anonyme Briefe, welche Conrads Alibi zu erbringen
seiner gewohnten energischen Manier erklärte, ein
Deuter“, auf den hin manche Offizieren, „freiwillig
in Pension gehen müssen““, existire nicht. (Es
handelte sich damals um einen sehr verdienten Ar⸗
tillerieoffizier.) Höchlich erstaunt muß man nun
sein, daß General Heilmann in Folge einer Diffe⸗
renz mit einem um zwei Grade hoheren Offiziere
in Pension gehen soll. Heilmann ist bekanntlich
einer der begabiesten Truppenführer und sicher der
hervorragendste militärische Schrifsteller in Bayern;
ecr hat als zweiter Generalstabsoffidier des Generals
Frhr. v. Hartmann im Kriege 1870,71 ganz Be—
deutendes, namentlich vor Paris geleistet und wurde
mit 14 Orden und Denkzeichen ausgezeichnet. Allen
Armeekorpsangehörigen hat er durch seinen „Antheil
des II. bayerischen Armeekorps am französischen
Feldzuge 1870771“ ein werthvolles Andenken ge⸗
widmet Wir bedauern aufrichtig das Scheiden
dieses bei den Offizieren und Mannschaften gleich
deliebten Truppenführers.
— Ein jüngerer Rechtsanwalt in München
hatte in einem Sitzungssaal aus den Boden gespuckt
nd wurde deshalb vom Einzelrichter zu Rede gestellt.
Der Delinquent soll sich zu einem Gerichtskostenvor—
schuß von 2 Mk. erboten haben, wenn auf dies
Verunreinigung Gerichtsauslagen erwachsen sollten.
Freising, 27. Nov. Eine ganze Ortschaft
ist vernichtet! so wird bald die Chronik von Wip⸗
penhausen berichten können, denn der Ort Ober⸗
berghausen ist dem Abbruch verfallen. Der Anfang
wird mit der Kirche gemacht, an der nichts Vierk⸗
würdiges ist als ein alter Holzplafond; daun folgen
die vorhandenen vier Bauernhöfe nach. An ihrt
Stelle tritt eine stattliche Weidenplantage.
GEine Abfertigung.) Das Vaterland
erzaͤhlt: Irgendwo im Bayernlande schaltete ein
gar gestrenger Amtmann, der die Gewohnheit hatte
aͤlle aͤngelaufenen Schreiben auf ihre Orthographie
zu prüfen und wenn sie vor seinem scharfen Auge
die Probe nicht bestanden, mit rothen Strichen ver⸗
sehen, zur Correktur zurückzuschicken. Eines Tages
lief ein Schreiben ein, in welchem das Wort
Quatemper“ vorkam; nach wenigen Tagen kam
es zurück mit einem rothen Striche unter diesem
Worte zur Correktur; der gestrenge Herr begutachtete,
mit b müsse es geschrieben werden. Aber der
schlagfertige Absender replicirte: „Quatember kommt
het von quatuor tempora und darum schreibt man
3 ebenso mit p wie das Wort Impertinenz! Hoch—
achtung!“ — Von jener Zeit an sollen keine Schreiben
mehr zur Correktur zurůckgeschickt worden sein.
Das „Central⸗Komité zur Errichtung eines
Landesdenkmäles für die im Kriege 1870/71 in
Frankreich gefallenen Bayern“ hat bei der Kammer
der Abgeordneten eine Petition um Gewährung
eines Siaatszuschusses im Betrage von 20. 000 Mk
eingereicht.
Friedrichsthal, 27. Nov. Die hiesige
evang. Gemeinde hat in diesen Tagen die Huld
Sr. Maj. des Kaisers und Königs in hohem Grade
zu erfahren Gelegenheit bekommen, indem ihr von
Allerhöchst demselben ein Pfarrdotationskapital von
12,000 Mtk. als Geschent überwiesen ist, dessen
Zinsen einen Theil des Pfarrgehaltes bilden sollen.
F St. Johann, 27. Nov. Am Samstag
wurde bei der Kassenrebision des Eisenbahn⸗Con—
sumvereins eine Differenz von 6000 Mk. entdeckt
7 Kleinblittersdorf, 25. Nob. In vor—
letzter Nacht brachen Diebe durch das Fenster in
die Sakrisiei der Kirche zu Hanweiler ein. Sie
entwendeten nach der „Tr. Ztg.“ die Gefäße mit
dem hl. Oele, zwei Chormäntel, die Segentücher
Velum), überhaupt alles, woran sich Sammet vor⸗
fand. Auch die Meßgewänder hatten die Diebe
mitgenommen. Bei Verfolgung der Spur fand man
jedoch diese draußen auf dem Felde wieder. Der
Sput nach zu schließen, maren zwei Leute an dem
Einbruch betheiligt.
FStraßburg, 27. Novbbr. Die gestern
Abend halb 7 Uhr vom hiesigen Bahnhof über
Ruprechtsau nach Schiltigheim abgefertigte Kariol⸗
Poft ist unterwegs räuberisch angegriffen worden.
Zwischen Ruprechtsau und Schiltigheim nämlich
wurde der Postillon von zwei Strolchen angefallen,
die, wie ihm schien, sich das Gesicht geschwärzt
hatten. B.c eine Strolch fiel dem Pferde in die
Zugel, waährend der andere sich hinten am Schloß
zu schaffen machte. Der Postillon versuchte mit
aller Gewalt die Räuber abzuwehren; das Pferd
bäumte sich dabei, und so gelang es dem Poitillon
urchzufahren
f Karlsruhe, 28. Nov. Vor dem hiesigen
Landgericht wurde heute die Entschädigungsklage
verhaudeli, welche fünf elsässische Familien, die bei'm
Hugstetter Eisenbahnunglück ihre Ernährer verloren
hatlen, gegen die großherzogliche Generaldirektion
anstrengten. Geklagt haben 1) Metzgermeister Gsell
'n Colmar, der seine 26jährige Frau und einen
Sohn von 523 Jahren verlor und selbst nicht un—
exheblich verletzt wurde, auf 34,000 Mark. Der
Auwalt der Angeklagten will nur 500 Marfk
Jjeben. 2) Die Hinterlassenen der getödteten Ehe
eute Schnell auf 6000 Mark und eine jährliche Rente
»on 400 M. Die Verklagte will nur 400 Mk. Rentt
zeben. 3) Die zwei hinterlassenen Töchter des
fammt einer dritten Tochter getödteten Steuer—
einnehmers Immer auf 22,000 Mk. Die Beklagte
vill bis zum Nachweis der Bedürftigkeit gar nichts
Jeben. 4) Die Mutter eines getödten jungen
Mannes, Wittwe Schaffmann in Colmar, auf
16,000 Mark. Die Beklagte will natürlich gar
aichts geben. 5) Wittwe John mit drei kleinen
Kinder, deren Gatte bezw. Vater getödtet wurde
auf 50,000 Mk. Die Beklagte will eine jährliche
Rente von 900 Mk. geben. Das Urtheil wird in
icht Tagen verkündet werden. Weitere Prozesse
joigen nach, obwohl die großherzogliche Generaldi—
reklion mit viclen Beschädigten bereits Vergleich
abgeschlossen hat.
Man freut sich in Rothenburg a. T
in Kaffeekränzchen und an Biertischen ungemein
äber einen Rattenfänger, der nach Hersbruck ver—
sauft worden war und, von Heimweh getrieben
den 115 Kilometer langen Heimweg ohne General—
tabskarte fand.
F Aus dem Rheingau, 27. Nop. Das
zoͤchste Mostgewicht erreichte dieses Jahr die k. Do—
mäne auf dem Steinberg, Gemarkung Hattenheim,
rämlich 162 Grad Oechsle, mithin noch 17 Grad
nehr als im Rüdesheimer Berg. In 1868, den
dauptweinjahr, war bei einer Auslese dortselbf
sas höchste Mostgewicht 165 Grad, mithin noch 8
Hrad mehr, als heuer. Das damals ausgelesene
Stück lagert noch und wird dessen Preis auf 25
Mark per Liter taxiert. — In Geisenheim wurde
dor einigen Tagen von dem Gutsbesitzer N. Burgeff
an eine Frankfurter Weinhandlung ein halbes Stüd
1865er Wein zu 6000 Mk. verkauft. ae
F (Auch eine Kinderfreundin) Im
Haupt⸗Annoncenblatt“ für Barmen-Elberfeld be—
findet sich folgendes Gesuch: „Gegen anständige
VBergütung sucht eine hochgestellte DTame täglich auf
mehrere Stunden einige wohlgesittete, gutgekleidete
Kinder, um einer kränklichen Katze die Zeit zu
vertreiben.“
F In Montabaur Massau) ließ König
Wilhelm sich als Pathen des Wilhelm König, des
7ten Sohnes des Bergmannes Wilhelm König
ins Taufbuch eingetragen.
F Eine seltsame Wirkung hatte das kürzlich get
Jogene große Loos der sächsischen Landeslotterie in
Greiz ausgeübt. Dort hatte der schon betagte
Hausknecht eines Gasthofes für einen Reisenden
aus Düsseldorf das Loos aus der Kollekte besorgt
und der Reisende hatte mit den einzelnen Zenteln
Handel getrieben. Jetzt blieb ihm selbst natürlich
das Nachsehen und der Hoteldiener wurde über den
Fall irrsinnig. *
F (Auszeichnung.) Dem Verleger der
hekannten Flora von Deutschland von d. Schlech⸗
tendal-Hallier ꝛc. Fr. Eugen Köhler in
Gera⸗Untermhaus, wurde wegen der Vorzüglichkeit
eines botanischen Verlags von der Jury der Ersten
internationalen pharmaceutischen Ausstellung in
Wien die „Goldene Medaille“ verliehen.
4 Zur Affaire Conrad, so lesen wir im „Ber—
iner Tageblatt“, geht in Berlin das Gerücht
im, daß ein naher Verwandter des hingerichteten
Familienmoͤrders (der bekanntlich Frau und vier
dinder umgebracht haben soll), anläßlich einer
chweren Erkrankung das Geständniß abgelegt, daß
er es gewesen sei, welcher den entsetzlichen Mord
ausgefuͤhrt habe, wegen dessen Conrad zum Tode
»erurtheilt worden ist. Was an diesem Gerüchte
Thatsächliches ist, konnten wir noch nicht ermitteln;
»och sind, wie wir erfahren, polizeiliche Recherchen
zarüber im Gange. So unwahrscheinlich nun die
Sache auch klingen mach, so mag das Gerücht doch
einige Nahrung aus dem Umstande gesogen baben
daß während der Untersuchung und Verhandlung
zegen Conrad von eben diesem nahen Verwandten
zezw. von dessen Frau wiederholt versucht worder
stt die Unschuͤld Conrads zu erbärten. Verschieden—
versuchten und dessen Nichtschuld beteuerten, wurden
wobl nicht mit Unrecht diesem Verwandten zuge—
schrieben; in einem Falle gelang es sogar, den direkten
Beweis dafür zu erbringen, daß die Frau dieses
Verwandten den Entlastungsbries geschrieben. Die
Thatsächlichkeit oder Grundlosigkeit des erwähnten
Gerüchtes wird sich hoffentlich recht bald aufklären.
Einen sangbaren Leitartikel naqh
der Melodie „Prinz Eugen“ widmet der Kladdera—
datsch der Madrider Reise des deutschen Kronprinzen
Die beiden letzten Strophen lauten also:
Wie maͤn nun den deutschen Helden
Hier empfing, dies thät vermelden
Männiglich der Telegraph:
Zu den Völkern in der Runde
Drang die frohe, span'sche Kunde.
Deutschland freute drob sich brav.
Doch die Kleinen und die Großen
Thäl's in Frankreich sehr erbosen
Und die Presse fluchte schier.
Unser Fritz las Frankreichs Blätter
Und sprach lächelnd: „Donnerwetter!
Dieses macht mir viel Plaisir!“
Ferner bringt der „Kladderadatsch“ folgendes
Zwiegespräch: Zwischeu Genua und Valencia
Grevy: „Warum weinst Du denn so, mein Lieb
ling?“ Gamin: „Pu⸗u⸗u⸗u⸗u⸗ uh! Wir können
nicht von hier bis an das Schiff werfen!“ Grevy:
„Na, seid nur ruhig. Nächstens lade ich euch
wieder einen nach Paris ein.“
(Reichsgerichtsentscheidun g.) Ver—
einbart ein Geschäftsinhaber mit einem Anderen,
daß dieser innerhalb einer bestimmten Zeit kein
Konkurrenzgeschäft betreibe und sich in irgend einer
Weise betheilige, so handelt dieser nach einem Urtheil
des Reichsgerichts, J. Civilsenats, vom 24. Oktoben
1883 schon dann vertragswidrig, wenn er als
Prokurist in ein Konkurrenzgeschäft eintritt und
sich in dieser Stellung an der Führung des Ge—
schäfts betheiligt.
Wien, 25. Nov. In der Hauptallee im
Prater wurden heute Nachmittags die Pferde einer
Privat⸗Equipage scheu und rasten die Aller auf
wärts, ohne daß der Kutscher die Thiere bändigen
konnte. Eines der Pferde gerieth mit dem Bein
iiber die Deichsel und die Insassen des Wagent
schwebten in ziemlicher Gefahr, als der Herzog vor
Braganza und Herzog Karl Theodor in Bahyern,
die eben im Prater promenirten, den Thieren in
die Zügel fielen und sie zum Stehen brachten.
F üeber den Zusammenstoß der Schiffe
„Rhoͤne“ und „Schwan“ bei Thonon auf dem
Genfeesee werden noch herzzereißende Einzel-⸗
heiten mitgetheilt. So wollte es ein seltenes Ver—
hängniß, daß die Familie des Kapitäns des ‚Schwan
mit der ,Rhone“ gefahren war und mit ihr unter⸗
ging. Ein Reisender hatte beim Zusammenstoß so⸗
gleich mit großer Geistesgegenwart in der Dunkel⸗
heit nach seiner Frau gegriffen und mit der Lasi
den Sprung auf den „Schwan“ gewagt — als er
zum Licht kam, bemerkte er, daß er anstatt seiner
Frau eine savoyische Bäuerin gerettet hatte! Der
Mann soll wahnsinnig geworden sein.
4 Man schreibt der Allg. Z. von Paris
Auf den Boulevards, in den vornehmsten wie in
den geringeren Vierteln, überall sind neue großartig
Bierhäuser in deutschem Style eröffnet, und Hof⸗
hräuhaus, Spatenbräu, Löwenbräu und ähnliche
Münchener Namen prangen unübersetzt übe
ihren Thüren. Daß sie alle guten Zuspruch haben
zeugt wohl für die Abwesenheit jeglichen Vorurtheil⸗
bei dem Publikum. Die Zahl dieser Etablissement:
mehrt sich dabei mit jedem Tage.
Brüssel, 26. Nov. Von der Kaiseri⸗
Charlotie, der Schwester des Königs der Belgier
Witiwe des Kaisers Maximilian von Mexiko, wirt
in belgischen Blättern versichert, daß ihr Geistes⸗
justand sich seit 5 Monaten wesentlich gebesser
jabe, so daß die Aerzte wieder anfingen, zu hoffen
Die Kaiserin steht im Alter von 48 Jahren, sieht jedod
viel äller aus. Zahlreiche weiße Haare durchzieher
ihren reichen Haarwuchs. In ihrem Gesicht präger
sich ihre hefüigen Seelenleiden aus. Sie ist sehr
abgemagert, ihre Stirne mit Falten durchzogen
Nur ihre Augen haben die frühere Lebhaftigkeit und
Armuih bewahrt. Der Konig uud die Konigir
der Beigier machen auf dem Schlosse Bouchoute
wo die Kaisetin wohnt, häufig Besuche.
pUeber das Stiergefecht, welches an
Sonntag Nachmittag um 2 Uhr zu Ehren de—
drutschen Kronbrimen in Madrid statifand, berichte