Full text: St. Ingberter Anzeiger

ðSt. Jugherter Amzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Der ‚St. Jugberter Anzeiter“ erscheint wöchentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöoͤchentlich mit Unterhaltungs 
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Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Kaiserslautern, 29. April. Die gestrige 
Sitzung des hiesigen „Volksvereins“ nahm 
einen guten Verlauf; die in derselben gehaltenen 
Reden beschäftigen sich mit den Aufgaben des gegen⸗ 
wärtigen Reichstages, die in au.führlicher Weise 
dargelegt und wobei erläutert wurde, wie die ver⸗ 
schiedenen Parteien zu denselben ständen. Die hie- 
sige „Volksztg.“ hebt hervor, daß die Versammlung 
abermals bewiesen habe wie festen Boden die Volks— 
partei, deren Prinzipien wie die Haltung ihrer 
Vertreter die allgemeinste Billigung gefunden, in 
der Stadt Kaiserslautern habe. 
Eine Arbeiterversammlung, welche 
bon etwa 2000 Personen besucht war, tagte am 
Sonntag in Köln. In derselben ging es verhält⸗ 
mäßig ruhig zu; es sprach eigentlich nur der sozia⸗ 
stiütische Abgeordnete Kräcker (Breslau) über die 
gelbststan dige Verwallung der Arbeiter- Unterstützungs 
Cassen. Auch in dieser Versammlung machie sich 
das Beduürfniß nach einer Resolution fühlbar, welche 
einstimmig in folgender Fassung angenommen 
wurde: „Die heutige Versammlung beschließt, den 
bestehenden freien Hilfskassen, sowie den Fachver⸗ 
einen zahlreich beizutreten und bei der nächsten 
Reichstagswahl für den Arbeitercandidaten Bebel 
u stimmen.“ 
Berlin, 830. April. Die Unfall⸗Commission 
war heute schwach besucht; fie hat die Berathung 
bis zum 8 21 (inclusive) fortgesetzt. Eine wesent 
iiche Aenderung wurde nicht vorgenommen. Der 
Antrag Buhl, einen Reservefonds in den ersten 10 
Jahten bis zu 50 Millionen Mark anzusammeln, 
vurde mit Stimmengleichheit, Liberale und Deutsch. 
donservative gegen Centrum und Freiconservative 
bgelehnt; dagegen der Antrag Lohren-Hertling, 
uuf 20 Millionen, angenommen, was bei der zwei⸗ 
en Lesung wohl beseitigt wird. 
Berlin, 80. April. Reichstag. Philipps 
Aegründete seinen Antrag über Entschädigung 
unschuldig Veru rtheilter. Der Staat habe 
die Pflicht die Opfer der Juftiz zu entschädigen, 
soweit es Menschen möglich sei. Kayser hall 
die Entschädigung unschuldig Verurtheiller für eine 
eminent sozialpolitische Aufgabe und will in erster 
Reihe den berurtheilenden Richter mit seinem 
Vermogen haftbar machen. (Er wird wegen Be⸗ 
leidigung des Richterstandes zur Ordnung gerufen) 
dart mann erklärt, die Konservativen seien bereit, 
eine gesetzliche Entschädigung solcher Verurtheilter 
eintreten zu lassen, deren offenbare Unschuld sich 
sinterher herausfielle. Bundeskommissär Lenthe 
jeht hervor, nicht jede Aufhebung eines ursprüng⸗ 
lich verurtheilenden Erkenntnisses sei ein Beweis, 
auß die Verurtheilung unschuldig erfolgt sei. Die 
Presse habe einzelne sensationelle Fälle arg über⸗ 
stieben; zur Frage selbst habe die Regierung sich 
goch nicht schlussig gemacht. Der Antrag, nochmals 
von Lenzmanu befürwortet, geht an eine besondere 
dietzebnqliedrige Commussion. 
Ausland. 
d der franz. Kriegsminister hat die Ent⸗ 
en getroffen, daß die großen Arlillerie— 
Anene auf dem Felde zu Chalons in den 
en des Juli stattfinden sollen. Die 2. 
* Artillerie-Brigade, die berittenen Batterieen, 
IF in Toul. Luneville und Nanch stationieren, 
* en an diesen Mandvern theilnehmen, welche 
dem General be da Jail w 
Donnerstag, 1J. Mai 1884. 
Demselben werden auch die Divisionsgeneräle des 
Artilleriekomitees und General Lavocat, Direktor im 
ttriegsministerium, beiwohnen. Auch der Kriegs 
minister wird sich auf einige Tage nach Chalon⸗ 
begeben. 
Eondon, 20. April. Daily News zufolge 
Jätten alle Mächte, ausgenommen Frankreich, die 
Finladung zur Conferenz thafsächlich acceptirt. 
Eokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 1. Mai. Dem Vernehmen 
nach wird uns der Eisenbahn-Fahrplan 
'ur den Sommerdienst außer den bisherigen 
Zügen, die unverändert bleiben, zwei neu ein⸗ 
zelegte Züge bringen: Den einen um 7 Uhr 
46 Min. Abends, von Saarbrücken (Abgang 7 Uhr 
20 Min.) kommend und in Pirmasens um 10 Uhr 
22 Min. abschließend — den an dern um 10 Uhr 
655 Min. Abends in Zweibrücken abgehend, vier 
um 11 Uhr 838 Min. und in Saarbrücken um 11 
Uhr 55 Min. eintreffend. Der letztere Zug hat 
Anschluß an alle aus der Vorderpfalz, sowohl über 
staiserslautern als über Landau-Biebermühle kom 
menden Abend⸗-Züge. Wir ersehen daraus wieder, 
in wie dankenswerther Weise die verehrliche Direk 
sion den Wuünschen des Publikums Rechnung zu 
tragen sucht und sind gewiß, daß diese für den 
Sommerdienst getroffene Anordnung in der hiesigen 
Bevölkerung die lebhafteste Befriedigung hervorrufen 
wird. 
— Der Sommerfahrplan der pfäl— 
zischen Bahnen tritt dieses Jahr am 20. Ma 
n Kraft. 
— Zweibrücken. Nach nahezu fünfjährigem 
Bestande hat sich der hiesige Fröbelverein aus finan⸗ 
ziellen Gründen aufgelöst. 
— Das Renun⸗Comite in Zweibrücken ver— 
ufentlich das Programm für das dort am 28. 
September abzuhaltende Pferde. Rennen. In Aus— 
icht genommen sind auch Rennen mit Vreisen von 
zusammen 5800 Mk. 
— In Muünchen vergiftete sich in einem geist⸗ 
verwirrten Zustand der Veterinär J. Klasse und 
Assistent der Militärschmiede Herm. Marggtaf aus 
Kusel. 
—. Kaiserslautern. Fräulein Schupp 
ein Mitglied der gegenwärtig hier weilenden Wied⸗ 
nann'schen Theater-Gesellschaft machte einen Selbst⸗ 
mordversuch. Die achtzehn Jahre alte Dame sucht—⸗ 
sich durch einen Revolverschuß zu entleiben. Ver 
Schuß ging jedoch etwas zu tief und ein zweiter 
hatte auch nicht das gewünschte Resultat. Die Ver— 
leßzungen sollen nicht lebensgefährlich sein. Die 
junge Dame soll von der Direktion Kündigung er⸗ 
halten haben, was sie zu jenem Schritte trieb. 
— Wie der „Pf. K.“ meldet, ging am Sams 
tag aus Haßloch eine von circa 600 Tabaks 
pflanzern unterzeichnete Petition, betreffend 
„Erhöhung des Zolles auf ausländischen Tabak, 
owie Herbeiführung eines mäßigen Zolles auf das 
ausländische Getreide“ vom Buͤrgermeiste ramt an 
ven Reichsstag ab 
Vermischtes. 
.Munchen, 27. April. Der König hat 
zum Bundesfeste und X. Delegirtentage des dayer. 
Beteranen⸗, Krieger- und Kampfgenossenbundes 50 
pGt. Fahrtaxermäßigung und verlängerte Gältig 
leitsdauer der betreffenden Reise⸗Billets gest attet, 
Das Fest⸗Programm wird nach der Genehmiaung 
ofort ausgedeben 
19. Jahrg 
F In nächster Zeit wird nach der Neust. Z. der 
Sozialist Grillenberger aus Rurn berg, 
in Neustadt einen Vortrag halteun, um bei den be⸗ 
vorstehenden Reichstagswahlen hier als Kandidat 
aufgestellt zu werden. 
Das Ergebniß der ersten S pessartlotterie 
ist die Summe von 84,000 Mi., wozu noch 8000 
Mark kommen, welche als Gewinnste auf die 20,000 
unabgesetzten Loose gefallen sind. Die Vertheilung 
dieser Gelder erfolgt in der Weise, daß je 30,000 
Mt. zur Stiftung von Freiplätzen in dem Knaben⸗ 
waisenhause zu Aschaffenburg und in der weiblichen 
Erziehungsanslalt zu Rothenbuch, 20,000 Mt. zur 
Unterbringung von Spessartknaben bei tüchtigen 
Meistern und 6000 Mark zur Vergrößerung der 
weiblichen Erziehungsanstalt in Wisen bestimmt 
wurden. 
f Die Lage der bayerischen Indu— 
strie stellt sich an der Hand der soeben erschienenen 
Jahresberichte der dortigen Fabrik⸗Inspektoren für 
das abgelaufene Jahr als eine im ganzen günstige 
dar, die zu noch besseren Hoffnungen für die Zu⸗ 
funft berechtigt. In fast aͤllen Gießereien, Kessel⸗ 
schmieden, Maschienenfabriken ⁊c. äußerte man sich 
befriedigt über den Gang der Geschäfte; dasselbe 
gilt für die Textil- und Papier⸗Industrie; in be⸗ 
sonders blühendem Betriebe während des bergange⸗ 
nen Jahres standen Porzellan⸗ und Steingutfab⸗ 
riken, die Baumwollspinnereien und Webereien, die 
Pinsel. und Bleiftiftfabriken, endlich die Tabats 
Industrie. 
F Friedrichsthal, 30. April. Auf unserer 
neuen Grubenanlage (Maybach) derunglückte nach der 
S. u. Bliesztg. gestern bei der Arbeil der 25jährige 
ledige Bergmann Fuchs von Merchweiler. Derselde 
war eben damit beschäftigt, ein Wagelchen zu laden, 
als plötzlich eine Seitenwand einstürzte und ihn er 
drückte. Der Tod trat sofort ein. 
FMan schreibt unterm 27. —s. Mts. aus 
dastach: Ein gräßlicher Unglücdsfall 
rreignete sich gestern in dem benachbarten Fischer⸗ 
»ach. Zwei 7jährige Kinder, ein Knab— und ein 
Madchen, spielten auf dem Felde am Feuer, wah⸗ 
cend in geraumer Entfernung davon Dienstboten 
Zeschäftigt waren. Der Knabe zundete einen Stroh⸗ 
wich an, hob denselben unter die Kleider des Man— 
hens, so daß dieses sofort in hellen 
Flammenstand und in diesem Zustande 
davonranunte. Bis die allerdings sehr rasch 
herbeigeeilten Dienstboten zu Hilfe kamen, bot das 
arme Kind einen schauerlichen Anblick dar: der 
ganze Körper nur Brust und Rüden ausgenommen, 
var mit Brandwunden bedeckt, beim Ausziehen der 
Fleider lösten sich ganze Fetzen von der Haut los. 
Unter den unsäglichsten Schmerzen gab das unglück⸗ 
liche Geschöpf, das ein bildschönes Mädchen war, 
heute Nacht seinen Geist auf. 
F Der „Bad. Losb.“ erhielt aus Rastatt 
folgende Zuschrift: „MNenschenfreundliche 
militärische Behandlun g.“ In Rastatt 
waren vom 15.- 27. April Reservisten und Land⸗ 
wehrmänner der Artillerie zur Uebung eingezogen. 
Der Major begrüßte nach Einkleidung derselben die 
Soldaten mit folgenden Worten; „Die meisten 
von Euch sehen aus wie Ferkel und nicht wie Sol⸗ 
daten!“ Dieser Begrüßung stand der Lieutenan 
Weiß mit ebenso gewählten Ausdrücken, wie Schaaf, 
Kameel, Esel ꝛtc. schneidig zur Seite. Nicht allein 
die gewöhnlichen Ausdrücke zwingen uns, diese 
Zeilen dem Publikum zu übergeben, sondern auch 
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