vt J—
* U— * I5 F * 3 *
9
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichls St. Insbert.
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unierhaltungs
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1.4 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1) 75 —, einschließlich
4 —⸗⸗ Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 , bei außerpfälzischen und solchen
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 , Neclamen 30 . Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet.
M 7D.
Abkürzung der Militär-Dienstzeit?
Die Grundlagen unserer Einheit und Freiheit
siind das Heer und das Verfassungsrecht. An dem
letzteren lassen sich überstürzende Aenderungen über⸗
haupt nicht vornehmen, und aus Gründen der po—
lütischen Rücksicht vertagen wir die Fragen der grund⸗
sätzlichen Weiterbildung auf einige Zeit. Den
Forderungen nach Verfassungsänderungen sprechen
wir die TDringlichkeit ab, einmal weil uns die For—
derung des vierten Standes nach einer Grundlage
zu menschenwürdigem Dasein ungleich dringlicher
erscheint, sodann auch weil wir auf die Person des
—
als es uns politisch unklug erscheinen würde, im
Widerspruch zu disen Begründern des Reich:s
und der Reichsgewalt über eine verfassungsrechtlich
geänderte Stellung derselhen zu beschließen. Die
Verfassungsfrage enthält darum auch nach unserer
Meinung keinerlei Bedeutung für die Wahlen, ob—
zleich der Bundesrath diese zu schaffen bestrebt scheint.
Anders die Frage der Heeresverfassung. Ihr
gegenüber kommen nur sachliche und Rüchsichten der
Parteibewegung in Betracht. Sie kann jeden Augen⸗
zlick aufgeworfen, muß stets sofort beantwoͤrtet
verden. Kaum hatte sich die Gruppe derjenigen
vermehrt, welche aus der einen oder der anderen
Rücksicht gegen die dreijährige Dauer der Dienstpflicht
antet den Waffen und gegen die siebenjährige Be—
villigung der Heereskosten Einspruch erheben, —
o war auch schon die Heidelberger Antwort da:
die Nationalliberalen beharren dabei, daß dieser
kinspruch auf eine Schwächung unserer Vertheidig⸗
ungskraft und auf Wirren und Stockungen in der
Heeresverwaltung hinausläuft. Und in Neustadt
jat Herr Dr. Miquél noch weiterhin geantwortet:
die Rationalliberalen verwahren sich dagegen, daß
die Militärfrage zu einer regelmäßigen Wahl⸗
frage gemacht werde und daß auf diesem Wege die
achlichen, also doch allein entscheidenden Gründe
ür und wider, — immer mehr hinter die Rücksichten
oes Partei⸗Erfolgs zurückgedrängt worden.
Die sachlichen Gründe jedoch stehen heute noch
ebenso wie vor sieben Jahren für eine Bewilligung
der Heereskosten auf fuͤnf bis sieben Jahre. Mit
bezug auf die Dauer des Dienstes unter den Waffen
singegen find jere früheren Gründe fast noch ver—
därlt worden dadurch, daß jetzt auch Frankreich
auf den deutschen Standpunkt sich begibt, patriotischer
Weise aber sogleich auch bestrebt ist, womöglich noch
besser auf diesem unseren Standpunkte sich einzu⸗
richten, als wir es gethan. Wenn Frankreich damit
nicht viel Glück haben sollte, so wird es wenigstens
aicht an einem etwa mangelnden Opfersinn der
bolksvertretung gelegen haben. Die Pariser Kam⸗
mern bewilligen ja nach dieser Seite hin blindlings,
vas die Heeresverwaltung an Millionen fordert.
In Frankreich hat man bisher dem Namen
ach die fünfjährige Diensipflicht gehabt, welcher
iber nur eine Hersie Portion“ der Rekrutirten ge⸗
zugen muß. Die „zweite Portion“ dient aller
Hestens ein Jahr, meist aber nut ein halbes Jahr;
nd dazu gehört bei weitem die Mehrzahl aller
Wehrpflichtigen, so daß der Durchschniti etwa eine
gemeine Ausbildung von zweijahriger Dauer er—
Was damit erreicht wird, haben das Jahr
87071 und der neueste Feldzug ins Tonkinesische
mezeigt. Jetzt soll ein neucs Rekrutirungsgesetz die⸗
berfehlten Zwei -Portionen⸗ System ein Ende
ihn und die allgemeine gleiche dreijährige Dienst⸗
eit einführen. Wie man “deir uns n demselben
Samstag, 19. April 1884.
19. Jahrg.
Augenblicke die Forderung nach der zweijährigen
Dienstzeit noch aufrecht erhalten mag, erscheint faft
inverständlich und ist jedenfalls nicht fehr patriotisch.
In dieser Frage sollte doch nur die Thatsache einer
angjährigen Bewährung entscheiden dürfen. Es
oll von uns keineswegs bestritien werden, daß in
Zukunft einmal zwischen das Institut der Einjährig⸗
ind Dreijährig-Freiwilligen ein Institut von Zwä⸗
ährig-Freiwilligen eingtschoben werden muß
Allein das wird erst geschehen dürfen, wenn ganz
unbedingt zuverlässige Erfahrungen aus der un
mittelbaren militärischen Praxis vorliegen, aus
denen sich ergibt, daß die körperliche und die geistige
Bildung in den breiteren Volksmassen wieder so
weit vorgeschritten ist, um bestimmten Volkselementen
vermöge ihres genossenen Vorunterrichts das Anrecht
auf nur zweijährige Dienstzeit zuzuerkennen. Thai⸗—
ächlich genießt ja bereits ein sehr starker Prozentsatz
»er zukünftig als nur zweijährig-dienstpflichtig ge
achten Rekrutirungskreife diesen Vortheil. Immer
iber wird die Bemessung der allgemeinen Dienst
flicht bei derjenigen weiteren Zeitgrenze stehen
oleiben müssen, innerhalb welcher eine Truͤppe von
zurchaus verschieden veranlagten und verschieden
orgebildeten Rekruten hinsichtlich aller ihrer Mit⸗
zlieder auf einer unerläßlichen Höhe der militärischen
rüchtigkeit angelangt sein kann. Dies ist vor
illem zu ermöglichen. Weiterhin müssen noch Miß⸗
zriffe in der Ausbildung, die ja im besten Heere
aicht ausbleiben, korrigirt werden können. Endlich
zuch müssen die Schwierigkeiten, welche in örtlich
eschräukten Verhältnissen oder in dem jeweils vor⸗
jandenen erziehenden Material der gleichmäßig guten
Ausbildung aller Truppentheile enigegenstehem, ge⸗
aügend überwunden werden können. Und aus
Allen diesen sachlichen Erwägungen, namentlich aber
n Anbetracht des riesigen Fortschrittes, mit welchem
Frankreich uns soeben zu überholen gedenkt, —
nüssen wir die von radikaler und ulitamonianer
—AV natürlich aufge⸗
vorfene Militärfrage nachdrücklich zurückweisen.
Blauben jene „Patrioten“ mit ihter Militärfrage
hei den Wahlen Geschäfte zu machen? Wir glauben
im Gegentheil, daß nur mit unserer Antwort noch
ꝛein Wahlerfolg zu erzielen ist. (Pf. L. C.)
Anträge auf Entschädigung unschuldig Verurth ilter
ind auf Wiedereinführung der Berufung in Straf⸗
achen.
Der, Reichsanzeiger“ veröffentlicht heute folgenden
an den Reichskanzler gerichteten Erlaß des
Kaisers vom 12. März d. J.: Auf Ihren Be—
rcicht vom 6. d. M. bestimme Ich, daß die dem
‚ollvereinslandischen Hauptzollamte zu Hamburg
ohne Meine besondere Genehmigung beigelegte Be—
zeichnung „kaiserlich“ von demselben in Zukunft
aicht mehr zu führen ist.
Weltpostverein. Denjenigen Ländern des
Weltpostvereins, nach welchen Postkarten mit Ant—
wort abgesandt werden können, ist nunmehr auch
Nicaragua beigetreten. Das Porio für derartige
Postkarten nach Nicaragua beträgt 20 Pfennig.
Ausland.
Die Deutschen in Russisch-Polen.
In russischen Regierungskreisen finden die neuesten
tatistischen Erhebungen über die wirthschaftliche Lage
dolens große Beachtung, weil man das günstige
stesultat derselben, anlangend das stetige Wachsthum
der Bevölkerung und die forsschreitende Entwickelung
der Industerie, sowie des Eisenbahnnetzes, als Be—
veis für die Vortrefflichkeit der Verwaltungsmaxi—
nen der russischen Herrschaft betrachtet. Es wird
zierbei allerdings darauf hinzuweisen sein, daß in
Russisch-Polen das deutsche Element eine ziemlich
jervorragende Rolle spielt und für die induftrielle
dage der Provinz geradezu maßgebend sein dürfte.
Begenwärtig sind wieder einige Hamburger Capita-
listen im Begriff, in Russisch-Polen eine große
Aktien-Gesellschaft behufs Exploitirung der natür—
lichen Reichthümer desselben zu gründen. Zunächst
wvill man sich mit der Erforschung des genannten
Bebietes in geologischer Beziehung genau verkraut
nachen, worauf dann später je nach Bedürfniß die
xẽröffnung von Fabriken an verschiedenen Orten er⸗
olgen soll. Es sollen hierbei hauptsächlich die—
enigen Industriezweige, welchen bisher in Ruͤssisch—
Bolen keine Aufmerksamkeit geschenkt worden, berüc⸗
ichtigt werden. Eine andere Gruppe deutscher
Tapitalisten bewirbt sich gegenwäriig um bie
Toncession zur Erbauung von schmalspurigen Eisen⸗
dahnen im Weichselgebiet, welche ausschließlich den
Interessen des Handels und der Indusftrie dienen
ollen.
Westafrikanische Mission. Wie mitge⸗
theilt, beabsichtigt das auswärtige Amt einen Com⸗
nissar nach der afrikanischen Wesiküste zu entsenden,
von dessen Ermittelungen es abhängen soll, ob ein
deutsches Kriegsschiff in den westafrikanischen Ge—
wässern stationirt werden wird. Nach guten Quellen
ist unser Generalconsul in Tunis, Dr. Nachtigall,
zum Chef der westafrikanischen Mission ernanni
vorden, zu der auch der Afrikareisende Dr. Buch⸗
ier und ein Mitglied der deutschen Botschaft in
London gehören werden. An Bord des Kanonen⸗
»ootes „Möwe“, welches am Dienstag den Kieler
dafen verlassen hat, sind Vorkehrungen zur Auf-
nahme der drei Herren getroffen worden, von denen
die beiden Erstgenannten sich wahrscheinlich in Lissa⸗
bon einschiffen werden. Wie man hört, wird daß
sdanonenboote,Möwe“ für längere Zeit an der
vestafrikanischen Küste stationirt bleiben und dort
Vermessungen vornehmen. Die Corvette „Sophie“
kehrt dagegen nicht dorthin zurück, sondern begibt
sich ins Mittelmeer.
Der Aufstand auf Cuba wird von
Madrid ans hegreifslicher Moit, Ass ι-
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
München, 15. April. Die sämmilichen
Notariatskammern Bayerns haben dem Justizmini—
ster Dr. v. Fäustle, zum AÄusdrucke des Vankes
für die ausgezeichnete Vertretung des Notarials im
dandtage, eine künstlerisch ausgestattete Adresse ge⸗
widmet; dieselbe wird dieser Tage durch eine Ve—
zutation überreicht werden.
München, 17. April. Der Deutsche Geo⸗
zraphentag wurde heute in Gegenwart der Minister
». Lutz, v. Crailsheim und v. Feilitzsch eröffnet.
Prinz Ludoig übernahm das Chrenpräsidium.
Berlin, 17. April. Der Kaiser conferirte
Nachmittags längere Zeit mit dem Fürsten Bis⸗
marck. Bormittags nahm der Kaiser mehrere Vor⸗
räge v. Perponcher's und des Generaladjutanten
y. d Goltz entgegen und arbeitete dann mit dem
striegsminister und dem Chef des Militärcabinetts.
Gleich nach seinem Wiederzusammentritt am
23. April wird der deutsche Reichstag sich
mit den Initiativanträgen aus der Mitte des Hauses
zu beschäftigen haben. Es liegt deren diesmal eine
größere Anzahl als sonst vor, darunter die wichtigen