Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: um wontag, Dienstag, Donnuerstag, Samstag und Sountag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 AM 60 A einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1. 75 O, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunjt ertheilt, 135 H, bei Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 229. 
Samstag, 24. November 1883. 18. Jahrg. 
ä 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
(Bayerischer Landtag.) Durhh die bis⸗ 
serigen Beschlüsse der Kammer der Abgeordneten 
zat sich die Budgetziffer um 136,755 Mk. gebessert. 
In den Einlauf der bayerischen Kammer 
lam die Eingabe der Stadtverwaltung Kaisers⸗ 
ijautern (überreicht vom Abg. Vaillant), welche 
um Herabsetzung der Differential⸗Tarife der Pfäl⸗ 
ischen Bahnen für den inneren Verkehr des Kohlen⸗ 
ransportes bittet. 
Wie wir erfahren, bereitet man in Münchener 
tegierungskreisen als Ergänzung zu dem jetzt im 
dandtage vorliegenden Gesetzentwurf zur Ein⸗ 
ührung der Gemeinde⸗Kranuken-Versicher— 
uing noch einen besonderen Entwurf betreffend die 
ẽrrichuung von Orts-Krankenkassen vor. 
das den letzteren zu Grunde zu legende Ortsstatut 
hildet gegenwärtig Stoff zu eingehenden Erörter⸗ 
ungen im engeren Kreise der Behörden und sach— 
verstandigen Privatpersonen. Der Entwurf wird 
noch vor Weihnachten an den Landtag gelangen. 
Ueber das Befinden des Fürsften 
Bismarck hat sich nach der Nat.Ztg. Dr. Schwen⸗ 
unger, der einige Tage in Berlin war, sehr zu— 
jriedenstellend geäußert; er hofft, daß der Kanzler 
in Kürze seine volle Arbeitskraft wiedererlangt haben 
verde. 
Zur Reise des Kronprinzen wird an⸗ 
cheinend offiziös geschrieben: Der Kronprinz ge⸗ 
denkt, sich von Spanien nicht nach Portugal zu be— 
geben, sondern nach den bisherigen Dispositionen 
auf demselben Wege nach Deutschland zurückzukehren. 
Wenngleich die Reise nach Spanien nicht erst jetzt 
geplant, sondern im Prinzip schon bei der Anwesen⸗ 
seit des Königs von Spanien in Homburg beschlossen 
var, so hat man es als ein besonderes Gebot er⸗ 
uchtet, dem König Alfons nach den Vorgängen in 
haris durch schleunige Erwiderung seines Befuches 
deutlich auszusprechen, daß deutscherseits an der 
defestigung der guten Beziehungen mit Spanien, 
wenn nach all den Beweisen der neuen Zeit noch 
eine Vermehrung zulässig, viel gelegen ist. Nichts— 
destoweniger ist zur Abreise des Kronprinzen der 
Noment gewählt, an dem gewisse Gereiztheiten und 
Unebenheilen zwischen Spanien und Frankreich ge⸗ 
dbnet waren. Es entspricht jedoch dem Zwed der 
Sendung, daß die Aufmerksamkeit und Erwiderung 
s Besuches auf Spanien beschränkt bleibt. Die 
—XXC zu Portugal sind nach wie vor deuischer⸗ 
eits die intimsten und ist es wahrscheinlich, daß 
er Kronprinz von Portugal, der in Homburg ver⸗ 
unden hat, die Sympathien persönlich in hohem 
rade zu erwecken, anfangs Dezember auf seiner 
kückreise von England durch Soanien in Madrid 
nit dem Kronprinzen des deutschen Reiches zusam⸗ 
nlkommen wird. 
Ein Kourierdienst zwischen Berlin 
ind Madrid ist für den deutschen Kronprinzen 
ugerichtet worden. Es sind zu diesem Behufe 
ediäger in Paris und Madrid stationirt worben. 
Koͤln expedirt die Sachen das Auswärtige Amt. 
on dort holt sie einer der in Paris stationirten 
vildiäger ab und bringt sie bis an die Pyrenäen, 
wo sie von einem der in Madrid stationirten Feld 
er in Empfang genommen werden. 
„Das Heer und das Vaterland“, 
unter diesem Titel jüngst erschienene Schrift des 
heimraths Hahn (Preußen) ist von dem Feld— 
urschall Graf Moltke anerkennend und freudig be— 
grüßt worden, zumal „in einer Zeit, wo von allen 
Seiten, und selbst im Reichstag, an den Instituti⸗ 
onen der Armee gerüttelt wird, ohne welche ein 
Reichstag überhaupt nicht vorhanden wäre“. Aus 
dem betreffenden Schreiben des Grafen Moltke 
werden ferner folgende Sätze mitgetheilt: „Wie 
diele Jahre hat man von deutscher Einheit geredet, 
zedichtet, gesungen, Volksversammlungen und 
—AV 
ange man das „Logos“ nur mit „das Wort“ 
ibersetzte, wurde nichts. Erst als man sich auf 
„die Kraft“ besann, als unser Kaiser mit Roon 
)as Heer schuf und als dann Bismarck die That 
unvermeidlich gemacht hatte, trat die Schöpfung 
hjervor. Jetzt aber herrscht wieder das Wort.“ 
Ausland. 
Emil Ollivier. Nach einem Privattelle⸗ 
zramm der Voss. Zig. hat Emil Ollivier französischer 
Minister bei Ausbruch des Krieges 1870) ein 
Schreiben an den Figaro gerichtet, in welchem er 
agt: Trotz seines Unglücks und seiner Abenteuer 
dleibt Frankreich immer an der Spitze der Völker. 
Die große, edle, freisinnige Nation, mein Frankreich, 
wird nicht zu Grunde gehen, denn mit ihm endete 
die Civilisation. Ich staune über die Angst, welche 
has geringste Stirnrunzeln das geringsten angehei⸗ 
erten deutschen Journalisten hervorbringt. Seit 
ehn Jahren studire ich die technischen Details des 
1870er Krieges: nun denn, ich dersichere und werd 
deweisen, um die Rheinarmee zu Grunde zu richten, 
bedurfte es einer solchen Anhäufung gröbster Fehler, 
daß es unmöglich wäre, sie zu wiederholen, selbsi 
wenn man es wollte. Hätten die Soldaten der 
ersten Hälfte des Feldzuges die Führer der zweiten 
oder diese Führer jene Soldaten gehabt, so hätten 
die Prussiens nicht Paris genommen, sondern wir 
hätten sie an den Spreeufern wiedergesehen. Wir 
habeu niemals Krieg mit Preußen gesucht, Preußen 
hat die französische Revolution, Napoleon J. und 
mit seinem Hohenzollern⸗Complot Napoleon UI 
zerausgefordert. Wer sagt Ihnen, daß die Repub⸗ 
lik herausfordern wird? Haben nicht England und 
Rnßland es schon einmal zurückhalten müssen? 
Seien wir unerschütterlich friedlich, doch weder feig 
noch verzweifelt. Jena hat Roßbach ausgelöschi 
die Champagne⸗Ebene enthält irgend ein Voͤrfchen, 
das seinen Namen dem Siege geben wird, welcher 
Sedan auslöschen wird. 
London, 22. Nod. Von Daily Telegraph 
wird aus Paris gemeldet: Die chinesische Regier— 
ung zeigte dem französischen Kabinet an, sie werde 
den Angriff auf Bacninh als Kriegsfall betrachten. 
Die chinefische Regierung zeigte die Zustellung dieses 
Ultimatums auch den Mächten an. 
London, 22. Nov. Die Hiobsposten aus 
dem Sudan scheinen sich leider zu bestätigen. Der 
falsche Prophet hat den Hauptman Moncvieff mit 
150 Egyptern überfallen und niedergemacht, und 
auch den egyptischen General Hicks Pascha besiegt 
und gefangen genommen. 
Grao, 282. Nov. Der deutsche Kronprinz ist 
heute Nachmittag 1 Uhr unter enthusiastichen Kuͤnd⸗ 
gebungen der zusammengeströmten Bevölkeruug wohl ⸗ 
behalten gelandet und begab sich zu Wagen nach 
Valencia. 
Valencia, 21. Nov. Das Journal „Pro⸗ 
vincias“ sagt heute, es stehe di Ankunft des 
Kronprinzen des mächtigen Deutschen Reiches 
zu erwarten, welcher nach Spanien komme, um den 
Besuch des Koͤnigs Alphons bei dem Kaiser Wil⸗ 
delm zu erwidern. Der Besuch des Kronprinzen 
gelte nicht allein dem König und der königlichen 
Familie, sondern auch Spanien und sei eine Ehre 
für das spanische Volk. Der festliche Empfang des 
Vertreters der großen Nation sei die Pflicht der 
Courtoisie. Die Landung in Valencia entspreche 
dem besonderen Wunsch des Kronprinzen, welcher 
diesen schönen Theil der pyrenäischen Halbinsel 
kennen lernen wollte. Für Jedermann in Valencia 
erwachse daraus die Veranlassung, dem Kranprinzen 
den schmeichelhaftesten Empfang zu bereiten, des 
Volkes würdig, das durch seine Courtoisie und Höf⸗ 
lichkeit bekannt sei. 
Valencia, 22. Nov. Die Landung des deut⸗ 
schen Kronprinzen erfolgt heute Vormittag um 9 Uhr. 
Balencia, 22. Nob. Die Behöorden, sowie 
Benerallieutenant von Los und Graf Solms be— 
gaben sich soeben wieder zum Empfang des Kron—⸗ 
prinzen nach dem Hafen. Die Truppenauffstellung 
hat begonnen. Das Wetter ist bedeckt. 
Valencia, 22. Nov. Die Correspondencia 
begrüßt an der Spitze des Blattes den deutschen 
ronprinzen in deutscher Sprache. 
Petersburg, 22. Nop. Das Journal de 
St. Petersbourg befpricht das von Professor Martens 
herausgegebene Sammelwerke, Die Verträge zwischen 
Rußland und Preußen“ und konstatirt die konstante 
Salidarität beider Staaten. Das deutsche Reich 
unter Preußens Führung widerspreche nicht den 
Traditionen, welche beiden Staaten eine hiftorische 
Mission anweisen. Unter den Allionzen nimmt 
ene Rußlands einen zu wichtigen Platz in der Ver⸗ 
zangenheit ein, als daß sie für die Zukunft beseitigt 
werden sollte. Die Staatsmänner, welche die Politik 
der beiden Reiche lenken, werden gewiß stets vor 
der schweren Veraniworlichkeit zurückschrecken, zwischen 
denselben Haß und Rachegefühle zu säen. 
Nihilistischer Mord in Rußland. Das so⸗ 
zialistische Centralcomitoͤ verurtheilte den Tuchhändler 
Schramsky als Denuncianten zum Tode. Das Ur⸗ 
theil, wurde am 24. Oktober im Zgierz (Gouver⸗ 
nement Piotrokoff) zur Ausführung gebracht. 
Regierungsmüde scheint der Kaffernhäuptling 
Mankoroane in Afrika zu sein. Aus der Cap⸗ 
stadt wird nämlich unter dem 20. November ge⸗ 
meldet: Der Häuptling Mankorane hatte eine Unter⸗ 
redung mit dem Administrator der Cap⸗Colonie, 
bei welcher er bat, daß England entweder sein Reich 
übernehmen, für seine Leute Sorge tragen, und 
dand in Gestalt von Farmen an Europäer ver⸗ 
theilen, oder aber einen britischen Residenten 
ernennen und auf seine (Mankoroane's) Kosten 
einen Sicherheitsdienst organisiren möge. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 23. Nov. Der Verein 
„Har monie“ hat auf morgen (Samstag) Abend 
ür seine Mitglieder ein Conzert mit darauf⸗ 
'olgendem Balle veranstaltet und dazu die rühm⸗ 
lichst bekannte Dragonermusik aus St. Avold engagirt. 
— Am Sonntag Abend gibt der Caäcilienverein 
im Oberhauser schen Saale ein Con zert. Wie 
wir hören, haben zu demselben auch Nichmitglieder 
Zutritt. 
St. Ingbert, 23. Nov. Dem Vernehmen 
aach trifft in nächster Zeit Frau Theaterdirektor 
Schroth mit ihrer Gesellschaft zu einem mehr⸗ 
wöchentlichen Aufenthalte hier ein. Theaterliebhaber 
steht damit für die Wintermonate eine recht ange⸗ 
nehme Unterhaltung in Aussicht. 
— Miesenbach, 21. Nov. In der Nacht 
vom Montag auf Dienstag wurden dem Händler