Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingherter Ahzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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— 55. Dienstag, 18. März 1884. 
Volitische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Erlangen, 17. März. In der gestern hier 
tatigehabten, auf das Zahlreichste besuchten Ver—⸗ 
ammlung der Wähler des hiesigen Reichstagswahl⸗ 
reises erstattete Frhr. v. Stauffen berg Bericht 
iber die Legislaturperiode des Reichstages, worin 
er schwerwiegende Bedenken gegen die Unfallver⸗ 
icherungsvorlage ausdrückte. Betreffs der neuen 
eutschen freisinnigen Partei betonte Redner, das 
Programm sei nicht definitiv, es enthalte nur die 
rinigungspunkte zweier bisher getrennter Fraktionen. 
Ddie neue Partei sei keine Oppositionspartei à tout 
drix oder absoluter Verneinung. Im höheren Ge— 
ühle gemeinsamer Vaterlandsliebe müssen alle klein⸗ 
ichen Parteireibereien schwinden. Redner schloß 
nit einem Hochrufe auf Kaiser und Reich. 
Berlin, 16. März. Der Parteitag des Fort⸗ 
chritts ist von etwa 500 Delegirten besucht. 
dänel und Richter entwickeln unter großem 
Zeifall die Gründe der Vereinigung. Lenzmann 
jerliest in seinem und Wend'ts Namen die Erklä⸗ 
rung, daß sie der Vereinigung nicht beitreten, weil 
ie nicht den althistorischen Boden der Fortschritts⸗ 
hartei aufgeben wollen, besonders aber, weil sie 
nit der ablehnenden Stellungnahme des neuen 
Programms gegen die Sozialpolitik der Regierung 
aicht einverstanden sind. Wigard (Dresden) triist 
ür die Vereinigung ein, Büchner (Darmstadt) macht 
einzelne Bedenken geltend. Nachdem in das Pro⸗ 
zramm das gleiche Wahlrecht aufgenommen ist, wird 
zie Vereinigung einstimmig angenommen und den 
Abgg. Hänel und Richter ein Dank votirt. 
Im Reichstage hofft man bis zum Freitag 
dieser Woche die ersten Lesungen der bis jetzt ein⸗ 
zjegangenen Vorlagen zu erledigen, worauf vie 
Plenarsitzungen bis nach Ostern ausgesetzt werden 
ollen. In der Zwischenzeit würden die Commis—- 
iionen ihre Arbeiten nach Möglichkeit fördern. Man 
verhehlt sich indessen in Abgeordnetenkreisen nicht, 
daß die Berathung so wichtiger und einschneiden⸗ 
der Vorlagen in den Commissionen sehr schwierig 
ist, wenn den Mitgliedern der Commissionen jede 
Möglichkeit abgeschnitten ist, sich mit ihren Frackti⸗ 
mnsgenossen zu verständigen. 
Ausland. 
Wien, 16. März. In Teischen, Bodenbach, 
Theresienau, Höflitz und Eulau sind in den meisten 
Fabriken Arbeiterstreils ausgebrochen. Heute findet 
in Wien die erste Versammlung der deufschliberalen 
Abgeordneten behufs Berathung über die Vorschläge 
des Abgeordneten Ruß betlreffs administrativer 
Trennung Böhmens stati. Die czechischen Blätter 
ind diesen Vorschlägen jetzt ebenfalls günstig ge⸗ 
timmt. Vielfach wird die Hoffnung auf Beilegung 
des Sprachenstreits geäußert, indeß bleibt abzu⸗ 
varten, ob eine Verständigung zwischen den Deutschen 
und den Czechen wirklich geüngt. 
Wien, 16. Marz. Die vffiziöse „Montags- 
tevue“ berichtet, die mit den neuesten englischen 
Baffenerfolgen gleichzeitig gemeldete Nachricht von 
mer egyptischen Ministerkrisis steht mit der Ent⸗ 
chadigungsforderung Englands für die bei dem 
Bombardement Alerandriens statigehadten Verluste 
nglischer Unterthanen in Verbindung. Der X 
nuick zur Geltenoͤmachung solcher Forderungen ist 
lerdings sehr seltsam, “es isn daher micht unber 
peitig wenn die ganze neuesie diplomatische Aktion 
Englands von der egyptischen Bevölkerung als ein 
Hohn empfunden wirne ind den et vchn 
Umständen die Regierung eine Fortführung der 
Beschäfte verweigert. Die Okkupationspolitik Eng⸗ 
ands hat für Egypten nur bittere Früchte gezeitigt. 
x53 wäre daher hoch an der Zeit, daß das Mini⸗ 
terium Gladstone zu klaren Auffassungen und Ent— 
chlüssen gelangte. Bisher sind die Verhältnisse 
noch ganz unentwirrt und der Ariadnefaden für 
ie Irrwege der englischen Volitik noch lange nicht 
zefunden. 
Paris, 16. März. Hinsichtlich der Behaup⸗ 
ung der Orleanisten, Prinz Jerome Napoleon habe 
unter dem Empire 37,078,000 Francs eingestrichen, 
»hne die Dotation des Schlosses von Meudon und 
des Palais Royal zu rechnen, schreibt Baron Brunet, 
der Repräsentant des Prinzen Napoleon, heute dem 
„Figaro“, daß der Prinz bis zu seiner Verheira⸗ 
hung 300,000 Francs, und nach derselben 800,000 
xrancs Apanage jährlich bis zu dem Tode seines 
haters, des Prinzen Jerome, erhalten, von da ab 
is zum 4. September eine Million bezogen habe. 
die Dotation für die Schlösser sei auf die Unter— 
altung derselben mehr als draufgegangen. — 
das „Journal de Paris“, Organ derjenigen Legi⸗ 
imisten, welche die Rechte des Grafen von Paris 
nuf die Krone Frankreichs nicht anerkennen, hat 
»on dem Grafen Cathelineau, dem Waffengefährten 
charettes, einen Brief empfangen, in welchem das 
zaus Orleans mit Beleidigungen überhäuft wird. 
der General citirt einen von der Herzogin von 
zerry am 4. März 1841 geschriebenen Brief, in 
velchem die Mntter des Grafen Chambord einen 
zertrag, welchen man ihr über die direkten und 
ventuellen Rechte der spanischen, neapolitanischen 
ind parmesischen Bourbous vorgelegt, einer Beur—⸗ 
heilung unterzieht, die darauf hinausläuft, daß sie 
m Uebereinstimmung mit dem Verfasser des Ver⸗ 
rages der Ansicht ist, daß die Rechte dieser Familien 
nuf den Thron Frankreichs unbestreitbar sind. 
Paris, 17. März. Fürst Orloff überreichte 
hjeute dem Präsidenten Grevy sein Abberufungs- 
chreiben. 
Verhaftung von Sozialisten. Zu 
Argos, in Andalusien, wurden sieben hervorragende 
Socialisten, Mitglieder der geheimen Gesellschaft der 
„Schwarzen Hand“ (La mano negra) gefangen 
jenommen. Man legt der Habhaftwerdung dieser 
Herschwörung große Wichtigkeit bei. 
Die rückfälligen Verbrecher. Die 
Transportirung rückfälliger Verbrecher nach Neu⸗ 
raledonien hat zu einem Austausch von Erklärungen 
wischen Paris und London geführt. Die Pol. 
Torr. meint nun, man müsse zunächst die Annahme 
)es betreffenden Gesetzes durch den Senat abwarten. 
In Paris macht man geltend, daß Verurtheilte sich 
nach Abbüßung ihrer Strafe im Allgemeinen über⸗ 
illhin, nach England, nach der Schweiz, nach 
Deutschland u. s. w. wenden können. „Indem 
nan die rückfälligen Verbrecher strenger bestraft, 
hietet man der Sicherheit der anderen Nationen 
ine weitere Garantie, denn die Verbrecher werden 
a aus Europa entfernt und mitten in den Ocean 
verbannt werden. Es liegt dies also im allge— 
neinen Interesse. Man wird die Verbrecher nicht 
olos nach Neucaledonien, sondern auch nach Guyana, 
»en Marquesasinseln, der Insel Phukok bringen 
ind die Flucht wird sehr streuge bestraft werden. 
die Zahl der zu Verbannenden laßt sich nicht im 
Voraus genau bemessen. Schließlich ist zu betonen, 
»aß der Gouverneur von Neucaledonien angewiesen 
st, von den australischen Behörden die Auslieferung 
er enfwichenen Nerhrecher 1u versangen“ 
10. Jahrg 
Nom, 16. März. Eine Wiener Spezialde⸗ 
desche des Moniteur de Rome versichert, daß die 
Absicht, den Sitz der Hauptverwaltung der Propa⸗ 
zanda nach dem Auslande zu verlegen, die Frage 
der Abreise des Papstes von Rom wieder hat akut 
werden lassen. — Der katholische Souverän, welcher 
in dieser Propaganda-Angelegenheit beim König 
dumbert die Vermittlerrolle übernommen haben 
ollte, ist nicht der Kaiser von Oesterreich. 
Rom, 15. März. Wie der „Moniteur de 
Rome“ mittheilt, wird nicht Ledochowski, sondern 
Kardinal Howard zum Suburbikarbischof von Fras⸗ 
zati, und zwar schon in dem am 24. März abzu⸗ 
haltenden Konsistorium ernannt werden. 
Kairo, 17. März. Eine Meldung aus Suakin 
besagt, Admiral Hewett erließ eine Proclamation, 
mit welcher er für die Einbringung Osman Digma's, 
zleichviel, ob lebendig oder todt, eine Belohnung 
yn 5000 9olssars aussetzt. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 18. März. (Gelohnung.) 
Zur Ergänzung unserer gestrigen Notiz in diesem 
Betreffe tragen wir nach, daß aus dem Pfälz- 
ischen Dienstbotenstifte ferner Geldbe— 
hohnungen von je 10 Mark erhalten haben: 
Anna Mayer, seit 18 Jahren in Dienst bei 
derrn Restaurateur Seiter, und Christine 
Busch, seit 14 J. in Dienst bei Herrn Kaufmann 
Bottmann. — Unter den im lauf. Jahre von 
der Generalversammlung des pfälz. Dampfkes— 
sel-Revisions-Vereins prämiirten Maschi— 
ienmeistern und Heizern befindet sich auch Ober⸗ 
naschinenwärter Jungfleisch von dem hiesigen 
Fisenwerke. 
*— In der gestrigen Schwurgerichissitzung in 
Zweibrücken wurde die Maria Ghas, Ehefrau 
don Joh. Schein, Bergmann von hier, wegen 
Meineid zu 1 Jahr Zuchthausstrafe unter An⸗ 
rechnung der verbüßten Untersuchungshaft verurtheilt. 
Auch wurden derselben die bürgerlichen Ehrenrechte 
uuf die Dauer von 5 Jahren aberkanni. 
HO Mimbach, 15. März. Bei der heute 
stachmittag stattgehabten Versteigerung der verschie⸗ 
denen kleineren Hölzer aus dem Pirminuswalde 
vurden ca. 2100 Mk. erlöst. — Die orbentliche 
Fahresschlußprüfung an der unteren protesi. Schule 
»ahier findet Mittwoch, 19. März, des Morgens, 
die der oberen protest. Schule am gleichen Tage 
»es Nachmittags und die der Foribildungsschule 
im Freitag, 21. März, Abends 8 Uhr statt. — 
Der sich mit Beginn dieses Jahres neugebildete 
Männergesangverein zu Mimbach wird an den 
ommenden Ostern zum erstenmale in der Oeffent⸗ 
ichkeit auftreten, indem er gesonnen ist, in der 
drirche zu singen. 
— Blieskastel, 15. März. In dem Hause 
des Adam Ettgen von Lautzkirchen ereignete sich 
jeute Nachmittag ein bedauernswerther Unglücksfall. 
Der Bergmann Michael Halter von da, nahm 
bei seinem Schwiegervater (genannten Ettgen) ein 
Bewehr vom Pulte, um es zu betrachten. In dem⸗ 
elben Augenblicke, als er den Hahn aufzog, kam 
jeine ledige 25jährige Schwägerin an der Thür 
borüber. Das Gewehr, welches geladen war, ging 
los, und der Schuß zerschmetterte der Unglücklichen 
den Arm derart, daß derselbe nach Aussage des 
Arztes amputirt werden muß. 
— Ludwigshafen, 15. März. Se. Ma⸗ 
estät der König haben allergnädigst geruht, auf den 
Porschlag des Verwaltunagsrathes den bisherigen