Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteliährlich 1.A 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 75 , einschließlich 
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M 34. 
Montag, 18. Februar 1884. 
19. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Stuttgart, 16. Febr. Der Staatsminister 
Mittnacht theilte dem Eisenbahnbeirath mit, daß 
der Sommerfahrplan die Wiederherstellung des 
Courierzugs Berlin⸗Stuttgart via Hunau⸗-Zürich⸗ 
Mailand enthalten werde; auch ein Schnellzug 
Ulm⸗Friedrichshafen mit Rücksicht auf die Arlberg 
hahn werde eingeführt. 
Die Entschädigung unschuldig Ver⸗ 
urtheilter. Für die Behandlung des Antrages 
Philipps auf Entschädigung unschuldig Verurtheilter, 
jalls derselbe (woran allerdings nicht zu zweifeln 
ist) im Reichstage wieder eingebracht wird, mag 
vielleicht die Entscheidung, welche das österreichische 
Abgeordnetenhaus in der Frage fällen wird, mit 
ausschlaggebend sein. Der soeben erstattete Bericht 
des Strafgesetzausschusses, abgefaßt von dem als 
Autorität bekannten Dr. Jaques, spricht sich durch⸗ 
aus zustimmend zu der verlangten Entschädigung 
aus. Der Ausschuß habe keinem Zweifel darüber 
Raum geben können, daß es sich hier nicht um ein 
Problem des sogenannten bürgerlichen, des Privat⸗ 
rechts, sondern vielmehr um eine Frage des öffent- 
lichen Rechtes handele; daß es demnach auch keines⸗ 
wegs darauf ankommen könne, ob im gegebenen 
Falle etwa ein Verschulden oder Versehen der er⸗ 
kennenden Richter vorliege. 
det, unter dem Namen Katharina Metzger am Sonn⸗ 
tag Morgen bei dem Geschäftsagenten Herrn Feld⸗ 
müller und bot ihm eine Handschrift von 1000 
Mark zum Ankauf an, die auf den Namen Wil—⸗ 
helm Henn, Müller auf der Neumühle bei Ols⸗ 
hrücken, lautete. Der Verkauf kam auch soweit zu 
Stande, daß am Montag Morgen vor dem Notar 
ein Akt darüber aufgenommen wurde. Vorsichts⸗ 
halber fuhr indeß Herr Feldmüller vor der Aus— 
zahlung des Geldes nach der Neumühle, um sich 
von der Echtheit der Unterschrift der Eheleute Henn 
zu überzeugen, und siehe da, Letztere wußten von 
der ganzen Geschichte nichts. Bei der Rückkehr war 
die Schwindlerin verduftet, doch wurden sofort Re— 
herchen angestellt, denen zufolge dieselbe eine Bier⸗ 
hrauersfrau aus Meztz sein sollte, die auch im Cafe 
S—chmitt, woselbst sie logirte, einen falschen Namen 
angab, indem sie sich als Frau Henn bezeichnete. 
Die Zeche blieb sie schuldig, ließ bei der eiligen 
Abreise aber ihre Reisetasche zurück. Hoffentlich 
zelingt es, sie zu erwischen und ihr das Handwers 
zu legen. 
— Herr Prof. Dr. Rechnagel zu Kaisers— 
autern hat eine neue Rechenprobe, die Probe 
der letzten Quersumme erfunden, welche sich auf 
alle Rechnungsarten anwenden und von Jederinann 
leicht erlernen läßt. Die Anleitung dazu ist in 
allen Buchhandlungen zu 50 Pfg. zu beziehen. 
— Sicherem Vernehmen nach ist Herr Caplan 
Weber von St. Martin zum Stadtkaplan in 
Pirmasens und als Lehrer der dortigen Latein⸗ 
schule ernannt. 
— In Landau stürzte vor einigen Tagen eine 
Katze, die sich nach ihrer Promenade bis aufs Thurm⸗ 
dach verstiegen hatte, von diesem herab, war aber 
so glücklich, nicht direkt auf das Straßenpflaster, 
sondern einem Vorübergehen auf den Kopf 
zu fallen: der Schreck dieses Passanten war viel— 
leicht größer als der der Katze, die munter davon⸗ 
lief, wohl ohne Dankgefühl gegen ihren unfreiwil 
ligen Lebensretter. 
des jungen Mannes, welche er selbst in Köln auf—⸗ 
gegeben zu haben scheint, an die Addresse der Eltern 
gelangt, von ihm selbst aber fehlt bis daher jede 
Spur. Auf Anfrage bei dem betr. Hotelier in 
Köln erfolgte die Antwort, daß ein junger Mann, 
wie beschrieben, nicht angekommen sei; auch Recher⸗ 
chen durch die Polizeibehörde zeigten sich bis jetzt 
erfolglos! Auffallend erscheint, daß der Handkoffer 
des Vermißten der u. A. auch dessen Uhr und Kette 
sowie Geld enthielt, vorhanden ist, so daß das 
Borhandensein eines Verbrechens kaum anzunehmen 
ist. Die Stimmung der bedauernswerthen Eltern 
ist eine unbeschreibliche. 
Eine Metzgersfrau in Frankfurt wollte 
eine Cervelatwurst abhängen; fie nahm einen Stuhl, 
stieg auf denselben und hing die Wurst ab. Dabei 
zerieth die Frau aber mit ihrem Trauring unbe— 
merkt in den eisernen Haken, sprang. ohne etwas 
zu ahnen ab, blieb hängen und riß sich faktisch 
den Goldfinger aus der Hand. 
FGEin Postkuriosum.) Auf einen Ein—⸗ 
schreibebrief, welcher dieser Tage von Frankfurt 
nach Paris abging, traf alsbald — merkwürdiger⸗ 
veise genug — die Antwort ein, — Statt den 
Bestimmungsort mit, Frankfurt a. M.“ anzugeben. 
schrieb der Franzose als Adresse „à Eingeschrieben 
vM.“ — Trotzdem „Eingeschrieben“ auf der deut— 
schen Landkarte nicht verzeichnet ist, gelangte der 
Brief ohne Verspätung an die richtige Adresse hier. 
F(Grei Lebensregeln.) Der Sanitäts- 
rath P., einer der beliebtesten Aerzte Berlins in den 
fünfziger Jahren erzählte, daß der englische Ge— 
sandte, Lord Loftus, ein ganz eigener Herr gewesen 
sei. So war er bei der gefaͤhrlichen Krankheit 
seines Kindes nicht dazu zu bewegen, einen zweiten 
Arzt holen zu lassen. Auf alle bezüglichen Bitten 
und Einreden entgegnete er stets, es ist gegen mein 
Versprechen. Um den Sinn dieser Worte befragt, 
erzählte er, daß er seinem sterbenden Vater in die 
Hand versprechen mußte, folgende drei Lebensregeln 
stets zu befolgen, nämlich: jeden Tag wenigstens 
einen Schoppen Wasser zu trinken, jeden Tag zum 
mindesten 12 englische Meilen zu gehen, und drit⸗ 
tens, nie zwei Aerzte zugleich zu nehmen. Lauter 
Regeln, um ein langes Leben zu erhalten. 
* GPostbeutel der „Cimbria“.) Von 
Thristiana wird nach Hamburg gemeldet, daß eng⸗ 
ische Fischer in der Nordsee einen Postsack aufge- 
ischt, welcher einen Theil der Correspondenz ent⸗ 
jalte, welche mit der verunglückten „Cimbria“ von 
damburg nach Amerika abgesendet wurde. Der 
Postbeutel ist dem norwegischen Postdepartement 
zur Weiterbeförderung übergeben worden. 
F Eine Kollegin Bastians. Die Ent—⸗ 
larvung des spiritistischen Mediums Mr. Bastian 
durch den Herrn Erzherzog Johann, die allenthal⸗ 
ben Sensation hervorgerufen hat, hatte ein recht 
heiteres Vorspiel gehabt, über welches wir Folgen⸗ 
des erfahren: Schon am 4. vorigen Monats hat 
im Palais des Erzherzogs Johann eine spiritistische 
Szene siattgefunden, die als eine Art Vorstudium 
zu den Vorstellungen Mr. Bastians veranstaltet 
worden war. Erzherzog Johann hatte kurz vor 
Neujahr in Erfahrung gebracht, daß sich in Pest 
im kleinen Redoutensaale ein Spiritist, Namens 
Mr. Homes, mit einem Medium, Mr. Hay, pro⸗ 
duzire und großes Aufsehen errege. Im Auftrage 
des Erzherzogs korrespondirte ein Herr, Nameus 
Alexander P., mit Mr. Homes über eine in Wien 
zu veranstaltende Vorstellung, verrieth jedoch nicht 
mit einem Worte, welche Persönlichkeit die spiri— 
Ausland. 
Wien, 17. Febr. Wie die Presse meldet, ist 
der österreichischefranzösische Handelsvertrag nunmehr 
unterzeichnet worden. Derselbe ist auf unbestimmte 
Dauer abgeschlossen, dergestalt, daß beiden Theilen 
das Recht einer halbjährigen Kündigung zusteht. 
Die Enquete über die Lage der Arbeiter in 
Frankreich. Während Clemenceau und Richard 
Waddington, der Bruder des Londoner Botschafiers, 
ich nach London begeben haben, um dort Vorstudien 
über die Art und Weise zu machen, wie die 
knquete über die Arbeiterfrage am besten durchge- 
ührt werden kann, hat der Kammerausschuß am 
4. d. bereits mit seinen Sitzungen begonnen. 
JZunächst wurde eine Abordnung der Pariser Schreiner 
hernommen, welche erklärte, es seien 3500 Arbeiter 
»on 5000 Arbeitern ohne Beschäftigung. Die 
Abordnung beklagte, daß die Maschinen immer 
nehr die Handarbeit verringern; es sei nöthig, daß 
die Maschinen besteuert würden, damit die Arbeiter 
mehr Verwendung finden könnten; auch beklagten 
die Mitglieder der Abordnung, daß aus Deutschland 
ertige Möbel eingeführt werden; dies sei wohl ein 
een für die Händler, aber ein Unglück für die 
rbeiter. 
Vermischtes. 
FMünchen, 16. Febr. Die Strafkammer 
)es kgl. Landgerichts verurtheilte den Hofschauspieler 
Direktor Possart wegen Herausforderung Dr 
—A 
dofschauspieler Schneider, zu je einem Tage 
Festungshaft und solidarischer Kostentragung 
F Aus Saargemünd wird gemeldet, daß 
sich der bei der fünften Eskadron des 5. Chevaur⸗ 
iegers-Regiments dienende Rekrut Schneedt, ein 
geborener Grünstadter, mit seinem Karabiner 
erschossen habe. Motive unbekannt. 
F Karlsruhe, 14. Februar. Die großen 
Eisenbahnunfälle von Heidelberg und 
Hugstetten kosten das Land bloß an Entschädigun 
gen zusammen 1,200,000 Mark. In Folge jener ün⸗ 
zlücksfälle müssen ferner große Summen für neue 
Anlagen und Sicherheitsbauten verwendet werden, 
nämlich etwa 190 Mill. 
F.Aus Bruchsal wird der „N. B. L.“ ge⸗ 
schrieben: Vor etwa 14 Tagen kehrte ein junger 
Mann aus achtbarer hiesiger Familie von Amerika 
surück. Von Hamburg aus benachrichtigte er seine 
Eltern von der glücklich überstandenen Seereise und 
heilte denselben den Tag seiner Hierherkunft mit, 
owie die projektirte Reiseroute, wonach er in Köln 
n einem näher angegebenen Gasthof zu übernachten 
eabsichtigte. Seitdem sind nun sämmtliche Effekten 
Lokale und pfalzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 17. Febr. In der letzten 
Strafkammersitzung des k. Landgerichts Zweibrücken 
hdatte sich der Hafenmeister K. von hier wegen einer 
Majestatsbeleidigung zu verantworten, wurde aber 
als nicht überführt, freigesprochen. 
2Blieskastel, 17. Febr. Gesitzwechsel.) 
Das den Erben des verstorbenen Ackerers Johannes 
Freff von hier gehdrige Haus, an der Schloßberg⸗ 
sraße gelegen, wurde gestern von dem Ackerer Karl 
Breff dahier um den Preis von 3200 M. ersteigert. 
— 7 Kaiserslautern, 14. Februar. Eine 
Schwindlerin versuchte nach der „Volksztg.“ dieser 
ude eine Prellerei, Sie erschien sehr fein geklei—