Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Iugherter Anzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der ‚St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich funfmal: Am Montag, Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungt 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1.AM 60 A einschließlich Tragerlohn; durch die Posft bezogen 1A 75 , einschließlich 
d ⸗Zuftellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr far die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 , bei Neclamen 30 B. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 2085. Sonntag, 21. Oktober 1883. 13. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 4 
Deutsches Reich. 
Muüͤnchen, 18. Oktober. Die Kammer er⸗ 
edigte den Militär-Etat nach dem Ausschuß-Antrag 
ind genehmigte das bezügliche Etatsgesetz einstim⸗ 
nig. Auf mehrfache Anfragen wegen des Reichs⸗ 
Nuitärkonsumvereins erklärt der Kriegsminister, er 
önne den bayerischen Offizieren die Theilnahme 
nicht verbieten, ebensowenig habe er Veranlassung, 
ie dazu aufzufordern. Er stehe dem Vereine ferne 
ind würde es auch nicht wünschen oder unterstützen, 
aß die bayerischen Offiziersgehälter im Großen 
mderswo als in Bayern verzehrt würden. 
Berlin, 18. Oktober. Stadtverordnetenwahlen. 
In der dritten Abiheilnng sind gewählt: 22 Fort⸗ 
chrittler, 6 Angehörige der Bürgerpartei und zwei 
dandidaten der Arbeiterpartei, 12 Stichwahlen sind 
zotzunehmen. Bei den Stichwahlen kommen zwei⸗ 
nal Fortschritt und Arbeiter, in den übrigen Fortschritt 
nd Bürgerpartei in Betracht. 
Die Entschädigung unschuldig Ver⸗ 
aeilter. Vor kurzem hat bekanntlich verlautet, die 
ayerische Regierung habe zur gesetzgeberischen Rege⸗ 
ung dieser wichtigen Frage die Initiative ergriffen. 
zdon Herrn Marquardsen, der als Jurist, als Abge⸗ 
rdneter zum bayerischen Landtage und als Mit—⸗ 
ied der Reichstagskommission wohl in der Lage ist, 
nformirt zu sein, wird diese Mittheilung nun als 
eine Erfindung bezeichnet. Ihm zufolge steht eine 
nesetzgeberischeKegelung der Angelegenheit überhaupt 
och weit im Felde. Im Reichsjustizamt wird der 
Sache eingehendes Interesse und Studium zuge⸗ 
vendet, auch ist man dort geneigt, innerhalb ge⸗ 
Jewisser Grenzen der Entschädigungsforderung zu— 
ustimmen, aber in nächster Zeit ist eine Vorlage 
ur Lösung der Frage keinenfalls zu erwarten. 
Dem deutschen Haudel nach Rußland 
eht eine weitrre Schädigung bevor, wenn sich eine 
—X—— 
in eingetroffen ist. Danach beabsichtigt, der rus⸗ 
iche Finanzminister den fremden Dampfern, welche 
e dortigen Häfen besuchen, erhöhte Hafengebühren 
afzuerlegen, um die einheimischen Rheder vor den 
Jefahren einer Concurrenz zu schützen, welcher sie 
inst unterliegen müften. 
Ausland. 
Frankreich krankt außer an seinen Radikalen 
ornehmlich an seinem chronischen Defizit. Es ist 
bensoviel Ironie, wenn der bekannte Berichterstatter 
er „Times“ dem Herrn Ferry empfiehlt, Paris 
u ignoriren und sich auf das „Land“ zu stützen, 
velches für seine gemäßigte Republik Verständniß 
abe, — wie es Satire ist, wenn die Budget⸗ 
sommission sich brüstet, am nächsten Budget „volle 
JMillionen“ abgestrichen zu haben. Fehlt gerade 
achmal so viel, um das Loch zu verstopfen. 
Madrid, 19. Oktober. Der Epoca zufolge 
tin Villa Nova in Portugal ein neuer Aufstand 
usgebrochen. Die Behörden waren ohnmächtig zur 
Unterdrückung desselben und verließen die Stadt 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
St. Ingbert, 20. Oktober. Auf die 
ꝛeiden neu errichteten Schulverweserstellen dahier 
vurden berufen die Schuldiensterspektanten Herr 
darl Peill von Blieskastel und Herr Braun 
jon Colgenstein, ersterer an die katholische und 
etzterer an die protestantische Schule. 
— Zweibrücen, 19. Oktober. Die Vereine 
Credifreform'“, die wir schon öfter mit Inter⸗ 
esse zu besprechen Gelegenheit hatten, erfreuen sich, 
und Das mit Recht, einer raschen Zunahme. Die 
zahl der Städte, die solche Vereine besitzen, hat 
30 längst überschritten, und ist mit der letzten 
gründung eines solchen in Metz der Anfang in den 
teichslanden gemacht. Zu verwundern ist diese 
zunahme nicht, da der Werth der Vereine für ihre 
Nitglieder sich mit der Zeit als ein immer zunehmen⸗ 
der erweist. Daß nach einer nunmehr feststehenden 
krfahrung stark die Hälfte der angemeldeten und 
neist so so gut als verloren erachteten Forderungen 
ur Zahlung gelangt, ist für jeden Unbefangenen 
jeradezu erstaunlich, wenn man in Betracht zieht, 
aß kein Kaufmann einen Schuldner durch den Verein 
inmahnen läßt, auf dessen Kundschaft er irgend 
velchen Werth legt. In gleichem Maße erfolgreich 
st auch die Auskunftsertheilung seitens der Vereine. 
Dieselbe ist die denkbar zuverlässigste, weil die Ge— 
chäftsführer in ganz besonderem Maße Gelegenheit 
inden, die Verhältnisse ihrer Mitbürger eingehend 
zu beurtheilen. Insbesondere ist durch den Umstand 
zaß die Vereine sich gegenseitig Auskunft ertheilen 
ind daß dieselben keine Privatunternehmungen zur 
ẽtzielung von Gewinn, sondern lediglich zum ge— 
neinsamen Schutze der Handel- und Gewerbetrei⸗ 
denden gegen schädliches Kreditgeben errichtet worden 
ind, den Mitgliedern die weitestgehende Garantie 
jeboten. — Bei dem hiesigen Vereine sind wieder 
wei neue Einrichtungen zur Einführung beabsichtigt 
ämlich die Aufstellung eines Vereinsanwalts zum 
intentgeltlichen Ertheilen juristischen Rathes und 
ur Führung von Prozessen; ferner sollen jetzt für 
dauseigenthümer und ähnliche Interessenten speziellt 
ꝛisten, bezw. Vermerke in den Listen gemacht werden, 
ind sollen derartige Interessenten nur die Hälfte 
es Mitgliedsbeitrages bezahlen. Wer die Unan— 
gehmlichkeiten und Kämpfe kennt, die mit vielen 
seinen Miethern, seitens der Vermiether auszu— 
impfen sind, wird die Wohlthat einer solchen Sin⸗ 
ichtung zu schätzen wissen. Wir erwähnen noch 
us Anlaß mehrfacher Anfrage, daß der Verein 
zweibrücken Mitglieder in einer Reihe umliegender 
5tädte und Orte zählt und deren Interessen in 
»öllig gleichwerthiger Weise zu wahren in der Lage 
st, wie die der hiesigen; insbesondere gilt Dies 
für den ganzen Landgerichtssprengel. Wir können 
nicht dringend genug zum Beitritte rathen, da mit 
edem neu eintretenden Mitglied die Aussichten auf 
Erfolg größer werden, indem durch die Anfragen 
und Anmeldungen der Neueintretenden das vor⸗ 
handene Material sich stets vergrößert. (Z3w. 3.) 
— Speyer, 18. Oktober. Der durch einen 
S„teinwurf jüngst getroffen 10jährige Sohn des 
Zäckermeisters Eckel ist leider in Folge der schweren 
Lerletzung der Hirnschale unter größten Schmerzen 
imm Dienstag gestorben. In Folge des unglücklichen 
lusganges wird sich das Gericht mit der Sache zu 
zefassen haben. Möchten doch die Eltern ihren 
dindern begreiflich machen, wie gefährlich ein Wurf 
verden kann, sobald er aus der Hand ist. Auf— 
ichtsbeamte und Erwachsene sollen stets darauf be⸗ 
acht sein, dem häufig vorkommenden Unfug durch 
Werfen mit Steinen ꝛc. energisch zu begegnen. 
— Das Ergebniß der diesjährigen Schuldienst— 
Exspektantenprüfung in Speyer soll nach der 
Bf. Post unbefriedigend ausgefallen sein. 
— Das „Kreisamtsblatt der Pfalz“ veröffent⸗ 
icht in der Beilage zu Nr. 59 des laufenden 
Fahrganges die Abrechnung der pfäl z. Immo— 
ilijar-Brandversicherungsanstalt für 
das Jahr 1882. Das Ergebniß dieser Rechnung 
mist ein relativ sehr günstiges, denn trotz der nicht 
unbeträchtlichen Erhöhung des Versicherungskapitales 
sind die Brandschäden des Jahres 1882 nahezu 
auf die Hälfte derjenigen des Jahres 1880 zurüd- 
gegangen, wie aus der nachfolgenden Tabelle, in 
welche abgerundete Zahlen eingesetzt sind, ersehen 
werden kann: 
Veisicherungs -· Brand⸗ Brand⸗ Pro 
kapital. schäden. steuer. Mille. 
Mk. Mtk. Mt. 
1880: 409,000,000 677, 000 736, 000 — L,æ. 
1881: 416,000,000 494, 000 582, 000 L«æ. 
1882: 423,000,000 375,000 423, 000 — L,o. 
Vermijichtes. 
Von dem Militärbezirksgericht Würzburg 
wurde der Gemeine 2. Klasse Karl Müller des 
17. Inf.Reg. wegen thätlichen Vergreifens an 
Porgesetzten zu 1 Jahr 9 Monate Gefänguiß ver⸗ 
urtheilt. 
F Sulzbach, 18. Oklober. Ein Rechtsstreit 
beschäftigte letzthin das Gericht, welcher zeigt, daß 
ein magerer Vergleich besser ist, als ein fetter 
Prozeß. Der Sachverhalt ist nach dem „St. Joh.⸗ 
Sbr. Anz.“ folgender: Acht Tage vor Pfingsten 
1882 kam der israelitische Handelsmaun M. aus 
Spiesen zu der zu Hirschbach wohnenden Tag- 
öhnersfrau H. und bat dieselbe, eine Ziege, welche 
hinkte und krank war, einige Tage in dem Stall 
unterzubringen, er werde sie abholen. Die arglose 
Frau ging hierauf ein. Als trot wiederholter 
Aufforderung zur Zurücknahme der Ziege der Han⸗ 
delsmann dennoch hierzu keine Miene machte, klagte 
Frau H. am 12. Februar ds. Is. auf Entschädig⸗ 
ung für Futterkosten am Amtsgericht Neunkirchen. 
Die Klägerin verlor in erster Instanz und hatte 
bendrein 28,30 Mk. Gerichiskosten zu zahlen. 
Auf eingelegte Berufung gegen das ergangene Ur—⸗ 
heil beschäftigte sich vorgestern das königl. Land⸗ 
Jjericht in Saarbrücken mit dieser Angelegenheit. 
Die Klägerin, Frau H., erstritt ein obsiegendes 
Urtheil: der Handelsmann M. aus Spiesen wurde 
verurtheilt, für die Zeit von Pfingsten 1882 dis 
17. Juli 1883 Futtergeld zu zahlen. Diese 
Summe beläuft sich auf über 150 Mk. Der Werth 
der Ziege war nach dem Schlachten 1 Mk. Die 
sämmtlichen Unkosten belaufen sich auf annähernd 
300 Mk. Der Verklagte M. hatte dor kurzem 45 
Mark Entschädigung geboten. 
F In Niederflörsheim (Hessen) wurde 
am Donnerstag Abend der Bahnverwalter Cursch⸗ 
mann, als er das Geleise überschreiten wollte, von 
der Maschine erfaßt, niedergeworfen und ihm der 
Kopf abgefahren. 
F Die in Frankfurt a. M., verstorbene 
Gräfin Bose, geborene von Reichenbach—-Lessonitz, 
hat ihrem Rechtskonsulenten Dr. Hertzog, testamen⸗ 
zarisch ein Kapital von 300,000 Mk. und außer— 
dem noch eine Jahresrente ausgesetzt. Ferner soll 
die Gräfin der Senckenbergischen naturforschenden 
Gesellschaft 300,000 Mk. vermacht haben. 
F(Auf der Baͤrenjagd.) Im Canton 
Graubünden sind am Fluela und bei Schuls und 
züngst auch im Walde Ureza bei Zernes Bären ge— 
schossen worden. Der letzte ist silbergrau und ge— 
hört zu den schönsten und größten Exemplaren, den 
sogenannten „Schweinbären“. Dabei ereignete sich 
ein gefährliches Jagdabenteuer. Einer der Jäger 
mußte, um sich vor einer Umarmung des Thieres 
zu retten, dasselbe von hinten an den Ohren packen, 
wobei er rifttlinas auf dessen Rücken zu siken fam