Full text: St. Ingberter Anzeiger

Reichss. Staats- und Kommunalbeamte sämmtlich 
zu versichern sind mit der Maßgabe, daß ihnen ihre 
Pension bei der eventuell. höheren Verficherungs- 
Främte angerechnet wird. Die 8 5 und 6 
wurden mit weitgehenden Abänderungen angenom⸗ 
nen. Die Karrenzzeit wurde von 18 auf 4 Wochen 
herabgesetzt. Ferner soll bei Anrechnung der Rente 
auch der den Betrag von 4 Mark übersteigende 
Tagelohn in Anfatz kommen. Die Rente der Kinder 
wurde von 10 auf 15 Prozent erhöht. Alle üb— 
rigen Anträge auf Erhöhung wurde abgelehnt. Die 
gefaßten Beschlüsse bedingen eine erhebliche Mehr⸗ 
elastung der Arbeitgeber, welchen bekanntlich die 
Versicherungslast ausschließlich auferlegt werden soll. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
e. Das Jahr 1884 scheint ein besonders ge⸗— 
segnetes zu werden. In Ensheim wurden be— 
ceits 2 Familien mit Zwillingen beschenkt. 
— Wie sehr die Vegetation in Neustadt der 
in der übrigen Pfalz voraus ist, beweist eine Mit⸗ 
cheilung der „N. Bürg.Ztg.“, wonach an einem 
Spalier in der Vorstadt bereits halbreife Trauben 
zu erblicken sind. (Kein Aprilscherz.) 
Germersheim. Der Nestor der bayer⸗ 
ischen Gymnasiallehrer, Herr Rektor Heerwagen in 
Nuürnberg, tritt in den wohlverdienten Ruhestand. 
Rach seinem Weggang ist der Senior von den 
aktiven Lehrern an unseren Mittelschulen der Sub— 
cekior der Lateinschule in Germersheim, Herr Resser, 
der mit Heerwagen am gleichen Tage desselben 
Jahres geboren ist und mit ihm auch 1831 das 
Gymnasiallehrer Examen mit der glrichen Note ge⸗ 
macht hat. Dabei erfreut sich Herr Subrektor 
—I geistig einer seltenen 
Frische, gedentt seinem Amt noch weiter vorzu⸗ 
flehen und befaßt fich auch noch mit literarischen 
Arbeilen; erst jüngst erschien in den Blättern für 
das bayerische Gymnasialschulwesen von ihm eine 
größere Abhandlung über die deutsche Accentuirung 
altklassischer Eigennamen. 
Vermijchtes. 
pNeunkirchen, J. April. Gestern wurde 
auf der Grube Dechen der Bergmann Kaspar aus 
dockweiler durch herabstürzende Felsmassen erschlagen. 
Neunkirchen, 1. April. Der Müllers⸗ 
sohn Steiner von St. Johann trug gestern eine 
Waage nach Hause, welche in der Schmiede reparirt 
worden und an welcher ein Theil noch glühend 
dar. In Folge des Windes fingen die Kleider 
des Knaben an dem glühenden Eisen Feuer und er 
erlitt derartige Brandwunden, daß er bald darauf 
unter entsetzůchen Schmerzen starb. 
4Trier, 2. April. In den Baracen hat sich 
in verflossener Nacht ein Musketier, wie man höoͤrt, 
in Rektut vom 29. Inf.⸗Regt., mit seinem Dienst⸗ 
Jewehr erschossen. Die Motive zu Selbstmord sind 
noch unbekannt. 
p Bitsch, 31. März. Gestern Abend 10 Uhr 
wurde in Gößenbrück auf offener Straße bei Ge⸗ 
legenheit eines Streites der Glasarbeiter Josoph 
Müller aus Saareinsberg von dem Glasmacher 
Joseph Nierengarten aus Götzenbrück mittelst eines 
Messers in die linke Brustseite gestochen, in Folge 
dessen der Tod sofort eintrat. 
Aus Karlsruhe, J. April, wird berichtet: 
Ein schrecklicher Mord wurde heute Abend 9 Uhr 
hier vollbracht. Der Friseur Blank hat um die 
genannte Zeit seinen Schwager Wirth in der Re⸗ 
stauration, Zur neuen Welt“ meuhlings erstochen. 
Dem Vernehmen nach soll der Mörder zuerst in 
die Küche geeilt, daselbst ein großes Messer geholt 
und dann damit das schwere Ve⸗brechen verübt 
haben. Die Wirthschaft, in welcher der Mord 
Herübt wurde, liegt unmitielbar an einem verrufenen 
Vietlel und knüpft man hieran schon die verschie⸗ 
denartigsten Konjunkturen. Daß der Wütherich ein 
Messer aus der Küche geholt, wirft ein höchst un⸗ 
Jünstiges Licht auf die Wirthschaft. Soeben halb 
i1 Unr, kam das Physikat, um den Thatbestand 
aufzunehmen. Der Ermordete liegt in der Küche 
der Resiauration. Der Volksmund gibt als Grund 
der That Eifersucht an. Näheres über den Fall 
ist bei der vorgerückten Stunde nicht zu erfahren, 
wird aber nachfolgen. 
Im Schloßgarten zu Mannheim waurde 
der verheirathete Maurer G. erhängt aufgefunden. 
Auf einem in seiner Tasche gefundenen Zettel 
janden mit fester Hand die Worte geschrieben: 
debet Alle wohl, verzeiht mir mein Vergehen, ich 
din ohne Abschied gegangen.“ 
7 GErleichterung im Brennereibe— 
triebe.) Durch Entschließung des kgl. Staats⸗ 
ninisteriums der Finanzen vom 24. März wurde 
»en Hauptzollämtern die Ermächtigung ertheilt, die 
Befüüung des Henzedämpfers mit rohen Kartoffeln 
oder Mais und mit Wasser im Laufe des der Ein⸗ 
naischung vorgehenden Tages ohne Rüchsicht aus 
den Umfang des Brennereibetriebes mit der Maß⸗ 
jabe zu gestatten, daz die fragliche Betriebshand⸗ 
ung nicht eher vorgenommen werden darf, als mi 
»er Entleerung des Vormaischbottigs begonnen wird. 
Die diesjährigen Schießübungen 
auf dem Lechfelde wird das 1. Feld-Artillerie⸗ 
Regiment vom 5. Juni bis 25. Juri, das 2. Feld— 
Artillerie⸗-Kegiment vom 19. Juli bis 10. August, 
das 3. Feld⸗Artillerie-Keg ment vom 18. Juni bis 
10. Julsi, das 4. Feld-Artillerie-Regiment vom 
3. Juli bis 23. Juli, das L. Fuß⸗Art.⸗Regiment 
»om 31. Juli bis 26. August und das 2. Batail- 
on des 2. Fuß⸗Artillerie-Regiments vom 15. Mai 
»is 11. Juni vornehmen. Das 1. Bataillon des 
2. Fuß⸗Artilletie-Regiments in Metz wird seine 
—„chießübungen in Hagenau abhalten. 
Eine furchtbare Mitternachtsge— 
ch ichte erzählt ein Privatbrief aus dem Branden⸗ 
zurgischen. Die Musikanten hatten in einem be— 
iachbarten Dorfe flott aufgespielt und aufgegossen 
ind kehrten todt müde spät Nachts zu Wagen heim 
Unterwegs verlieren sie, ohne es zu bemerken, die 
—A 
ilr beiter, der seinen Kameraden Nachts in der 
Fabrik ablösen muß, zieht desselben Wegs, hält die 
Zaßgeige für ein wildes Thier, das auf der Lauer 
iegt, tritt ein paar Schritt zurück und stößt ihm 
einen Stock tief in den Leib. Das Thier brummt 
inheimlich, der Mann erschrickt, eilt heim, holt fünf 
Mann zu Hülfe, worunter der Fabrikbesitzer mit 
geladenem Gewehr, sie rücken dem Bär (dafür 
jalten sie das Thier) muthig auf den Leib. Der 
Fabritant schießt und trifft; aber schlecht; das Thier 
rummt wiederum seltsam. Noch einmal aber 
ücken sie ihm allesammt zu Leibe mit Mistgabeln 
geilen und Stöcken und machen ihm den Garaus 
x8 gibt keinen Ton mehr von sich. Sie greifen 
iber andern Tages tief in ihre Tasche und zahlen 
Wohin sie nun kommen, müssen sie von der Bären⸗ 
agd hören. 
p'Einen nicht üblen Aprilscherz hat 
ich ein Breslauer Spaßvogel erlaubt. Er versandte 
umn LJ. April an die Redaktionen der dort erschei⸗ 
nenden Zeitungen folgendes Schreiben: „Breslau, 
den 31. März 1884. Seltenheit. Soeben ist mil 
einem Schiffe aus Stettin, welches norwegisches Eis 
hierher verladen hatte, ein lebender Wal fisch von 
ungefähr zehn Metern Länge wohlbehalten hier an⸗ 
gekommen. Derselbe wird Dienstag an den Fisch⸗ 
duden an der Burgstraße unentgeltlich gezeigt 
verden.“ Unterzeichnet war das Schreiben 
Schiller, Lehrer.“ Es traf gestern in später 
stachmittagsstunde in den Büreaus der Zeitungen 
ein, gerade zur rechten Zeit, um noch für die 
nächste Morgenausgabe Verwendung zu finden. 
Obwohl es diese nur in beschränktem Maße fand, 
indem allein die „Breslauer Zeitung“ ihren Lesern 
sum 1. April die wundersame Nachricht vermittelte, 
reichte diese Publikation hin, um einige hundert 
Menschen, darunter Ehegatten mit ihrem gesammten 
sachwuchs, im Laufe des heutigen Vormittags, zum 
vaudium der Fischhändlerinnen, nach den Fisch— 
»uden an der Burgstraße zu führen. Die liebe 
Schuljugend wird voraussichtlich erst Nachmittags 
n groͤßeren Trupps dort eintreffen. Der Urheber 
»es Scherzes aber dürfte wohl in der Nähe sich 
aufgehalten und an dem, wenn auch nur partiellen 
xrfolge seines Unternehmens sich gefreut haben 
derr Schiller scheint Lehrer der französischen Sprache 
zu sein, denn der Franzose nennt den Aprilscherz 
einen poisson d'avril. 
F Berlin. Von der Leutseligkeit unseres 
daisers, besonders seiner Freundlichkeit gegen 
Kinder, giebt es gar zahlreiche Beispiele; doch das 
neueste liebliche Geschichtchen dieser Art, erst jüngst 
am letzten Geburtstage des hohen Herrn geschehen, 
dürfte noch wenig bekannt geworden sein und mag 
zaher hier mitgetheilt werden. Als am 22. März 
zie Equipagen und Carossen der vornehmen Gratu— 
anten vor dem Palais des Kaisers vorfuhren und 
Menscheumassen eines Blickes des geliebten Landes— 
jerrn vor dem Fenster warteten, wagte sich ein 
lleiner unerschrockener, eiwa 12 Jahre alter Knabe 
aus dem nahegelegenen Rixdorf, dessen sehnlichster 
Wunsch es schon seit Jahren war, seinem Kaiser 
einmal persönlich zum Geburistage zu gratuliren 
in das Palais, um seinen Vorsatz auszuführen 
Natürlich wurde er hier von der Dienerschaft zu 
rückgehalten und ihm gesagt, daß er an einen 
solchen Tage, wo die Zeit des Kaisers in so hohen 
Grade in Änspruch geuommen sei, nicht vorgelassen 
weiden könne, daß er aber am morgen, am Sonn⸗ 
tag, wiederkommen möchte. Welche Freude für den 
kleinen Rixdorfer dies „Morgen“! In der Nacht 
war natürlich an Schlaf nicht zu denken und schon 
früh 6 Uhr machte sich unser kleiner Patriot anf, 
im wieder nach Berlin zu spazieren. Nach länge. 
rem Warten erhielt er um 84 Uhr die Erlaubmß, 
vor dem Kaiser zu erscheinen. Unser Kaiser nahm 
die einfachen, kindlichen Glückwünsche freundlichs 
entgegen. Er fragte darauf den Knaben, wie er 
heiße. „Carl B.“ war die Antwort, und ob er 
noch Geschwister habe. „Jawohl, noch fünf.“ 
Datauf erkundigte sich der Kaiser darnach, weßhalb 
Tarl einen Flor trage, worauf er von dem Knaben 
den Bescheid erhielt, daß dies aus Trauer über den 
Tod seines Vaters geschehe. Nachdem nun der 
Zaiser sich noch über einige Familienverhältnijss 
hatte Auskunft geben lassen, fragte ihn der Knabe 
ob er ihm ein Lied vorsingen dürfe, was ihm auch 
der Kaiser gestattete, mit den Worten: „Warun 
nicht, mein Sohn, wenn Du schön singen kannst! 
Er sang nun folgendes Lied: 
Unser Kaiser liebt die Blumen; 
Denn er hat ein sanft Gemüth, 
Doch vor Allem liebt er eine, 
Die in keinem Garten blüht. 
Nicht nach Rosen steht sein Sehnen 
Draußen pflückt er sie im Feld — 
Ein kleine blaue Blume, 
Die er für die schönste hält. 
Unvergeßlich bleibt Luise, 
Preußens Stoliz und lichter Stern; 
Sie trug einst die blaue Blume 
Als den schönsten Schmuck so gern 
Darum hat der Sohn der Eltern 
Sie als Liebling sich gewählt, 
Weil die Liebe zu der Mutter 
Wunderbar sein Herz beseelt. 
Als er geendet hatte, trat der Kammerdient 
ein und melvete den Kronprinzen. Da stand de 
Zaiser auf, reichte dem kleinen Patrioten die Hand 
und dankte ihm freundlich mit den Worten: El 
ist brav von Dir, mein Sohn. Darauf verlief 
der Knabe das Zimmer, er wurde jedoch, —X 
sich schon vor der Thüre befand, wieder zurückge 
rufen, damit er sich auch in das Gratulationsalbur 
infrüage, in dem all' die erlauchten und voruehmer 
Namen schon verzeichnet waren, deren Träger Tag 
zuvor ihren Besuch abgestattet hatten. Freudestrahlen⸗ 
uͤber das genossene Glück und über die Freundlich 
keit und Liebe seines Kaisers, kam der kleine Ru 
dorfer Iwieder bei den Seinigen an. 
Dem „Altionär“ wird zur Lage der deut 
schen Eisenindusst rie aus dem Saarthal de 
richtet: Die Walzeisenwerke sind gut —X 
zum Theil mit Ordres für das Ausland, wo da 
deutsche Fabrikat sich mehr und mehr Bahn brich 
und vielsach dem englischen und belgischen vorge 
zogen wird. In Trägern geht das Geschäft augen 
hzlicklich sehr flott und würde es nicht überraschen 
wenn die Preise hierfür in nächster Zeit etwas an 
ziehen würden. In Schwarzblechen ist der Absc 
sehr stetig und die Werke behaupten ihre Nofier 
ungen mit Leichtigkeit. Das Siegenerland hat be 
zar seine Preise, die freilich enorm gedrückt waren 
eeile wieder erhohen konnen. Weißbleche sin 
ungemein fest und können die Werke. die auf meh 
rere Monate volle Beschaäftigung haben, den anß 
gestellten Anforderungen kaum achtommen. J 
Eisenbahnmaterial haben die Submissionen der leir 
Nbnate grohere Ordres gebracht, so daß das dringen 
rbeitsbedurfniß der Werke gestillt ist und bei de 
euesten Aueschreibungen für VLieferfristen pet r 
fangs Sommer bereits eine Prolongation vonfjeite 
der Werle berlangt wurde. Auch vom Ausiard 
sind verschiedene größere Ordres zu besseren Preijt 
in Deutschland placiert worden. 
FpPreisansschreibun gen des Bere 
deutscher Maschineningenieure. 9 
Werein deutschet Maschineningenieure hat für 
Jahr 1884 wei Preise von je 500 Mi. füt 
deste Bearbeilung nachstehender Preisaufgaden c 
gesetzt: a. Konsiruktion einer liegenden dreifo