Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sprache der Morgenblätter ist von beängstigender 
Heftigkeit. Duclerc's Krankheit ist sehr ernst, wenn 
nicht tödtlich. 
Konstantinopel, 29. Jan. Es hat ein 
Fonflict zwischen dem französischen Consul und 
einer Schildwache in Damascus stattgefunden. Letz- 
ere machte keine Honneurs, daraufhin ließ der Con⸗ 
sul den Soldaten schlagen. 
In Bosnien herrscht große Unruhe. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
«Si. Ingbert, 30. Jan. Durch den 
riegerverein St. Ingbert wurden heute 
26,60 Mark an den Rechner der Kampfgenossenschaft 
als Unterstützung für die durch Hochwasser be— 
chädigten pfaͤlz. Kawpfgenossen eingesendet. 
— St. Ingbert, 30. Jan. Für die nächste 
gjährige Periode sind für jeden Kanton 2 Lehrer 
ais Bevollmächtigte gemäß 8 12 der Statuten des 
Vereins zur Unterstützung dienstun— 
zauglicher Lehrer zu wählen. Für den Kan⸗ 
ron St. Ingbert findet diese Wahl am nächsten 
Samstag, 3. Febr., Nachmittags um 2 Uhr im 
Stadthause dahier statt. 
—t. Blieskastel, 29. Jan. Der Damm 
des Weihers oberhalb Lautkirchen, zur Cementfabrik 
des Herrn E. Knaps in Blieskastel gehdrig, ist 
in der Nacht vom Samstag auf Sonntag abermals 
zebrochen. (Wie uns von anderer Seite noch mit⸗ 
jetheilt wird, ist der durch den Dammbruch ver⸗ 
irsachte Schaden nicht so unbedeutend. Die Red.) 
— Aus einem Dorfe, das sich beinahe * 
Stunden dem Bienwalde entlang hinzieht, wird 
der „Pf. Z.“ folgende Hexengeschichte be— 
richtet: Diese ebenso brave als schöne Gemeinde 
hatte lange Jahre einen Bürgermeister, welcher in 
mancher Hinsicht ein Original genannt werden darf. 
Er hotte z. B. ein außergewöhnliches Zahlen⸗ und 
Personalgedächtniß. Eine Gemeinde, welche 1400 
Seelen hat, hat auch viele Häuser und noch mehr 
Wohnungen. Er wußte, ohne sich im geringsten 
zu besinnen, daß der N. in Nr. 744 und der X. 
in Nr. 2842 wohne m. s. f. Außerdem kannte 
er sämmtliche Familienverhältnisse wohl auf 100 
Jahre zurück auf das genaueste. So hell sein Kopf, 
so kräflig war auch sein Körperbau. Warum auch 
ujcht? erzählte er doch selbst, wie er sich in seiner 
Jugend ftählte. — Um pünktlich „zur Ziegelhütte 
zu fahren“, legte er sich in die Krippe. Um 1 
Uhr Nachts „schleckten“ ihn seine Ochsen, und er 
ftand auf, fütterte und fuhr in Nacht und Dunkel 
jonder Furcht durch den 2 Stunden breiten Bien⸗ 
wald. Dieser Mann lag Abends zwischen Tag 
und Dunkel auf seinem primitiven Sopha, (seine 
Zoörperfülle machte ein Polster überflüssig) als eine 
Frau weinend ins Zimmer trat und klagte, daß es 
hoch gar zu hart sei, eine zahlreiche Familie ohne Milch 
durchzubringen. Ihre einzige Kuh habe vor circa 
14 Tagen gelkalbt, aber sie sei „verhert'. Des 
Morgens gebe sie keine Milch. Die St. habe die 
Miilch geprüft und gefunden, daß die Kuh im 
jöchsten Grade behext sei. Sie habe versprochen 
zu helfen, habe schon Zmal ihre Kunst probirt, aber 
edesmal sei etwas dazwischen gekommen, so daß 
die Enthexung nicht gelang, u. s. f. Der gute 
Mahn sagte der unglüdlichen Frau, sie solle ruhig 
jein, er wolle einmal seine Kunst probiren, viel⸗ 
leicht gelinge es, ihr zu helfen. Er bestellte den 
Rachtwächter mit seinen 4 Mann auf 11 Uhr. 
Und so der Geisterstunde nahe, begab er fich mit 
seinen 5 Hellebardenmännern zur Wohnung der 
zedrängten Frau und besetzte alle Zugänge. Er 
führte einen kräftigen Zauberstab. Nicht gar 2 
Stunden brauchte man zu warten und es erschien 
eine lustige Gestalt mit einem Mell⸗Eimer, schloß 
den Stal auf und verschwand. Nach einiger Zeit 
kam dieselbe wieder zum Vorschein, schwer belastet. 
In diesem Momente trat der Bürgermeister auf 
die Hexe zu und gab die Bannungsformel ab, indem 
ꝛx mit seinem Zauberstabe kraäftig secundirte. Andern 
Tages hieß es, die Frau St. liege krank darnieder, 
fie sei ganz schwarz und blau. Um die Gemeinde 
mit einem Hexenprozesse zu verschonen, wurde 
geschwiegen. 
— Dem Vernehmen des „Eilb.“ nach wird 
die Bahnstrecke Germersheim⸗Wörth am nächsten 
Donnerstag nach einmonatlicher Unterbrechung wie⸗ 
der in ihrer ganzen Ausdehnung dem Verkehre über⸗ 
jeben werden. 
— Aus Spehyer, 28. Januar, wird dem 
„Pf. K.“ berichtet: Wie der Wohnungsbeschaffung 
für Obdachlose dem Gesundheitsstande in den vom 
hochwasser heimgesuchten Rheingemeinden und der 
hunlichsten Entwässerung der theilweise noch inun⸗ 
dirten Fluren, so wendet die kgl. Kreisregierung 
rnuch der Wiederinstandsetzung der zerstörten Rhein⸗ 
dämme ihre vollste Obsorge zu, und hat zu diesem 
Behufe dem kgl. Kreisbaurathe Karg die einlässigste 
Fontrole über alle hierauf abzielenden Arbeiten 
ibertragen. Der Befund über das am Schlusse der 
ersten Arbeitswoche inzwischen Geleistete darf — 
wie Jedermann an Ort und Stelle sich zu über— 
zeugen in der Lage ist — als ein in jeder Be— 
siehung befriedigender und beruhigender bezeichnet 
verden. Namentlich sind die Maßnahmen für den 
Schutz der durch die Dammbresche bei Oppau noch 
jefährdeten Ortschaften und für die alsbaldige 
Viederherstellung des Dammes selbst schon sehr 
veit gediehen, nicht minder bei Maximiliansau und 
gerghausen. Wird billigerweise erwogen, daß zur 
finleitung und zu einem förderlichen Betriebe der 
irtiger Arbeiten eine beträchtliche Menge von Werk 
eugen, Geräthschaften und Materialien von den 
erschiedensten Bezugsorten beschaft werden muß, 
o wird man sich kaum der Ueberzeugung entschlagen 
dnnen, daß von den berufenen technischen Organen 
m Verlaufe weniger Tage alles aufgeboten wurde, 
im der ihnen übertragenen wichtigen und dringen⸗ 
den Aufgabe gerecht zu werden. 
— Das Januarheft der Zeitschrift des Landw. 
Vereins in Bayern pro 1883 enthält folgende 
dachricht aus der Pfalz, 1. Jan.: „Die 
jegenwärtige Lage der Landwirthschaft ist nichl 
illein eine mißliche, sondern geradezu eine trostlose. 
die niederen Getreidepreise, welche kaum die Pro— 
uktionskosten decken, der ungünstige Stand der 
Pintersaaten, das unaufhörliche Regenwetter, der 
rückende Geldmangel bringt unsere landw. Bevöl⸗ 
erung beinahe zur Verzweiflung. Es ist daher 
ein Wunder, wenn sich eine deprimirte Stimmung 
iberall bemerkbar macht. Durch Fleiß und Spar⸗ 
amkeit kann jedoch Vieles wieder gut gemacht 
verden; pessimistische Anschauungen werden unsere 
zage nicht verbessern, sondern nur verschlechtern.“ 
Bekanntlich kam unlängst im deutschen 
steich Stage, von dem württemb. Abg. Schott 
uf's Tapet gebracht, das sog. „Geldmachen der 
Interoffizieren zur Sprache. Mit Bezug hierauf 
vird nun dem „Landauer Anzeiger“ aus der 
zfalz u. A. geschrieben: „Daß hier ein wunder 
zleck berührt worden ist, gesteht der Kriegsminister 
). Kamete in seiner Rede dem Abgeordneten Schott 
mumwunden zu, wenn er sich dahin äußert: „„Was 
zas sogenannte Geldmachen der Unteroffiziere don 
dem Einjährig⸗Freiwilligen betrifft, so ist Das eine 
Unfitte, und ich bitte, wo dieselbe besteht, mir Das 
ersonlich anzuzeigen; man wird solche Leute ganz 
est anfassen und ohne Nachsicht bestrafen.““ Sicher 
si der gute Wille des Kriegsministers der allerbeste 
'on der Welt, das Gleiche gilt gewiß auch vom 
ayerischen Kriegsminister, denn im bahyerischen 
heere grassiren dieselben Uebelstände. Aber vom 
juten Willen bis zum wirklichen Anfassen ist ein 
peiter Weg. Wer mag das Odium auf sich neh⸗ 
nen und hier mit einer Anklage hervortreten * Die 
Unterofsiziere sollten von den Vorgeseßzten besser 
berwacht, und es sollte ihnen einfach verboten 
verden, mit dem Einjährig⸗Freiwilligen Trinkge⸗ 
‚age zu halten, sich von ihnen Bälle geben lassen, 
harticen zu veranstalten und Anderes mehr. Man 
rwarte nicht, daß ein Vater als Kläger kommt, 
x würde es schon nicht thun, um seinen Sohn 
nicht bloß zu stellen. Zudem sind auch viele junge 
ꝛeute schon aus jugendlichem Leichtsinn gar zu gerne 
»abei, wo es eine Lustbarkeit mitzumachen gilt. 
Wenn der Vater auch noch sehr wehrt, es hilft 
nicht. Dem Uebelstande können nur die militärischen 
Borgesetzten abhelfen, wenn sie den Unteroffizieren 
erbieten, Geschenke anzunehmen und anders als in 
zienstlicher Weise mit den jungen Leuten zu ver⸗ 
erkehren. Wer die Mittel hat, dem mag es nicht 
erwehrt sein, dem Unteroffizier gelegentlich einmal 
inen Schoppen zu zahlen oder ihm ein Fäßchen 
Wein in den Keller zu legen. Wenn aber ein 
Bater mit beschränkten Mitteln, wozu namentlich 
ie Beamten zaählen, deren Söhne studiren, 3- bis 
1000 M. aufwenden muß, um seinen Sohn den 
injährigen Dienst machen zu lassen, und wenn von 
zieser Summe ein großer Theil auf Gelagen mit 
Unteroffizieren darauf geht, so sflürzt er sich in 
Schulden, an denen er Jahre lang zu lahorirxen 
Jat. Der dieses schreibt, hatte drei Söhne beim 
Dtilitär, zwei Einjährige. und er weiß ein Liedchen 
avon zu singen. 
Vermischtes. 
F Die Hauskollekte für die Ueber 
chwemmten in München hatte bis Donners 
ag Abeuds 120,369 Mk. 86 Pf. ertragen, ohn⸗ 
daß alle Sammler bisher ablieferten. Mit Einbe— 
siehung der neulich zurückbehaltenen Reserven von 
15 pCt. beschließt der Magistrat jetzt folgenden 
Nodus der Vertheilung: 50 pCt. für die Rhein— 
»falz, 20 pCt. für Unterfranken, 100 pCt. für 
Oberbayern und je 6 pCt. für Niederbayern 
Oberpfalz und Schwaben. 
F Die Generaldirektion der königl. bayerischer 
Verkehrsanstalten hat den Postanstalten eröffnel 
daß Postaufträge mit dem Vermerke „Zum Proteste 
oder „Sofort zum Protest“ von nun an nach allen 
Orten der Schweiz zulässig sind. 
Von der Strafkammer des Landgerichts Nürn⸗ 
berg wurde ein Wirth wegen Wuchers — er hatt 
30 Prozent Zinsen genommen — zu zweimonat 
icher Gefängnißstrafe und einer Geldstrafe von 
200 M. verurtheilt. 
Würzburg, 27. Jan. Vom Militärbe— 
irksgericht wurde, wie man dem „Fränk. Kurier 
nmeldet, der Ulan Hegerich, der am 27. Nov. v. J 
im eines Härings willen den Ulan Hinnenschiet 
n der Koppenhof⸗Kaserne zu Bamberg mit einen 
Schusterkneip erstochen hat, zu 5 Jahren Zuchthau 
xerurtheilt. 
FMetz, 26. Jan. Eine recht liebevolle Tochte 
cheint die erst 16jährige Therese Buchholzer auf 
Zaaralben in Lothringen zu sein, welche ihre eig 
me Mutter erdrosselt und dann in den Keller ge 
vorfen hat, wo sie am 22. ds. Mts. gefunden 
vurde. Grund dazu soll ein Liebesverhältniß ge— 
vesen sein, welches das 16jährige Mädchen mit 
inem 19jährigen Burschen unterhielt und das nicht 
hne Folgen blieb, da dies die Mutter oft zu ern⸗ 
ten Vorstellungen und die Tochter zu heftigen 
Widerreden veranlaßte. Tägliche Zwistigkeiten waren 
an der Tagesordnung und der traurige Mutter 
nord das Ende. 
F Fürst Bismarck und die Sonntags-Puritaner. 
In einem Tischgespräch des Reichskanzkers, das wir 
in der Magd. Ztg. finden, schreibt das Berl. Tgbl.rr 
esen wir folgende Bemerkungen: Ein Gast des 
danzlers wies auf die Puritaner der Neu-⸗England 
Staaten hin, die mit ihrer starren Intoleranz gegen d 
Andersdenkende den ärgsten Zwang und Druck aus— 
geübt hätten und noch heute übten. I. 
„Und die Sonntagsheiligung in England und we 
Amerita,“ sagte Bismarck, „das ist doch eine ganjder 
erschrecliche Tyrannei. Ich erinnere mich, als ihh sah 
zas erste Mal nach England kam und in Hull zw 
sandete, daß ich da auf der Straße pfiff. EinSo 
kngländer, den ich an Bord kennen gelernt hatte,ter 
zat mich, doch nicht zu pfeifen.... Ich fragte: Ve 
Warum denn nicht? Ist das hier verboten!“ spr 
Nein,“ versetzte er, „aber's ist Sabbath.“ Das lich 
»erdroß mich dermaßen, daß ich gleich ein Bille ha— 
auf einen anderen Dampfer nahm, der nach Edin ẽd 
hurg fuhr, da es mir nicht gefiel, nicht pfeifen zu den 
ȟrsen, wenn ich Lust hatte. .. Ich bin sonfiwa 
ncht gegen die Sonntagsheiligung“, fuhr er forhUnt 
nachdem Bucher bemerkt, der Sonntag in England Wo 
sei im Allgemeinen nicht so schlimm, ihm habe ein har 
mmer sehr wohlgethan mit seiner Stille nach den ihre 
Gewühl und Geräusch der Londoner Werkeltage Nu— 
wo der Spektakel schon früh losginge. „Im GeNa 
gentheil, ich thue als Guisherr dafür, was ich kann siq 
Rur will ich nicht, daß man die Leute dazu zwingeten. 
Jeder muß wissen, wie er fich am Besten auflihinr 
sünftige Leben vorbereitet.. Sonntags sollt giez 
nirgends gearbeitet werden, nicht so sehr, weil din 
inrecht ist gegen Gottes Gebot, als der Menschenst 
wegen, die Erholung haben müssen. Das gilden 
reuich nicht vom Staatsdienste, besonders vor für— 
iplomatischen, wo auch Sonntags Depeschen unddnr 
Telegramme kommen, die erledigt sein —R 
Auch dagegen ist nichts zu sagen, daß unsendie 
Bauern in der Ernte, wenn es lange geregnet hahnut 
und es Samstags Nachmitiags schoön Wener wer dute 
den will, dann ihr Heu und Korn des Sonniagedhis 
einbringen. Ich würde es nicht übers Herz bringen Mar 
das meinen Pächtern, etwa im Kontrakte, zu unier der 
sagen. Ich selber iann mir das gestatten, da isdent 
den etwaigen Schaden eines Monatsregens mit andin⸗ 
ehen kann“ ... bie 
F Die neuen statistischen Mittheilungen über dadeute 
sohlenerport von Deutschland nach Italiekinter 
nuf der Si. Gotthardlinie beftätigen leider, webuf, 
hon im Anfang befürchtet werden mußte, daß ider 
nämlich dem deutschen Kohlengeschäft nicht —8