Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Jugherter Amziger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 53. 
Sonntag, 16. März 18834. 
19. Jahrg. 
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Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 18. März. Die Kammer der 
Abgeordneten trat in ihrer heutigen Sitzung in die 
erste Berathung des Gesetzentwurfs betr. Aufbesserung 
der Beamtengehälter ein. Der Referent beantragte 
die Ablehnung der Vorlage, während der Finanz⸗ 
ninister in anderthalbstündiger Rede auf's wärmsie 
für die Vorlage eintrat und dieselbe als eine der 
Kegierung am Herzen liegende Angelegenheit bezeichnete. 
Die Finanzlage gestatte die beantragte Aufbesserung, 
und das Budget würde auch nach deren Bewilligung 
mit einem Ueberschuß abschließen. Die Abnahme 
der Steuerrückstände und die Zunahme der Spar— 
anlagen bewiesen, daß Bahern endlich im Begriff 
stehe, die langiährige wirthschaftliche Krisis fiegreich 
zu überwinden. Seit 1869 sind an Beamtenfiellen 
1,000,000 Mk. eingespart worden. Die Regierung 
beanspruche kein Almosen für die Beamten, sondern 
appellire an das Gerechtigkeitsgefühl und den Pa— 
triotismus der Volksvertretung, weil durch den 
Forthestand des gegenwärtigen Zustandes großer 
Schaden für das Vaterland zu befürchten sei. Die 
Regierung habe die feste Ueberzeugung, das Volt 
sei mit der Genehmigung der Gesetzesvorlage ein 
verstanden. Morgen Fortsetzung der Berathung. 
München, 18. Maärz. In Aussicht auf die 
Reorganisation der Forstverwaliung wurden schon 
seit geraumer Zeit die im Forstdienste zur Erledig⸗ 
ung gelangten Stellen, wo nur immer thunlich, 
nicht wieder besetzt. Sollte die Reorganisation von 
der Kammer abgelehnt werden, so müßte die Wieder 
besehung aller erledigten Stellen alsbald erfolgen 
und es wird ein für den Vollzug der Reorganisation 
o günstiger Zeitpunkt, wie es der dermalige ist, 
sobald nicht wiederkehren, ein Umstand, der bei der 
bevorstehenden Kammer⸗ Debatte alle Beachtung ver⸗ 
dienen dürfte. 
München, 14. März. Der Landtag lehnte 
nit 101 gegen 86 Stimmen die Regierungsvorlage, 
detr. die Aufbesserung der Beamtengehälter ab. — 
Die hiesigen Neuesten Nachrichten sind ermächtigt, 
mitzutheilen, daß Baron v. Stauffenberg weder von 
seiner in Kaiserslautern aufgestellten Reichstagscan⸗ 
didatur eiwas weiß, noch gesonnen ist, eine solche 
amnzunehmen. 
Berlin, 13. März. (Reichstag.) Vor 
dem Sitzungsbeginn trat der Reichskanzler in 
den Sitzungssaal, von den anwesenden Abgeordneten 
lebhaft begrüßt. Er sprach mit dem Kriegsminister, 
mit Moltke und dem Präsidenten d. Levetzow. 
Vor der Tagesordnung nimmt Fürst Bis— 
marck das Wort, um seine Haltung in der Lasker⸗ 
Frage klarzulegenEr beton namentlich, daß die 
Beziehungen Deutschlands zu Amerika von jeher 
Jute gewesen und Nichts geschehen sei, dieselben zu 
trüben. Die Resolution des Repraäsentantenhauses 
würde er, falls sie nur der Ausdruck des Wohl⸗ 
vollens gewesen wäre, ohne Weiteres dem Reichs⸗ 
lage übergeben haben. Dieselbe äußere aber ein 
Artheil uder Laskers politische Thaligkeit; gleich⸗ 
reitig hätten dessen Freunde die Position, die ihnen 
er Tod Laskers gegeben wucherisch ausgenutzt. 
Von der Linken wird „Pfui!“ gerufen.) Bismatd 
ertlärt diesen Ruf als eine personliche Beleidigung 
und begründet dann sein Vorgehen. Es werde ber 
auptet die Beileidsresolution erkenne die frühere 
nne der Nationalliberalen bei Herstellung des 
keiches an. Von diesen ber hade sich Lasker 
mmer mehr getrenn Sein Wert shandn zwischen 
den Liberalen und der Regierung seit 1878 einge⸗ 
tretene Entfremdung. Der Mißbrauch, der mit der 
Beileidresolution getrieben worden, habe ihn zu 
einem Verfahren veranlaßt; nicht er habe ein 
Todtengericht gehalten, sondern Die, welche Lasker 
iber Gebühr erhoben. 
Der Finanzausschußz ging in seiner Sitz 
ung vom 11. März über die Pention des prole⸗ 
tantischen Pfarrers und bisherigen Hausgeistlichen 
in der aufgehobenen Gefangenenanstalt in Fran—⸗ 
enthal, Michael Cantzler, um eine jährliche 
Pension oder eine Entschädigungssumme zur Tages⸗ 
ordnung über. Die Petition des katholischen Pfarrers 
und bisherigen Hausgeistlichen an der aufgehobenen 
Befangenenanstalt in Frankenthal, Heinrich Platz, 
im Erhöhung seines Quieszenzgehaltes wirv ange⸗ 
ichts der Erklärung der Staatsregierung, daß die 
Sache bereits geordnet sei, als erledigt erklärt. Für 
die Petition des protestantischen Pfarrers Cantzler 
tritt der Abg. Luthardt sehr warm ein und 
meint, es sei der Antrag gerechifertigt, die Petition 
zur Würdigung oder Beruͤcichtigung hinüberzugeben. 
Der Regierungsvertreter entgegnet dem Vorredner 
)er Petent habe die Stelle nuͤr als Nebenfunktion 
Jjegen Remuneration verwaltet. Es bleibt beim 
lebergang zur Tagesordnung. 
Ausland. 
London, 18. März. Eine Depesche Graham's 
in das Kriegsministerium sagt, das Lager des 
Feindes sei nach heftigem Kampfe genommen worden. 
Die Eugländer hatten über 70 Todte und 100 
Berwundete. 
London, 18. Marz. Die Depeschen der 
Abendblätter aus Suakem konstatiren, daß das 
englische Truppenkorps in zwei Carros staffelförmig 
gegen Osman Digma vorrückte. Das erste Carre 
wurde kurz nach Verlassen Zarevas von starken 
Abtheilungen Aufstündischer ungestüm angegriffen. 
Die Aufständischen wurden untet großen Verlusten 
zurückgeworfen, gingen jedoch auf's Neue zum An⸗ 
griff vor. Der Kampf war ein äußerst erbitterter. 
Die Araber, welche weder zurückziehen noch sich 
rgeben wollten, wurden fast sämmtlich niedergemacht 
Das zweite Carro erlitt eine ernste Schlappe und 
»erlor sämmtliche Mitrailleusen. Die Geschütze 
vurden nach zweistündigem erbittertem Kampfe 
wiedergewonnen. Das erste Carrè bemächtigte sich 
hierauf des Lagers Osman's. 
Kairo, 14. März. Die Verluste der Eng⸗ 
länder bei der gestrigen Schlacht bestehen, soweit 
bekannt, in 100 Todten und 150 Verwundeten 
diejenigen des Feindes in 4800 Todten und meh⸗ 
teren Tausend Verwundeten. Die Dörfer Hanvi, 
Tarnah und Tamanieb sind niedergebrannt. Ooman 
Digma hat sich in die Berge zurückgezogen. Die eng⸗ 
lischen Truppen kehren schleunigft nach Suakin zurück. 
Plymouth, 12. Märg. Wie aus Afrika 
hierher gemeldet wird, beauftragte Cetewayo kur; 
vor seinem Tode seinen Rathgeber Mr. Grant, 
derselbe möge nach seinem Äbdleben dieses der 
donigin Vikloria mittheilen und dieselbe in seinem 
Namen bitten, seigen Sohn als Herrscher des Zulu⸗ 
andes zu bestimmen und zu beschütten. 
Eokale und prtzitche Nacridten. 
*St. Ingbert, 15. Marz. Wie wir hören, 
wird die diesjährige orden tliche Jahresprü— 
ung in der gewerblichen Fortbildungs— 
schule dahier durch Herrn Rektor Lu remburger 
aus Zweibrücken am Sonntag, 283. d6. Mis 
Nachmittags abgehalten. 
— Landstuhl, 12. März. An Sitelle des 
kürzlich verlebten Hrn. Oberforsters Adolph Schütz 
ist Herr Oberförster Riedel aus Ostpreußen hier 
eingetroffen. F 
— Kaiserslautern, 13. Marz. Eine wich⸗ 
tige Erfindung ist von dem Webermeister Johann 
Mayher in Otlerbach gemacht worden, nämlich eine 
Schutzvorrichtung an mechan. Webstühlen, um das 
Derausfliegen des Webschützen während des Webens 
u verhindern. Die Bekanntmachung der Patent- 
Anmeldung für das deutsche Reich ist schon unterm 
4. März vom kaiserl. Patentamt verfügt worden 
und dadurch nun die Erfindung nach 84 des D. 
R.P.⸗G. geschützt. Herr Mayer haf die Anfertig⸗ 
ung der Apparate mit Herrn UAufderheide von hier 
dereinbart und wird der Verkauf und die Fabrikation 
derselben nun in Kurzem beginnen. 
7 Landau, 14. März. Das Urtheil der 
Strafkammer in der Kaußler'schen Sache wurde 
Jestern Abend derkündigt. Das Gericht hat Com⸗ 
pensation angenommen und den Angeklagten Kaußler 
für straffrei erllätt. Die Gesammikosten haben beide 
Parteien je zur Hälfte zu tragen. 
— In Zulunft sollen das 17. und 18. Inf. 
Regt. aus der Pfalz und das 4. und 8. Inf.⸗ 
Regt. aus dem ganzen Konigreich rekrutirt werden, 
wodurch alle Klagen über starkere Belastung der 
Pfalz beseitigt würden 
chee Schwurgericht. 
I. Quarial. 
Zweibrücen, 11. Marz., Nachmittaga 8 
Ahr. (Schluß.) Verhandlung gegen Jakob Karcher, 
22 J. a., Knopfmacher von Godramstein, wegen 
Mords. 
Des anderen Morgens gegen 7 Uhr wurde die 
Weid von der Zeugin Wittner blutuberströmt und 
ntsetzlich verletzt neben einem Feldweg sitzend ge⸗ 
unden. Dieser Zeugin gab sie an, der Angeklagte 
jabe sie geschossen. Sofort holte diese Hilfe herbei 
and wurde das schwer verwundete Mädchen in die 
Wohnung ihrer Eitern verbracht, wo sie von dem 
alsbald erschienenen Untersuchungsrichter eidlich über 
das an ihr begangene Verbrechen vernommen wurde. 
Diesem gab sie an, der Angeklagte habe sie schon 
seit lärgerer Zeit mit dem Tod bedroht und ihr 
auf dem Heimwege von Landau nach Queichheim 
erklärt, „hre Mutter sei Schuld daran, daß sie 
jetzt sterben müsse“, worauf er gegen ihren Willen 
und troz ihres Flehens auf sie geschossen habe. 
sturze Zeit nach dieser Vernehmung verschied dieselbe. 
Der Angeklagte stellt auf, er sei mit seiner Ge⸗ 
iebten auf dem Heimweg in Streit gerathen und 
ie hätten sich gegenseitig Vorwürfe gemacht. Sie 
Jabe ihm dann erklärt, fie fühle sich schwanger und 
moͤchte sterben. Sein längft geplanter Entschluß sie 
zu tödten, sei nunmehr zur That gereift und et 
jabe einen Schuß gegen ihr Herz abgefeuert, welcher 
Edoch ihre Brust nur gesireift und ihre Kleider in 
Brand gesetzt habe. Daraufbin habe er die Kleider 
heruntergerissen und auf ihr Verlangen einen zweiten 
Schuß gegen sie abgefeuert, worauf sie zu Boden 
gejunken sei. Sodann habe er auf ihr ferneres 
Verlangen, sie vollends zu tödten, noch einmal laden 
wollen, was ihm jedoch nicht gelungen sei, weßhalb 
er mit der Pistole ihr auf den Kopf geschlagen 
habe. Es sei ungefähr 2 Uhr Nachts gewesen, als 
er die That begangen, und er sei biz gegen 5 Uhr 
Morgens, um sie zu bewachen, bei seiner Geliebten 
jeblieben, worauf er sich entfernt habe. Bald nach 
Uhr wurde der Angeklagte in iner Wirithschaft