Full text: St. Ingberter Anzeiger

so bekämpfe man den Leichtsiun in der Eheschließ⸗ 
ung. Namenilich wäre es Aufgabe der Geistlichkeit 
belehrend und ermahnend auf die gedankenlose Meng 
einzuwirken suchen. Hochachtungsvoll! J. C. P.... 
— Neustadt, 11. Dez. Der junge Mann, 
welcher in der Nacht vom Sonntag auf Montag 
in dex Hetzelanlage gefunden wurde, lebte noch bis 
gestern gegen Mittag; er konnte jedoch keine Aus⸗ 
sagen mehr machen. Derselbe heißt Gust a v Wör—⸗ 
uke und ist bei Wittenberg zu Hause. Er 
wird als braver Mensch geschildert. Wie man hört. 
war derselbe in einer Wirthschaft in der Vorstad! 
und wurde beim Nachhausegehen überfallen. Ob 
die Verletzung des Winzinger Burschen mit der 
Mordthat' zusammenhängt, das wird jedenfalls 
bald ermittelt werden können. Es wurden bereits 
mehere Personen in Verhör genommen. Eine weitere 
Muͤtheiluͤng besagt, das es drei Thäter gewesen 
seien, und zwar ein Steinbauer von Speyer, einer 
von Mannheim, und der dritte soll von hier sein. 
— Neustadt, 12. Dez. Bis jetzt wurden 
4 Verhaftungen vorgenommen und zwar: 1) Jatab 
Oit, Steinhauer von Speyer, 2) Heinrich Klior 
Tagner, 8) Michael Zeißer und 4) Joh. Veiter, 
beide Mauter, letztere 3 von hier. Der erste wird 
wahrscheinlich wieder aus der Haft entlassen, wäh⸗ 
rend die anderen als Hauptbeschuldigte angesehen 
werden. Wer den tödtlichen Schlag gegen den 
Schuster Wörnicke geführt hat, konnte noch nicht 
festgestellt werden. Gustav Wörnicke wurde, wie 
die Gegenw.“ schreibt, heute Mittag beerdigt. 
dürkheim. Füur die projektirte Straßen⸗ 
bahn Dürkheim⸗Ludwigshafen hat die Unionsbanl 
in Mannheim 350,000 Mk,. die Hälfte der Kosten⸗ 
summe, gezeichnet. Eventuell soll die Bahn von hier bis 
Hardenburg, resp. alte Schmelze, geführt werden, 
um das stein⸗ und holzreiche Isenachthal, wo auch 
eine ansehnliche Lokalindustrie existirt, dem Bahn⸗ 
verkehr zu erschließen. 
Das Sekundärbahn-Projekt RFülzheim— 
Klingenmünster soll wenig Aussicht auf Ver— 
wirklichung haben. Man zweifelt an der Geneigt— 
heit des Staates, das Unternehmen zu unterstützen 
ebenso aber auch an jener der Gemeiuden, zu nam— 
haften Leistungen sich zu verstehen. 
— Edenkoben, 183. Dez. Heute Morgen 
wurde der 20 Jahre alte Sohn einer wohlhadenden 
und geachteten hiesigen Familie (Heilmann) in einem 
Hausgarten der Eisenbahnstraße erschossen aufge— 
funden. Die näheren Umstände lassen auf Selbst— 
mord schließen, zu dem allgemeinen Vermuthungen 
nach ein Liebesverhältniß den Anlaß gegeben haben 
soll. * (Pf. J.) 
— Hanhofen, 10. Dez. Gestern Abend 
vergnügte sich die 14jährige Tochter des hiesigen 
Ackerers J. A. Dasch mit anderen Mädchen vor dem 
Hause ihres Dienstherrn in Schwegenheim auf dem 
Eise und fiel dabei so unglücklich auf das Hinter: 
haupt, daß sie nach wenigen Stunden starb. 
— Der Rhein ist in Folge des massenhaft 
aus den Gebirgsbächen zuströmenden Wassers im 
Steigen. Die sersten Anzeichen des aller Wahr— 
scheinlichkeiten nach zu erwartenden Hochwasserẽ 
dürften sich rasch einstellen. Auch vom Neckar 
und Main wird starkes Steigen des Wassers gemeldet 
— Bei Neuauflage der Post-Anweisungs⸗For 
mulare werden letztere so eingerichtet werden, daß 
auch auf dem Koupon der Aufgabestempel auge— 
bracht werden kann. Bis dahin soll dieser Stempel 
nur dann zum Aufdruck auf den Koupons gelangen 
wenn der Äbsender hierfür Raum übrig läßt. 
— Als “muthmaßlicher Termin der nüchsten 
allgemeinen Volkszählung wird nach den vom 
Bundesrathe seither festgestellten Grundsätzen der J. 
Dezember 1885 angenommen. Die betreffenden 
Behörden sind demgemäß angewiesen, bei der be— 
vorstehenden Ansetzung der Kram⸗ und Viehmärkte 
pro 1885 die Tage vom 30. November bis 2. 
DTezember morkterei au lassen 
Vermiichtes. 
pMünchen, 10. Dez. Den „N. N.“ zu— 
jolge wird Herr Possart aus dem Verband des kgl. 
hoftheaters scheiden und hat bereits sein Entlas⸗ 
sungsgesuch eingereicht. Der „Berliner Rosch.“ zu⸗ 
folge untersagte Herr von Hülsen die Mitwirkung 
—WAV 
kgl. Hoftheater zu Wiesbaden. 
FAugsburg, 16. Dez. Zu der in jüngster 
Zeit so großes Aufsehen erregenden Affaire, den 
Tod des Obersten Klein auf Schloß Syburg be— 
sreffend, wird gemeldet, daß am 8. d8. Mts 
sämmtliche wegen dieser Augelegenheit verhafteten 
Personen auf freien Fuß gesetzt wurden. 
Aus Bayern, 9. Dez. In dem Dorfte 
Etting, kgl. Bezirksamts Mallersdorf, kam es am 
ersten Addentsonntag (2. Dez.) bei Gelegenheit des 
Ausschanks des lehten „alten“ Bieres zu argen 
Erzessen zwischen den seit der jüngsten Bürgermei— 
fterwahl in zwei Parteien gespaltenen Dorfbewohnern. 
Das traurige Ende vom Lied war, daß der vorigt 
Bürgermeisier Hapfelmeyer, ein allseits angesehenen 
Mann in den besten Jahren und Vater von vier 
unmündigen Kindern, meuchlerisch ermordet wurde 
Karlsruhe. Der Taglöhner Hofheinz 
welcher aus Rache wegen der Nichtbewilligung 
seines Gesuches um Wiederanstellung auf den Hof— 
jägermeister v. Kleiser 2 Revolverschüfse abgefeuert 
halte, ohne jedoch zu treffen, wurde am 10 d. vom 
hiesigen Schwurgericht wegen Mordversuchs zu 10 
Jahren Zuchthaus verurtheilt. 
Worms. Der Gasthof, Europäischer Hof 
am Bahnhof wurde sammt Inventar zum Preist 
von 150,600 Mark durch den Herrn J. Götz aus 
Basel angekauft und wird der neue Eigenthümen 
am 1. April den Besitz antreten. 
Eurn Bravourffück, in welchem Mif 
Cora's Macht über die von ihr dressirten Bestien 
sich auf's Glänzendste bewährte, trug sich diesen 
Tage im Cirkus Caro in Köln zu. Miß Coro 
hatte, so erzählt die K. Ztg., unter gewaltigem Bei 
fall das Gelaß ihrer vierfüßigen Künstler verlassen 
Ein Löwe und der Bär waren in der größeren Ab— 
theilung zurückgeblieben, während die anderen Löwer 
sich bereits in einem Seitenkäsfig befanden. Da, 
der Bär mochte den Wüstenkönig auf einen Fufß 
getreten haben, packte dieser grimmig den Ungalan— 
len. Peßz setzte sich zur Wehr und es bot sich 
ein Bild dar, welches befürchten ließ, daß der Bär 
als der Schwächere von den Tatzen und Zähnen 
seines Geguners zerfleischt werden würde. Die Stall— 
knechte eilten mit großen Eisenstangen herbei und 
bersüchten, die erbosten Kämpfer auseinander zu 
briegen. Da schloß die Thierbändigerin den Käfit 
auf, trat kaltblütig in densesben hinein und gebot 
den Thieren Ruhe. Sofort gehorchten diese, und 
als Miß Cora nun dem Bären das ihm zur Be⸗ 
hausung dienende Nebengelaß anwies, schritt er fanf— 
wie ein Lamm in dasselbe hinein. 
4 Vor einigen Tagen entstanden in einer 
Wirihschaft zu Ehrenfeld bei Köln zwischen 
mehreten italienischen Arbeitern und dem Wirth 
Streitigkeiten. Auf der Straße setzten die Italiener 
den in dem Gastzimmer begonnenen Skandal fort. 
Der Wirth begab sich auf das erste Stockwerk, trat 
an ein Fenster und forderte die Ruhestörer auf 
sich zu entfernen, widrigenfalls er schießen würde. 
Um seinen Worten bessern Nachdruck zu geben, hiel! 
er ein zweiläufiges, mit losem Pulver geladenes 
Terzerol zum Fenster hinaus. Kaum hatte er aber 
die Drohung ausgestoßen, als aus der Mitte der 
Italiener ein Schuß fiel, der ihn in die rechte 
Schulter traf, eine zweite Kugel sauste ihm am 
Kopfe vorbei. Nachdem der Wirth sich schleunigst 
—VV Schüsse. 
Zeim ersten gegen ihn gerichteten Schuß hatte sich 
nuch der eine Lauf seiner Waffe entladen. Bald 
nach dem Vorfall wurde einer der. Italiener als der 
angebliche Thäter verhaftet. Die Kugel, welche dem 
Verwundeten unterhalb des Schlüsselbeines in die 
Schulter drang, wurde durch zwei Aerzte entfernt 
Man hofft, daß der Schuß keine schlimmen Folgen 
für den Verwundeten nach sich ziehen wird. 
Geisenheim, 10 Dez. (Gor Freude 
Jestor ben.) Die hochbetagte Schwester des aus 
Zem Exil zurückberufenen Bischoss Blum, in Geisen— 
heim wohnend, hatte schon immer den Wunsch laut 
werden lassen, ihren Bruder doch vor ihrem Ende 
noch einmal zu sehen und zu sprechen. In schon— 
eudster Weise wurde ihr die Mittheilung gemacht 
daß ihr sehnlichster Wunsch bald in Erfüllung gehe, 
indem der Bischof nach Limburg zurückkehre. Allein 
es sollte anders kommen; wahrscheinlich war die 
freudige Mittheilung zu aufregend für die fast 80— 
ährige Frau, denn sie war kurze Zeit nachher eine 
Leiche. Die beiden Geschwister haben sich im Leben 
nicht mehr gesehen. 
Aus Chemniz wird der „Frankfurter 
Zeitung“ geschrieben: Einem unschuldig Verurtheil⸗ 
sen haben sich nach 4monatlicher Strafverbüßung 
heute Morgen die Thore des hiesigen Gerichtsge— 
jängnisses geöffnet. Der Fall erregt hier um so 
nehr Sensation, als er durch ein unerklärbare 
Perhalten des Bestroffenen herbeigeführt wurde 
Es ist kurz der folgende: Ein hiesiger Restaurateur 
hatte im Frühjahr eine Geldsendung zu bewirken, 
er hat dieselbe auch zurecht gemacht und darnach 
der Meinung gelebt, daß sie durch einen seiner 
Kellner — der 8 Jahre bei ihm in Diensten war — 
zur Post befördert worden sei. Nach Monatsfrist 
indessen wird ihm eine Mahnung seines Gläubigers 
zutheil, infolge der er seinen Kellner zu Rede stellt. 
Der Wirth faßt nun Verdacht und denuncirt seinen 
Kellner bei der Kriminalpolizei, die — unerklär— 
licherweise von dem Kellner ein volles Geständniß 
seiner Schuld, den Brief unterschlagen zu haben, 
erzielt. Darauf folgt Strafantrag und die Ver— 
haftung des gerade 14 Tage Verheiratheten, der 
auch, irotzdem er in der Verhandlung der Straf— 
kammer sein Geständniß als unwahr widerruft (und 
merkwürdigerweise, ohne daß sein Brodherr zeugen— 
eidlich vernommen wird) zu 6 Monaten Gefängniß 
berurtheilt wurde. Gestern nun findet der leicht— 
fertige Denunciant den „unterschlagenen“ Geldbrief 
in der Brusttasche seines seit letzten Winter nicht 
benutzten Ueberziehers — er eilt zur Staatsan⸗ 
waltschaft und nun erfolgte die Freilassung des 
unschuldig Verurtheilten. 
Der Einwand der Kleptomanie ip 
wieder einmal mit Glück vor dem Schöffengericht 
in Berlin geltend gemacht worden. Unter der An⸗ 
klage des Taschendiebstahls stand vor dem letzteren 
der Marchand Tailleur R., ein in den besten Ver— 
hältnissen lebender Mann, der schon seit Jahren 
felbstsiändig ein Geschäft betreidt, aus wohlan— 
ständiger Familie stammt und selbst ein glückliches 
Familienleben führt. Im letzien Jahre ist es poli⸗ 
reilch observiert worden, da der Verdacht auf ihm 
iastete, Taschendiebstähle auszuführen. Am 15. 
Juni befand fich R. in der Hygiene-Ausstellung und 
cin dort stationirter Criminalbeamter bemerkte, daß 
er sich zu drei verschiedenen Malen an junge Damen 
herandraͤngte und denselben die Taschentücher aus 
den Taschen escamotirte. Als man ihn festnahm, 
fand man bei ihm noch mehrere Taschentücher vor, 
deren Besitzer nicht ermittelt werden konten. R 
gab sofort zu, die Diebstähle begangen zu haben, 
und entschuldigte sich damite, daß er von Zeit zu 
Zeit von einem unwiderstehlichen Drange zum Dieb⸗ 
Jahl befallen werde. Diese Entschuldigung macht: 
er auch jetzt geltend und zwei von dem Vertheidiger 
vorgeladene Äerzte, welche dem Angeklagten das 
hbeste Leumundszeugniß gaben, bekundeten, daß— 
derselbe dor einiger Zeit eine Krankheit durch— 
gJemacht, bei melcher die Möglichkeit einer spa 
teren partiellen Sinnesverwirrung nicht ganz aus— 
geschlossen erscheine. Mit Rücksicht auf die ganzi 
Sachlage, auf die Thatsache, daß der Angeklagt 
sich gerade an werthlosen Taschentüchern vergriffen 
und auf die Bekundung der Aerzte, erkannte der 
Gerichtshof auf Freisprechung des Angeklagten. 
4 (Eingegangen.) Ein mit schönem Voll⸗ 
bart versehener Fechtbruder wollte in einem nach 
außen dicht verhüngten Barbierladen zu Wil mers 
dorf um eine Gabe ansprechen, als ihm in dem— 
selben Augenblicke recht unerwartet der eben rasiert 
Gendarm R. entgegentritt und nach seinem Begeh— 
fragte. Stammelnd erklärte der neue Kunde sid 
P?den Bart abichneiden lassen zu wollen, der 
Gendarm durchschaut den Kunden, tritt freundlich 
mit ihm in den Laden, und unter des Gesetze— 
wachsamen Augen, fällt unbarmherzig des Mannes 
schönste Zierde. Als es nun zur Bezahlung geher 
— Pfenmit 
zusammen, die wohl für andere Ausgaben bestimm 
varen. Trauernd verließ der Fechtbruder mit einen 
draußen harrenden Genosseu, der seinen Freund kann 
wieder erkannte, spornstreichs das Dorf. 
4 Wie die „Frkf. Ztg.“ vernimmt, soll nad 
einer amtlichen Depesche der zweite der Gebrüde 
Sachs, dem es bisher gelungen war, sich allen Nach 
forschungen zu entzieben. in Montepided verhait· 
worden sein. 
7 Ein Opfer seines Berufs) R 
dem ungarischen Orte Neutra secirte jüngst der dor 
allgemein angesehene Arzt Dr. J. Huͤhsar die Leich 
eines an Wasserscheu gestorbenen Meuschen un 
ritzte sich dabei mit dem Secirmesser einen Finge 
auf; er brannte die kleine Wunde aus und kümmer 
fich nicht weiter darum. Vor einigen Togen ab! 
nahm er zu seinem Entsetzen an sich die Anzeige 
der Wasserscheu wahr. Er theilte einem Freund 
und Kollegen den furchtbaren Fall mit und schla 
sich in sein Zimmer ein. Nach einigen Tage 
erlag er in der That unter furchtbaren Qualen d 
Wasserscheu.