St. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
Der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltung⸗
tzlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 AG60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen I4 75 4, einschließtt d
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 , bei Neclamen 830 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet.
206.
Montag, 22. Oktober 1883. 18. Jahrg.
Au
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
X
chafter in Paris Fürst Hohenlohe, ist heute Vor—
nittag nach Schillingsfürst abgereist, wo er seinen
Bruder, den Curdinal, besucht. Morgen reist der⸗
elbe zu dreitägigem Aufenthalte nach Berlin und
ann nach Paris.
Wie mitgetheilt wird, gedenkt Herr Dr. Ritt⸗
er im bayer. Landtage bei Berathung des
Fultusetats die Duellaffaire in Würzburg bezüglich
des erschossenen Rechtskandidaten Moschel rügend
zur Sprache zu bringen und bei Besprechung des
Ftats der Universitäten eingreifende Anträge zu
tellen.
Baden-Baden, 20. Oktober. Der Kaiser
jerschob seine Abreise bis Montag Nachmittag 5
ühr.
Baden, 20. Oktober. Das kronprinzliche
paar ist mit der Prinzessin Victoria heute Abend
um 7 Uhr hier angekommen und im großherzog
ichen Schlosse abgestiegen.
Berlin, 20. Oktober. Bei den Stadtver⸗
zxdnetenwahlen der ersten und zweiten Abtheilung
vurden sämmtliche Kandidaten der liberalen Partei
gewählt.
Ausland.
Paris, 20. Oktober. Die Nachricht, daß
heneral Caprivi, welcher an der Spitze der deut—
cchen Admiralität steht, beabsichtigt einen neuen
Nobilisirungsplan für die deutsche Flotte einzu—
jühren, wodurch dieselbe früher in Kriegsbereitschaft
gesetzt werden kann, als die Flotte irgend einer
inderen Nation, hat die „Republique française“
dazu veranlaßt, eingehende Recherchen zu pflegen,
vie es mit der event. Mobilisirung der französischen
Flotte stehe, wobei es sich herausstellte, daß dieselbe
»olle 30 Tage bedürfe, um seefertig zu sein. Das
jenannte Blatt fieht die Ursache darin, daß in
jewöhnlichen Zeiten die an Bord anwesende Mann—⸗
chaft viel zu klein ist, und man verlangt nun,
daß auf den französischen Kriegsschiffen die ganze
Unzahl der nothwendigen Ingenieure und Matrosen
vorhanden sein müsse, wie dies in England bereits
»er Fall sei, und demnächst in Deutschland der
kall sein werde.
Madrid, 20. Oktober. Der „Epoca“ zu—
olge ist in Villa Nova in Portugal ein neuer Auf⸗
tand ausgebrochen. Die Behörden waren ohnmächtig
ur Unterdrückung desselben und verließen die Stadt.
Das italienische Heer. Augesichts der
zroßeren Regsamkeit, welche gegenwärtig im itali⸗
mischen Kriegsministerium herrscht, gewinnen nach—
tehende Angaben über die italienische Armee, welche
vir dem Pungolo entnehmen, an Interesse. Das
talienische Heer bestand am 4. April 1883 aus
2,072, 440 Mann. Hiervon gehören 789,065
Mann zum stehenden Heere, 330,668 zur Mobil⸗
miliz und 952,707 zur Territotialmiliz. Vom
tehenden Heere gehören 282,509 den Infanterie⸗
kegimentern an, deren Zahl 96 beträgt, so daß
eines derselben etwa 8000 Mann stark ist. Die
Militär-Territorialdistrikte zählen 263,412 Mann,
von denen 228,000 zur zweiten Kategorie gehören
und deshalb bestimmt sind, die eintretenden Lücken
m Heere erster Linie auszufüllen. Die Alpenregi⸗
nenter zählen 20,930 Mann, die Bergsaglieri
7230 die Kavallerie 414,541, die Karabinieri
Gendarmerie) 20,000, die Artillerie in runder
Zifser 80.000. die Genietruppen 18.000 Mann.
Von der Mobilmiliz (Landwehr) sind 302,000 sind gewiß gerne bereit, ein ehrliches Geschäfl mit
Infanterie, größtentheils gediente Leute in dem euch zu machen. GVielleicht würden auch die Vor—⸗
Alter von 28 bis 32 Jahren. Die Territorial- schußvbereine den Ankauf derartiger Loose vermitteln?)
miliz ist in 8300 Bataillone eingetheilt und zählt — Edenkoben, 20. Oktober. Vor einiger
iber 400,000 Mann der dritten Kategorie. Zeit berichtete ich Ihnen, daß das neunjährige Töch—
Aus bester Quelle wird bestätigt, daß der deutsche erchen des praktischen Arztes Herrn Dr Franz
Militärbevollmächtigte in Petersburg, General- Jägger dahier in Edesheim von dem Fuhrwert
ieutenant von Werder, das 6. Armeekorps er⸗ Feines Onkels überfahren wurde und die erhaltenen
zält. Die Uebernahme des Commandos erfolge schweren Verletzungen bald darauf den Tod des
joraussichtlich am 1. Dezember. selben herbeiführten. Der Vater des Kindes, ein
hier und in der ganzen Umgegend allgemein beliebter
Arzt, erkrankte nun vor drei Tagen an einer Ge—⸗
qdirnhautentzündung, wohl infolge der Aufregung
iber den schmerzlichen Verlust, und starb heute
Nacht im Alter von 36 Jahren. Gewiß ein harte
Schicksalsschlag für die ohnehin schon tiefgebeugte
Familie!
Lokale und pfälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 22. Okt. In Diedes—
feld starb am verflossenen Freitag im Kreise von
Verwandten Herr Franz Sauer, kbnigl. Notar
dahier. Der Tod war für denselben ein Erlöser
von schwerem Leiden, das ihm schon längere Zeit
die selbstständige Ausübung seines Amtes nicht mehr
gestattete. Wer den Verlebten, der seit etwa 10
Jahren das hiesige kgl. Notariat verwaltete, näher
annte, wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren
Friede seiner Asche!
— Aus dem Westrich, wird der „Z3w
Ztg.“ geschrieben: Gegenwärtig bereisen wieder
Agenten eines Wiener und Pester Bankhauses
insere Gegend, welche sich mit dem Vertrieb
jon Prämien-Anlehensloosen beschäftigen.
im die Landbevölkerung in ihre Netze zu locken
ndem sie derselben Badische 35 Gulden-Loose, resp
Antheilscheine, d. h. den 20. Theil eines solchen
dooses für 27 Mk. verkaufen, macht auf ein ganzes
doos 20 27 — 540 Mk., während man
olche in Frankfurt an der Börse um 235 Mk
ederzeit erhalten kann. Es ist Dies gewiß die
einste Volksausplünderung, wenn man bedenlkt
»aß die Leute die Originalloose gar nicht in die
dände bekommen, sondern daß diese beim Bank—
saus in Depot bleiben. Und ihr guten Leute
zlaubt ihr denn, wenn, wie es ja schon hundert—
nal passirt ist, das Bankhaus Bankerott machen
vürde, die Originalloose liegen bleiben würden,
im auf euch zu warten? Niemals! Sie würden
m der Börse sofort zu Geld gemacht, und ihr
zjättet das Nachsehen, ganz abgesehen davon, daß
hr eine Falliments-Erklärung wahrscheinlich gar
nicht erfahren würdet, von den Schwierigkeiten,
eure Rechte im Ausland geltend zu machen, gar
aicht zu sprechen. Und dann: wer sagt euch, daß
ene Loose nicht schon längst gezogen sind? Deßhalb,
ihr Landleute, die ihr euer Geld so sauer verdienen
müßt, bei Wind und Wetter, Hitze und Kälte,
zeigt Jenen die Thür, wenn sie zu Euch kommen
und laßt euch durch die auf ihren Papieren so
schön gemalten 500,000, 300,000, 100,000 ꝛc.
nicht verblenden; ihr bekommt doch Nichts davon,
und auch dadurch nicht, daß sie sagen, der Einsatz
Jjehe niemals verloren; auch Das ist gelogen; nach
Jahren bekommt ihr für eure 27 Mk. noch 4 Mk.,
denn von den 99 80 kleinen Gewinnen
sagen sie Nichts. Deßhalb die Augen auf und den
Beldbeutel zu! Wenn die Sache wirklich so ge—
vinnbringend wäre, würden die Wiener Herren
Bankiers nicht zu faul sein, die Tausende selbst
einzusacken, denn sie kennen Das! — Wenn aber
Leute wirklich gerne spielen wollen, und zwar so,
daß ihnen der Einsatz nicht ganz verloren geht, se
gibt es in unserer Nähe tüchtige und reelle Bank⸗
häuser, welche sich nicht mit solchen Schwindeleien
befassen, und dann geht zusammen, und es kostet
uch nicht das halbe Geld, und ihr bekommt solche
ooĩe und habt sie selbst in Händen. Diese Häuser
Vermiichtes.
F In der kgl. Residenz zu Würzburg fand
am 18. ds. Mts. (wie alljährlich) die Speisung
yon 418 Armen statt. Zur Erinnerung an die
Völkerschlacht bei Leipzig hat bekanntlich König
Ludwig J. eine Stiftung gemacht, aus deren Zinsen
die Kosten dieser Speisung bestritten werden. Die
Beneficianten erhielten Suppe, Rindfleisch, Schweine⸗
leisch, Kraut mit Kartoffelbrei und ein Glas Wein.
Ddie Kapelle des 9. Infanterie-Regimenis concertirte
vährend dem „Diner“. Zur Erinnerung dürfen
die Geladenen die von ihnen bei der Mahlzeit be—
nautzten Eß⸗Geschirre an sich nehmen.
FNeunkirchen, 19. Oktober. Ein Beweis,
vie sehr sich Geschäftsleute vor betrügerischen Mani—
dulationen in acht zu nehm enhaben, lieferte ein
zjestern Abend hier verübtes Gaunerstückchen. Es
tam nämlich ein Schulkind in ein hiesiges Weiß⸗
waarengeschüft und verlangte im Namen der Frau
eines Bergbeamten verschiedene Kragen, Sammei⸗
band, wollene Umschlagtücher (noch dazu von den
einsten) ꝛc. zur Auswahl, und wurden demselben
denn auch Waaren, und zwar im Werthe von 32
Mtk. verabfolgt. Als man heute früh in die Wohn⸗
ung der betreffenden Dame schickte und dieselbe ge⸗
jfragt ward, ob und was sie behalten wolle, stete
es sich heraus, daß sie von der ganzen Angelegen⸗
heit nichts wußte. Wwe. G. hielt nun Umschau
in den Schulen, wo sie das Kind, das Sachen ge⸗
holt, auch richtig herausfand. Nach Angabe des⸗
selben hatte ihm ein unbekanntes Frauenzimmer 20
Pfg. gegeben, mit der Weisung, die Sachen, wie
angegeben, zu holen. Nachdem das Kind das Pa—⸗
cket der Frau ausgehändigt, ist letztere verchwun⸗
den. Offenbaar hatten beide, das Kind und das
Geschäft, die nöthige Vorsicht außer acht gelassen
und das Soprüchwort vergessen: Trau, schau, wem!
(Saar⸗ u. Bl.⸗Ztg.)
f (GAuf der Constabler Wache.) Unter
dieser Ueberschrift bringt die in Frankfurt seit
durzem erscheinende Frankfurter Gerichtszeitung eine
höchst amüsante Schilderung, die wir zur Erheiter⸗
ung unserer Leser abdrucken. Mittags mit dem
Glockenschlag Zwölf marschiren im Hofe der Con⸗
ttabler Wache die Betitler, die Obdachlosen, die
Trunkenbolde, die Unfugstifter ꝛc. auf, und damit
sie sich nicht zu sehr langweilen, erscheinen auch
aAlsbald die Damen, unter denen man gar oft sehr
zübsche Gesichtchen erblickt, um ihnen Gesellschaft zu
eisten. Sind alle Vorbereitungen getroffen, hat
der Gerichtsdiener an der Thierklinke eine Kordel
hefestigt, damit er die Thüre öffnen kann, ohne die
non dem Gefänagnisspublikum benutßzte Klinke berühren