Full text: St. Ingberter Anzeiger

derhaften Nummer betreten zu wollen. Zureden 
gBräutigams, Schmollen der Braut, eindringliche 
d hier, capriciösse Verweigerung dort, Bräuti⸗ 
stlos, Braut verzweifelt! 300 Gäste zum 
zam tro 
diner, 800 zum Ball geladen, und die Braut — 
ril nicht. Es ist schauderhaft. In seiner Ver⸗ 
weiflung stürzt der „glückliche“ Bräutigam zum 
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uligeipräsidenten, demselben das „Hoffn'ingslose 
net Lage schildernd. Nach kurzer Unterredung 
Ferläßt unser Bankier mit strahlendem Antlitz das 
Zabinet des Präsidenteu. Die Hochzeit findet Tags 
arauf mit allem Glanze königlichen Reichthums 
dan; das Brautpaar fährt strahlenden Antlitzes in 
ein schönes Heim. Wie hatte man so schnell das 
Trotzköpfchen zu beruhigen vermocht? Auf Vermitt⸗ 
ung des Polizeipräsidenten hatte schleunigst die 
graͤßliche Nummer 13 der unschuldigen 122 Platz 
macht, und dadurch war die sonstige Straßen⸗ 
Jummerordnung in keiner Weise gestört worden. 
daß der junge Bankier für die Launen seiner 
hattin 18,000 Mk. an die, Armen gezahlt hat 
das ist das Beste an der Geschichte). möge die 
unge launenhafte Frau nun hierdurch erfahren! 
Ein junges Mädchen war ganz fremd nach 
gerlin gekommen, um sich dort einen Dienst zu 
uchen. Es gelang ihm auch noch an demselben 
rage auf einem Miethscontor, wohin es sich be⸗ 
jeben hatte, einen Dienst bei einer Herrschaft in 
er Potsdamer Vorstadt zu finden. Das Mädchen 
rat die Stelle sofort an, nachdem es seine Sachen 
uus dem Gasthofe, in welchem es abgestiegen war, 
jeholt hatte. Am anderen Morgen wurde das 
NRädchen von der Herrschaft zum Einkauf von 
Zauerkraut fortgeschickt, fand aber, als es den Ein— 
auf besorgt, weder die Wohnung ihrer Herrschaft 
vieder, noch vermochte es sich auf den Namen der⸗ 
elben zu entsinnen, und irrte daher mit dem Sauer— 
raut eine Zeit lang in den Straßen umher. Es 
rinnerte sich schließlich des Mieihscontors und be— 
jab sich dorthin, um die Adresse der Herrschaft zu 
tfahren. Auf dem Contor wurde ihr auch eine 
ldresse genannt, die sich aber als unrichtig erwies. 
die Erfolglosigkeit ihres Suchens veranlaßte die 
Herirrte, nach einem Polizeibureau zu gehen und 
hr Mißgeschick den Beamten mitzutheilen. Hier 
zlieb das Mädchen bis zum anderen Morgen, und 
nzwischen gelang es durch telegraphische Nachforsch⸗ 
ingen in sämmtlichen Berliner Revieren die richtige 
derrschaft ausfindig zu machen. Das Mädchen 
onnte nun mit dem Sauerkraut, das es die ganze 
zeit über mit sich herumgetragen hatte, seiner Herr⸗ 
chaft zugeführt werden. 
Gennman „Schmidt“ heißt.) Eine 
Inklage auf Ehebruch war gegen Karl Wilhelm 
z„chmidt erhoben worden und sollte am Mittwoch 
or der Strafkammer des Berliner Landgerichts J 
erhandelt werden. Auf der Anklagebank befanden 
ich ein Mann und ein Weib, welche des Frevels 
eschuldigt waren. Als der Präsident die Verhand⸗ 
ung mit der Vernehmung des ersteren begann, ob 
edie neben ihm stehende Frau kenne, erwiderte er 
nit aller Zuversich: „J, Gott bewahre, meine 
derten, ich habe die Frau nie gefehen und kenne 
e gar nicht!“ Anfangs war man über diese un— 
erfrorene Antwort erstaunt; er wurde dann des 
eiteren befragt: „Sind Sie denn nicht Karl Wil—⸗ 
elm Schmidt?“ Angekl.: „J, Gott bewahre, ich 
eiße Karl Martin Schmidt?“ Präs.“ „Warum 
aben Sie denn aber die Vorladung angenommen?“ 
ingekl.“ „Wollte ich auch nicht. Aber der Postbote 
iat sie mir in die Hand gedrückt und behauptet, 
b müsse sie nehmen. Na, was sollte ich thun?“ 
Unter allgemeiner Heiterkeit wurde der falsche 
„chmidt entlassen und der Termin vertagt, bis 
nan den richtigen Schmidt erlangt habe. 
f.Grabow, 16. Febr. Ein Seitenstück zu 
)em schlafenden Ulanen. Eine hiesige Frau liegt 
eit dem 7. d. M. fortwährend im Schlafe — bis 
Jeute ist sie noch nicht erwacht — dabei geht der 
buls so regelmäßig, wie bei einem gesunden 
Nenschen. Sticht man sie mit einer Nade in die 
dand oder in's Gesicht, so rührt sie sich nicht ein⸗ 
nal. Die einzige Bewegung macht sie, wie das 
M. T.“ berichtet, hin und wieder dadurch, daß 
ie die Lippen ein kliein wenig öffnet und' dann 
uucht man ihr einige Löffel Suphe einzugeben. was 
uuch haufig gelingt. 
FBiel, 28. Febr. Die Steinbrüche in Re— 
heneite bei Biel sind eingestürzt. Arbeiter sind 
derschültet; mehrere sind todt und verwundet. 
Der Wein⸗Import über die Gott— 
hardbahn dürfte. wie qus Lnzern aeschriehen 
vird, mit der Zeit großen Umfang annehmen. 
Nachdem man in der Centralschweiz die italienischen 
Beine schon längst zu schätzen gewußt hatte, fangen 
dieselben nunmehr an, sich allerorts, in der Schweiz 
ind in Deutschland, das Feld zu erobern. Der 
Fentralmarkt für dieselben soll in Luzern ausgebildet 
oerden und ist zu dem Behulfe dort eine Haupt- 
ollstätte mit Freilagern für Wein errichtet worden. 
die italienische Regierung beabsichtigt, an dem 
Blatze eine Agentur mit Musterlagern zu errichten. 
F Wien. Die Gerichtsverhandlung gegen die 
NRädchenmörder Hugo und Karl Schenk und 
5chlosfarek ist auf 13.-15. März festgesetzt. 
4(Ewei politische Kalauer) Aus 
Wien: Wissen Sie, warum man vom Ausnahme 
ustand nichts sieht? — Weil er „verhängt“ ist. — 
lus Belgrad: Warum sucht der König von 
Serbien noch immer einen Unterricktsminister? — 
Beil das Ministerum noch nicht gebildet ist. 
F (GHinrichtung und Straßenscandal in 
zudapest.) Anläßlich der am Samstag erfolgten 
dinrichtung der Mörder Majlath's sammelte sich 
im Donnerstag Abend in Pest eine große Menge 
or deim Strafhause an. Dieselbe rief: „Eljen 
zponga“, und da sie einige Gaslaternen einzu— 
hlagen begannen, mußte berittene Polizei ein⸗ 
hreiten, während die Kaufleute ihre Läden schlossen 
ẽ8 gelang auch, den Platz frei zu machen, doch 
ammelte sich die Menge wieder in der Csolkonaigasse, 
vo sie einige Fensterscheiben und Gaslaternen einschlug, 
»abei „Etjen Istoczy“ rufend. Constabler verhafteten 
2 Strolche, welche die Menge hierauf befreien wollte. 
Nun wurde von den Polizisten ein Schuß in die 
Menge gefeuert, der nicht traf. jedoch die Zerstreu⸗ 
ung der Menge bewirkte. Die Polizeipartrouillen 
vurden verstärkt. Um halb 11 Uhr Nachts war 
die Ruhe hergestellt. Drei Individuen wurden 
»erhaftet, welche die Polizeiorgane mit Steinen 
»eworfen hatten. Sämmiliche Gast- und Kaffee⸗ 
zäuser der Straße mußten um 9 Uhr geschlossen 
verden. Die Hinrichtung fand Morgens 7 Uhr 
)urch Hängen auf dem Hofe des Strafhauses, im 
Beisein zahlreicher Magnaten, Abgeordneten und 
Fournalisten statt. Die drei Galgen waren derart 
errichtet, daß von den Delinquenten einer den an⸗ 
dern nicht sehen konnte. Sponga bat unter dem 
Balgen die Familie Majlath's um Verzeihung. Pi— 
chelh starb ohne zu sprechen. Bereccz rief, als ihm 
der Nachrichter die Schlinge um den Haks legte: 
,ich sterbe unschuldig, Gott strafe meine Richter!“ 
Die Hinrichtung wurde nicht geschickt vollzogen, sie 
zauerte mehrere Minuten bei jedem der Verurtheil⸗ 
ten; bei zweien derselben soll der Tod erst nach 
einer Viertelstunde eingetreten sein. Vor dem 
Ztrafhause war eine riesige Volksmenge angesam— 
melt, jedoch wurde die Ruhe nicht gestört. 
fUebereinen Domestikenballwird 
uus Paris geschrieben: Wenn die Katze nicht zu 
dause ist, pflegen, nach einem guten deutschen 
Sprichwort, die Mäuse auf Tisch und Stühlen zu 
anzen. Die Pariser Domestiken aber begnügen sich 
nicht mit einem solchen kleinen Gelegenheits-Di— 
zertissement in Abwesenheit der Herrschaften, son⸗ 
jern sie veranstalten alle Jahre in der Karnevals- 
eit ihren eigenen Ball, den sogenannten „bal des 
sens de maison““, eine zarte Umschreibung für 
hesindeball. Da wimmelt es natürlich von kleinen 
dammerkätzchen, die in einem Schleppkleid von 
hrer Gnädigen einherrauschen und von Köchinnen, 
die sich mit Hilfe des Kleiderschranks ihrer „bour- 
zeoise equipirt und ballfähig gemacht haben. Die 
dammerdiener und valets de pied aber sind mit 
hren tadellosen Fracks, den weißen Kravatten und 
Fabots ihrer Herren und den sorgfältig rasirten 
Hesichtern so steif und ceremoniell, daß man sie 
uhig in einen Salon des Faubourg St. Germain 
ersetzen könnte. Repräsentiren sie doch auch auf 
diesen Bällen die Gesinde-Aristokratie, die Creme 
der Lakaien-Welt! Fin grandioses Souper, bei 
velchem ein Piqueur einen liebenswürdigen Toast 
nuf „die Grazien der Küche und Kammer“ — 
lies Stubenmädchen und Köchinnen — ausbrachte, 
heendete das sehr lustige Fest. Uebrigens gab es 
ꝛeinen kleinen pikanten Zwischenfall. Man entdeckte 
einen Pariser Journalisten unter den Geladenen, 
velcher sich als Kammerdiener eingeschmuggelt hatte. 
Der betreffende Mann der Presse wurde von den 
Festordnern mit den Worten an die Luft befördert: 
„Wir geben nicht Jedermann hier Zutritt. unser 
gall ist exklusive, mein Herr!“ 
F In diesen Tagen ist es erlaubt auch von 
lo Carneval du Dictionaire“ zu sprechen, welchen 
Jierre Vron halt erscheinen lassen. Das Ganze 
ist nicht bedeutend, aber da der Verfasser sich die 
Freiheit nimmt Alles zu sagen, läuft auch manches 
dübsche mit unter. Hier einige Beispiele: 
Agonie (Todeskampf) —- Durchgaug oder Sackgasse? 
Amitié (Freundschaft) — ein Regenschirm, welchen 
man nicht finden kann, sobald schlechtes Wetter 
eintritt. 
Arséͤnie — Ehescheidungsgrund in Pulverform. 
Célibhataire (Hagestolz) — durch die Gesetze ge⸗ 
duldeter Wilddieb. 
Dicatrice (Narbe) — Fabrikzeichen des Krieges. 
Ppine (Dorn) Garde-du-corps der Rose. 
Ptymologis — die Erforschung der Vaterschaft ist 
erlaubt. 
Lègitimité — Rolands Roß; hat alle vorkrefflichen 
Eigenschaften, ist aber todt. 
Mollet (Wade) — die Abwesenden haben Unrecht. 
Missionnaire — Reisender, welcher in Frömmig⸗ 
leit macht. 
Occassion (Gelegenheic) — muß stark beschäftigt 
sein, wenn sie alle Diebe macht. 
Sommeil (Schlaf) — ein Freund wie die andern; 
läßt uns im Stiche, wenn wir seiner am meisten 
bedürfen. 
f London, 25. Febr. Das „Reuter'sche 
Bureau“ meldet aus Hongkong: Gestern fand eine 
Tesselexplosion auf dem Dampfer „Kostai“ 
vährend der Fahrt von Hankong nach Macao statt. 
Siebzehn Passagiere wurden getödtet. darunter acht 
Furopäer. 
F In einer in Manchester abgehaltenen 
Massenversammlung brodloser Arbeiter 
vurde die Mittheilung gemacht, daß infolge der 
anhaltenden Geschäftsstockung auf fast allen Gebie— 
ien des Handels und der Industrie in Manchester 
und Saalford gegenwärtig über 40.000 Perionen 
beschäftungslos sind. 
4 (EEin Collegeunseres Kronprin— 
„Jein.) Die in Granada erscheinende Zeitung El 
Defensor berichtet, folgenden scherzhaften Vorfall. Als 
der deutsche Kronprinz nach dem Frühstück aus dem 
Hotel trat, befand sich vor der Thür, wo ihn das 
Hefolge erwartete, auch ein Zigeuner, dessen male— 
rische Tracht des Kronprinzen Aufmerksamkeit so 
zuf sich lenkte, daß er stehen blieb, ihn zu betrach— 
en. Der Zigeuner, der sich als Gegenstand der 
aiserlichen Neugierde sah, zog seinen Hut ab. Der 
Prinz jedoch forderte ihn mit huldvoller Handbe— 
vegung auf, sich zu bedeckken. Der Angeredete ge— 
jorchte, nicht ohne sein Behagen verbergen zu können, 
m königlichen Gefolge als „caballero cubierto“ 
u erscheinen (bekanntlich ist es ein Vorrecht der 
panischen Granden, vor dem König das Haupt bedeckt 
zu halten). Inzwischen betrachtete ihn der Prinz 
freundlich lächelnd über seine drollige Haltung und 
chmunzelnde Miene und fragte: „Wer bist Du?“ 
— „Ich bin,“ antwortete der Gefragte, sich die 
dippen heißend, „der König der Gitanos“ (Zigeuner). 
„Ah!“ rief der Prinz lachend, „so sind wir dann 
Tollegen!“ 
F Das Betteln nährt seinen Mann. 
In der Vorhalle der Himmelfahrtskirche zu Peters⸗ 
hurg bettelte seit Jahren ein alter Mann Namens 
Pljuschkin um Almosen. In letzter Zeit wurden 
aber plötzlich seitens seiner Kollegen Klagen über 
ihn laut; dieselben erklärten, Pljuschkin sei schon 
reich genug, er brauche nicht mehr zu betteln. Man 
glaubte zwar diesen Versicherungen nicht, da er 
aber gar zu zerplumpt einherging, so forderte man 
ihn auf, den Platz bei der Kirche zu verlassen und 
hinfort zu meiden, gestattete ihm jedoch auf 
seine Bitte, zum letzten Mal den Glockenthurm zu 
ersteigen. Als er hinaufging, folgte man ihm, weil 
man befürchtete, daß er sich am Ende ein Leides 
anthue. Wie erstaunte man jedoch, als er dort ein 
Kästchen aus einem Winkel hervorholte, in welchem 
sich 7000 Rubel befanden. Später fand man bei 
ihm außerdem noch einen Depotschein der Reichs— 
bank über 3000 Rubel, so daß dieser Bettler ein 
Capital von rund 10,000 Rubel besaß, das ihm 
von den mildthätigen Kirchengängern allmählig zu⸗ 
geflossen war. 
F Die Papier-Production der Erde be—⸗ 
trug im letzten Jahre rund 1000 Millionen Kilo⸗ 
gramm, welche von 3965 Fabriken geliefert wur⸗ 
den. Hiervon werden etwa 500 Miillionen für 
Druckzwecke verwandt, darunter 300 Millionen für 
Zeitungen, der Rest für Bücher, 100 Millionen in 
Bureaux der öffentlichen Verwaltungen, 90 Millio— 
aen in den Schulen, 200 Millionen im geschäft⸗ 
lichen und 90 Millonen im vrivaten Verkehre