Full text: St. Ingberter Anzeiger

ahie einen Strich ourch die Rechnung machen 
verden. Es i r lange hin bis zu den ge— 
rei Heiligen! 
wengen du ec Ffas. Die anhaltend warme 
witterung des nunmehr bald beendigten Winters 
at auf das Reifen des Rebholzes ungemein 
zuͤnstig eingewirkt. In den Jahren 1822, 1834. 
846 und 1865 hatten wir gleich milde Winter 
ind darauf ganz vorzügliche Herbstergebnisse. Es 
väre zu wünschen, daß die Hoffnung unserer Reb⸗ 
eule, nach einer langen Reihe mittelmaßiger Eruten 
nmal wieder einen vollen Herbst zu machen, in 
Frfüllung gehe. 
In Worms hat eine Versammlung behufs 
gründung einer Wasserwehr stattgefunden, zu welcher 
reis ca. 200 dortige Einwohner ihren Beitritt 
cflart haben. Diese Wasserwehr soll sich die Auf⸗ 
jabe stellen, bei eintretendem Hochwasser den be— 
rangien Bewohnern der von den Fluthen heimge— 
uchten Stadttheile dehufs Retiung von Hah und 
gut zu Hilfe zu eilen. In erster Linie ist an die 
mitglieder der Ruder ⸗ Gesellschaft und des Turn⸗ 
ßereins das Ersuchen gerichtet worden, sich recht 
ahlreich zum Beitritte zur Wasserwehr zu melden. 
dieser Vorgang ist gewiß nachahmenswerth und 
ollte in keinem Orte am Rhein, Main ꝛc. unbe⸗ 
chtet bleiben. 
Frankfurt, 6. März. Die diesjährige 
Frühjahrsmesse beginnt für den Groß⸗ wie für den 
Zleinhandel am Mittwoch den 2. April und endigt 
nit Dienstag den 22. April d. J. Die Ledermesse 
eginnt mit Sohl- und Oberleder am Dienstag 
53. April und endigt mit Samstag, 19. April. 
(Entschädigung aus Unfall.) Ein 
zölner Bürger, welcher im vergangenen Herbst von 
mem Pferdebahnwagen überfahren wurde, und dem 
n Folge dessen der rechte Arm amputirt werden 
nuhßte, war gegen die Kölner Straßenbahn⸗-Gesel⸗ 
chaft klagbar geworden. Das königliche Landge— 
icht erkannte dem Kläger eine Entschädigungesumme 
on 20,000 Mk. zu, stellte es aber der Gesellschaft 
mnheim, statt dieser Summe eine jährliche Pension 
‚on 1000 Mk. dem Verunglückten für dessen Lebens⸗ 
nde auszuzahlen. 
ꝓAachen, 8. März. Polizeipräsident Hirsch 
rließ folgende Bekanntmachung: „Nach der Ver—⸗ 
rdnung vom 29. September 1846 ist jede Herr⸗ 
chaft verpflichtet, dem abziehenden Dienstboten ein 
vahrheitsgetreues Zeugniß über dessen Führung 
zuszustellen. Wer dies unterläßt und etwas be— 
cheinigt, waz der Wahrheit zuwiderläuft, ist nicht 
nuͤr strafbar, sondern auch vorkommendenfalls einer 
pätern Herrschaft zum Schadenersatz verpflichtet, 
vas bereits durch mehrere richterliche Urtheile an⸗ 
rkannt worden ist.“ 
Dortmund, 4. März. In einer der 
etßten Strafkammer⸗Sitzungen stand ein Lokomotiv⸗ 
ührer, der auf eine 35jährige todellose Dienstzeit 
urückblicken kann, wegen Gefährdung eines Eisen⸗ 
ahn⸗ Transportes vor Gericht. Er war mit seinem 
hersonenzuge über das Haltesignal hinausgefahren 
ind nur der Geistesgegenwart des ihm entgegen 
ommenden Lokomotivführers war es zu danken, 
»aß kein Unfall passierte. Der Angeklagte erklärte 
u seiner Entschuldigung, daß er das Signal nicht 
rüh genug gesehen habe, weil seine Augen infolge 
bergroßer Anstrengung fast den Dienst versagt 
ätten. Er hat an dem sehr heißen Tage (im 
lugust) zehn Stunden ununterbrochen auf der Ma— 
chine gestanden; am anderen Tage währte der Dienst 
ogar 21 Stunden! Der eine Sachverständige 
Regierungs- und Baurath) hielt den Dienst des 
UIngeklagten zwar für anstrengend, doch gäbe es 
och meht solcher Touren! Der andere Sachver⸗ 
ländige (Maschinen-Inspeltor) hält den erwähnten 
dienst fuͤr außergewöhnlich anstrengend und gibt 
uu, daß, namentlich wenn dem Beamten nicht so— 
iel Zeit bleibe, die Augen vom Kohlenstaub zu 
ꝛeinigen, ein Zustand der Schlaftrunkenheit eintre— 
ten könne. Der Angeklagte wurde freigesprochen. 
F Seligenstadt (Prov. Starkenburg). Einer 
nn der Nähe lagernden Zigeunerbande wurde vor 
inigen Tagen durch die Gendarmerie ein Geschwister⸗ 
Daar abgenommen, das sich den braunen Pußta⸗ 
ewohnern freiwillig angeschlossen hatte. Das sechs- 
zhnjahrige Mädchen ist bereits im Juni vorigen 
in ihren zu Okriftel bei Wiesbaden wohnenden 
Altern entlaufen. Ihr folgte im Dezember desselben 
dahres der fünfundzwanzigjährige Bruder, der seine 
Schwester bei den Zigeunern fand und sofort sich 
en Nomandenleben anschloß. Alle nach den 
eiden dem Elternhause Entflohenen angeftellten 
stecherchen blieben bis jetzt erfolglos. Das Mädchen, 
zas als die Frau eines Zigeuners ausgegeben wurde, 
st bereits in ihre Heimath eskortirt worden, während 
ꝛer ältere Bruder seine erlangte Selbstständigkeit 
nittelst eines Militärpasses nachzuweisen vermochte. 
Zum nächsten Geburtstage des 
daisers steht demselben eine seltene Gratulation 
»ebor. Am 22. d. M. wird nämlich ein preuß⸗ 
scher Unterthan, Bewohner des Fleckens Freiwaldau 
m Kreise Sagan, Regierungs-Bezirk Liegnitz, nicht 
veniger als hundert Jahre alt. Er ist noch rüstig 
jenug, um sich die Kräfte zu einer Reise nach 
zerlin zuzutrauen, wo er den Versuch machen will, 
em Kaiser seinen Glückwunsch mündlich darzu— 
ringen, daß demselben ein ebenso hohes Alter be— 
hieden sein möge, als ihm, was voraussetzen 
vpürde, daß der Kaiser noch bis 1897 lebte. Die 
iächste Station, die der Freiwaldauer hundertjährige 
Zürger zu erreichen hat, um mit der Eisenbahn 
ach Berlin zu reisen, ist Halbau (an der Bahn 
Sorau⸗Kohlfurt), bis dahin wird er den Weg zu 
Fuß zurücklegen. 
PDie erste Lieferung von Baumaterialien für 
das neue Reichstagsgebäude ist ausgeschrie— 
ben: 6 Millionen Ziegelsteine, 6000 Tonnen 
Tement, 2000 Kubikm. Mauersand. Es wird also 
mit dem Baubeginn ernst und die feierliche Grund⸗ 
tteinlegung an Kaisers Geburtstag scheint sich zu 
bewahrheiten. 
Ger Raubmordin Herrmannstadt.) 
die gräßliche Schauerthat eines vierfachen Raub— 
nordes, begangen an der Familie des Dr. Frieden⸗ 
vanger, die sich in Hermannstadt ereignete, ist nun— 
nehr enthüllt; die Mörder sind zwei junge Leute 
samens Anton v. Kleeberg und Robert Marlin. 
belche bereits ihr Verbrechen eingestanden haben. 
dieselben haitten schon einige Wochen vorher das 
Verbrechen geplant; sie verklehrten häufig in dem 
Friedenwanger'schen Hause und trugen sich bei den 
viederholten Besuchen desselben, zu welchen Geld⸗ 
und Versatzgeschäfte Anlaß und Vorwand boten, 
mit der Mordabsicht, deren Ausführuug sie jedoch, 
da ihnen die Umstände nicht günstig erschienen, 
verschoben. 
(Acht Männer.) So unglaublich es auch 
lingt, es ist dennoch Thatsache, daß eine Frau 
ieben Ehemänner überlebt und nunmehr den achten 
Hemahl heimgeführt hat. Diese lebende Illustration 
des in dem Falle in Wirklichkeit „ewig Weiblichen“ 
ist eine Sankt Jakob in Ungarn wohnende Frau 
nit dem ominösen Namen Amalie Probald (Pro—⸗ 
zier's). Vorige Woche feierte sie ihre Hochzeit mit 
dem achten Manne, der zudem der Auserwählte 
unter drei Freiern war. 
GOurchKohlenoxydgas,) da die Ofen— 
lappe zu früh geschlossen war, haben sämmtliche 
ünf Mitglieder der Harfenspieler⸗Gesellschaft Preißig 
nus Böhmen in Züllichau ihr Leben verloren, 
'ndem keine der drei Damen und zwei Herren 
wieder zum Bewußtsein gebracht werden konnte. 
(Der Spiritismusin Paris.) Jules 
Flaretie erzählt in feiner Wochenrevue über Pariser 
Leben, dak der Spiritismus, den man seit einigen 
Jahren losgeworden zu sein glaudte, wieder Mode— 
rtikel geworden ist. In jenen Kreisen, welche 
Dumas in seinem, Demi⸗Monde“ fkizzirte, werden 
netzt große Diners mit geisterseherischem Nachtisch 
gegeben. Mit dem Thee werden die Geister der 
Zerstorbenen servirt; die Frage: „ist ein Zwiege— 
präch mit Beaumarchais oder Racine gefällig?“ 
st ebenso geläufig, als das Anbieten eines Gläs— 
hen Rums oder einer „Wolke“ Schlagsahne. Herr 
xlaretie bemerkt, daß diese spiritistischen Liebhaber— 
»ien, welchen die verschiedensten Beweggründe zu 
Boden liegen, mit den Predigten der Heilsarmee 
ind mit den wissenschaftlichen Studien großer Patho- 
ogen, wie Herr Richet und Charcot, zusammen- 
reffen. Es ist ein neuer Ausbruch der krankhaften 
Zucht nach Ueberirdischem und es ist ein Glück, 
zaß sich die Gelehrten ebenso damit befassen, wie 
ie Liebhaber. Allerdings gibt es spiritistische Aus⸗ 
euter, die aus ihrem Verkehr mit den Drehtischen 
utzen zu ziehen verstehen. Zum Beispiel wird 
ine unglückliche Mutter in eine Spiritisten-Ver⸗ 
ummlung hineingelokt; man beschwört vor ihr 
Jas Kind, welches sie derlor, herauf, und wenn sie, 
ief erschüttert durch ihr Gespräch mit dem kleinen 
Wesen, eine Nerbenkrisis oder den Weinkrampf glück⸗ 
ich überstanden hat, dann findet sich ein mitleidiges 
Medium, welches ihr klar legt, daß, wenn sie das 
Undenken dieser rührenden Szene behalten wolle 
je blos das Blatt, worauf die Konversotion steno— 
graphirt wurde, zu kaufen braucht, nicht theuer, 
etwa nur 10 Francs.“ 
Ueberhaupt tist Herr Claretie diese Woche zu 
ganz unliebsamen Enthüllungen aufgelegt. Er 
klagt, der Pariser trinke zu viel Wein; der Pa— 
riser verfalle zu sehr dem „Suff“. ...„Das ist,“ 
fügt der Chronist hinzu, „die Folge des Krieges,“ 
und er führt als Zeugen den vereideten Irrenarzt 
der Polizeipräfektur Herrn Langrand du Sol ins 
Treffen. 
„Seit dem Kriege nimmt der Alkoholismus 
erschreckende Dimensionen an; selbst die Frauen 
verden davon befallen. Früher war der Säufer⸗ 
wahnsinn bei den Pariserinnen eine seltene Erschei— 
nung; während der Belagerung nahmen die Frauen 
die Gewohnheit an, Wein und Kaffe zu trinken, 
um sich bei der mangelhaften Kost zu erhalten. 
—A—— 
zibt in Paris eine ganze Rasse Kinder, die während 
der Belagerung entstanden sind: kranke, blutarme, 
verkrüppelte Wesen. Der Krieg, dieses schreckliche 
Verbrechen (so schreiht Herr Claretie) mordet nicht 
nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft. 
Er macht den Soldaten zur Leiche und das Kind 
im Mutterleibe zum Krüppel.“ 
F(Der jüngst verstorbene Rouher) 
plaidirte eines Tages mit Thiers in den Couloirs 
der gesetzgebenden Versammlung. Im Laufe des 
Gespräches sagte der zukünftige Präsident der Re— 
publik: „Es läßt sich übrigens nicht bestreiten, daß 
die Regierung Napoleons das Verdienst hat, einen 
großen Minister hervorgebracht zu haben.“ Reuher 
verbeugt sich. „Ich wollte sagen zwei große Mi— 
nister“, fügt Thiers verbessernd hinzu. Rouher ist 
ben im Begriff, sich zum zweiten Male zu ver— 
bdeugen, als der kleine Thiers ausruft: „Ja wohl, 
wei Minister — Bismarck und Cavour.“ 
F (Gute Partien.) Vorz wenigen Tagen 
zing aus Bordeaux ein Transport von 50 Frauen 
rach Neu⸗Caledonien ab. Diese Frauen haben das 
Loos sich mit den Inhaftirten der dortigen Straf⸗ 
olonie zu vermählen. Eine Inspektorin bereist zu 
einer bestimmten Zeit die Central-Gefängnißanstalten 
und nimmt die Liste derjenigen Pensionäre derselben 
auf, die wegen ihrer Antecedentien unter gewöhn⸗ 
lichen Verhältnissen Schwierigkeiten haben würden 
ich zu verehelichen. Die Inspektorin trifft ihre 
Wahl hauptsächlich unter Wittwen und Mädchen, 
die möglichst schon „aus dem Schneider“ sind, was 
heißen will, daß sie die Altersgrenze von 30 Jahren 
überschritten haben. 
(EEine kaum glaubliche Nachricht) 
geht der „Nowoje Wremja“ aus Baku zu. Bei 
Astrachan hatten, wie bekannt, vor einiger Zeit 160 
Fischer das Unglück, auf einer Eisscholle in die 
See getrieben zu werden. Da die ganze Flotille 
in Baku überwintert, wandte sich der Gouverneur 
von Astrachan sogleich telegraphisch, mit der Bitte 
um sofortige Entsendung eines Dampfers au den 
Gouverneur von Batu, der diese Bitte befürwortend 
dirett dem Marinechef daselbst vortrug. Dieser je—⸗ 
doch verweigerte die erbetene Hilfe, da für dergleichen 
Fälle kein Kredit ausgeworfen sei! Und diese 
Flotille des Kaspischen Meeres — ruft die „Nowoje 
Wremja“ entrüstet aus — verbraucht alljaährlich 
5300,000 Rubel für ihren Unterhalt! Die Kawkas— 
Mercuri⸗Gesellschaft legte sich ins Mittel und sandte 
einen ihrer Dampfer ab. Dice auf der Eisscholle 
fortgetriebenen Fischer wurden, wie erinnerlich. 
ämmtlich gerettet. 
F Professor Billroth befand sich vor 
einigen Wochen in Athen, um einer daselbst 
vohnenden reichen Griechen, Namens Melas, zu 
operiren. Dabei erinnert man lich folgender hübschen 
Begebenheit. Der gegenwärtige Oppositionschef, 
frühere Minister und bedeutende Politiker Herr 
Delhyanuis war einst mit einem bösen Fußleiden 
hehaftet. Er wandte sich durch Vermittelung des 
im österreichischen Hofe in Wien lebenden griechi—⸗ 
ichen Gesandten Prinz Ypsilanti an Professor Bill⸗ 
roth mit der Bitte, nach Athen zu kommen und 
hu daselbst zu operiren. Professor Billroth, die 
sohe Stellung des Patienten und diejenige des 
Vermittlers — Fürst Ypfilanti ist bekanntlich der 
Schwiegervater des Prinzen Hohenlohe — in Be— 
tracht ziehend, erklärte sich gera bereit, nach Athen 
zu gehen, und zwar für die Kleinigkeit von 100,000 
Fr. Der Patient und dessen Verwaudten, die Noth⸗ 
wendigkeit der Konsultation in Betracht ziehend, 
erklären sich dagegen bereit, das für sie große Opfer 
bringen zu wollen, für die Operation 80,000 Fr. 
zu zahlen. Arzt und Patient konnten nicht einig