Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Landau, 25. Nov. Letzte Nacht wurde 
zwischen Queichheim und Bahnhof Landau ein 
Mädchen von ihrem, in letzter Zeit verschmähten 
diebhaber durch ein Pistolenschuß in den Leib und 
durch Hiebe auf den Kopf derart verwundet, daß 
an seinem Aufkommen gezweifelt wird. 
Bobenheim, a. Bg., 25. Nod. Es 
scheint gerade, als ob sich Alles gegen die Prophe⸗ 
zeiungen des „berühmten“ Dr. Overzier in Köln 
berschworen hätte. Nicht blos, daß dessen letzter 
Wahrspruch auf Frost zur Wärme geworden ist, 
findet auch der Ackerer M. Weber von hier gleich⸗ 
zeitig fünf muntere Maikäfer, die des Vorge⸗ 
hannten Wissenschaft nur um so mehr zu Schanden 
machen, so daß derselbe gar nicht erst noch durch 
die Meteorologen abgethan zu werden braucht. Von 
blühenden Kornähren, welche uns Ackerer Reeb 
bon Erpolzheim übersandte, reifen Erdbeeren 
und Himbeeren zweiter Frucht gar nicht zu reden! 
(Dürkh. Anz.) 
— Ludwigshafen, 23. Nov. Der Glocken⸗ 
gießer Götzger zahlte den Eltern der beiden infolge 
des am 255 August l. Is. stattgehabten Glocken— 
sturzes verungluͤckten Knaben die Summe von 
2090 Mark, und zwar 1500 Mk. als Entschädigung 
für den am gefährlichst getroffenen Schröck, nebst 
Bezahlung aller waͤhrend der ersten Jahren nach 
dem Unglücke entstehenden Kosten für ärztliche Be⸗ 
handlung, sowie 500 Mark für den erheblich weniger 
beschädigken Seidenthal, welchem noch die Kosten 
für ärztliche Behandlung bis zum 1. Januar nächst⸗ 
hin vergütet werden. Auch der katholische Fabrik⸗ 
raih hat einem jeden der beiden Kuaben die Summe 
don 100 Mk. als Zulage bewilligt. Verdient alle 
Anerkennung! Schröck wird noch einige Zeit zu 
„pflästern“ haben, Seidenthal ist wieder wohlouf 
Vermischtes. 
München, 285. Novb. Daß die Großbraue⸗ 
reien, namentlich in München, im allgemeinen sehr 
gute Geschäfte machen, ist bekannt. Die Regel hat 
aͤber auch eine Ausnahme. Aus dem Geschäftsbe⸗ 
richt der „Brauerei zum Münchener Kindl“ für das 
Betriebsjahr 188283 ersehen wir, daß in derselben 
das Beltiebs⸗Ergebniß sich infolge verschiedener Um— 
stande sehr unguͤnstig gestaltet hat. Es hat sich 
hur ein Brutto Gewinn von 4818 Mark ergeben 
und dieser soll nach Antrag des Verwaltungsrathes 
incl. des Vortrages aus dem Vorjahr mit 1910 
Mark 57 Pfg. mit 6728 Mark 57 Pfg. auf neue 
Rechnung vorgetragen werden; irgend welche Divi⸗ 
dende kann sohin für das abagelaufene Jahr nicht 
bestimmt werden. 
Elversberg, 25. Nob. Vor einigen 
Tagen hat sich hier ein künstlich in Szene gesetzter 
Teufelsspuk mit leider sehr tragischem Aus⸗ 
gange zugetragen. In einem hiesigen Wirthslokale 
sitzen, wie mir erzählt wird, ein etwas angetrunkener 
Mann und drei junge übermütige Burschen, welche 
ersteren zu hänseln anfangen und ihm begreiflich 
zu machen suchen, daß er sich dem Teufel ver⸗ 
schreiben müsse, — jedoch mit seinem eigenen 
Blute. Letzteres liefern sie bald, indem sie ihn 
leicht verwunden. Mit einer davon gefüllten Feder 
muß er dann die Verschreibung durch Namesunter— 
schrift vollziehen. Aber damit nicht genug, einer 
der Burschen schwärzt sich heimlich Gesicht und 
Hände, und was er sonst gethan haben mag, um 
uͤch teufelsähnlich zu machen, und erscheint dem 
Manne, als er das Lokal verlassen hatte, draußen 
als Teufel. Der davon empfangene Schrecken — 
und das ist das tragische Ende des unqualisizier— 
baren Bubenstückes — hat dem Manne ein p lötz⸗ 
liches Ende bereitet. Es verlautet, daß bereits 
eine gerichtliche Untersuchung an Ort und Stelle 
statigefunden hat. (Saar. u. Bl.“Ztg.) 
Hermeskeil (Regierungsbezirk Trier), 21. 
Nob. Ein Buchbindergeselle, Namens Krafft, 
der sich im Laufe dieses Frühjahres vorübergehend 
bei Herrn Buchbinder Schuh dahier aufhielt, hat 
in einer Geldlotterie 20,000 Mk. gewonnen. Der 
Glückliche ist aber nicht zu finden; seitens der 
Polizei wird deßhalb nach ihm recherchirt. Von hier 
foll er sich nach Baumholder begeben haben. 
Straßburg, 21. Nov. Die Sammlung 
für die Familie des ermordeten Provisors Franz 
Lienhardt ergab bis jetzt über 20,000 Mt. 
Der deutsche Apothekerverein sammelte 4000 Mt. 
Aus Stuttgart, 24. Nov., wird dem 
„Fr. J.“ geschtieben: In der Raubmord⸗Affaire 
find leider bis zur Stunde keine Spuren der ent⸗ 
wichenen Mordagesellen zu verzeichnen. Gestern wurd⸗ 
der tödtlich verwundete Oettinger sehr schwer operirt, 
denn ein Schädelbruch von der Größe eines silbernen 
Fünfmarkstücks mußte gehoben werden, um den Drud 
duf das Gehirn zu beseitigen; dadurch trat allerdinge 
ine momentane Erleichterung des Zustandes ein, 
allein es fragt sich, ob unter der blosgelegten harten 
Hirnhaut keine Blutaustretungen vorhanden find 
der in deren Umgebung Es ist zu verwundern, 
daß bei der Schwere und Formation der Instru—⸗ 
nente nicht der sofortige Tod Oettinger's eintrat 
Zwei der Mordwaffen sind mit Blut befleckt, die 
beiden anderen kamen gar nicht in Action. Das 
zweite Opfer des Raubanfalls, Bankier Heilbronner, 
hefindet sich auf dem Wege der Herstellung. 
4 Wie raffinirt die Stuttgarter Raub— 
mörder zu Werke gingen, das beweist, daß sie Höllen⸗ 
naschinen trugen, und zwar eine im Hut und eine 
andere auf der Brust. Wären die Kerls bei dem 
lleberfall uüberrascht worden, so hätten sie wahr— 
scheinlich ihre Hüte unter die Leute geschleudert, 
um beim Wirrwar durch die Explosion zu entkommen. 
Der in Pforzheim verhaftete Baum saß mit einem 
indern Reisenden in einer Abtheilung zweiter Klasse. 
Frst 10 Minuten vor Ankunft des Zuges war die 
Polizei von dem Raubanfall verständigt worden, 
iber die telegraphischen Angaben lauteten sehr un⸗ 
hestimmt. Gendarmerie und Polizei umstellten den 
Zug, der vor der Revifion von keinem Reisenden 
verlassen werden durfte. Als nun ein Gendarm 
an die betreffende Abtheilung kam, glaubte er in 
dem einen Reisenden einen der Signalisirtend zu 
erkennen. Auf die Frage, woher er komme, ant—⸗ 
wortete der Betreffende: von Heilbronn. Da nun 
das Billet den Stempel Stuttgart krug, wurde 
Baum alsbald verhaftet und über das Geleise in 
das Bahnhofgebäude geführt. Vor der Thüre des 
Gebäudes griff Baum nach seinem in der Brust⸗ 
tasche steckenden Revolver; die Gendarmen fielen 
ihm in den Arm und rissen ihn zu Boden. Dabei 
fiel dem Verbrecher der Hut vom Kopfe und zwar 
auf den Rand. Während des Ringens entlud sich 
die Maschine auf der Brust Baum's, woher es 
kommt, daß er selbst die meisten Verletzungen davon 
trug. Zufällig trat einer der Polizisten auf den 
Hul, und so erfolgte die zweite Explosion, durch 
welche mehrere Gendarmen und Polizisten, glücklicher 
weise ungefährlich, verletzt wurden. . 
4 Ein wohlhabender, in Frankfurt a. M 
ansässiger Bankier ist seit langer Zeit durch ge— 
jchäftliche Angelegenheiten genöthigt, alljährlich 
mehrere Male nach Paris zu reisen und sich daselbst 
ein Paar Wochen aufzuhalten. Da pflegt er denn 
sich nach des Tages Last und Hitze ab und zu in 
den Strudel des high life der Boulevards zu 
stützen. Daneben aber vergißt er keinen Tag 
seiner zärtlich geliebten Gattin daheim brieflich 
Mittheilungen von seinem Befinden zu machen. 
Weiß sich nun der Herr Bankier — er ist ein 
Mann von echtem Schrot und Korn und großer 
Wahrheitsliebe — rein von Schuld und Fehle — 
so unterzeichnet er den Brief an seine bessere Hälfte: 
„Dein treuer Alfons“; ist es dagegen mit seinem 
Gewissen nicht ganz rein bestellt, so lautet die 
Uaterschrift: „Ton fidêle Alfonse.“ Gesprächsweise 
erzählte die Dame einer jugendlichen Freundin von 
dieser feinen Distinktion in den Unterschriften ihres 
Gatten, und da — ein Spiel des Zufalls — sich 
der Gemahl dieser Freundin augenblicklich ebenfalls 
in Geschäftsangelegenheiten in Paris befand, so 
hatte die ebenso vorsichtige als geistreiche junge 
Frau nichts Eiligeres zu thun, als sofort an ihren 
geliebten Arthur zu telegraphiren: „Sei treu und 
idèle, mais pas trop fidel!“ 
7In Bockenheim bei Frankfurt wird seit 
14 Tagen das Rindfleich zu 40 Pfq. per Pfund 
verkauft. 
Bremen, 24. Novb. Herzog Johann 
Albrecht von Mecklenburg⸗Schwerin ist von einer 
Reise um die Welt zurückkommend, heute mit 
dem Lloyddampfer „Werra“ von NewNYork bier 
eingetroffen. 
Berlin. Der Magistrat hat am Freitag 
instimmig einen mit der deutschen Edison-Gesell— 
chaft abgeschlossenen Vertrag wegen elektrischer 
Beleuchtung eines großen Theils von Berlin 
genehmigi; ein 16kerziges Glühlicht kostet danach 
120 Mi. jährlich. Der Vertrag gilt 30 Jahre; 
derselbe ist nun zur Genehmigung an die Stadt— 
verordueten gegangen. 
Zwei Veteranen aus den Frei— 
heitskriegen, die beide anno 1813 als frei— 
willige Jäger eingetreten, beide die Waffe alsbal 
mit dem Signalhorn vertauscht, beide die Haupt- 
schlachten in den Befreiungskriegen mitgemacht, beide 
jetzt in Berlin, ohne etwas von einander zu wissen 
in ganz erträglichen Verhältnissen leben und beid⸗ 
in der nämlichen Woche ihren 91. bezw. 93. Ge— 
burtstag feiern — das ist gewiß ein seltenes und 
der Erwähnung würdiges Kriegerpaar. Der eine 
der beiden Veteranen, der pensionirte Briefträger 
Herr Heinrich Hardix, feierte am 18. ds. Mis 
seinen Y1., der zweite der Veteranen, der königlich— 
Kammermusikus a. D. Herr C. Bagans, feiert⸗ 
vorgestern, am Sonntag, seinen 93. Geburtstag. 
F(Ein Tanzvergnügen.) Wir, lesen is 
Schorer's Familienblatt: Die lebenslustige, jung. 
Frau eines bereits bejahrten Handwerkers möchte 
gern an einem Tanzvergnügen theilnehmen, wozl 
der Gatte aber seine Einwilligung nicht geben will 
Die Frau wendet alle ihre Ueberredungskünste auf 
gelangt schließlich bis zu Thränen, daß der Mann 
— wer kann Weiberthränen widerstehen — sich 
endlich erweichen läßt. Die Bedingung knüpft er 
jedoch an sein Zugeständniß, daß seine Frau un 
acht Uhr wieder zu Hause sein muß. Voll Freud⸗ 
eilt diese zum Taänze und der Mann bleibt alleip 
zurück. Die gestellte Frist ist indessen längst ver— 
strichen und erst um zehn Uhr vernimmt der Meister 
vor dem Hause die Stimme seiner Frau, welcht 
von ihm den Hausschlüssel verlangt. Der Meisten 
zffnet das Fenster und schaut, sein Pfeifchen 
hehaglich schmauchend, hinunter, ohne jedoch den 
Wunsch seiner Frau zu erfüllen. Diese ruft wieder 
holt — der Mann bleibt unbeweglich. Sie bittet 
schmeichelt, droht, weint — der Mann lacht. E⸗ 
ist aber Winter, draußen ist eine grimmige Kälte 
und frierend hüpft die arme Frau von einem Beir 
auf das andere. Nachdem der Gatte sich lang 
zenug an dem Anblick geweidet, ruft er herunter 
Siehst du, Lenchen, hast du von fünf bis zehr 
Uhr zu deinem Vergnügen getanzt, kannst du von 
zehn bis zwölf Uhr zu meinem Vergnügen tanzen. 
Geichsgerichts-Eatscheidung.) If 
ein Arrest zur Zeit seiner Anordnung und Voll— 
ziehung begründet gewesen, so kann nach einen 
Üriheil des Reichsgerichts, J. Civilsenats, von 
27. Oklober 18883 der sodann thatsächlich erfolgt 
Wegfall des Arrestgrundes die durch die Arrest 
legung erworbenen Rechte nicht wieder entziehen 
Dieser Entscheidung liegt folgender Thatbestand zi 
Brunde: Kaufmann Z. hatte gegen die Handlungs 
firma A. u. G. in Essen, über deren Vermögen 
später, am 30. Oktober 1882, der Konkurs eröffne 
ist, zur Sicherstellung einer unbestrittenen Wechsel 
orderung einen dringlichen Arrest in Höhe vor 
3500 Mt. in das Vermögen der Firma A. u. G 
insbesondere in deren Waarenlager, nachgesucht 
velcher durch Beschluß des Amtsgerichts Essen vom 
3. Oktober 1882 angeordnet und am 6. Oktober 
1882 durch Pfändung vollzogen wurde. Nachdem 
der Konkurs inzwischen eröffnet worden, legte der 
Konkursverwalter am 10. November 1882 Wider 
spruch gegen den Arrestbeschluß ein und beantragte 
den Arresübeschluß vom 58. Oktober 1882 anuf die 
auf Grund dieses Beschlusses vom 6. Oktober 188 
staltgehabte Pfändung aufzuheben, weil der Arrest 
gzrund, daß die Firma A. u. G. ihre Waarenbe⸗ 
stände zum Nachtheile der Gläubiger verschleuderr 
könnte, durch die Konkurseröffnung und die dami 
verbundene Entziehung des Waarenlagers der Di⸗ 
positionen des Kridars beseitigt worden sei— Dit 
Konkursmasse wurde in beiden Instanzen abgewieser 
und die von ihr eingelegte Revision wurde nom 
Reichsgericht zurückgewiesen. 
Wird zwischen einem Gläubiget 
und einem Schuͤldner ein Stundungsvertrag übe 
des Letzteren Schuld vereinbart, so muß nach einen 
Erkenniniß des Reichsgerichts, dieser Vertrag schrift⸗ 
lch abgeschlossen werden, sobald sich die Schuld au 
einen höheren Betrag als 180 Mt. beläuft. 
Gaftpflicht aus 83120 der Ge 
werberOrdnung.) Derselde sagt im Abschnit 
3. Die Gewerbe Unernehmer sind verpflichtet, al 
diejenigen Einrichtungen herzustellen und zu unter⸗ 
halten, welche mit Rucksicht auf die besondere Be 
schaffenheit des Gewerbebetriebes und der Betrieb⸗ 
atte gu thunlichster Sicherheit gegen Gefahr fü 
Ldeben und Gesundtheit nothwendig sind ꝛtc. — 3J 
der Fabrik des X. zu Qu. müssen sämmtliche Ar 
beiter beim Verlassen der Arbeit einen Raum pa 
siren, wo ein großer Bottich eingelassen ist, 
welchem sich siedende Zuckermasse befindet. Di 
Arbeiter sollen sich beim Durchgehen an ein ang 
ian Seil'anfassen. damit sie nicht durch Aus