 369 (9,25 Abends 
iach Saarbrücken abgehend) die Veranlassung sehr 
ieler Ausschreitungen werden sollte. Dieses darf 
illerdings nicht sonderlich Wunder nehmen, da die 
rus dem benachbarten preußischen Gebiete herüher⸗ 
ommenden Leute die hiesige Stadt meistentheils in 
mimirter Suimmung veriassen. Wir können heute 
iber ein neues nicht ordnungsgemäßes Vorkommniß 
zerichten. Verflossenen Sonntag fuhren 3 junge 
deute (darunter 2 angehende Beamte) mit obigem 
Zuge in einem Koupé II. Classe von hier nach 
Zrbrücken. Unterwegs stiegen zwei Männer, die 
chon auf hiesiger Station durch ihr zudringliches 
Wesen sich bemerklich gemacht hatten und von denen 
aner die jungen Leute zu kennen schien in voller 
Fahrt aus einem Konpé III. Klasse zu letzteren 
ind belästigten sie in sehr unangenehmer Weise. 
Auf die Auffocrderung mit ihren Belästigungen auf⸗ 
uhören, verließen sie das Koupé doch kamen sie 
och einmal wieder. Nur der Gedanke zwei Familien⸗ 
„äter um ihr Brod zu bringen — die beiden Un⸗ 
Fetannten waren nämlich auf jeden Fall Eisenbahn⸗ 
Feamte — hielt die jungen Leute ab, den Zug· 
führer um Feststellung der Namen anzugehen und 
veitere Anzeige zu machen. 
»St.Ingbert, 19. Ott. Die dies⸗ 
jährige HerbstKontrol-⸗VBersammlung 
iindet für die Bürgermeisterämter St. Ingbert, 
Ensheim, Rohrbach und Ommersheim am 6. No— 
vember, Vormittags 9 Uhr, dahier im Oberhauser'schen 
Saale statt. Am darauffolgenden Tage, Vormittags 
J Uhr, findet sie für die Bürgermeisterämter Blies⸗