Full text: St. Ingberter Anzeiger

4 Ein Berliner Weingroßhändler, 
velcher für ein Berliner großes Hotel die Wein⸗ 
jeferung hatte, ist mitsammt seinem Kellermeister 
zuf Veranlassung des Untersuchungsrichters vom 
dandgericht i.am Sonntag zur Haft gebracht 
porden. Die Verhaftung ist in Folge einer An⸗ 
— betreffenden Hotelgesellschaft erfolgt, wel—⸗ 
her besagter Weinhändler schlechtere Sorten, als 
ia Rechnung gestellt wurden, geliefert haben soll. 
4 Wie ein österreichischer Postbeainter durch eine 
zute Namensunterschrift sein Glück ge⸗ 
macht hat, darüber wird folgende niedliche Geschichte 
erzählt. Vielleicht dürfte auch hie und da an deut— 
schen Postschaltern ein jüngerer Beamter sitzen, 
welcher sich dabei an die Hieroglyphen seiner Schrift— 
—V 
noralischen Vorsatz faßt. Ein junger polnischer 
Postbeamter erhielt vor einiger Zeit einen Brief 
aus Paris von einer längst verschollen geglaubten 
Tante, die aus seiner schönen leserlichen Unterschrift 
auf einem Retourschein ersehen hatte, daß und wo 
er noch lebe. Sie ließ ihn kommen und adoptirte 
ihn, und jetzt ist einer der höchsten Beamten Gali⸗ 
iens nach Paris gekommen, um dort die Verlobung 
einer Tochter mit dem glücklichen einstigen Post— 
»eamten zu feiern. Die Verlobung fand in Paris 
tait, weil die reiche Tante — die Tante war 
elbstverständlich reich — zu alt ist, als daß sie 
jätte nach Galizien reisen können, und die Verlob⸗ 
uing hat überhaupt stattgefunden, weil der junge 
Postbeamte schon daheim die schöne Ludmilla ange⸗ 
jetet hatte, freilich ohne zu ahnen, daß er je seine 
Wünsche bis zu ihr werde erheben können. Die Be— 
iehungen zwischen der Unterschrift auf dem Retour— 
schein und der Unterschrift auf dem Ehekontrakte 
iind klar. 
F(Ein Stammbuchvers von Napo— 
eon 1I11.) Bekanntlich besuchte Napoleon III. in 
einer Jugend einige Jahre das Gymnasium in 
Augsburg. Durch sein freundliches und leutseliges 
Wesen gewann er sich während dieser Zeit viele 
Freunde, denen er zeitlebens seine Freundschaft be— 
wahrte. Einem dieser Freunde schrieb er nachfol— 
gendes, hier wörtlich wiedergegebenes Verschen in 
dessen Stammbuch: 
„Freund, genieße jede Lust des Lebens, 
Jedes Guten freue herzlich Dich! 
Sene Dich nach keinem Glück vergebens, 
Bleib' mein Freund und liebe ewig mich.“ 
Augsburg, den 31. August 1822. 
Karl Ludwig Napoleon. 
(Toiletten-Luxus.) Sarah Bernhardt 
rat kürzlich in Paris wieder als Camelien-Dame 
zuf. Vielleicht dürfte es manche unserer Leserinnen 
nteressiren, zu wissen, was ihre Toiletten zu dieser 
dolle kosteten. Mr. Felix entwarf die Zeichnungen 
ür dieselben, für die nicht weniger als 16,000 Fr. 
verbraucht wurden. Einen Anzug von Gold⸗Tüll 
nit eingestickten Kornühren und Opalen auf gelbem 
Seidengrunde, welcher mit 1500 Fr. berechnet war, 
vollte die Künstlerin gar nicht ansehen; dann kam 
iin Anzug aus Gold⸗- und Silberbrocat mit rosa⸗ 
jarbenem Seidenstoffe eingefaßt, ferner ein Unterrock 
nit Cluny⸗Schnuͤren geputzt, welcher mit 2800 Fr. 
»ewerihet wurde, und ein anderer aus himmel— 
blauem Bengalin um 3000 Fr. Wenn man hier⸗ 
zu ein Thee⸗Kleid um 1500 Fr., einen Mantel 
im 1400 Fr. und einige andere Kleinigkeiten um 
2000 Fr. rechnet, so kommt man zu der Gesammt⸗ 
umme von 16000 Francs. Der Geschäftsführer 
her Sarah Bernhardt fand den Preis zu hoch und 
‚ahlte nicht, worauf der Schneider klagte. Gegen— 
wärtig soll ein Sachverständiger beurtheilen, ob die 
jelieferten Kleider das geforderte Geld werth sind 
oder nicht. Und da sagt man, daß die Theater 
m Verfalle seien 
FIn Botuschan (Kumänien) hat sich in 
aner Dampfbadeanstalt, in der fich über 100 
Frauen und Mädchen befanden, unlängst ein ganz 
eutsetzliches Unglück ereignet, indem eine Frau im 
Schrecken darüber, daß sie sich ihre Hand elwas 
derbrüht hatte, den Haupihahn an dem Kessel abriß 
ind das siedende Wasser sich über die Badenden 
rgoß. 20 Frauen und Mädchen, welche zum Theil 
maet a⸗ d oberen Stockwerke auf die Straße 
en, sin 
eenh schwer verletzt, mehrere blieben 
t. Die Giftmörderinnen Katharina Flannigan 
und Margarethe Higgins, welche in Liverpool A 
np Reihe von Personen, deren Leben sie insgeheim 
icht hatten, durch Verabreichung von ürfjenik 
aus der Welt schafften, wurden ain Sonnabend von 
den Geschworenen des verübten Mordes schuldig 
vefunden und zum Tode durch den Strang ver— 
irtheilt. 
F(Mann und Fraud In Mailand strengte 
dieser Tage ein Mann eine Scheidungsklage gegen 
seine Gattin an „Meine Frau — eine wahre 
Furie — schlägt mich seit zehn Jahren,“ sagt er. 
Ich muß in dieser Zeit weit über 600 Ohrfeigen () 
— das ist ihre Spezialität — bekommen haben. 
Dabei bin ich immer geblieben. Aber Alles hat 
eine Grenzen. Heute hat sie ihre Zuflucht zu 
inem Eisentopf genommen und hat mir den Kopf 
erschlagen; da sehen Sie Herr Richter . ..“ Die 
Bunde wurde constatirt, und der Mann von seiner 
Ihrfeigenspenderin befreit. 
F Aus Montevideo (Uruguay) wird vom 
14. Januar berichtet: Gestern tummelten sich eine 
Menge Badegäste, meist Frauen nund Kinder, an 
en Ufern des Flusses. Um 7 Uhr vernahm man 
nichts als Freudenrufe und Lachen, eine halbe 
S„tunde später ließ sich aus der Ferne ein dumpfes 
Brollen vernehmen, der Himmel bedeckte sich, das 
Meer zog sich mit rasender Schnelle vom Ufer 
urück, die entsetzten Badenden auf dem Trocknen 
assend, von denen eine Anzahl, die Geistesgegen— 
bart nicht verlierend, auf's schleunigste flohen, denn 
nan sah eine riesig große, schwarze Masse sich mit 
urchtbarer Schnelligkeit nähern, eine gigantische 
Woge, eine ungeheuere Wasserhose, welche sich mit 
ingeheuerem Getöse auf das Ufer stürzte, die Frauen 
ind Kiunder verschlingend und sie gleich Kreiseln 
iach den Straßen der Stadt rollend. Von der 
Bestützung, welche dieser Sündfluth folgte, kann 
nan sich keinen Begriff machen. Der Boden war 
nit Leichen bedeckt, Wehklagen der unter denselben 
hre Angehörigen Suchenden erschütterten die Luft. 
Fin Kaufmann verlor Frau und seine drei Kinder, 
eine junge Frau wurde vor Schrecken wahnsinnig. 
Man glaubt, daß diese Wasserhose durch einen vul⸗ 
kanischen Ausbruch im Meeresbusen verursacht 
vurde.. Die französische Corvette „le Second“ 
vurde durch die Wasserhose in die Höhe gehoben 
ind es ist ein Wunder, daß sie nicht Schiffbruch litt. 
New⸗-York, 20. Febr. Im Südosten und 
Züden der Vereinigten Staaten wüthete am Diens⸗ 
ag Abend ein heftiger Tornado, welcher sehr großen 
„chaden, namentlich in Georgia, Alabama, Nord⸗ 
ind Süd⸗Carolina anrichtete. Viele Menschen sind 
etödtet und schwer verletzt, sowie zahlreiche Ge— 
äude zerstört worden. Der Sturm führte die 
Leichen einiger Verunglückten auf große Entfern⸗ 
ingen mit fort. Das Unwetter erhöhte im Ohio— 
hale die Leiden der Opfer der letzten Ueberschwem⸗ 
nungen bedeutend. Man fürchtet, daß viele Men⸗ 
chen umgekommen sind. — In einem Bergwerke, 
cht Meilen von Connelsville (Pennsylvanien), fand 
ine Explosion statt, während 75 Mann in den 
sßruben waren. Bisher wurden 12 gerettet, aber 
die Mehrzahl ist sehr schwer verletzt. 29 Leichen 
vurden aufgefunden. — Der Dampfer „Frisia“ 
andete die Leichen des Capitäns der „Jeannette“ 
de Long und seiner Kameraden. 
fF Getrogener Betrüger.) Ein Kauf— 
mann in Newyork sagt zu seinem Kommis: 
„John, ich habe dreitausend Dollars Schulden. 
Run habe ich zweitausend Dollars in der Kasse 
liegen, aber mein Lager ist total leer. Ich glaube, 
daß das der, Moment zu einem brillanten Bankerott 
wäre.“ 
„Ganz meine Ansicht,“ erwidert der Angeredete. 
„Aber man müßte einen glaubwürdigen Vor— 
vand für meine Gläubiger finden. Denken Sie 
»och über Nacht darüber nach und erfinden Sie 
ine Entschuldigung.“ 
Der Kommis verspricht, sich ernstlich mit der 
—XVI 
rächsten Morgen im Laden erscheint, findet er die 
dasse offen, das Geld gestohlen und an Stelle der 
Dollars einen Zettel mit solgenden Worten: 
„Ich habe die zweitausend Dollars genommen 
und mich nach Europa eingeschifft. Es ist dies 
die beste Entschuldigung, welche Sie Ihren Gläu—⸗ 
zigern anführen können.“ 
F (GTechnische Erziehung.) In den 
Vereinigten Staaten Nordamerikas mit einziger 
Ausnahme Floridas hat man sich das Gesetz von 
862 zu nutze geniacht, nach welchem für Acker— 
»au⸗ und Gewerbeschulen Bundesland verlangt 
ind bewilligt werden kann. Bis jetzt sind zu diesem 
zweck 9000 000 Acker hergegeben worden, unge— 
echnet die Ländereien, welche einzelne Staaten und 
Zrivatleute den gedachten Bildungsanstalten ge— 
henkt haben, so daß einige derselben alle Aussicht 
aben in gute Verhöltnisse zu kommen. In einigen 
Fällen ist die Laudschenkung an die Bedinguͤng 
jeknüpft worden, daß gewisse Lehrzweige eingeführt 
verden. Auf diese Weise erlangte das „Cornell 
Follege“ 900 000 Acker, und der Bericht sagt, daß 
diese Anstalt nebst der Brown⸗Universität von Rhode 
Island das Muster einer Anstalt für technischen 
Unterricht sei. Eine interessante Thatsache ist es, 
daß in fast allen diesen Anstalten die Frauen gleiche 
—— 
pezielle Kurse zur Belehrung in häuslichen Fertig— 
keiten und Wissenschaften für das Haus eingerichtet 
worden sind. So werden im „Kansas College“ 
die Mädchen über Gesundheitspflege im Hause be— 
belehrt und mit praktischer Arbeit in Küche, Milch— 
virthschaft und dergleichen beschäftigt. Ime, Jowa— 
Tollege“ werden sie in der Krankenpflege unterrichtet 
und in Urbang hat man dem sogar noch Belehrung 
über „Aesthetik und Architektur im Hause“ beigefügt. 
Ein neuer Unterrichtszweig ist in dem Asyl zu 
kKaleigh, N. C., für die Taubstummen dem Lehr— 
plan beigefügt worden, indem man diese mit vielem 
Erfolg in der Kochkunst unterrichtet. In den Schulen 
zu Hampton, Va., und Carlisle, Pa., werden In⸗ 
dianer zu Farmern und Hirten, Blechschmieden, 
Zimmerleuten und Schuhmachern herangebildet. 
zu diesen Werkstätten sind für das Indianeramt 
2000 Par Schuhe, 70 vollständige Geschirre für 
Ackerpferde und 500 Dutzend verschiedene Artikel 
n Biechwaaren angefertigt worden. In Carlisle 
waren Anfang dieses Jahres 379 Indianer von 
yerjchiedenen Stämmen beschäftigt, von denen 200, 
welche in allerlei Geschaͤftszweigen ausgebildet worden 
varen, zu ihren Stammesgenossen entsandt worden 
ind, wo die große Mehrzahl von ihnen einen 
durchaus segensreichen Einfluß ausübt. Es mögen 
in Paris, London und anderen Städten der alten 
Welt polytechnische Schulen ersten Ranges existieren, 
nit denen höchstens die Lehranstalt in Massachusetts 
onkurrieren koͤnnte; aber in keinem Lande dürfte 
ꝛin System eingeführt sein, welches gleich dem 
amerikanischen den Keim in sich trüge, für die all⸗ 
zemeine Bildung des Volkes in technischer und 
zraktisch-künstlerischer Ausbildung wirksam zu sein. 
Die Wichtigkeit der fraglichen Bestrebungen tritt 
umsomehr herbor, wenn man bedenkt, daß in unserer 
Zeit die Heranbildung zur Meisterschaft in technischen 
Fächern durch den Niedergang des Lehrlingswesens 
zu einer großen Schwierigkeit, wenn nicht zur Un— 
möglichkeit geworden ist. (Zig. f. d. höh. Uut.) 
Ein Seitenstück zu der Katastrophe von Kra⸗ 
katoa scheint, nach einem in der Times vom 15. 
d. M. veröffentlichten Bericht zu schließen, ein groß— 
artiger vulcanischer Ausbruch gewesen zu sein, der 
im vergangenen October im Terr. Alaska in 
Rordamerika stattgefunden hat. Nur die gänzliche 
Abgelegenheit jenes Gebietes vom großen Weltwver⸗ 
kehr macht es erklärlich, daß die Nachrichten über 
das Ereigniß erst jetzt in Europa anlangen. Die 
bezügliche Mittheilung in der Times lautet wie 
folgt: „San Franciscoer Blatter veröffentlichen einen 
oon Professor Davidson empfangenen Bericht über 
den vulkanischen Ausbruch, welcher im vergangenen 
Detober am Eingange zu Cook's Inlet stattfand. 
Die dortigen Fischer sahen zuerst dichte Rauchmassen 
und Flammen, welche von starken. Detonationen 
hegleitet waren, aus dem Berge St. Augustine auf⸗ 
chießen. Der Himmel war verfinstert, und wenige 
Stunden später begannen große Quantitäten Bim— 
tein zu fallen, welcher theils sehe fein, theils von 
der Beschaffenheit starken Sandes war. Um 314 
Uhr Nachmittags fand, ein starkes, dröhnendes 
Heräusch und gleichzeitig augenscheinlich ein Heben 
des Meerbodens stalt. Eine 30 Fuß hohe Woge 
wälzte sich landeinwärts über English Vay, indem 
ie die Fischerboote, welche am Strande lagen, vor 
ich herfegte und die Hütten der Fischer bedeckte. 
Blücklicherweise war es gerade Ebbezeit, sonst hätte 
das Dorf ganz zerstört werden können. Zwei 
indere Wogen, jede gegen 18 Fuß hoch, folgten 
n unregelmäßigen Zwischenräumen. Das Tages- 
icht war vollständig verfinstert durch den fallenden 
Staub, welcher 5 bis 6 Zoll hoch lag. In der 
Nacht war die ganzeNachbarschaft durch die Flammen 
aus dem Krater erleuchtet, der gewöhnlich mit Schnee 
bedeckt ist, aber dieses Jahr von demselben entblößt 
war. Es wurde bald entdeckt, daß Mount St. 
Augustine auseinander geborsten war, wobei sich 
der nördliche Theil desselben bis zum Niveau der 
imgebenden Hügel herabgesenkt hatte. Zu derselben 
zeit tauchte in dem Fahrwasser zwischen Cherna⸗