ʒt. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Woutag, Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs
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.W 224 Samstag, 17. November 1883.
—18. Jahrg.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Die Demokratie in der Pfalz. Am
zonntag hat der Ausschuß der pfälzischen Volks—
jartei in Kaiserslautern sich versammelt und, so
vird uns von dort geschrieben, „neben inneren auch
ußere (Wahl⸗) Angelegenheiten besprochen. Daß
ie Demokratie im Reichstagswahlbezirk Kaiserslau⸗
ern⸗· Kirchheimbolanden es unternehmen sollte, selbst
nit einem Kandidaten sich wieder zu präsentiren,
hird nirgends angenommen. Dafür soll den Kai⸗
erslauterern die Ueberraschung eines Compromiß⸗
zozialdemokraten bevorstehen, den womoͤglich alle
kadikalen und die Ultramontanen zu unterstützen
ereit wären. Fraglich, ob dann die Fortschritts⸗
artei nicht aus den Fugen gehen müßte, deren
ner Hälfte nachgerühmt werden darf, daß sie mit
lem Eifer gegen die Ausartungen, sowohl der
zehässigkeit wie auch des Radicalismus in der Presse
ind in dem öffentlichen und privaten Verkehr sich
pehrt. Undenkbar, daß sie einen, auch noch so
übsch konstitutionell herausgeputzten Sozialisten ac⸗
eptiren wird, zumal auch ihre Ansichten über
dirchenpolitik und zweijährige Dienstzeit mit denen
es Herrn Eugen Richter noch nie recht zusammen⸗
saypen wollten.“ (Fr. J.)
München, 15. Nod. Der Finanzausschuß
er Kammer der Abgeordneten hat den Finanz⸗
ninisterialetat erledigt. Die Mehrheit lehnte den
Ninisterialdispositionsfonds ab, erklärte sich aber
ereit, den geforderten Betrag (9100 Mark) als
interstützungsfonds in den Etat einzustellen.
Bayerischer Landtag.) Durch das
ztaatsministerium des Junern sind am 12. d. M.
em Landtage vier Gesetzentwürfe zugegangen, und
war betr. die Errichtung einer Landeskulturrenten⸗
nstand, die Ausführung des Reichsgesetzes über
ie Abwehr und Unterdrückung der Reblauskrankheit,
ie Ausführung des Reichsgesetzes über die Kranken⸗
ersicherung der Arbeiter und den Betrieb des Huf⸗
schlaggewerbes; die drei ersten Entwürfe wurden
ei der Kammer der Abgeordneten, der letztere bei
er Kammer der Reichsräthe eingebracht. — Durch
zrrichtung einer Landeskulturrentenanstalt, und zwar
is einer Staatsanstalt, soll die Beschaffung von
dapitalien zur Ausführung von Kultur⸗Unter⸗
ehmungen, welche speziell im Entwurfe bezeichnet
nd, erleichtert werden. Als solche Unternehmungen
end aufgeführt: Bewässerungs-und Entwässerungs-
internehmungen, Bach- und Flußkorrektionen, An⸗
agen zum Uferschutze und zum Schutze gegen Ueber⸗
hwemmungen, Zusammenlegung von Grundstücken,
rbarmachung öder Flächen, dann Meliorationen
on Feldern und Wiesen, endlich Wege⸗Anlagen,
nelche zu einer besseren Benützung landwirthschaft⸗
hen Grundbesitzes bestimmt sind. Zu diesem Zwecke
ollen 4pCt. Schuldverschreibungen als besondere
-taatschuld bis zu dem jeweiligen Maximalbetrage
an 2 Mill. Mark ausgegeben und aus diesen Fonds
m Kulturunternehmer Darlehen (gegen Sicherheit)
innter möglichst günstigen Bedingungen gewährt
verden. Hiezu sind namentlich billige Verzinsung
384 pCt.), möglichst lange Tilgungsperioden (bis
u 538 Jahren), fast völliger Ausschluß der Kündig⸗
ing der Darlehen und Tragung der Verwaltungs⸗
osten dunh den Staat in Aussicht genommen.
zür die Verhandlungen und Bescheide, sowie für
e Schuldbelenntnisse und hypothekenamtlichen Alte
oll Befreiung von Gebühren zur Staatskasse ein⸗
weten. Die Anstalt soll für das ganze Königreich
⸗errichtet werden. — Aehnliche Institute bestehen
hereits in Preußen, Sachsen und Hessen.
Berlin, 14. Nov. Unseres Kronprinzen
Madtider Reise. Die Reise unseres Kronprinzen
iach Madrid nimmt um so mehr die öffentliche
Aufmerksamkeit in Anspruch, als die Dispositionen
ür die Landung des Kronprinzen in Spanien und
benso die Anordnungen für die in Madrid zu ver—
instaltenden Festlichkeiten noch in letzter Zeit einige
Aenderungen erfahren haben sollen. Nach hier vor—
iegenden Telegrammen wird der Kronprinz nicht in
Zgarcelona, sondern in Valencia an's Land steigen
ind die Festlichkeiten werden sich laut Beschluß des
Ministerraths auf eine große Parade und zwei
Zaladiners im königlichen Palais beschränken. Die
ranzoöͤfische Presse scheint demnach auch auf die
„timmung der Madrider Regierungskreise ihren
Finfluß geäußert zu haben. Wie das Berl. Tagebl.
erfährt, hat der Kronprinz bereits nach Madrid den
Wunsch ausgedrückt, in Barcelona an's Land zu
teigen. Demselben Blatt wird eine Meldung der
dassegna aus Rom telegraphirt, nach der der
dronprinz auf seiner Reise nach Genua vom König
dumbert in Monza begrüßt werden wird.
Berlin, 14. Novb. Die Zurückhaltung, welche
die französische Presse anfänglich gegenüber der Reise
)es Kronprinzen sich auferlegte, hat nun dem rohen
ßeschimpfe Platz gemacht, an das die Welt von
Zaris her gewöhnt und für das man hier nur noch
erächtliches Achselzucken hat. Auch der Artikel des
National“ — den der Pariser Berichterstatter der
Kölnischen Zeitung“ gestern mittheilte —, in
yelchem die spanischen Republikaner geradezu aufge⸗
ordert werden, durch eine Empörung auf den
zmpfang zu antworten, den der König und mit
hm das ganze gut gesinnte Spanien dem deutschen
kronprinzen bereitet, auch dieser unglaubliche Artikel
»ird möglicherweise nur mit stillschweigender Ver⸗
ichtung behandelt werden; aber Entrüstung wird
rregen, zu sehen, daß die in Spanien lebenden
Franzosen von ihren Landsleuten zu Kundgebungen
jegen den Kronprinzen aufgehetzt werden. Auch
n wohlunterrichteten Kreisen herrscht kein Zweifel,
aß französische Sendungen zu dem Zwecke nach
harzelona bereits erfolgt sind. Spanien wird die
hanische Ehre zu vertheidigen wissen; ähnliche Auf⸗
ritte wie in Paris bei Ankunft des Konigs Alfons
ind glücklicherweise in einem anderen Lande als
Frankreich heute nicht denkbar. Die französischen
Wühlereien beunruhigen keineswegs, aber man darf
zersichert sein, daß dieselben gebührend gewürdigt
verden. Die kurze Verzögerung in der Abreise des
tronprinzen hat durchaus keinen politischen Charakter.
Berlin, 14. Nov. Der russische Minister
des Auswärtigen, Giers, ist heute Morgen nach
rriedrichsruh abgereistt. Das „Journal de St.
Zetersbourg“ bemerkt dazu, daß die Reise infolge
)er liebenswürdigen Einladung des illustren Chefs
der deutschen Politik stattfinde und unzweifelhaft
heitragen werde, die ausgezeichneten Beziehungen
beider Reiche zu konsolidiren.
Berlin, 15. Nov. Die Nordd. Allg. Zig.
chreibt: Französische Blätter suchten jetzt Deutsch⸗
and für den landwirthschaftlichen Rückgang verant⸗
vortlich zu machen, worüber die franzsische Industrie
eit Jahr und Tag Klagen erhebe. Die französische
Zetzpresse sei es aber, welche die ganze Bevölkerung
n sieter Sorge für einen nahe bevorstehenden Krieg
rhalte und dadurch jedes Geschäft und jedes Unter⸗
sehmen in Frankreich lahmlege.
Ausland.
Für Schleifung der Pariser Ringmauer tritt
allem Anscheine nach der französische Generalstab
und der neue Kriegsminister Campenon ein; nur
die Festungskommission opponirt beharrlich. Es
wird dann nothwendig, daß noch 4 oder 5 neue
Forts in der ersten Vertheidigungslinie gebaut wer⸗
den, die ca. 8 Mill. kosten würden, und für die
weite Vertheidigungslinie (Kreis der alten Forts
»om Jahre 1840) hält man Pläne und Waffen in
Bereitschaft, so daß im Falle eines Kriegsausbruchs
inverzüglich verbindende Erdarbeiten hergestellt wer⸗
den; diese zweite Linie wird die „eigentliche Ring—
nauer“ in modifizirter Form bilden. Wie die
Anhänger der Schleifung behaupten, war nämlich
die Ringmauer 1870,71 nur ein Hinderniß im
Wege der ausfallenden Truppen.
Die angeblichen Demonstrationen
in Barcelona. Das Gerücht, man beabsichtige
von französischer Seite in Spanien gegen König
Alfons und seinen Gast, den deutschen Kronprinzen,
eindliche Demonstrationen in der Art der Pariser
Straßen-Stkandalszenen vom 29. September her⸗
„orzurufen, scheint auch nach Madrid gedrungen zu
sein. Ein in Paris erscheinendes englisches Blatt
äßt sich von dort telegraphiren, dem Besitzer eines
zroßen Madrider Journals sei aus Barcelona ge-
chrieben worden, die in dieser Hafenstadt anfässigen
Franzosen führten derartige Manifestationen im
Schilde. Der Temps dementirt mit auffälliger Ge⸗
reiztheit diese Nachricht, die, wie er behauptet, von
den spanischen Zentralisten ausgesprengt würde,
um ihren Gegnern, den Föderativ⸗Republikanern, zu
schaden. Die Zärtlichkeit, welche selbst solche Fran⸗
zosen, die im eigenen Lande die Zentralisation so
oeit treiben, daß sie ihrer Hauptsiadt keinerlei
Munizipalrechte einräumen wollen, für die spani⸗
schen Föderalisten an den Tag legen, ist charakte—
ristisch. Der Intransigeant dagegen erwartet, daß
in Barcelona, wo es eine zahlreiche französische
Zolonie gäbe, deutschfeindliche oder wenigstens fran⸗
‚osenfreundliche Manifestationen stattfinden würden;
zuch der Petit Parisien macht ähnliche Andeutungen.
Mad rid, 15. Nov. Ein Adjutant des Königs,
Beneral Goyeneche, ist nach Berlin abgereist, um
ein Antwortschreiben des Königs auf das Schreiben
des deutschen Kaisers über den Besuch des Kron⸗
prinzen zu überbringen.
die portugiesischen Blätter melden, der
deutsche Kronprinz werde von Madrit nach Lissabon
ommen und dort sich nach Hamburg einschiffen.
Herr Stöcker in London. Hofprediger
Zztöcker trat am Dienstag bei der Luther⸗Erinne⸗
tungsfeier in Exeter Hall als Festredner auf. Zum
Beginn der Rede sagte er: Man frage ihn oft,
varum er nach London gekommen sei. Er habe
darauf zu antworten, daß man ihn eingeladen, an
der Luther⸗Erinnerungsfeier theilzunehmen, und er
tei als Niemandes Feind und als Freund aller
zuten Menschen gekommen. — Stürmischer verlief
her zweite Vortrag Stöcker's am Mittwoch, worin
er über die christlich-soziale Bewegung sprach und
»abei auch die Versagung dos Mansionhouse durch
den Loidmayor berührte. Ueber den Verlauf dieser
Bersammlung hat ein Telegtamm unseres Morgen⸗
»lattes alles Wissenswerthe berichtet. Es erübrigt
uur noch, der Vollständigkeit halber auch das
Schreiben zu erwähnen, welches das Stöcker⸗Comitéè
an den Lordmayor als Antwort auf seine Absage
richtete. Es heißt darin, nachdem gesagt ist, daß
der Lordmayor erst seine Zustimmung gegehen und