Full text: St. Ingberter Anzeiger

oder ein Gebrechen maskiere oder wenn sie — für 
zutes Honorar — einen neuen Stoff, eine neue 
Farbennüance auf die Bretter bringe, so bemächtige 
sich der eleganten Welt des zivilisierten Europa ein 
hrennendes Verlangen, jener Person so ähnlich als 
möglich zu werden. Höchst respektable Damen sehe 
man in Costümes, welche die anständigen Pariser⸗ 
innen von ihren Erfinderinnen nicht annehmen. Die 
»eutschen Frauen sollten aufhören, jede unsinnige, 
ungesunde oder unanständige Neuerung, die von 
Paris komme, mitzumachen und wo möglich noch 
zu übertreiben. Sie müßen den Muth haben, sich 
»em Nasenrümpfen einiger Närrinnen auszusetzen 
und die heimische Industrie zu fördern, anstatt sich 
zu rühmen: „Wir beziehen alles aus Paris.“ 
Gie Deutsche Borneo-Compagnie.) 
Die alten Hansestädte gehen dem neuen deutschen 
Reiche wieder mit jugendlichem Unternehmungsgeist 
in fernen überseeischen Ländern voran. Wie Bremen 
durch Lüderitz, so jetzt Hamburg in der Deutschen 
Borneo⸗Compagnie. Am 28. Februar d. J. ist 
inter diesem Namen in Hamburg eine Actienge- 
zesellschaft gegründet worden, welche von der British 
Rorth Borneo-Company ein Areal von ca. 10,000 
Acres als Eigenthum erworben hat, auf welchem 
ie Plantagen tropischer Producte, namentlich von 
Tabak errichten will. Das Grundcapital von 200,000 
M. ist in 20 Actien zu 10,000 Mark auf 
Namen lautend, eingetheilt. Als Direktor ist Herr 
Friedrich Hockmeyer in Hamburg, wo der Sitz der 
Besellschaft, erwählt. Die Leitung des Culüvati⸗ 
nsunterehmens auf Borneo ist einem mit den 
niatisch⸗ tropischen Verhältnissen durch langjährige 
xrfahrungen vertrvbuten Manne übergeben und 
assen sich bei der Prosperität der Deli Matschappy 
wf Sumatra und ähnlicher Unternehmungen für 
zie in dem überaus fruchtbaren nördlichen Theile 
von Borneo arbeitende junge deutsche Companie die 
zünftigsten Ergebnisse erwarten. Indem wir mit 
jerzlicher Sympathie dieses neueste Zeichen eines 
viedererwachten deutschen Weltunternehmungsgeistes 
zegrüßen, hoffen wir, daß die Herren Lüderiß und 
hockmeyer bald zahlreiche Nachfolger finden werden. 
sGDas Unwesen der Wahrsagerin— 
ren und Kartenlegerinnen) nimmt in ein— 
elnen Städten der Provinz Schlesien in bedenken⸗ 
rregendem Maße zu und es sind vielfach gerade 
Mädchen und Frauen aus den sogenannten gebil⸗ 
eten Ständen, die die Hauptkundschaft der klugen 
rrauen bilden, welche aus Karten oder aus den 
adenbildungen des Eiweiß in einem Glase Wasser 
die Zukunft verkündigen. In VLiegnitz ist kürzlich 
er Fall vorgekommen, daß eine junge Dame ihr 
»is dahin völlig ungetrübtes Verhältniß zu dem 
Bräutigaem aus keinem anderen Grunde plötzlich 
öste, als weil ihr eine Kartenlegerin prophezeit 
jatte, daß sie mit einem andern Manne glücklicher 
verden würde. Wenn derartiges in gebildeten 
dreisen vorkommt, so darf man sich nicht darüber 
vundern, daß im letzten Viertel des 19. Jahrhun⸗ 
)erts der Hexenglaube in manchen Schichten noch 
o stark ist, daß z. B. im Schwiebuser Kreise zwei 
tinwohner ihr Besitzthum veräußern und ihren 
deimathsort verlassen mußten, weil sie in dem Rufe 
tanden, zu hexen und deßhalb von aller Welt ge— 
nieden wurden. Auch der Erbschlüssel und die 
krbbibel mit ihren Orakeln spielen noch eine große 
stolle in der ländlichen Bevölkerung und alle Be— 
trafungen von schlauen Betrügern, welche diesen 
Aberglauben des Landvolks ausbeuten, sind nicht 
m Stande, den Glauben an diese Orakel zu ver— 
nindern. 
f Wien. I. März. Die hiesigen Vehörden 
saben Anhaltspunkte, daß die hier verhafteten 
narchisten Kammerer und Stellmacher und 
ßenossen nicht allein am Raubmorde Eisert, son⸗ 
»ern auch an den Attentaten bei Heilbronuer in 
?tuttgart und in Straßburg betheiligt seien. Die 
bolizei fand mehrere Depot⸗ Dynamit. 
r Zum vierfachen Raubmord in Hermann— 
tadt schreibt dem „P. L.“ ein dortiger Korespon⸗ 
ent unterm 26. v. M.: Die Indizien gegen die 
degen Verdachtes der Verübung des vierfachen 
kaubmords in der Kirschnergasse verhafteten, drei 
angen Leute Kleeberg, Robert Marlin und Gru— 
inger. von welchen der Erstgenannte am 24. v. M. 
ierselbst eingezogen wurde wahrend die zwei an— 
eten sich von hier entfernt hatten in Mühlbach 
ethaftet und hergebracht wurden, mehren sich von 
* zu Tag in höchst erschwerender Weise. Ein 
eß fast überwältigeuder Verdachtsgründe zieht sich 
em die Verhaftelen immer dichter zusammen. 
Der vor einigen Tagen in Paris verlebte 
Benerallieutenant Graf Schra mmn war der letzte 
der am Leben befindlichen Offiziere französischer 
Armee, welchem der Militär⸗Max⸗Joseph·Orden ver⸗ 
iehen war. Er trug den Orden seit 1813. 1855, 
als Graf Schramm Kriegsminister in Paris war, 
»erlieh ihm König Max II. das Großkreuz des 
Michaelsordens. 
F Die Königin von Taiti, Marahu weilt 
eit gestern in Paris. Sie ist die Gemahlin König 
Pomare V., welchem die Franzosen zwar den Purpur 
jzelassen das Regierungsgeschaͤft aber abgenommen 
Jaben. Ihre Majestät reifen unter dem prosaischen 
samen Madame Salomon, und werden als solche 
auch Berlin besuchen. Nach dem Pariser Aufent⸗ 
jalte geht es zunächst nach Bonn, wo eine Schwester 
der Koönigin fich in einem Erziehungsinstitut be— 
iindet. Den Berichten der Pariser Reporter ist zu 
entnehmen, daß Ihre Majestät Madame Salomon 
ranzösisch und englisch fließend spricht, trotzdem 
nn einem Morgenblatie ein übergelehrter Sprach⸗ 
orscher nachweisen wollte, daß der Taitine die lieb⸗ 
ichen französischen Nassallaute wiederzugeben unmög⸗ 
lich sei; — daß sie stark raucht, und zwar nicht 
blos einige zwanzig Cigaretten am Tage, sondern 
auch Pfeife; daß sie sehr musikalisch ist. Sie bläst 
eidenschaftlich Klarinette. Zur ersten Flöte in 
)em Haushalte Pompares V. scheint sie es aber 
nicht gebracht zu haben, denn sie hat mit dem Könige, 
zer eine eigene Passion für eine Schlangenbändigerin 
jatte, recht schlecht gelebt und ist froͤh, vermöge 
iner ihr von der französischen Regierung zugesicherten 
Lension von 30,000 Fres. sich auf Reisen begeben 
u können. Im Uebrigen kleidet sich Königin 
Narahu ganz europäisch und ißt ohne Schwierig⸗ 
eit ein französisches Diner von sechs Gängen. 
FGEin Freidenker.) Der vor Jahresfrist 
n Vondon wegen Gotteslästerung zu 12 Monaten 
derkerstrafe verurtheilte Redakteur des „Freidenkers“ 
Freethinker), Mr. H. W. Foote, hatte am 
Dienstag seine Strafe uͤberstanden. Zu seiner Be⸗ 
villkommnung versammelten sich bereils zeitlich am 
Morgen etwa 2000 Personen vor dem Gefangen⸗ 
zause in Holloway, von denen Viele in Privat⸗ 
kquipagen angefahren kamen, die mit Aufschriften 
vie „Willkommen dem Märtyrer der Freidenker“ 
c. versehen waren. Gegen 8 Uhr kam Mr. Brad— 
augh mit seinen beiden Töchtern und Mrs. Foote, 
velche alsbald in das Gefangenhaus eingelassen 
vurden, aus dem sie nach kurzer Zeit mit Mer. 
Foote zurückkehrten, dessen Erscheinen das Signal 
u endlosen Jubelrufen und einer Demonstration 
var, wie sie in der Umbgebung der düsteren Kerker— 
nauern nur selten gesehen wird. Mr. Foote fuhr 
ann mit seiner Frau und Mr. Bradlaugh an der 
—pitze des Festzuges nach der Hall of Science, wo 
eine Festtafel zu seinen Ehren arrangirt worden 
var, an welcher etwa 8300 Personen iheilnahmen. 
Mr. Bradlaugh hielt die Festrede und Mr. Foote 
intwortete, indem er erklärte, sein Lebensschiff sei 
n dem sogenannten freien England wohl für eine 
Weile festgefahren gewesen, es sei aber nicht ge⸗ 
trandet und er werde jetzt mit fliegenden Wim⸗ 
seln weiter kämpfen fuͤr die Freiheit des Ge— 
dankens und des Gewissens. 
f Aberdeen, J. März. Auf der Eisenbahn 
jei Forfar (Schottland) stießen heute drei verschie⸗ 
ene Züge aufeinander. Eine große Anzahl Wagen 
vurden vollständig zerstört; über die Zahl der Ge— 
ödteten und Verwundeten ist noch nichts Näheres 
etannt. 
.Reapel. Bei Portella überfielen Wölfe 
inige Weiber, die mit Holzsammeln beschäftigt 
varen, und tödteten eine Frau von 33 Jahren 
ind ein Mädchen von 16 Jahren. Beide wurden 
jeradezu zerrissen. Die anderen Frauen flohen und 
vurden von einem der Raubthiere verfolgt. Bereits 
var der Wolf in nächster Nahe eines flüchtenden 
ungen Mädchens, als ein Holzhauer, vom Geschrei 
Jjerbeigezogen, sich mit seiner Axt muthig dem Thiere 
entgegenstellte und es mit einem Hiebe derwundete. 
Fin zweiter herbeigeeilter Holzhauer tödtete die 
Bestie durch einen wohlgezielten Hieb über den Schädel 
F.Eine wunderliche Papageien-Ge— 
sch ichte, die ihre amerikanische Herkunft nicht ver⸗ 
leugnen kann, erzählt ein belgisches Blatt wie folgt: 
Einen Papagei, mit dem es sich wirklich der Mühe 
lohnt, zu plaudern, besitzt ein gewisser Herr Fipps 
ein amerikanischer Handelsmann und zwanzigfacher 
Millionär, der ihn vor Kurzem nach Paris mitge⸗ 
zracht hat. Dieser Papagei, der auf den ersten 
Zlick don der gewöhnlichssen Art und nur etliche 
vierzig Franken werth zu sein scheim, ist in Wirk— 
lichkeit der erstaunlichste Redner seines Geschlechts. 
Wiederholt man in seiner Gegenwart einen laugen 
Satz drei- bis viermal, so ist er im Stande, den⸗ 
selben alsbald herzusagen. Diese seine Zungenfer⸗ 
tigkeit hat vergangenes Jahr im Monat März 
einem Mann in Baltimore den Tod durch den 
Strang zugezogen. Eines Tages fand man nämlich 
einen Banquier, Namens Charles Harper, in der 
Wall Street ermordet. Alle seine Schränke und 
Schubladen waren ausgeplündert und ihm selber 
var eine beträchtliche Summe Geldes gestohlen 
vorden. Niemand hatte daran gedacht, gegen einen 
einer Neffen, der in der ganzen Siadt das höchste 
Ansehen genoß, Verdacht zu schöpfen, wenn der 
öffentliche Leichenschauer nicht plßlich den Papagei 
des Gemordeten mit gellender Stimme hätte schreien 
hören: — „Was habe ich gethan! Ich habe meinen 
armen Onkel gemordet! (What have J dons 
Jhave murdeéred my poor oncle!. .) Nun war 
tein Zweifel mehr vorhanden! Der Leichenschauer 
schloß daraus ganz natürlich, daß der Neffe der 
Mörder sei und daß dieser nach begangener Misse— 
that die obigen Worte als Gewissensbissen ausge— 
stoßen und der Papagei sie behalten habe. 
Man verhaftete den fraglichen Neffen. Dieser, Do— 
morat mit Namen, protestirte aufs Entschiedenste, 
eine solche That begangen zu haben — nichtsdesto⸗ 
veniger wurde er zum Tode verurtheilt. Dem Ge⸗— 
brauche gemäß hieli der Präsident des Gerichtshofes, 
ehe er den Urtheilsspruch eröffnete, eine gewichtige 
Rede an den vermeintlichen Verbrecher, aus der her⸗ 
zorging, daß der Finger der Vorsehung in dieser 
Affaire deutlich zu erkennen sei. ... Und der 
Verurtheilte wurde gehenkt. Wie groß war aber 
die Bestürzung des Leichenschauers, als er vierzehn 
Tage darauf einen Brief folgenden Inhalts erhielt: 
„Leichenschauer, Sie sind ein Dummkopf; Domorat 
war unschuldig und ich bin der Mörder Ich habe. 
um Sie auf eine falsche Spur zu führen, dem 
Papagei, den ich gut kannte, die verrätherischen 
Worte eingeprägt. Das haben sie für baare Münze 
genommen — dümmer als Sie kann man kaum 
sein. X. ..“ P. S. Wenn Sie diesen Brief er⸗ 
halten haben werden, bin ich sicher vor dem Galgen 
und weit von den Vereinigten Staaten. Uebrigens 
werden Sie nie erfahren, wer ich bin.“ Und in 
der That, fügte der Berichterstatter hinzu, man 
weiß es bis auf den heutigen Tag noch nicht. 
F Die Bergwerke in den Ver. Staaten 
jaben im Jahre 18883 nach einer von Wells, 
Fargo und Co. in San Francisco zusammenge⸗ 
lellten Statistik, Gold im Werthe von 28,236.492 
Dollars, und Silber im Werthe von 47,232. 644 
Dollars producirt. In Californien sind im ver—⸗ 
lossenen Jahre 1,629. 628 Dollars weniger an 
Bold gewonnen worden, als in 1882, der Silber⸗ 
trag jenes Staates hat dagegen um 400.000 
Dollars zugenommen. 
FGew⸗York's Wachsthum.) Während 
des Jahres 1883 wurden bei dem dortigen städtischen 
Bauamte 2748 Pläne für Neubauten und Bau⸗ 
inderungen eingereicht, wofür der Kostenanschlag 
sich auf 48,214. 346 Dollars belief, gegen 2577 
Pläne mit 44,793. 186 Dollars Kostenanschlag in 
1882. In den letzten 10 Jahren betrugen? die 
stostenanschläge für Neubauten .. F 
o a ostenanschla 
Jahr sosengdag Jahr Nees 
1874... 16.667. 414 1879 ... 22,507.322 
1875... 18,226870 1880. 29,115. 333 
1876. .. 15,903880 18815 —43,391. 300 
1877. . . 13,38653. 114 1882. 44,793. 186 
1878... 15,219. 680 1883. 43,214. 346 
Fotal in 10 Jakren . 262,404. 450 
Gemeinnütziges. 
(Doppelt schwefligsaurer Kalkals 
Desinfektionsmittel.) Als die beste und 
bisligste Waffe gegen die schädlichen Einflüsse nasser 
Wände und Fußkböden, speziell gegen Schimmel 
ind Pilzbildung, dumpfigen Geruch in Kellern und 
Zimmern, sowie gegen Hausschwamm, und als das 
icherste Desinfektionsmiitel für Zimmer und Ställe 
dei ansteckenden Krankheiten, und Anstrich mit 
»oppelschwefeligsanrem Kalk empfohlen. Die zahl⸗ 
reichen Berichte über die günstigen Resultate, die 
die Anwendung dieses Stoffes ergaben, lassen eine 
solche Empfehlung begründet erscheinen und berech⸗ 
tigen zu der Voraussetzung, daß sich derselbe in 
immer weiterem Umfange Geltung verschaffen wird. 
Bisher wurde derselbe in größerem Umfange haupt«