Full text: St. Ingberter Anzeiger

Beifall lohnte ihn. Bülow bemerkte in der ersten 
Reihe Lachner und fragt ihn mit ziemlich maliti⸗ 
zsem Lacheln: „Na, Herr Lachner, das hat das 
Orchester wundervoll gespielt, nicht wahr ?* Lachner 
—D— 
dös Orchester, woas i dreißig Joahr dirigirt hob', 
können sö doch noch nicht in dö zwoa Monat, wo's 
hier san, ruinirt hab'n“ ... Bülow hat von diesem 
Abend an Franz Lachner nie mehr um seine Mein⸗ 
ung gefragt ..... 
Trier, 24. Dez. Vor 4 Jahren hatte 
ein 16jahriger Junge aus Bescheid einen 7jährigen 
im Walde beim Spielen so unglücklich an einem 
Auge verletzt, daß derselbe das Auge verlor. Der 
Valer des derunglückten Kindes, der mit dem Vater 
des Thäters verwandt ist, bot diesem an, er möge 
die Heilungskosten (45 Mk.) für seinen Sohn be— 
zahlen, er wolle alsdann von einer weiteren Klage 
abfehen. Der Andere aber ging nicht darauf ein, 
und nun wurde dieser klagbar. Das hiesige Land⸗ 
gericht sprach den Vater frei, weil er nicht haftbar 
für seinen Sohn sei, und legte dem Kläger noch 
die Hälfte der Kosten (ca. 800 Mt.) zur Last. 
Dagegen appellierte dieser, und das Oberlandesge— 
richt in Köln verurtheilte vor einiger Zeit den 
Vater des thätlichen Sohnes zur Zahlung von 
1500 Mark als Entschädigungssumme für das ver⸗ 
orene Auge, sowie in sämmtliche bisher erwachsene 
Kosten. 
F An unserer Westgrenze sind gedruckte 
Finladungen folgenden Inhalts verbreitet worden: 
Das unterzeichneie Komité erlaubt fich, Sie hier— 
durch zu dem am 5. Januar 4884, Morgens 10 
Uhr, in Oberstein im Gasthofe zur Post stattfin⸗ 
denden Parteitage der deutschen Fortschrittspartei 
—— 
ter wird bei demselben zugegen sein und außerdem 
Nachmittags 3 Uhr in der Turnhalle zu Oberstein 
zinen politischen Vortrag halten. N. Bill, Oeko— 
nom Niederlinxweiler. A. Cetto, Gutsbesitzer St 
Wendel. Dr. Oldenburg, Oberlehrer Idear. C. 
Simon, Bierbrauereibesitzer Otiweiler. G. Bogt, 
Kaufmarn Oberstein. W. Zimmermann, Kaufmann 
Neunkirchen. 
Köoln, 26. Dez. Heute Abend 6 Uhr fand 
man in der Glockengasse, einer der belebtesten Straßen 
Nölns, den Uhrmacher Stockha usen nebst Mutter 
durch Messerstiche ermordet vor. Ueber den Raub⸗ 
mord sind bis jetzt folgende Einzelheiten bekannt: 
Stockhausen, der sich meist mit Reparaturen be— 
schaftigt und in seinem kleinen Ladengeschäft nur 
zinen geringen Vorrath von Uhren aufbewahrt, 
war ungefähr 33 Jahre alt und bewohne mit seiner 
Mutter, einer Sechzigerin, ein kleines Haus in der 
Glockengasse in unmiltelbarer Nähe der Post, 100 
Schritt vom Polizeipräsidium und eben so weit 
vom Stadttheater. In dem Haus wohnte noch zur 
Miethe ein Setzer der „Köln. Zig.“ und eine bett⸗ 
lägerige taube Person von etwa 90 Jahren; diese 
weiß von gar nichts. Heute morgen kehrte der 
Miethsmann von einer dreitägigen Reise zurück; 
da er aber das Haus und die Läden verschlossen 
fand, ging er direkt in's Geschäft, von wo er nach 
5 Uhr Nachmittags zurückkehrte. Als er nunmehr 
das Haus aufschloß, stieß er an einen leblosen 
sörper, der gegen die Thür lehnte und das Oeffnen 
erschwerte. Von panischem Schrecken ergriffen, 
eilte er zu dem Nachbar und drang in dessen Be—⸗ 
gleitung mit Licht ins Haus ein. Da fand man 
denn Stochhausen von Blut überströmt als Leiche 
im Hausflur an der Thür; weiter am Treppen ⸗ 
aufgang lag seine ebenfalls ermordete Mutter. Der 
sofort herbeigerufene Arzt Dr, Braubach constatirte 
dei Stockhausen drei Stiche, wovon einer in's Herz 
gegangen; die Leiche der Mutter zeigte zwei Messer⸗ 
siche. Außerdem stellte der Arzt fest, daß der Mord 
wahrscheinlich in vergangener Nacht zwischen 11 
und 12 Uhr erfolgt sein musse. Es fehlen nur 
einige Uhren, auf dem Tisch lagen eine Anzahl 
Uhrschlüssel ausgebreitet. Es ist deshalb anzunehmen, 
daß der oder die Mörder nach Uhrschlüsseln gefragt 
haiten, dann mit mehreren Uhren entflohen, aber 
zon Stockhhausen und seiner Mutter verfolgt worden 
waren, wobei Letztere niedergestoßen wurden. Daß 
den Tag über das Haus und die Läden verschlofsen 
blieben, fiel an dem heutigen ersten Weihnachtstag 
nicht auf. — Am Vormittiag de⸗ 26. Dezember 
hat die Polizei einen der That verdächtigen Mann 
verhaftet. 
pP'Frankfurt a. M., 26. Dez. Ein er 
schütlerrder Unglücksfall ereignete sich gestern Abend 
Jegen 6 Uhr. Ein junges Mädchen im Alter von 
18 Jahren stürzte nämlich aus einem Fenster dee 
dritien Stockes in dem Hause Nr. 18 der Tönges⸗ 
zasse auf die Straße herab. Die Unglückliche, welche 
im Nervenfieber erkrankt war, wurde einen Augen⸗ 
hlick allein gelassen und sprang im Fieberwahn zum 
Fenster hinaus. Arme und Beine waren gebrochen 
uind der Kopf schwer verletzt, als man sie vom 
Vflaster aufjob. Nach 10 Minuten erlöste sie der 
Tod von ihren Leiden. Es fehlte nicht viel, se 
hätte dieses Unglück noch ein weiteres zur Folge 
jehabt, denn das Mädchen stürzte dicht vor einem 
im Hause mit seinem Kinde vorbeigehenden Manne 
auf's Trottoir nieder. 
Bielefeld, 20. Dez. Die amtliche Säufer— 
liste eines benachbarten Ortes enthält nur einen 
Namen, und dieser Proscribirte ist, wie man in 
der Bielef. Z. liest, der Polizeidiener. Sämmtlichen 
Wirthen des Ortes ist in diesen Tagen folgende 
Berfügung der betreffenden Pokizeibehörde zuge— 
jangen: „Durch Resolut der unterzeichneten Poli— 
eibehörde vom heutigen Tage ist der Polizei— 
iener .... aus .... auf die Dauer von 14 
Monaten für einen Trunkenbold erklärt. Sie wer⸗ 
den hievon mit der Weisung in Keuntniß gesetzt, 
den Genannten während der oben bezeichneten Zeit⸗ 
srrist in Ihrer Wirthsstube nicht zu dulden, am 
venigsten ihm aber Getränke zu verabreichen, wid⸗ 
igenfalls Sie in Gemäßheit der Oberpräfidial-Ver⸗ 
»xdnung vom 20. Sept. 1841 Geldstrafe von 6 
bis 15Mark und im Wiederholungsfalle Entzieh⸗ 
ing der Wirthschafts⸗Konzession zu gewärtigen haben. 
Für desfallsige Handlungen Ihrer Angehörigen oder 
Ihres Gesindes bleiben Sie haftbar . .., 12. 
Dez. 1883.“ 
Ein klein wenig Statistik auf Grund 
der Angaben des jüngst erschienenen Gothaischen 
Almanachs mag ziemlich interessant erscheinen; den 
zrößten Länderbesitz der Welt hat England; zwar 
jat es in Europa nur 314,628 Quadrat⸗Kilometer 
jegen 540,514 Quadrat⸗Kilometer, die das deutsche 
steich umfaßt. Dagegen hat England an auslän— 
zischen Besitzungen nicht weniger als 19,820,501 
Zuadrat⸗Kilometer, das heißt also circa sechsund⸗ 
dreißig Mal so viel als Deutschland an Areal be— 
itzt. Tie Zahl der britischen Unterthanen in außer⸗ 
zuͤropäischen Ländern ist nahezu fünf Mal so groß 
vie die ganze Einwohnerschaft Deutschlands. Die 
Bereinigien Staaten von Nordamerika sind unge⸗ 
ähr siebzehn Mal so groß wie Deuischland; fie 
jaben trotz des ungeheueren Länderbesitzes indeß 
jur 5,200,000 Einwohner mehr — 50.4 Mill. 
zegen 45.2 Millionen — als unser Vaterland. 
hitan mag daraus ermessen, welch' ungeheure Zu⸗ 
unft die Union, deren Ländereien größtentheils 
ruchtbaren, theilweise noch unbebauten Boden um⸗ 
assen, für sich hat. Ueberraschender dürfte es aber 
ein, daß das Kaiserthum Brasilien räumlich mehr 
als fünfzehn Mal so groß ist als Deuischland, 
vogegen es nur den vierten Theil der Einwohner⸗ 
zahi Deutschlands hat. Selbst Mexiko hat mehr 
als die dreieinhalbfache raumliche Ausdehnung wie 
inser Baterland, und sogar die Republik Columbia 
st mehr als anderthalb Mal so groß als das 
deutsche Reich. Die Republik Peru hat, mit 
Deutschland verglichen, das doppelte Areal, aber 
nur den zwanzigsten Theil der Bevölkerung. Die 
stepublik Argentinien hat das fünffache Areal, aber 
veniger als den fünfzehnten Theil der Einwohner⸗ 
chaft Deuischlands. Venezuela hat mehr als das 
»oppelte Areal als Deutschland bei nur 2,075,000 
Finwohnern. Die Republick Paraquay ist etwa 
Jjalb so groß wie das Deutsche Reich, hat aber 
veniger als den hundertundzwanzigsten Theil der 
EFinwohnerschaft desselben. 
F Der ca. 18jährige Lehrling einer Musikin⸗ 
trumentenfabrik in Berlin hatte den um ein 
Jahr juüngeren Sohn eines Schneidermeisters daselbst 
zu überreden gewußt, seinem Vater eine größere 
Zumme Geldes zu stehlen, um mit derselben aus 
Berlin zu fliehen und ein abenteuerliches Leben zu 
ühren. Der Sohn des Schneidermeisters führte 
auch den Diebstahl aus, indem er seinem Vater 
150 Mk. stahl und vor acht Tagen begaben sich 
Beide auf die Wanderschaft, nachdem sie in Berlin 
sich in den Besitz zweier Dolchmesser gesetzt hatten. 
Sie nahmen hierauf ihren Weg nach Dessan, 
tauften sich dort jeder einen Revolver und Patronen 
und trieben dann mit den Schußwaffen in der Nähe 
von Dessau allerlei Unfng. So schossen sie auf 
der Landstraße nach einem Wegweiser, dessen eine 
dälfte sie zertrümmerten. Hierbei wurden fie von 
Anem Försier. der sich in Begleitung seines Bruders 
befand, betroffen, welcher die beiden Burschen fest 
nehmen wollte. Als der Förster den Sohn des 
Schneidermeisters ergriffen hatte und der Bruder 
die Festnahme des Lehrlings vornehmen wollte, 
schoß Letzterer auf den Vruder des Försters seinen 
Revolver ab und verletzte ihn tödtlich. Der Thäter 
loh hierauf nach Magdeburg, woselbst er vor 
einigen Tagea verhaftet wurde. Er wurde nad 
Dessau zurückgebracht, woselbst er sich mit seinem 
Kameraden in Haft befindet. 
F Der deutsche Kanalverein hielt in 
Berlin eine Sitzung, in der folgende Resolution 
angek ommen wurde: „Der Ausschuß des deutschen 
Kanal⸗Vereins erblickt in der Ausdehnung det 
Rheinschifffahrt im großen Style auf den Oberrhein 
— sei es mittelst eines Schifffahrts-Kanales, sei es 
mittelst Schiffbarmachung des Rheines — eine 
der wichtigsten Aufgaben der Handelspolitik W.st- 
deutschlands.“ 
F (Antwort.) Zum „Affentisch“ des Geraer 
Rathskellers kam am Dienstag Abend ein kleiner 
schmucker Brezeljunge, seine frischduftenden Brezeln 
welche augenscheinlich direkt aus der Backstube kamen 
zum Kause anbietend. Ein Stanmgast fragte, in⸗ 
dem er einige Brezeln dem Korbe entnahm, den 
kleinen Burschen: „Nun, wie viel Schmuzghände 
haben heute schon in Deinen Korb gegriffen ?“ Un— 
schuldvoll erfolgte die Antwort: „Das sind jetz! 
die ersten, mein Herr!“ Verblüfftes Gesicht des 
einen und homerisches Gelächter der anderen. 
Geichsgerichs-Entscheidung.) Das 
Versprechen einer Mitgift an den Bräutigam im 
Falle seiner Verheirathung mit der ihm bestimmten 
Braut giebt nach einem Urtheil des Reichsgerichts. 
IV. Cipilsenats, vom 19. November 1883 dem 
Bräutigam, welcher diese Bedingung durch die Ehe⸗ 
schließung thatsächlich erfüllt, im Geltungsbereiche 
des Preuß. Allg. Landrechts ein klagbares Rech 
auf die versprochene Mitgift nur dann, wenn e⸗ 
dem Mitgiftversprecher gegenüber sich zur geforder 
ten Heirath verpflichtet hatte. Hat aber der Bräu 
tigam auf das bedingte Mitgiftversprechen die Be— 
dingung durch die Heirath erküllt, ohne sich vorhei 
zur Erfüllung der Bedingung verpflichtet zu haben 
so hat er kein Klagerecht auf die Zahlung der ver— 
sprochenen Mitgift. 
4(Gelungene List.) Herr G. wußte wohl 
wie übel es seine Gemahlin nimmt, wenn er ein⸗ 
mal ihren Geburtstag vergißt. Nun war aber de 
hohe Tag schon herangerückt, und als er am Morger 
aufsteht, fällt ihm erst wieder der Geburtstag ein 
Ach, denkt er, diesmal will ich mich schon heraus 
beißen. Er pfeift schnell seinem Caro und sperr 
diesen sammt einem großen leeren Teller in sein 
Zimmer. Nun geht er zu seiner Frau. „Liebes 
Weibchen,“ sagte er, „zu Ehren Deines Geburts 
tages habe ich Dir eine kleine Freude bereitet! 
Mit diesen Worten führte er das Geburtstagskind 
in die bewußte Stube, bricht aber sofort in die 
Worte aus: „Jetzt hat mir der verfluchte Kerl die 
ganze schöne Torte aufgefressen!“ 
Im Walde bei Radolfzell wurde eine zwe 
Meter lange Schlange gefunden und von den Ge— 
lehrten als eine in der Häutung begriffene Otter 
eriannt. Der Finder schenkte das seltene Exemplan 
einer Schule in Konstanz. Da stellte sich heraus 
daß das Thier eine Boa constrictor war, welcht 
einem Menageriebesitzer, der von der Konstanze— 
Messe zurücktehrte, unterwegs verendele, worau 
er sie in den Wald verbrachte. — 
— Vor dem Schwurgerichte in Prag beganr 
am 12. Dezember die Verhandlung gegen den 10 
Jahre alten Müllergehilfen Josef Koutecky weger 
Verbrechen des Mordes. Der Angeklagte unterhieb 
mit dem Dienstmädchen Anna Zazworka ein Liebes 
verhältnis. Die Angehörigen der beiden Liebenden 
segten jedoch dieser Bekanntschaft alle moglichen 
hindernisse in den Weg. Das Liebespaar faßtt 
deßhalb den Entschluß, gemeinsam zu sterben. An 
3. September schritten sie zur Ausführnng der That 
Vor dem Fenster der Mutier des Mädchens feuert 
Josef Koutecky gegen den offen gehaltenen Mun 
der Geliebten aus einer blind geladenen Pistol 
einen Schuß ab. Das Mädchen stürzte infolge de 
durch den Lufidruck herbeigeführten Gehirnerschüt 
terung tot zu Boden. Hierauf lud Koutecky d 
Pistoie mit Schrot und schoß sie gegen sich al 
Er verletzte sich schwer im Gesichte und wurden 
das Krankenhaus geschafft, von wo nach dessen Ge 
nesung seine Einlieferung zum Strafgericht erfolgt 
Der veklagte wurde zu 6 Jahren schweren Kerker 
verurtheilt.