St. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs
Hlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1I.AM 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.4 73 H, einschließlich
O ⸗ Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei auferpfälzischen und solchen
auf welcht die Expedition Auskunft ertheilt, 13 , bei Neclamen 30 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet.
M 244.
Politische Uebersicht.
Deutsches Neich.
Der Reichskanzler hat den neuen Entwurf
num Unfall-Versicherungs-Gesetz dem Vernehmen
jach gebilligt und dürfte derselbe bis zum Zusam⸗
nentritt des Reichstages auch in seinen Einzelheiten
ertiggestellt sein. Hoffentlich iit dem neuen Ent—
vurf ein besseres Schicksal beschieden, als seinen
»eiden Vorgängern.
GZtur Reise des deutsichen Kron⸗
prinzen nach Rom.) Daß die Nachricht
on der Reife des deutschen Kronprinzen, der
eit nun dierzehn Tagen unter den erfreulichsten
lmständen in Spanien weilt, von dort nach
tom mit einer gewissen Ueberraschung aufge—
ommen wurde und sich in Hinblick auf die
igenthümliche Lage des Kirchenstreites sogar Ge
uchte von einer Mission des Kronprinzen beim
bapste tnüpften, durfte in mancher Beziehung
atürlich erscheinen. Freilich ist nun aber gerade
asjenige nicht wahr, was man an eine angebliche
irchenpolitische Mijsien des Kronprinzen in Rom
nüpft. Der Besuch des Erben der deutschen
daiser⸗ und preußischen Königskron in der Haupi⸗
jadt Italiens gilt in erster vinie seinem königlichen
rreunde und dem in politischer und persönlicher
zreundschaft auch dem Kaiser Wilhelm verbundenen
könig Humbert von Italien und dessen erlauchter
fFamilie und wenn man will, auch dem italien⸗
schen Volke, welches bereits neulich in Genug für
nen deutschen Kronprinzen so herzliche Sympathien
in den Tag legte. Daß der kronprinzliche Bejfuch
a erster Linie diesen Zweck hat, geht schon darans⸗
jervor, daß für den Kronprinzen im Quirinal, im
oniglichen Residenzpalaste in Rom, mehrere Be—
uchszimmer eingerichtet werden und der königliche
)of in Italien bereits darüber unterrichtet ist, daß
er deutsche Kronprinz am 17. oder 18. Dezember
u Rom eintreffen wird. Der Aufenthalt des hohen
derrn in der ewigen Stadt dauert auch nur zwei
der drei Tage, da der Kronprinz zu Weihnachten
vieder in der Heimath und im Kreise seiner Fa—
nilie zu sein wünscht.
So darf man getrost die Reise des Kronprinzen
uch Rom auf einen Alt persönlicher Freundschaft
ad Courtoisie zurückführen, wobei es allerdings
elbstverständlich ist, daß der Kronprinz auch im
damen seines hochbefaglten und an weiten Reisen
ꝛerhinderten kaiserlichen Vaters in Rom erscheinen
ind entsprechende Worte im Namen von Deuisch⸗
inds Kaiser und Reich an Jialiens Souverain,
er fich als ein aufrichtiger Bundesgenosse im Frie⸗
enéͤbunde gezeigt hat, richten wird.
Moglich ist es aber auch, daß der deutsche Kron⸗
rinz während seiner Anwesenheit in Rom dem
erhaupte der katholischen Kirche einen Besuch ab—
iatten wird, denn Kronprinz Friedrich Wilhelm
pird dereinst auch Millionen Katholiken zu seinen
Interthanen zählen und es liegt deßhalb für den
ünftigten Kaiser von Deutschland sehr nahe, mit
em Oberhaupie der katholischen Kirche, das soviel
iber die Katholiken vermag, eine Begegnung zu
aben. Sollten bei derselben auch einige Worte
ber den derzeitigen Stand der Kirchenfrage in
zreußen und Deuschland fallen, so werden sie sei⸗
us des Kronprinzen gewiß sehr friedlich lauten,
der auch die Grenzen betonen, die Staat und
in Preußen und Deutschland sich gönnen
Samstag, 15. Dezember 1883.
18. Jahrg.
müssen. Der Besuch des Kronprinzen im Vatikan
gründet sich indessen vorläufig nur auf Möglichkeiten
and es ist daher besser, diesen Besuch nicht eher
wieder zu discutiren als bis er eine Thatsache ge⸗
worden ist. Im Vordergrunde der Mission des
kronprinzen in Rom kann nur sicher der Freund⸗
chaftsaustausch mit der italienischen Königsfamilie
tehen, wie wir bereits vorstehend erwähnten.
nicht in officieller Form zum König lomme und
besteht darauf, daß der Empfang im Vatican feier⸗
iich sei und daß des Kronprinzen Auffahrt dazu
nicht unmittelbar von der italienischen Königsburg
her erfolge. Es wird indessen sowohl im Quirinal
als im Vatican für den Besuch gerüstet. Die Re—
zierungskreise halten sich uber die Frage, in welcher
Form der Besuch bei'm König erfolgen werde, in
iußerster Zurückhaltung und begnügen sich, zu ver⸗
ichern, daß der Besuch zunächst ein atto di cortesia
zegen den König sei, und daß die Thatsachen selbst
alle gegentheiligen Gerüchte zerstreuen würden. Im
Quirinal herrscht kein Zweifel, datz der Papst den
Zronprinzen empfangen werde.
Rom, 183. Dez. Die Korrespondencia Stefani
neldet: Offizielle Mittheilungen der Berliner Re⸗
zierung und eine herzliche direkte Depesche des
daisers an den König Humbert erklären, der Besuch
des Kronprinzen in Rom erfolge auf Wunsch des
ttaisers Wilhelm. Der stronprinz nehme die ihm
»om Quirinal angebotene Gasftfreundschaft an.
Der Zweck der Reise sei, für den von der italien⸗
schen Bevölkerung dem Kronprinzen bereiteten Em⸗
sfang zu danken und die zwischen beiden Herrscher⸗
'amilien und Nationen bestehenden Bande immer
ester zu knüpfen.
Rom, 18. Dez. Der Kriegsminister befahl
eine Truppenrevue über 30,000 Mann vorzube⸗
reiten, welche zu Ehren des deutschen Kronprinzen
veranstaltet wird.
Wie Rußlaud in Rumänien arbeiten
läßt, davon werden der „Köln. Zig.“ Proben mit⸗
getheilt. Die „Independance Roumaine“, das
russische Centralorgan in Rumanien, schreibt täglich
in folgender Weise: „Die Politik Bratianos hat
Rumänien mit gebundenen Händen der Willkür
des Fürsten Bismarck preisgegeben und das Land
unter das caudinische Joch der deutscheösterreichischen
Politik gebeugt.“ Wohin diese Agitation zieit,
»erräth sich unter Anderem ziemlich deutlich in fol
jender Bemerkung desselben Blattes: Wir wollen
nicht untersuchen, wem die Veranwortlichkeit für
ine so ernste Lage zufällt“ (es ist von der poli-
ischen Lage Rumaniens die Rede, die natürlich in
en schwärzesten Farben geschildert wird), es kann
ogar der Zeitpunki eintrelen, wo diese Verantwort
ichkeit nicht bei den Ministern aufhören wird.
Pas und wer hiermit gemeint ist, braucht nicht erst
rklärt zu werden.
Ausland.
Die Tonkin-Debatte in der französischen
ODeputirtenkammer hat sich aus der vorigen Woche
zis in diese hinübergezogen unb erlangte am Mon⸗
ag durch die Rede, in welcher der Ministerpräsident
Angriffe der Opposition zurückwies, eine besondere
Bedeutung. Der Ministerpräsident legte zuuächst
»ar, daß Frankreich keine abenteuerliche Colonial⸗
zolitik verfolge, sondern nur sich seine Colonien zu
rhalten wünsche, cs sei deshalb nach Tunis ge⸗
jangen, um Algier zu schützen, und nach Tonkin,
im Kochinchina zu schützen; die Ursache aller
S„chwierigkeiten sei der fortwährende Cabinetswechsel
n Frankreich. Weiter wies der Minister nach, daß
ede Verständigung mit China an den wachsenden
Ansprüchen desselben gescheitert sei, doch sei die di⸗
lomatische Aktion noch nicht beendigt und die mili⸗
ärische werde sich in den Grenzen halten, die durch
Zesetzung Sontay's und Bacninh's vorgezeichnet
eien. Die strategisch wichtigen Punkte müßten
hesetzt werden, um in nützlicher Weise unterhandeln
u können; Verstärkungen werde aber Admiral
Sourbet erst erhalten, wenn er um solche nachsuche.
Schließlich verlangte Ferry ein Vertrauensbotum
m Interesse der Armee und Unterhandlungen.
Die Rede machte sichtlich großen Eindruck auf
die Kammer, welche schließlich die Credit⸗Vorlage
ür die Tonkin⸗Expedition mit 381 gegen 146
Stimmen genehmigte und dann auch eine von Beri
norgeschlagene und von Ferry acceptirte Tagesord⸗
urung mit 315 gegen 206 Stimmen annahm, welche
die Ueberzeugung ausdrückt, das Cabinet Ferry
verde den Entschluß und die Ehre Frankteichs in
Tonkin gebührend wahren. Das französische Mi⸗
zisterium hat demnach in der Tonkinfrage einen
zlänzenden parlamentarischen Sieg davongetragen
ind dürfte den Radicalen und Bonapartisten die
duft zu einem neuen Ansturm vorläufig vergangen
ein.
Cordova, 12. Dez. Der deutsche Kronprinz
st Mittags hier angekommen und nach dem Besuche
der Kathedrale um 2 Uhr vach Alcazar weitergereist
Cordova, 12. Dez. Bei dem Besuche der
Moschee wurde der Kronprinz am Eingange durch
die gesammte Geistlichkeit empfangen. Der Hoch⸗
iltar war glänzend erleuchtet. Der Kronprinz
derweilte über eine halbe Stunde. Auf dem
Bahnhofe war für den Kronprinzen vom Komité
ein Dejeuner hergerich tet. Ebendaselbst wurde durch
ine spanische Deputation eine Adresse überreicht.
Sammtiliche Offiziere der Garnison waren zur Be⸗
zrüßung des Kronprinzen auf dem Bahnhofe an⸗
vesend. Es verlautet, der Kronprinz werde nicht
in Valencia, sondern in Taragona noch einen
kurzen Aufenthalt nehmen.
Rom, 12. Dez. Der Vatican betrachtet,
janz im Einklang mit der hiesigen öffentlichen Mei—
nung, den Papsftbesuch als Hauptzweck der Romreise
es deutschen Kronprinzen und ist mißvergnügt über
ie officivs von Berlin aus veröffentlichte gegentheilige
Deutung. Der Vatican wünscht, daß der Kronprinz
Lokale und pfaälzische Nachrichten.
7 Pixrmasens, 11. Dez. Der „P. Anz.“
chreibt: Dem hiefigen Burgermeisteramte ist heute
inter dem Datum: Frankenthal, 9. Dez. 1883
olgendes Schreiben zugegangen, das eigenlhümliche
AI
zeboren. Die wahre Ursache unferer wirthschaft⸗
lichen Uebelstände ist die unsinnig rasche Volleder⸗
mehrung dadurch, daß in Deutschlaud jahrlich
500, 000 Geburten mehr sfind, als Sterbefaͤlle. Wo
'oll das hinaus? muß fich jeder Denkende fragen.
In einigen Jahren wird der Rest des in Ametita
ais jetzt noch unbebauten ertragfähigen Bodens ver
griffen sein und ist alsdann für eine große Massen⸗
auswanderung kein Platz mehr auf der Erde vor⸗
handen; wohin dann mit unseren Bevölkerungs⸗
iberschusse?! Deutsche Ehepaare sollten sich mit
—383 Kindern begnügen und nicht 5101n die
Welt setzen, wie es leider so oft der Fall ist. Soll
Deutschland nicht an Uebervolkerung und Ueberlon—
currenz verkümmern und schließlich zu Grunde gehen
— — —————„——