Full text: St. Ingberter Anzeiger

Papierabfälle u. s. w. waren den betreffenden 
Eouperts wieder beigesteckt. Es erhellt hieraus, 
daß die Diebe bei Licht ihre Auswahl getroffen 
haben und Alles, was nur Verräther werden konnte, 
wieder im den Briefbeutel schafften. 
Pirmasens, 14. Januar. Heutt Abend 
wurden 2 Arbeiter verhaftet, die des verübten Post⸗ 
diebstahls sehr verdächtig sind. (P. Anz.) 
gaiserslautern, 11. Januar. Die 
Kommission des Gewerbevereins⸗Verbandes hat heute 
Nachmittag ihre erste Sitzung im neuen Jahre der 
Frage der Arbeiter-Kolonie für die Pfalz 
gewidmet. Die Bedürfnißfrage wurde, dem Verneh— 
men nach, einmüthig bejaht, so daß also 
jedenfalls der diesjährige Verbandstag Gelegenheit 
erhalten wird, der Frage praktisch nahe zu treten. 
Speyer, 12. Jan. Heute gegen Abend 
hat sich Gerichtsvollzieher⸗Kandidat Fischer der⸗ 
zeitiger Amtsverweser des k. Gerichtsvollziehers Hrn. 
Keller, im Wartesaale der Rheinbahnstation eine 
Rebolverkugel durch den Kopf gejagt und war so⸗ 
fort eine Leiche. Motive der unseligen That sind 
bis jetzt unbekannt. 
In der Nacht von Sonntag auf Montag 
wurde bei einer Rauferei in Frankenthal 
ein Maler Josef Dichtel aus Regensburg dort in 
Arbeit stehend, derart verletzt, daß er in's Spital 
gebracht werden mußte und an seinem Aufkommen 
gezweifelt wird. Die Thäter konnten bis jetz! 
noch nicht ermittelt werden, da der Verwundete 
der 11 Stiche bekommen haben soll, außer Stande 
ist, zu sprechen. 
Es wird gemeldet, daß Münchener und 
Augsburger Groß⸗Actionäre der Pfälzischen 
Bahnen in der nächsten Generalversammlung die 
Verstaatlichung dieser Bahnen beantragen wollen, 
nachdem bereils im vorigen Herbst die Verstaatlich⸗ 
ung im Landiage angeregt worden ist. Die Pfäl⸗ 
zischen Bahnen genießen bekanntlich bis Ende 1904 
eine Staalsgarantie für die Actien von 9 pCt 
für die Ludwigsbahn, 5314 pCt. für die Maximilians. 
bahn und von 4 pCt. für die Nordbahnen. Vom 
Jahre 1905 an hat der Staat ein Rückkaufsrecht, 
das sich nach den garantirten Dividenden resp. nach 
den etwa gezahlten Superdividenden berechnet. Ein 
eigentlicher Grund zur Verstaatlichung liegt somil 
weder fuͤr die Actionäre noch für den Staat vor— 
und es bleiht darum fraglich, ob derselbe geneigt 
fein würde, diesbezüglichen Wünschen Einzelner 
Folge zu geben. 
— 
Vermischtes. 
München, 183. Januar. Der Polizeibe— 
bericht bringt in lakonischer Kürze die Meldung über 
folgendes haarstraubende Verbrechen: „Gestern wurde 
ein vierzehnjähriger Schlosserssohn verhaftet, welcher 
Tags zuvor seine Mutter zu erdrosseln versucht 
hatie.“ Wir haben wegen vorgerücter Zeit hier⸗ 
uüͤber keine näheren Nachrichten mehr einziehen können 
Die „N. N.“ in München sind ermächtigt, 
zu erklären, daß die Nachricht, welcher zufolge ein 
ehemaliger Gefängnißwärter (GBerger) dortselbst in 
der Weil'schen Gantsache sein Vermögen verloren 
und nun um eine subalterne Anstellung nachgesucht 
habe, erfunden ist. 
7 Das fünfzigjährige Dienstjubi— 
lhäum werden im Laufe des Jahres 1884 nach- 
berzeichnete Offiziere des deutschen Heeres begehen, 
nämlich: in der bayerischen Armee General der 
Infanterie v. Orff, kommandirender General des 
2. Armeekorps, am 18. August und Oberst z. D. 
Reuß, Kommandeur des Landwehrbezirks Regens- 
burg, am 29. Juni, in der preußischen Armee die 
Generale von Schwerin und von Maßow und in 
sächsischen Armee General von Fabrice, Kriegs⸗ 
minister. 
Zwei Knaben aus München im Alter von 
14 und 14 Jahren, die ihren Eltern mit einer 
Kleinigleit von 2000 Mark durchgebrannt waren, 
wurden auf dem Bahnhofe in Hof von der Gen⸗ 
darmerie abgefaßt und in Vewahrung genommen. 
—.In Sulzbach a. Main kam jüngst der 
Fall vor, daß ein dortiger Eiawohner, welchem 
wegen eines Halsübels ein Gurgelwasser ärztlich 
verschrieben worden war, dasselbe — statt sich damit 
zu gurgein — einnahm. Die Folge daun war, 
daß die ätzenden Bestandtheile desselben den als⸗ 
baldigen Tod des Patienten herbeiführten. 
F Neunkirchen, 12. Januar. Heute Nach⸗ 
mittag geriet auf dem hiesigen Bahnhofe der Weichen⸗ 
steller Jakob Kannegießer von hier beim Rangieren 
so unglücklich zwischen die Puffer zweier Wagen, 
daß er sofort eine Leiche war. Derselbe war ein 
allgemein beliebter, pflichttreuer Beamter und hinter⸗ 
läßt eine Witwe nebst 2 unversorgten Kindern. 
(S.⸗ u. Bl.⸗Ztg.) 
F Karlsruhe, 12. Januar. Dem Verneh— 
men der „B. L.“ nach wird der großh. Oberstaats 
inwalt, der die Anklage gegen Dr. Herz vertrat, 
zegen den freisprechenden Spruch der Anwaltskammer 
die Berufung an den Ehrengerichtshof in Leipzig 
ausführen. 
7 Stutigart, 12. Januar. Nach einern 
unfreiwillig in Haft verbrachten Nacht wurden beide 
Reisende entlassen. Das aus Wien eingetroffen 
Signalement erwies sich als nicht zutreffend und 
ttellte somit die Schuldlosigkeit der beiden Personen 
jeraus. Der Eine ist ein Franzose, der Andere aus 
der französischen Schweiz. Veide kamen aus Ru— 
mänien Sie setzten heute ihre Reise fort. 
F In Köln scheint wirklich die Unsicherheit 
in rapidem Zunehmen begriffen zu sein. Am Diens— 
tag fand eine Frau bei ihrer Rückkehr vom Markl 
die Kommode erbrochen und Geld und verschiedene 
Werthgegenstände aus derselben gestohlen. Sich 
weiter im Zimmer umsehend, gewahrte sie einen 
derl mit einem langen Messer under dem Sopha 
liegend. Auf ihr Hülferufen eilten die übrigen 
dausbewohner herzu, ergriffen den unter dem Sopha 
ljegenden Kerl und zogen ihn aus seinem Verstech 
hervor. Derselbe hielt in der That ein langes 
Messer in der Hand, welches ihm zugleich mit 
einem Hammer und einem großen Bund Dietrichen 
abgenommen wurde. Der gefährliche, etwa 19jährige 
Bursche wurde verhaftet. — In Deutz trat ein 
junger Mensch in einen Laden, zog eine Pistole 
aus der Tasche und hielt sie der allein anwesenden 
Verkäuferin mit den Worten: „Fünfundsiebenzig 
Pfennige oder Blut!“ entgegen. Als in demselben 
Augenblick eine Fran von der Straße in das Ge— 
chaftslokal trat, ergriff der Unbekannte die Flucht 
ind entkam. 
F In Köln fand am Montag im Dom die 
Trauung von fünf Brautpaaren statt, von welchen 
die Bräute arme unbescholtene Dienstmädchen waren. 
An diesen Akt knüpft sich ein erwähnenswerther 
Zug von Wohlthätigkeitssinn: Die Witwe Syhertz, 
während ihrer Lebzeit nichts weniger als wohlthätig 
gerühmt, hatte in ihrem Testamente die Stiftung 
vorgesehen, daß alljährlich am Tage nach dem 
Dreikönigenfeste (im Dome als Hauptfest gefeiert) 
fünf brave, als fleißig nnd strebsam bekannte weib⸗ 
liche Dienstpersonen, welche zu heirathen beabsich 
tigten, als Aussteuer je 300 Mk. erhalten haben 
FGDer resolute Pferdebahnschim— 
mel.) Ein Delikateßwaarenhändler im Westen 
Berlins besitzt einen großen Leonberger, der ein 
entschiedener Gegner der Pferdebaha ist. Der Köter 
gibt dieser Antipathie gegen den Tramway stets 
dadurch Ausdruck, daß er jedem Pferdebahnwagen 
mit lautem Gekläff entgegenläuft, sobald das 
lingeln derselben ihm entgegentösnt. So kommt 
denn kürzlich wieder ein Pferdebahnwagen in Freund 
Neros Bereich und wie gewohnt, wird er auch dies— 
mal mit dem üblichen „Raisonnement“ empfangen. 
Vor dem Wagen trabten munter zwei Schimmel, 
zon denen der eine Neros Gekläff schon längst mit 
ersichtlichem Mißbehagen aufgenommen hat. Der 
dund merkte das in seinem Eifer jedoch nicht, 
ondern kläfft unbeirrt weiter. Da reißt dem 
Schimmel die Geduld. Er paßt einen günstigen 
Moment ab, packt den zudringlichen Raisonneur 
zlötzlich im Genick, zieht ihn wüthend hoch und 
chleudert ihn so heftig nach rückwärts. daß er noch 
inen gehörigen Stoß von dem Waggon davonträgt. 
Das alles war zwar das Werk des bekannten Augen⸗ 
hlicks, aber für Nero von außerordentlichen Folgen. 
deulend und geschunden, suchte dieser zunüchst den 
daden seines Besitzers auf und lange Zeit währte, 
28, ehe er sich von seinem Schreck und von den 
Schmerzen erholt hatte. Und hört Nero jetzt den 
ersten Ton der Glocke eines herankommenden Wa— 
zens, so rennt er nicht mehr kläffend nach der 
Straße, sondern retiriert nach dem äußersten Winkel 
des Hofes; so gründlich hat er sich die empfangene 
Lehre eingeprägt. 
F Ein großes Mißgeschickhat einen jungen 
Berliner Künstler betroffen. Er hatte mit Aus-⸗ 
zeichnung die Akademie als Bildhauer verlassen, 
war aber arm und dachte durch einen großen 
Wurf seinem Elend ein Crde zu machen und 
zugleich seinen Ruf zu begründen. Das Werk, 
das er in Angriff genommen, war eine Riesen⸗ 
gruppe, Mazeppa darstellend. Schon nahte 
iich das Werl der Vollendung. Majestätisch und 
schön zugleich stellte es sich dem Auge dar, da 
türzte es vor einigen Tagen in sich zusammen, 
'odaß Alles vom eigenen Gewicht in Stüde ging. 
Daͤslag das Werk zweier mühevoller Jahre mit⸗ 
sammt seinen wohlberechtigten Hoffnungen. Der 
Künstler stand wie an seinem eigenen Grabe und 
vergebens suchten Professor Schaper und seine 
Freunde ihn aufzurichten. Das beste was man dem 
nun doppelt armen Künstler wünschen kann, ist 
daß sein Muth ungebrochen aus diesem Schiffbruch 
herborgehe. 
7 Die soziale Bedeutung des Bege— 
tariusmüs, so lautete das Thema, über welches 
am Dienstag Abend Litterat Klein im Restaurant 
Teichert zu Berlin sprach, und zu welchem sich ein 
sehr zahlreiches, aus Damen und Herren bestehen— 
des Auditorium eingefunden hatte. Redner bemerkte 
zu seinem Thema ungefähr folgendes: Wo wir 
auch immer unser soziales Leben betrachten mögen, 
überall herrscht Noth und Elend, überall macht sich ein 
Gährungsprozeß der schlimmsten Art gellend. Partei⸗ 
kämpfe und wilde Leidenschaften wüthen im kommuna— 
len Leben; das Familienleben ist zum größten Theil 
zerrüttet und zerstört. — Und wie steht es infolge unse⸗ 
rer sozialen Verhältnisse mit dem einzelnen Indivi⸗ 
dum? Statt ein Alter von 150 Jahren zu erreichen, 
welches ungefähr einer richtigen physischen und 
moralischen Lebensweise entspräche, erlangt es heute 
durchschnittlich nicht das Alter von 40 Jahren. 
Nachdem Redner das „soziale Elend“ in einer 
längeren Rede ausführlich geschildert, ging er dazu 
über, den Vegetarismus als das einfachste Mittel 
zur Lösung der sozialen Frage zu empfehlen. Der 
Vegetarier sei imstande, sich zehnmal billiger zu er—⸗ 
nähren, als der Fleischesser. Indem er für seine 
Nahrung täglich nur wenige Pfennige braucht, ist 
er in die Lage gesetzt, billiger zu arbeiten und noch 
einen Theil seines Erwerbes für seine geistige Aus— 
bildung zurückzulegen. Dazu kommt noch, daß 
Vegetarier ernste Krankheiten fast gar nicht kennen. 
Sie streben nach Licht und Luft, schlafen stets, selbft 
im Winter, bei geöffnetem Fenster, und kleiden sich 
auf möglichst rationelle Weise. Dadurch ferner, daß 
der Vegetarismus sich selbst des Fleischgenusses und 
der Spirituosen enthält, wirkt er veredelnd auf die 
Menschheit ein. Der Vegetarismus erstickt jede 
Leidenschaft; bei ihm gibt es keine Schnapstrinker 
und keine Todtschläger; eine innere Zufriedenheit 
— 
Zlückseligkeit kennt nur der Vegetarier. Redner 
prach den Wunsch,aus, daß das ideale Streben der 
Vegetarier immer mehr Anerkennung finden möge. 
Aus Schlesien, wird der „Voss. Ztg.“ 
jeschrieben: Aus dem Leobschützer Kreise wird eine 
Wiederholung des Falls Rotenhan gemeldet. Ein 
Bemeindevorsteher des Kreises hat, wie der „Oberschl. 
Anzeiger berichtet, ein siebzehnjähriges Mädchen aus 
dem Torfe, das geäußert hatte: „Was geht mich 
der Gemeindevorsteher an? Der hat mir gar nichts 
zu befehlen!“ in seiner Wohnung mit Hieben auf 
den nackten Leib züchtigen lassen. Das „Schles. 
Morgenblatt“ witzelt, der Fall werde wohl durch 
den Rechtsanwalt Kaufmann in Berlin aufgeklärt 
werden, und meint, es sei wohl zu begreifen, wenn 
der Gemeindevorsteher solcher Berleagnung seiner 
Autorität gegenüber nicht kaltes Blut behalten könne. 
Daß der Gemeindevorsteher Fuhrmann bei der An⸗ 
rede des Barons von Ohlen mit „Ihr“, worin er 
auch einen Augriff auf seine Autorität sah, sein 
kaltes Blut nicht bewahrt hat, hatten die konserva⸗ 
tiven Blätter nicht so begreiflich gefunden. 
(GUnglückin einer Menagerie.) Zu— 
schauer einer entseßlichen Scene waren am Sonntag 
die Besucher der Jung'schen Menagerie in Star—⸗ 
zard. Die zehnjährige Tochter des Tischlers 
Schulz hatte sich dem Bärentäfig zu weit genähert 
und wurde von einem Tazzenschlage einer der Bestien 
auf den Kopf fürchterlich zugerichte. Zwar war 
Hilfe gleich zur Stelle, aber sie kam dennoch zu 
pät. Die Kopfhaut des Kindes war von der 
Stirn bis zum Hinterhaupte losgerissen, das linke 
Ohr, das Auge, die Nase und Wange und der 
Mund zeigten die entstellendsten Verletzungen, und 
aus einer 2/2 Zoll langen Wunde an dem einen 
Handgelenk floß das Blut. 
F Wien, 12. Januar. Der Mädchenmoͤrder 
Schenk wurde Nachts eines fünften Mädchenmordes 
überführt. Schenk hat gemeinsam mit seinem Kom— 
plicen Schlossarek das Stubenmädchen Roso Ferenczhe 
nachdem er ihm 800 Gulden unter Heirathsder—