Full text: St. Ingberter Anzeiger

F Das Falliment der Düsseldorfer 
Gewerbebank ist jetzt, nach 8 Jahren, als be⸗ 
endet erklbärt worden. Die Gläubiger haben 
42 Prozent erhalten. Von den Genossenschaftern 
verbleiben noch 40, gegen welche seitens der Gläu— 
„iger mit Erfolg Zwangsvollstreckung betrieben wird. 
Außerdem sind noch 173 Genossenschafter mit 46. 144 
Mk. 55 Pfg. im Rüchkstande. 
Gie Meteorologen-Versammlung 
nHamburgund Dr. Overzier.) Mancher 
mag erwartet haben, daß die in Hamburg versammel⸗ 
ten Meteorologen sich offiziell über die Overzierschen 
Wetterprognosen, die in den letzten Monaten so viel 
Staub aufgewirbelt haben, aussprechen würden. Von 
mehrfacher Seite hielt man dies für wünschenswerth, 
um dem Publikum keinen Zweifel darüber zu lassen, 
daß alle Fachleute ohne Ausnahme in der Ver— 
werfung dieser unwissenschaftlichen Bestrebungen 
einig seien. Die größere Mehrheit der Meteorologen 
enschied jedoch dahin, daß es sich nicht mit der 
Würde der Wissenschaft und der deutschen meteoro— 
ogischen Gesellschaft vertrage, die Oberzier'schen 
Wetterprophezeihungen zum Gegenstande einer offi⸗ 
iellen Verhandlung zu machen, um so weniger als 
dieselben bereits von verschiedenen Seiten hinreichend 
vbeleuchtet und dem ausgelassensten Spotte und der 
Verachtung in den öffentlichen Blättern derfallen 
ieien. Dieses völlig abweisende Verhalten, wonach 
also die Overizierschen Wetterprophezeiungen unter 
iller Kritik stehen, ist allerdings die schärfste Ver— 
irtheilung derselben seitens der deutschen Meteoro— 
ogen, die es geben kann. 
Berlin, 20. Nob. Einem jungen Offizier 
Premierlieutenant von Reichenbach vom 99. Regi— 
ment) ist vor Kurzem an einem Tage die Erlaub— 
niiß zur Anlegung von 6 Orden (einem russischen, 
einem italienischen, einem spanischen, einem belg⸗ 
schen, einem schwedischen und einem bayerischen) 
ertheilt worden. Dieser selbst in unserer ordens⸗ 
reichen Zeit auffallende Segen, über dessen Gründe 
nichts in entferntere Kreise gedrungen ist, erregt 
illgemeines Aufsehen. 
fSechs junge Türken aus verschiedenen 
Theilen des ottomanischen Reiches sind, wie der 
Nordd. Allg. Ztg.“ mitgetheilt wird, nach Berlin 
jeschick worden, um dort Oekonomie zu studiren. 
Es ist dies auf eigenste Initiative des Sultans zu— 
üückzuführen; die jungen Lente werden auf Staats— 
ofsten dort unterhalten. Da dieselben der deutschen 
Sprache nicht mächtig sind, so werden sie zuerst 
mit der Erlernung derselben beginnen, bevor sie 
hr Spezialstudium aufnehmen. 
Ein neuer Lungenpilz) Seit der 
pochemachenden Entdeckung des Schwindsuchtspilzes 
zurch den geheimen Rath Dr. Robert Koch vom 
seichsgesundheitsamte wird jetzt aller Orten nach 
der von Koch eingeführten Methode nach jenen 
winzigen Pilzen geforscht und gefahndet, welche die 
igentliche Ursache, die Träger und Erreger der 
drankheiten sein sollen. In der That ist auch be— 
reits eine Reihe von Mikroorganismen, Spaltpilzen ꝛc. 
dei verschiedenen Krankheiten entdeckt worden, sie 
alle werden aber an Bedeutung für die medizinische 
Wissenschaft wie für das allgemeiue Wohl über—⸗ 
roffen durch die neueste Entdeckung des Privat⸗ 
dozenten Dr. Karl Friedländer, Prosektor am 
Städtischen Krankenhause im Friedrichshain bei 
Berlin, daß auch die Lungenentzündung (Pneu- 
monie) von einem eigenartigen Pilze, 
dem Mikrokokkus der Pneumonie her— 
rühre. Bisher galt die Lungenentzündung noch 
as eine verhältnißmäßig ziemlich harmlose Krank⸗ 
jeit, welche zwar in ihrem Höhestadium am fünften 
oder sechsten Tage zuweilen plötzlich den Tod her⸗ 
eiführen kann, sonst aber meist in Heilung über⸗ 
geht, ohne nachtheilige Folgen zurückzulassen. In 
den letzten Jahren wurden aber mehrfache Beob⸗ 
achtungen mitgetheilt, daß die Lungenentzündung 
an verschiedenen Orten epidemisch aufgetreten sei; 
in vereinzelten Fällen fanden Geh. Rath Koch, 
LKrofessor Ley den u. A. einen Mikrokokkus als 
Krankheitserreger, und endlich gelang es Dr. Fried⸗ 
laͤnder vor etwa einem Jahre, an acht hintereinander 
folgenden Fällen akuter Pneumonie das konstante 
Vorkommen der Mikrokokken im Exsudate der Lungen⸗ 
alveolen nachzuweisen. Diese Thatsache könnte durch 
eine ganze Reihe weiterer Fälle (im Ganzen über 50) 
bestätigt werden, und nur in einigen wenigen Fällen, 
welche den späteren Krankheitsformen (O. bis 13. Tag) 
angehörten, waren die Mikrokokken nicht mehr vor⸗ 
Janden. Das Charakteristische dieser Pilze bestehl 
darin, daß sie nur nach einem ganz besonderen, 
innreichen Fätbungs- und Entfärbungsverfahren 
unter dem Mikroskope gefunden werden können 
daß sie von einer scharfbegrenzten Kapsel umschlossen 
sind und eine kreisförmige oder elliptische Gestalt 
haben, während z. B. die Schwindsuchtspilze stäb— 
henförmig sind. Um die „Probe auf das Exempel“ 
ju machen, versuchte nunmehr Dr. Friedländer, im 
Verein mit Dr. Frobenius aus München, die 
Mikrokokken nach Koch'schem Verfahren auf soge— 
nannter „Nährgelatine“ zu kultiviren und von 
dort aus auf Thiere überzuimpfen. Kaninchen 
wvurden von diesen Impfungen gar nicht angegriffen, 
dagegen starben sämmtliche 32 Mäuse, welchen die 
Pilzkulturen eingespritzt wurden, regelmäßig im 
2aufe von 18 bis 24 Stunden. Bei der Sektion 
'and sich jedesmal das typische Bild der akuten 
Pneumonie mit enormer Mikrokokken-Vegetation in 
den Lungen, im Blute und in der Milz. Meer— 
chweinchen verhielten sich verschieden, und von füns 
Versuchshunden starb einer vierzig Stunden nach 
der Uebertragung unter einem Krankheitsbilde, welches 
der Lungenentzündung des Menschen vollständig 
Jich und auch durch die Sektion bestätigt wurde 
Weitere Uebertragungsbersuche der Pilze auf Thiere 
zurch Einathmen derselben waren ebenfalls von Er—⸗ 
'olg und bekräftigten die schon früher von einzelnen 
Forschern vertretene Ansicht, daß auch die Lungen⸗ 
entzündung eine ansteckende Krankheit sei. 
— Dr. Friedländer hat in vergangener Woche in 
der Physiologischen Gesellschaft und seitdem im 
Verein für innere Medizin“ Vorträge über diese 
ieuen Mikrokokken gehalten und durch die Demon— 
tration derselben das lebhafteste Interesse seiner 
irztlichen Fachgenossen erregt. 
FDer Czernowitzer Burschenschaft 
„Arminia“' fern an der Ostgrenze des Deutsch⸗ 
hums wurde während des Kommerses, den sie zu 
Ehren Luthers und Schillers abhielt, ein Stammbuch 
mit eigenhändigen Inschriften hervorragender Männer 
deutscher und österreichischer Nationalität überreicht 
Einige davon dürften unsern Lesern bemerkenswerth 
erscheinen: 
Ein tüchtiges Menschenleben endet auf Erden 
nicht mit dem Tode; es dauert in Gemüth und 
Thun der Freunde, wie in den Gedanken und der 
Arbeit des Volkes. 
Dr. Gustav Freytag. 
Wer sich an And're hält,— 
Dem wankt die Welht. — 
Wer auf sich selber ruht, 
Steht gut. 
Paul Heyse. 
Die Gerechtigkeit ist die Kardinaltugend, welche 
von Niemandem im freien und großen Sinne ge—⸗ 
übt werden kann, er sei denn im Vollbesizz aller 
inderen Tugenden. 
Friedrich Spielhagen. 
F(Ein Studentenstreich) Der D. W. 
wurde ein Brief gezeigt, welchen ein lustiger Stu— 
dent zur Post gegeben hatte. Die Adresse bil et 
die Strophe des bekannten Studentenliedes: „Sr. 
Durchlaucht dem Fürsten Bibesco, Serbiens greisem 
Hospodar, auf dem Schlosse zu Gradesco hinter⸗ 
värts von Temesvar“. Der Brief wurde exrpedirt 
and langte dieser Tage von Temesvar mit dem 
Vermerk zurück, daß es weder vorderwärts noch 
sinterwärts von Temesvar ein Gradesco gibt. 
F Paris, 21. Nov. In Mazieres fand 
wischen französischen, belgischen und luxemburgischen 
Eisenbahnarbeitern eine blutige Schlägerei statt 
Ein Arbeiter wurde getödtet und zwei schwer verwundet. 
F Dervon AntwerpennachKönigsberg 
abgegangene Dampfer „Burgemeester De Wael“ ist 
bei heftigem Sturm bei Banjard (wo ein Arm der 
Maas, de Krammer, ausmündet) gescheitert. Die 
Mannschaft hat sich großentheils auf den Leuchthurm 
don Westerschouwen retten können. 
7 In Toronto herrschen nach einer telegraph⸗ 
ischen Meldung Befürchtungen, daß der Dampfer 
„Francis Smith“ von Colingwood nach Toronto, 
der hundert Passagiere an Bord hatte, am ver— 
flossenen Montag gescheitert und untergegangen ist, 
und daß alle an Bord befindlichen Perfonen ein 
Opfer der Wellen geworden. 
FLondon, 21. Nov. Nach einem Tele—⸗ 
jramme der „Times“ aus Philadelphia haben heftige 
Stürme auf Neu⸗Fundland und der Insel Cap Breton 
jewühtet, in Folge dessen 16 Schiffe scheiterten 
ind 41 Menschen ihr Leben verloren. Im Erie— 
See strandete ein Schooner und 7 Personen ertranken. 
F Von einem Orkan mit Hagel und Ge—⸗ 
witter wurde am Sonntag Nachmittag Portsmouth 
heimgesuget. Das Wasser im Hafen bot den An— 
blick einer Fluthwelle und stieg zu einer ungewöhn⸗ 
lichen Höhe. Die am Hafeneingange vor Anker 
ciegenden Holzschiffe wurden dabei so stark bewegt, 
daß ihre Maste wiederholt das Wasser berührten. 
In der Stadt und der nächsten Umgebung wurde 
namhafter Schaden angerichtet, Gartenmauern wur—⸗ 
den von der Gewalt des Windes, umgeworfen und 
diele Schaufenster eingedrückt oder vom Hagel zer— 
schlagen. Im Volksgarten wurde der Musikpavillon 
gehoben und etwa 60 Fuß weit fortgeschleudert. 
Das zum Andenken an die im Zulukriege gefalle— 
nen Mannschaften des Kriegsschiffes „Active“ er—⸗ 
richtete Marmordenkmal wurde umgestürzt. Dem 
Seestrande entlang scheiterten viele Boote, und die 
Bade⸗Cabinen, gleich der Hängebrücke erlitten großen 
SZchaden. 
FGaäringsfang.) An der englischen Küste 
war derselbe dieses Jahr so ergiebig wie seit Men— 
ichengedenken nicht. 
.GPraktisch.) Der hochweise Gemeinderath 
von Cividale (Oberitalien), in welchem Städtchen 
die Wiege der Bühnenkönigin Adelaide Ristorie einst 
tand, hat vor Kurzem den Beschluß gefaßt, seiner 
zefeierten Landsmännin ein Monument auf dem 
Marktplatze daselbst zu errichten. Da jedoch die 
Ztadtkasse von Cividale jetzt nicht über die zur Er—⸗ 
ichtung eines Monumentes erforderliche Summe 
verfügt, so hat der Gemeinderath zugleich beschlossen, 
sich an Madame Ristori zu wenden, damit sie die 
Auslagen für dieses Monument bestreite. Madame 
Ristori lachte über diesen naiven Antrag, schickte 
aber doch das nöthige Geld nach Cividale. — Na— 
türlich! 
f.Cändlich sittlich) Der Russ. Kur. 
erzählt, daß sich in einigen Dörfern des Kreises 
Ljubim (Rußland) bis jetzt die alte Sitte erhalten 
hat, sich die Braut zu „kaufen“. Wer sich heirathen 
will, ist der Sitte gemäß verpflichtet, den Eltern 
Braut nach gegenseitiger Uebereinkunfl eine gewisse 
Summe zu zahlen. Der höchste Satz pflegt 100 
Rubel zu sein. 
F GEine Mal-Tournée.) Die Amerikaner 
sind praktische Leute. Impresarii, welche, Bären⸗ 
führern gleich, Schauspieler und Sängerinnen von 
Stadt zu Stadt transportiren, gibt es bei uns in 
Deutschland auch schon lange. Jenseits des Ozeans 
beschränkt man sich jetzt nicht mehr allein auf die 
Jünger Thaliens, sonderu hat diesen Industriezweig 
auch auf die Maler ausgedehnt. Ein Impresorio 
aus San Francisco hat, wie dem „D. Mtgs⸗Bl.“ 
geschrieben wird, einen in München lebenden, aus 
Amerika stammenden renommirten Portraitisten für 
p*Monuate gegen ein sehr bedeutendes Honorar 
und völlig freie Station engagirt, wogegen sich der 
Künstler verpflichten mußte, in allen von dem 
Unternehmer bezeichneten Städten (New⸗· York, San 
Francisko, Cincinnati, Chicago, Portraits derjenigen 
Personen anzufertigen, welche ihin vom Impresaris 
bezeichnet werden. Der berühmte Herkommer aus 
dondon hat auf seiner unlängst beendigten ameri⸗ 
lanischen, auf diese Weise arrangirten Mal⸗Tour⸗ 
née“ die kolossale Summe von 240,000 Mark in 
drei Monaten verdient. Wieviel mag wohl nun 
noch der Gewinn des Impresario betragen? 
F Einneues Naturwund'er.) Zwei 
Kapitalisten aus Omaha in Nebraska und ein 
Bankier aus Butte, Montana, haben den Wasserfall 
„Big Shoshone“ in Idaho und dessen Umgebung 
käuflich an sich gebracht. Noch vor wenigen Mo⸗ 
naten wußte Niemand etwas von der Existenz dieses 
dataraktes, als einige Jäger, die ihm bis auf 
*4 Meilen nahe gekommen waren Neinen Strom 
aus den Felsen in die Tiese stürzen, Schaum und 
Wasserstaub aufsteigen sahen und das tosende 
Brausen des Falles hörten. Näher an den Fall 
jinanzukommen, verbot das felsige Terrain. Durch 
dieses hindurch wurde ein bequemer und sicherer 
Weg gesprengt und vollendet. Der Snake⸗River 
Schlangenfluß), welcher den Fall bildet, ist dort 
ein tiefer und mächtiger Strom und stürzt in einer 
Breite von 1300 Fuß und aus einer Höhe von 
210 Fuß in das Wasserbecken, das er im Laufe 
der Jahre zu beträchtlicher Tiefe ausgewaschen hat 
und aus dem der Strom seinen ruhigen Lauf 
weiter forisetzt. Die Umgebung besteht aus Lava— 
felsen, doch befinden sich in der Nahe des wilden 
und zerklüfteten Terrains die herrlichsten Grasflächen 
mit schattigen Baumgruppen und kühlen Quellen. 
Drei Meilen oberhalb des „Big Shoshone“ befinden 
ich die „Zwillingsfälle“, in denen der Snake-River, 
durch einen vorspringenden Felsen getheilt, 180 Fuß