ungreift. Das ist denn der Zweck. Die fortschritt—
liche Presse ist damit ganz einverstanden. Denn
das ist ihr mit jenen Bebelianern gemeinsam, daß
die Macht der Regierung gebrochen werden muß.
wenn es besser werden soll. Darüber vergessen denn
die Fortschrittler, daß bei den Rothen alle andern
nur eine einzige reakltionäre Masse sind, welche Po—
litik sie auch treiben mögen.
Ausland.
Aus New⸗NYork wird berichtet: Wie in Eu—
ropa, so ist auch in Amerika die Geschäfts—
lage so gedrückt, daß in allen großen Industrie⸗
Centren zahlreiche Arbeiter entlassen werden müssen.
Neu einwandernde Arbeiter haben daher die größte
Schwierigkeit, Beschäftigung zu erlangen und ist es
daher für mittellose Leule jetzt mehr als je rathsam,
nicht ohne vorheriges festes Engagement nach Ame⸗
rika zu gehen, da sie sonst leicht in das größte
Elend verfallen können. Von den 88,587 Ein⸗
wanderern, welche im März d. Is. in den Staaten
der Union eintrafen, sind noch die meisten dem
Handwerkerstande Angehörenden unbeschäftigt und
nur landwirthschaftliche Arbeiter, oder solche, welche
die Landwirthschaft verstehen und Mittel haben, sich
eine kleine Farim zu kaufen, haben einigermaßen
sichere Aussicht, ihre Lage zu verbessern.
Eokale und pfälzische Rachrichten.
*St. Ingbert, 9. Mai. In den letzten
Tagen sind wieder mehrere Personen von hier nach
Amerika ausgewandert. Noch selten war hier und
in der Umgegend die Auswanderungslust so groß,
wie in diesem Frühjahre. Ganze Familien mit off
zahlreicher Kinderschaar ergreifen den Wanderstab,
uͤm jenseits des Ozeans ihr Glück zu suchen
(Ueber die Geschäftslage in Amerika siehe Ar
sikel in Polit. Uebersicht ds. Bl.)
—* Der Bezirksverein deutscher Ingenieure
Pfalz· Saarbrücken hält am nächsten Sonntag eine
Versammlung im Café Seiter hier ab.
— Die Eröffnung der zweiten im Geschäfts⸗
jahre 1884 bei dem königl. Landgerichte Zweri⸗
brüscken abzuhaltenden Schwurgerichtsperiode wurde
auf Montag, den 16. Juni 1884 festgesetzt. Der
ge Oberlandesgerichtsrath Karl Osthelder wurde
zum Vorsitzenden und der K. Landgerichts⸗Direktor
Joseph Herfeldt zum Stellvertreter des Schwur⸗
gerichts Vorsitzenden ernannt.
Der biesjährige Verbandstag der 80 Ver⸗
eine zählenden Pfäl zischen Kampfgenossen⸗
schaft findet Sonntag, den 15. Juni in Winn⸗
weriter stau, verbunden mit dem zehnjährigen
Stifiungsfeste des dortigen Cantonal⸗Kriegerbereins
Zu Neuhofen tagt am 11. Mai der ca. 12 Vereine
Faͤhlende 28. Bezirk des sogeuannten „Deutschen
Kriegerbundes“ in Berlin, der im preußischen Landes⸗
verband ist, dessen Ausschußmitglieder vom preußi·
schen Ministerium ernannt, bezw. bestätigt werden
ind dem deßhalb nur wenige baherische Kriegervereine
angehören. In Bayern besteht der unter dem Pro⸗
tectorate Sr. Maj. des Köni g sSstehende, Veteranen⸗,
Krieger⸗ und Kampfgenossenbund', welchem die
Pfalzische Kampfgenossenschaft als geschlossenes Ganzes
angehört und welcher dem preußischen „Deutschen
seriegerbund“ nicht untergeordnet ist.
Lehrer Philipp Ullmer von Göclingen
wurde in den bleibenden Ruhestand versetzt. Der
isfraelitische Lehrer Moses Weil in Landau wurde
in den dauernden Ruhestand versetzt. Pensionirt
wurde der protestantische Lehrer Jakob Fränger
in Rolhselbetg.
Vermischtes.
4 Die Anmeldungen zur Theilnahme an der
Banuerweihe des „Baherischen Krieger⸗ und Kampf—
genossenbundes in München laufen sehr zahl⸗
Leich ein, so daß der Festzug eine kolossale Aus
dehnung gewinnen wird. Die meisten Gasthäuser
haben schon Bestellungen auf Quartier erhalten;
jo find in einem Hotel nicht weniger als 180
Betten belegt worden.
Ein theurer „Hausschlüssel“ ist ge—
wiß das Anwesen „zum goldenen Hausschlüssel“
in München, das kürzlich um 98,000 Mark ver—
kauft wurde.
4 Herr Bergrath Täglichsbeck zu Grube
Heinitz ist der St. Joh. Ztg. nach unter Beförderung
zum Ober⸗Bergrath vom dJ. Juni c. ab nach Hallt
dersetzt.
FMetz, 6. Mai. Ein Testament, welche⸗
von einem jüngst hier verstorbenen alten Herrn,
— —
dessen Frau schan mehrere Jahre todt ist, hinter—
lahen wurde, dürfte nach der „Fr. Ztg.“ zu eineu
langen Prozeß führen. Ein gewisser Mery ver—
machte, da er kinderlos war, seinen Erben sein
ganzes Vermögen, und zwar in der Weise, daß die
Erben seiner Frau die Moöbel und die Erben von
ihm das bare Geld erhalten sollten. Nach seinem
Tode wurde kein Geld gesunden und erachtete man
es nicht der Mühe werth, die Möbel zu behalten,
sondern ließ solche versteigern. U. a. erstand ein
Trödler einen alten Schrank um eine geringt
Summe. Als dieser denselben, des leichteren Trans—
portes wegen, abschlagen wollte, ergoß sich uder ihn
ein Goldregen, indem die oben im Schrauke ver⸗
borgenen Goldstücke auf ihn herabrollten. Der ver⸗
teigernde Gerichtsvollzieher nahm das Geld, welches
mehrere tausend Mart betragen soll, an sich und
zun liegen sich bereits die beiden Parteien in den
daacen, wem diese Summe gehören soll. Die
Frage ist unstreitig interessant und die Erben be—
‚auern natürlich lebhaft, die unscheinbaren Möbel
nicht behalten zu haben, da sie vermuthen, daß sich
in den andern Stücken auch noch Geld befunden habe.
F Ueber einen von deutschen Offizieren
unternommenen Distanzritt wird der „N. B.“ fol⸗
Jjendes mitgetheilt: Am Sonnabend vor Ostern
ritten 8 preußische Kavallerie-Offiziere von ihren
Barnison, sehr nahe an der französischen Grenze in
Lothringen gelegen, über Zabern, Bischweiler, pas⸗
irten den Rhein bei Drusenheim, üder Baden-Baden
nach Gernsbach, wo sie die Racht blieben. An
diesem Tage hatten sie 105 Kilometer, gleich 12*4
Meilen zurückgelegt. Sonntag um sechs Uhr früt
erfolgte der Abritt über Reichenthal nach Wildbad
iber den Schwarzwald, wo öfters der Weg so
teinig und steil war, daß die Reiter absteigen und
die Pferde führen mußten. Dann ging es weiter
iber Hirschau, Weil die Stadt, Magstadt nach
Stuntgart, wo sie Abends 8 Uhr rintrafen. Die
Pferde wurden in dortiger Kaserne untergebracht
und sehr gut verpflegt. Die Offiziere nahmen lich
der Reiter auf die kameradschaftlichste und liebens⸗
wücdigste Art und Weise au. An diesem Tage
wurden 96 Kilometer, also in zwei Tagen über
200 zurückgelegt. Der Montag war Ruhetag, der
zur Besich igung der Sehenswürdigkeiten Stuttgarts
denutzt wurde. Am 4. Tage früh 7 Uhr wurde
dann wieder abgeritten unter Begleitung vieler
württembergischer Ulanen-Offiztere bis Vaihingen
iber Böblingen, Herrenberg und Freudenstadt, wo
die Herren um halb 5 Uhr eintrafen und Quartier
nachten. Es wurden 82 Kilometer zurückgelegt
Um folgenden Tage brach man um s6 Uhr auf,
assirie den Knibis, wo wieder die Pferde vielfach
gefuührt werden mußten und ritt über Appenweier,
dehl nach Straßburg, wo die Herren von den Ojfi⸗
ieren des 15. Ulanen-Regiments eingeholt wurden.
Am Donnerstag wurde fruh 7 Uhr aogeritten über
Wasselnheim nech der Garnison zurück, 78 Kilom.
Die Pferde hatten sich auf dieser bedeutenden Tour
cecht gut bewährt, waren frisch geblieben, hatten
teis gut gefressen, nur die Hufeisen waren sehr
tark abgelaufen.
Der „Bad. Losb.“ schreibt aus Karlsruhe,
3. Mai: Es ist nicht das erste Mal, daß wir —
eider, müssen wir hinzufügen — Gelegenheit haben,
uns über die Rohheit militärischer Vorgesetzter zu
veklagen. Die Landwehr und die Reservisten waren
in verflossener Woche zu Schießübungen nach Hagenau
eingezogen. Der Herr Major Welder vom 10.
Regiment der Fuß⸗Artillerie beliebte die „Land—
wehrleute und Reservisten“ des Morgens mit der
Anrede: „verfluchte Hornochsen, könnt Ihr nicht in
die Richtung gehen!“ zu begrüßen. Wir enthalten
—D
üben. — Weiter koönstatiren wir, daß am Tag vor
der Entlassung der eingezogenen Mannschaften.
denselben die Ueberzüge von den Britschen ge—
nommen wurden, so daß dieselben sich mit dem
Ztrohsack und der einfachen Decke begnügen mußten
Auch diese PRaßregel, die wir wie die obige Be—
zrußungsformel durch Zeugen erhärten können, kriti⸗
iääct sich selbst — wir bdrauchen also kein Wor!
hinzuzufügen, hier genügt lediglich die Konstatirung
der Thatsache.
In Darmstadt am großherzoglichen Hoft
hat es eine Familienüberraschung gegeben, über
welche die „National⸗Zeitung“ also berichtet: „Der
Großherzog von Hessen hat sich am 39. v. Mts
zierselbst mit Alexandrine v. Kalemine in morga—
iatischer Ehe verbunden. Die Erwählte des Groß
herzogs ist am 18. November 1853 als Tochte
des Grafen Adam v. Hutten-Czapski, tangerig
russischen Kammerherrn, geboren; sie verheirathet
sich am 21. Februar 1873 mit dem kaiserlig
russischen Kammerjunker, Collegienrath und Bo
schaftssekretär Alexander v. Kalemine, welcher da
russischen Gesandtschaft in Darmstadt zugetheilt ge.
wesen und dieselbe auch eine Zeit lang als Minisier
refident geleitet hat; die Lösung dieser Ehe ist eif
vor etlichen Monaten erfolgt. Das Gerücht vo
einer derartigen Absicht des Großherzogs war scho
eit längerer Zeit verbreitet. Gereift ist der Ens—
chluß erst nach der wiederholten Verwerfung da
englischen Bill, welche die Verheirathung eine
Wittwers mit der Schwester der verstorbenen Frau
gestatten sollte. Bis dorthin hatte man als fest
stehende Thatsache ansehen dürfen, der Großzherzo
werde sich mit der jüngsten Tochter der Königi—
don England, Beatrice, verheirathen. Der Akt de
Eheschliezung fand am 80., bald nach der kirch
ichen Trauung der Prinzessin Victoria, im Geheime—
Statt.“
F Wiesbaden, 7. Mai. In unserer Stad
hat man gar keine Ahnung davon, daß wir an
einem Vulkan uns befinden. Gegenwärtig tag
dahier die Vorkonferenz der europäischen Großmächt
nus deren Schooß Krieg oder Frieden für unser
ontinent hervorgehen dürfte. Die ehemaligen un
seutigen Koryphäen der pfälzischen Volksparte
ämlich die Herren Adolf Kröber-München, sowi—
die Herren Ph. Rohr, Karl Hohle und Adan
Wagner-⸗Kaiserslautern sollen sich hier befinden, un
über die wichtigsten Fragen der Gegenwart sich zu
besprechen. Jedenfalls gehen diese Besprechungei
nicht über die Grenzen von Pourparlers hinaus
und theile ich Ihnen dies mit, damit nicht etwe
von anderer Seite gleich wieder über „geheime Ver
bindungen und Verschwörungen, über Störung dei
europäischen Friedens und Gleichgewichts, oder ga
üder Vorbereitungen zu Dynamiterbrechen, wi
z. B. zur Sprengung des Reichstagsgebäudes und
Niederwalddenkmals ꝛc.“ falsche Mittheilungen w
die Oeffentlichkeit gelangen. Die meisten der Herten
kehren morgen wieder in ihre Heimath zurück.
Unterm 5. ds. wird aus Dortmund ge
meldet! Auf der benachbarten Zeche „Fürst Har
denberg“, auf welcher erst vor nicht langer Zei
21 Bergleute durch das Herunterstürzen des Förder
korbes ums Leben kamen, hat sich heute früh halb
7 Uhr wieder ein gräßlicher Unglüczsfall
ereignet. Die Förderung zur Morgenschicht, welch—
gewöhnlich um 5 Uhr ihren Anfang nimmt, beganr
heute erst um halb 7 Uhr. Bei dieser Gelegenhei
riß plötzlich die unterlaufende Kett⸗
des südlichen Korbes und schlug mit solchet
Wucht auf den zweiten Korb, daß die Decke de
oberen Etage durchbrochen wurde und von den zehn
in dieser sich befindenden Insassen vier sofort
zgetödtet wurden. Auberdem sind fünf Berg
——
Bergleute, welche sich in der unteren Etage de⸗
zertrummerten Korbes befanden, sind unverletzt ge
blieben. Die Verstümmelungen sind gräßlich. Ar
einem Todten fehlte der Kopf, zwei sind gärzlid
—R
— aufrecht in der Ecke des Korbes. Bei genauen
Nachsehen war jedoch auch dieser todt, indem der
dinterkopf vollsiändig gespalten war. Bis auf einen
der Aermsten waren sammiliche Getödtete unverhei
rathet. Einer der Verunglückten, ein Steiger, hatt
sich erst gestern verlobt. Man behauptet daß die
zetissene Kette erst gestern, Sonntag aufgelegt und
hatentirt sein soll. Es steht also zu hoffen, doß
die Ursache des schrecklichen Unglücks ermittelt wer
den wird; allerdings ein schwaächer Trost für die
Augehörigen der verunglückten Bergleute.
F Aus dem Eisenacher Oberlandenb
Mai. Ein sehr beklagenswerther Unglücksfall mach
eit gestern diel von sich reden und findet die al
semeinste Theilnahme. In dem Dorfe Gehaus be
Vacha wurden am Sonntag drei Mädchen im Alte
„om 6—s8 Jahren vermißt und nach langem ber
zeblichen Suchen gestern Vormittag in einer Scheurt
dehenden großen Kiste erstickt borgefunden. Di
Kinder, welche zwei Wittwen angehörten, hatten in
der Scheune gespielt und waren dabei auch in die
leerstehende Kiste gestiegen. Der Deckel derselben
fiel aber zu und ziar so, daß die armen Kinde
jn nicht heben konnten und dann wohrscheinlit
unter schrecklichen Qualen erstickt find. Die Theil⸗
name für die armen Mütter ist allgemein.
Berlin, 7. Mai. Ehnen schredlichen
fand gestern Abend gegen 7 Uhr der beim Buf⸗