Full text: St. Ingberter Anzeiger

lohner R Röhre recht voll mit Pulver und ver⸗ 
reute sie gehörig. Bei dem Abfeuern zersprang die 
goͤhre und zerschmetterte dem Feuerwerker beide 
heine, wotan er leider gestorben ist. 
Die Jäger'schen Haarduft⸗Speisen.) 
herr Dr. Gustav Jäger fühlt sich nunmehr veran⸗ 
auͤßt, über die neuerfundenen, nach Art der hombo⸗ 
palhischen Mittel bezeichneten „Anthropin⸗Kügelchen,“ 
balche in dem Menu der Menschheit küuftig eine 
o gtoße Rolle spielen sollen, einige Aufschlüsse zu 
Anheilen. Er konstatirt, daß er durch eine ganze 
Reihe von „Thatsachen“ zu dem Verfahren geführt 
worden sei: „den in den Haaren des Menschen 
enthaltenen individuellen Geruch durch Zerreiben mit 
Milchzucker zu gewinnen und in geeigneter Potenz 
in Form von Streukugelchen zu verwenden“. Wie 
diese „Thatsachen“ aussehen, mögen folgende Bei⸗ 
spiele hweisen: Erste „Thatsache“: „Die massen⸗ 
haften therapeutischen Erfolge meines Woll-Regimes 
jeigten auf's unwiderleglichste, daß von dem Träger 
H färdter Wolltleidung in die Kleidung eine in⸗ 
dibiduell · eigenthümliche, von dem Erzeuger als Wohl⸗ 
geruch und Heilpotenz leicht erkennbare Substanz 
bergeht, also eine Art von Selbstarznei: eine 
Thaisache, die auch in dem uralten Volksgebrauch 
petragene Wollstücke, besonders Wollstrumpfe, zu 
Heilzwecken zu verwenden, ihre praktische Bestätig⸗ 
ung findet. Mein erster Schritt zur innerlichen 
Anwendung war die Verwendung getragener Wolle 
dAs Tampon in hohle, schmerzendel Zähne. ins Ohr, 
und bei Diarrhͤen und wurden dabei promte Er— 
folge erzielt. Zweite „Thatsache: Beim Volke 
werden jetzt noch verschiedene Körperausscheidungen, 
B. Speigel, als Selbstarznei, und zwar mit 
hromptem Erfolg, namentiich bei Verwundung, 
Schwindsucht und Augenleiden, sowie als Kosmeti⸗ 
qGun verwendet; ferner heilen die Säugethiere durch 
Heleckung der schwersten Wunden.“ Nach Aufzähl- 
ung einiger ähnlicher Beobachtungen bemerkt Herr 
dr. Jäger: Unter den obigen Thatsachen war die 
ersse für mich die bekannteste, deßhalb kam ich dazu, 
die Selbstarznei nicht an den Orten, wo sie das 
Nittelalter und das Volk sucht, zu nehmen, sondern 
qus der eigenen Wolle, d. h. den Haaren, zumal 
da dies auch der appetitlichsie Ort ist (111). Ueber 
den in der Oeffentlichkeit erhobenen Vorwurf der 
duappetitlichteit bemerke ich: unappetitlich ist nur 
das Uebelriechende, und durch genügende Verdün⸗ 
aung wird älles Uebelriechende wohlriechend. Ein 
haar in einem Teller Suppe kann man unappetitlich 
dennen, aber wer den Bodensee ungappetitlich findet, 
venn ein Haar hineingefallen ist (so weit ist der 
haarduft an den Pillen verdünnt), zählt nicht zu 
den Vecständigen, an die ich mich wende, und mag 
hei den ekelhaften Arzneien der gewöhnlichen Aerzte 
dehen bleiben. — In Geschmackssachen gibt es be⸗ 
anntlich keinen Streit. Wer den „Haarduft“ ap⸗ 
petitlich findet, möge sich die nach der Jäger'schen 
Methode zubereiteten Speisen wohl bekommen lassen. 
f Frankfurt, 10. Mai In einem Local⸗ 
hlatt des Rheingaues heißt es wörtlich: „Aus 
kiwille. Ein braves, ehrliches Dienstmädchen zu 
Frankfurt, welches sich in den ersten Tagen mit 
dem hier wohnenden V. Sch, aus Kiedrich verehe⸗ 
lichen wollte und in Folge dessen ihre ganze Aus 
daffirung: Möbel, Betten, Bettzeug ꝛc., dierher 
schickte, die derselbe jedoch sümmtlich verkaufte und 
nach. Amerika auswanderte, ersucht Diejenigen 
w.lche ihr Hochzeitskleid von Sch. angekauft haben, 
iht dasselbe doch gegen den Ankaufspreis zurückzu— 
geben. Naheres durch die Expedition d Bl. 
f Kassel, 12. Mai. Im Kohlenbergwerke 
bei Helsa (MNiederhessen) wurden durch schlagende 
Wetter mehrere Arbeiter getödtet. 
d J Ein hochherziger Bürger der Stadt Leipzig, 
de kürzlich verstorbene Buchhändler Karl Tauch— 
nß hat allen edeldenkenden M.nschen gezeigt, 
z viele von ihnen, sei es im Großen, sei es im 
ucen zur Lösung der sozialen Frage beisteuern 
9* en. Der edele Tauchnitz hat nach Abzug 
— für seine Verwandten, Freunde und 
de sein ganzes mehr als vier Millionen 
— Vermögen der Stadt Leipzig 
de pimpungen vermacht. die den Verewigten 
dn eihe der desten Menschen stellen. Die drei 
aingangen lauten, daß die Zinsen der gewaltigen 
*5 nur für wohlthätige Zwecke verwandt 
— daß der zehnte Theil der Ziusen 
* ert Jahre lang zum Kapitol geschlagen 
*— muß und daß das Vermächtnis und die 
— d einmal den Namen Tau anitz tragen 
rmißt aug diesen Bestimmungden ischon 
sofort jedermann die Seelengröße des Verstorbenen, 
so haben doch die meisten keine richtige Vorstellung, 
vas der verewigte Tauchnitz für eine Weisheit 
zurch die Bestimmung offenbart hat, daß der zehnte 
Theil der Zinsen seines Vermächtnisfses zweihundert 
Jahre lang zum Kapital geschlagen werden soll. 
Dadurch wächst das Kapital auf mehr als eine 
Milliarde und bringt jährlich mindestens 40 Milli— 
dnen Zinsen. Nimmt man nun auch an, daß sich 
die Einwohnerschaft Leipzigs in zweihundert Jahren 
derdierfache und der Werth des Geldes um 50 
Prozent sinke, so bleibt trotzzem der Stadtgemeinde 
deipzigs aus der Tauchnitzstiftung eine solch be— 
dentende Geldquelle, daß sie warscheinlich die Be— 
dürfnisse aller Wohlthätigteits- und Wohlfahrtszwecke 
decken wird und die späteren Generationen der 
keipziger Bürgerschaft nur noch für Verschönerungen, 
ttünste und Wissenschaften Steuern zu zahlen brauchen. 
Was würden danach reiche und wohlhabende Leute, 
deren es doch in allen Orten giebt, für die Lösung 
der sozialen Frage nicht alles zu thun vermögen, 
venn sie sich an dem großen Wohlthäter Tauchnitz 
ein Beispiel nehmen würden. 
F Eine eigenthümliche Art zu tödten, 
vählte in der Nacht vom 5. zum 6. d. Mts. ein 
Berliner Kaufmann, welcher mit seinem Bruder in 
»er Wallstraße ein Engrosgeschäft betrieb. Derselbe 
itt seit dem Tode seines dritten Bruders an Schwer⸗ 
nuth und trug sich seit längerer Zeit schon mit 
Selbstmordgedanten. Er kaufte sich ein Terzerol 
ind legte es in seinem Comptoir auf den Visch. 
Zich zu erschießen mochte er aber nicht für sicher 
jenug halten, deßhalb hatte er sich eine große, blaue 
Düte über den Kopf gezogen, sodann einen Gum— 
nischlaug von der Gasleitung eingeführt und be— 
estigt und sich sodann nach Oeffnen des Gashahnes 
durch Einathmen von Leuchtgas getödtet. 
F Aus Schlesien. Die „Schles. Ztg.“ 
jatte in einem Gesundheitsbericht von dem Hall 
iner Uebertragung des Scharlachfiebers durch einen 
Brief Mittheilung gemacht. Zum Erweise der Möz— 
ichkeit einer solchen Uebertragung schreibt ihr der 
„iabsarzt Dr. Aßmann in Wohlau folgendes: 
„Ende März d. J. erhielt eine hiesige Offiziers— 
Familie aus Danzig von Verwandten eine vriefliche 
Zenachrichtigung, daß die Kinder der letzteren an 
Scharlach erkrankt wären. Der jüngste Knabe der 
senannten Familie erhielt den Umschlag des Briefes 
um Spielen. Nach sechs bis sieben Tagen erkrankte 
herselbe am Scharlach, später erkrankten in Zwischen— 
äumen von 14 Tagen bis 3 Wochen noch zwei 
geschwister. Die Uebertragung durch den erwähn⸗ 
en Brief gewinnt deßhalb an Wahrscheinlichkeit, 
ils am hiesigen Orte und in nächster Umgegend 
seit fünf bis sechs Wochen kein Fall von Scharlach⸗ 
iebet vorgekommen war und weder die Familien— 
zlieder serbost, noch auch die Hausgenossen mit Schar— 
achktranten zusammen gekommen waren. Alle drei 
Erkrankungen hatten einen milden Charakter.“ 
F In dem vorpommer'schen Orte Swantow 
oll, wie dem Rüg n'schen Kreisblatt mitgetheill 
vird, eine Petroleumquelle entdeckt sein. 
Zeit länger als vierzehn Tagen sprudelt die Quelle 
inunterbrochen mit immer verstärkter Kraft aus 
»er Erde hervor, und zwar auf dem der Kirche 
zu Swantow gehörigen Grund und Boden. Der 
Abfluß der Quelle ergiekßt sich in einen vor dem 
Dorfe gelegenen kleinen Teich, der an der Oder— 
läche schon derart mit Petroleum bedeckt ist, daß 
die Leute dasselbe abschöpfen und zum Brennen be— 
iutzen, woraus hervorgeht, daß sich dasselbe in 
inem ziemlich reinen Zustande befinden muß. Die 
Quelle sol einen Petroleumgehalt von üb⸗r 50 
Ct. enthalten. 
Originelle Schuldeintreibung.) 
derr Georg Ch... Schneidermeister in der 
uneren Stadt Wien, hatte durch volle zwei Jahre 
bei einem Praterwirth eine Forderung von 31 fl. 
nusständig, die er trotz wiederholter Mahnung nicht 
rlaugen konnte. Des Mahnens und Wartens 
ibderdrüssig, schicke Herr Che.. .. an einem der 
etzten Abende seine sämmtlichen Gesellen — ach 
Mann hoch — in das Gasthaus seines Schuldnere 
nit dem Auftrage, dort nach Herzenslust zu zechen 
vas auch wirklich geschah. Neost einer Menge von 
-zpeisen wucden auch nicht weniger als 82 Krüget 
„Pus“ verschlungen. Der Wirth hatte eine un— 
bändige Freude, au einem ganz gewöhnlichen und 
noch dazu so regnerischen Tage, an dem sich keine 
—AD 
zu machen und rieb sich schmunzelnd die Hände 
daß es seinen Gästen so ausnehmend aut schmecke 
Als die Zeche gemacht war, präsentirte der Altge— 
elle unter feierlichem Ernste aller Betheiligten aus 
einer Brieftasche — die saldirte Rechnung seines 
Meisters, und ehe sich der Wirth über diese uner⸗ 
vartete und jedenfalls originelle Schuldeintreibung 
recht fassen konnte, verließen die wackeren Ritter 
yon der Nadel im Gänsemarsch das Local. 
F Paris. Frau Busce, die Gattin des 
zeichsten Metzgermeisters, eiue junge, schöne Frau 
ind glückliche Mutter, hat ihrem Leben auf grauen— 
jafte Weise ein Ende gemacht. Sie verschluckte 
rämlich den Inhalt ihres Arbeitstischchens, bestehend 
uus mehr als 50 verschiedenen Nadeln, die bei ihrer 
Wanderung durch den Körper die Unglückliche 
zeradezu entsetzlich leiden machten; erst nach 24 
fualvollen Stunden sarb die Unglückliche. In 
hren Qualen rief die Frau unaufhörlich ihrem 
Manne und den herbeigeeilten Knechten zu: „Ihr 
jabt so viele Messer, stoßet mir nur eines in die 
Brust.“ Das Motiv der That ist unbekannt. 
F Man unterhielt sich jüngst in einem Pariser 
Salon über die von einem Wittwer mit der 
Schwester seiner verstorbenen Frau geschlossene Ehe. 
„Ist denn eine solche Ehe nach dem codeé civil er⸗ 
aubt?“ fragte eine Dame. „Gewiß ist sie es,“ 
ecwiderte ein alter Richter, „und zwar in Folge 
der direkten Jatervention Napoleons 1J. Der be— 
reffende Gesetzartikel gab Anlaß zu langwierigen 
dontroversen. Die Streitfrage wurde dem Kaiser 
interbreitet und dieser erklärte: „Was meiner 
Ansicht nach vornehmlich zu Gunsten dieses Artikels 
pricht, st, daß ein Wittwer, wenn er sich wieder 
erheirathet, in der Regel sich der Gefahr ausgesetzt 
ieht, zwei Schwiegermütter zu haben, währeud im 
Falle der Heirath mit seiner Schwägerin er nur eine 
esitzt, und das ist, dächte ich, reichlich genug!“ 
F Triest, 7. Mai. Bei der heutigen Maien⸗ 
Undacht in der Antoniuskirche geriethen durch Zu⸗ 
'all die Altarblumen in Brand. Als die Flammen 
olötzlich emporschlugen, bemächtigte sich des in sehr 
eträchtlicher Zahl anwesenden Publikums eine furcht⸗ 
»are Panik. Ein schrecklicher Aufschrei ging durch 
den Raum, Frauen wurden ohnmächtig und die 
Beenge flüchtete in wahnwitziger Angst zu den Aus— 
zängen, wo ein unbeschreibliches Gedränge entstand. 
Es sind sehr schwere Verletzungen vorgekommen, 
denn mehrere Frauen, die zu Boden gesunken waren, 
varen von den Nachdrängenden schier zertreten 
vorden, und viele haben an den Ausgängen Schaden 
genommen. 
F Rovigo, 10. Mai. Bei Cerea sind zwei 
Fisenbahnzüge zusammengestoßen, wobei 19 Mili— 
ärpersonen und eine Civilperson verwundet wurden. 
F (Schlechte Geschäftslage in Eng-⸗ 
and.) Die allgemeine Geschäftslage in England 
st, einem zusammenfassenden englischen Berichte 
zufolge, traurig. Fall alle Industriezweige liegen 
darnieder, und Tausende von Arbeitern sind 
»hne Beschäftigung. Am meisten wohl die Schiff⸗ 
sauer, von denen in North- und South-Shields 
etwa 15,000, an der Tyne 10,000 und in Sun⸗ 
derland eine gleiche Anzahl ohneBeschäftigung sind; 
iuch an der Elyde sind die Schiffewerften sämmtlich 
ex. Zahlreiche Eisenwerke stehen ebeufalls still, 
ind wo noch Arbeit vorhauden ist, suchen die Ar— 
eitgeber, den Ueberschuß an unbeschäftigten Arbeitern 
zenutzend, die Löhne zu reduziren, welche Tendenz 
ich überhaupt in fast allen Geschäflszweigen bemerk— 
uch macht, so daß Streiks überall an der Tages⸗ 
xdnung sind. In Sunderland streiken die Ma— 
chinendauer seit 10 Monaten, in den Clydesdale 
Works haben etwa 600 Eisen⸗ und Statlarbeiter 
vegen Lohnherabsetzung Streik gemacht, in London 
treiken die Schuhmacher, in Newport und Preston 
die Maurer, in Nottingham die Weber, kurz in 
iast allen Industriezweigen wechseln Stagnation und 
Streils mit einander ab. In Kidderminster neigt 
ich nach wochenlangem Kampf der Streik der Tep⸗ 
dichmacher zwar seinem Ende zu, da die Fabrikan⸗ 
en bedeutende Konzessionen gemacht haben, doch 
ürchten die Arbeiter, daß diese Konzessionen beir 
erster Gelegenheit wieder zurückgenommen werden. 
In den Kohlenminen sind die Arbeiterverhältnisse 
tbenfalls sehr unbefriedigend; durch das Stillstehen 
'o vieler Fabriken ist die Nachfrage nach Kohlen 
ehr beschränkt, und die Eigenthümer suchen ihre 
Berluste durch VLohn⸗Reduktionen wenigstens theil— 
weise zu decken, was seitens der Arbeiter wieder 
mit Streiks beantwortet wird. Auch die Schifffahrt 
iiegt sehr darnieder, und die Rheder sind gezwungen. 
Frachten zu solch mäßigen Preisen anzunehmen, das 
hon einem Gewinn aar nicht mehr die Rede seaß